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Der Wächter rief die elfte Stund',
Still war's auf dem ganzen Erdenrund,
'Ne helle, klare Mondennacht
Lag überm Dorf in milder Pracht.
Da saß im klemm Kämmerlein
Maria traurig und allein
Und schaute auf den Kirchhof 'nüber,
Und immer ward das Auge trüber.
Da liegt ihr Wilhelm in sanfter Ruh,
Und kühle Erde deckt ihn zu.
Sie hatten sich so herzlich lieb; –
Das Glück sie aus einander trieb.
Er kam als Förster hier ins Ort,
Da rief's ihn früh zur Heimath fort,
Und wo er still den Abschied gab,
Umschloß ihn bald ein grünes Grab;
Sie flochten ihm die Todtenkron',
Der dritte Herbst verwelkte schon. –
Als sie das Thränenwort vernahm,
Verblühte sie in stillem Gram.
Drauf faßte sie den Wanderstab
Und pilgerte zu seinem Grab,
Und kniend an der heil'gen Stelle,
Floß ihrer Liebe Thränenquelle. –
Der alte Amtmann sah den Schmerz
Und sprach ihr Trost ins wunde Herz
Und linderte der Sehnsucht Gram,
Die Weinende zur Tochter nahm,
Damit sie zu dem theuren Grabe
Nicht mehr die weite Reise habe.
Und wie ein guter Engel war
Sie jedem Unglück immerdar;
Wo es nur Hilfe, Rettung hieß,
Sie sich nicht lange bitten ließ,
Und wo sie Noth und Jammer sah,
War sie auch ungerufen da.
So saß sie jetzt einsam im Haus
Und starrte in die Nacht hinaus
Und dachte an vergangne Zeit,
An Thränenlust und Thränenleid.
Da pocht' es leise an die Thür;
Des Nachbars Ehweib trat herfür
Und rief: »Erbarmt Euch unsrer Noth!
»Die Schwester liegt mir auf den Tod,
»Sie kann nicht aus dem Leben gehen,
»Wenn sie Euch nicht nochmal gesehen.
»O, helft ihr bald und helft ihr gleich!
»Der große Gott vergelt' es Euch,
»Der jeden Thränengang belohnt!«
Maria, schon des Rufs gewohnt,
Mit sanfter Engelstimme sprach:
»Geht nur voraus, ich folge nach!«
Sie zündet die Laterne an,
Ein wärmer Tuch wird umgethan,
Das Hausthor sorgsam zugeschlossen;
Drauf geht sie freudig und entschlossen
In wunderbarer Seelenruh
Der nahen Bauerhütte zu.
Sie tritt hinein. – Die Kranke lag
Im letzten Todeskampf und sprach:
»Ach Gott, ach Gott, so kommt Ihr doch!
»Helft mir, helft mir, Ihr könnt es noch!
»Da lieg' ich nun in Todesqual,
»Mich dürstet nach dem Abendmahl –
»Dann will ich gern in Frieden sterben,
»Sonst gehe ich in mein Verderben!« – –
Drauf Jene, schnell zum Küster gewandt,
Der in der Ecke betend stand:
»Was wehrt Ihr ihr das Himmelsbrod
»In ihrer letzten Todesnoth?
»Der Priester ist im fernen Ort;
»Euch kommt es zu, nach Christi Wort,
»Ihr dürft mit ungeweihten Händen
»In solcher Noth das Leben spenden!« –
Und Dieser spricht: – »Auch thät' ich's hier,
»Doch Kelch und Hostie fehlen mir.« –
»Wo sind sie?« – »Noch im Gotteshaus.« –
»So eilt Euch doch, hier ist's bald aus!« –
Er aber rief: »Zu dieser Zeit
»Bringt keine Macht der Christenheit
»Mich in das Gotteshaus hinein.« –
Da heult die Frau in Todespein:
»Ach Gott, ach Gott! ich soll verderben,
»Soll ohne meinen Heiland sterben!«
Und Jene sprach: – »'s ist Eure Pflicht,
»Ihr müßt!« – »Ich soll, das weigr' ich nicht;
»Ich weiß, daß ich den Dienst verletzt,
»Wird's kund, ich werde abgesetzt;
»Und dennoch schwör' ich's hoch und hehr:
»Mich bringt kein Mensch zur Kirche mehr!« –
Und in der höchsten letzten Noth
Kämpfte die Kranke mit dem Tod
Und ächzte schwer und ächzte tief
Und immer nach dem Heiland rief.
Da schlug es durch Mariens Brust
Mit schauerlicher Geisterlust,
Und zu dem Küster schnell gewandt:
»Wolan, ich steh' in Gottes Hand –
»Gebt mir die Schlüssel, ich will gehn;
»So kann ich sie nicht sterben sehn.« –
Der Küster erst nicht gehorchen will;
Doch sie bleibt fest und wandert still;
Vom Segen der Sterbenden begleitet,
Sie betend nach der Kirche schreitet. –
Noch liegt die klare Mondennacht
Ueber dem Dorf in milder Pracht;
's ist still wie auf dem Todtenplan. –
So kommt sie bei dem Kirchhof an;
Ein leises Beben weht ihr zu.
Da liegen sie in Schlummers Ruh,
Das müde Haupt auf weichem Pfühl;
Da liegt auch Wilhelm sanft und kühl;
Und Wehmuth faßt den Thränenquell.
Doch rafft sie sich zusammen schnell
Und wandert still zur Kirchenmauer.
Da faßt sie doch ein stiller Schauer,
Und auf die Knie sinkt sie hin
Und betet mit bewegtem Sinn.
Der Muth kommt wieder ins scheue Herz,
Sie blickt begeistert himmelwärts,
Denkt, wie der Kranken Thräne floß,
Und dreht den Schlüssel in das Schloß.
Noch geht das alte Schloß nicht auf,
Sie drückt mit beiden Händen draus;
Da hört sie in der Kirche Hallen
Schaudernd etwas zu Boden fallen, –
Drauf bleibt es still. – Sie zittert sehr
Und horcht und horcht; – nichts rührt sich mehr
Da saßt sie Muth, sie fühlt sich rein,
Und tritt ins Gotteshaus hinein
Und leuchtet mit gefaßtem Sinn
Und sicherm Blick zur Schwelle hin
Und sieht bei der Laterne Glanz
Am Boden einen – Todtenkranz;
Er riß durch ihrer Hände Stoß
Vom Nagel an der Thüre los.
Sie hebt ihn auf und liest das Band,
Worauf des Todten Name stand,
Und sinkt, als sie die Schrift gelesen; –
's ist Wilhelm's Todtenkranz gewesen! –
Da schlägt die Uhr die zwölfte Stund'.
Sie rafft sich auf; mit bleichem Mund
Spricht sie ein frommes Wort im Stillen,
Hängt erst, die Pflicht treu zu erfüllen,
Den Todtenkranz an den alten Ort;
Drauf wandert sie zum Altar fort,
Ergreift den Kelch, ergreift das Brod,
Und geht. – In ihrer letzten Noth
Lag schon das Weib, als Jene kam.
Der Küster stand erfreut. – Er nahm
Das Brod und brach's: »Geh' ein zum Frieden!
»Gott ist versöhnt!« – Drauf ist das Weib verschieden. –