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Siebzehntes Kapitel.

Die Menagerie an Bord. – Ochsen. – Schweine. – Tauben. – Alligatoren. – Der Waschbär. – Hühner. – Enten. – »Der Tiger ist los!« – »Herr Koptein, he hett mich biten!« – Im Hafen von Habana. – Die Stadt. – Vorbereitungen zu Kaisers Geburtstag. – Die Feier. – Festgottesdienst. – Festrede. – Kaisersalut. – Illumination. – Bordfestlichkeiten. – Exerzieren im Hafen. – Aufbringen der Marsstengen. – Habana-Zigarren. – Eine geschichtliche Erinnerung von 1870. – Der Kampf zwischen »Meteor« und »Bouvet«. – Der siegreiche »Meteor«.


Je länger die »Moltke« sich in den fremden Gewässern aufhielt, um so umfangreicher wurde ihre »Menagerie«, das heißt die Zahl der Tiere an Bord. Schon auf den Azoren hatte die »Moltke« lebende Ochsen übernommen, um sie unterwegs zu schlachten. Jetzt befanden sich Schweine an Bord, welche, wie immer, der Mannschaft das größte Vergnügen bereiteten. Der sogenannte »Tierbändiger«, das heißt der Matrose, der die Aufsicht über den Schweinestall führte und für die Fütterung und Pflege der Tiere zu sorgen hatte, konnte seine Schützlinge kaum gegen das Interesse, das die anderen Matrosen an ihnen nahmen, verteidigen. Schweine sind wegen ihrer drolligen Kapriolen bei den Matrosen sehr beliebt und jeder einzelne Mann möchte am liebsten selbst täglich das Schweinchen reinigen und so schön wie möglich herausstaffieren. Der Name »Jakob« für das Schwein ist an Bord üblich, und wenn das Borstentier endlich geschlachtet wird, herrscht große Trauer um den Verlust dieses eigenartigen Spielkameraden.

An Bord gab es weiter auch graue und grüne Papageien, Zwergpapageien, Kanarien und sonstige Tropenvögelchen. Es gab in einem besonderen Taubenschlag weiße Tauben, für deren Fütterung und Pflege sich der Zahlmeister besonders interessierte, drei kleine Hunde, die Offizieren gehörten, zwei junge Alligatoren, die in einem vergitterten Kasten gehalten wurden und der Deckoffiziersmesse gehörten, einen Waschbären, der an der Kette lag und der Mannschaft in New-Orleans geschenkt worden war, und einige Affen, die in Käfigen gehalten wurden. Alle diese Tiere zusammen bildeten eine wirkliche Menagerie, in welcher leider der Tod starke Ernte hielt. Die zarten Vögel, die empfindlichen Affen überstehen gewöhnlich die Seereise nicht. Besonders aber, wenn das Schiff aus der heißen in die gemäßigte Zone übertritt und die Ankunft im Heimatshafen im Frühjahr erfolgt, gehen die Tiere rettungslos zugrunde.

Es gibt Schiffskommandanten, welche überhaupt nicht dulden, daß lebendes »Viehzeug« an Bord kommt, und die Gründe, die sie anführen, sind durchaus stichhaltige. Die Anschaffung der Tiere verursacht den Matrosen und Maaten große Kosten. Selbst da, wo Papageien und Affen »wild wachsen«, sind sie nicht billig, und kosten 7 bis 20 Mark. Die Tiere bringen sehr viel Ungeziefer an Bord, das sich schließlich auf die Menschen überträgt. Durch die Papageien entsteht sogar eine fieberartige Krankheit, welche den wissenschaftlichen Namen »Papageien-Krankheit« führt. Die Tiere verursachen große Unreinlichkeit an Bord, und schließlich wird die Aufmerksamkeit der Matrosen durch die Tiere vom Dienst abgelenkt. Die aus dem Oberdeck in Käfigen oder an Ketten untergebrachten Tiere versperren die Passage, sind bei den Segelmanövern im Wege und verbreiten zeitweise einen pestilenzialischen Geruch.

Auf Schulschiffen macht man ja im Interesse der Schiffsjungen und Kadetten eine Ausnahme, bis sich die Käufer von Papageien und Affen durch die traurigen Folgen in der Praxis davon überzeugen, daß es Geld hinauswerfen heißt, wenn man sich derartige Tiere anschafft. Andererseits ist die große Vorliebe unserer deutschen Seeleute für lebende Tiere nur ein markanter Zug des deutschen Volkscharakters, den wir an Land überall wiederfinden. Nicht nur durch seine Vorliebe für lebende Tiere, sondern auch durch das selbstlose Interesse, das der Deutsche an ihnen nimmt, unterscheidet er sich wohltuend von dem Romanen, der durch seine Grausamkeit gegen alle Tiere bekannt ist und das Tier nur nach dem praktischen Nutzen, den es ihm bringt, bewertet.

Nicht zehn Prozent von den Tieren sind lebend nach Kiel gekommen. Auch von den Alligatoren ging einer ein, und nur der Waschbär zeigte eine zähe Lebenskraft, obgleich er alles fraß, was in seinen Bereich kam, einmal sogar ein Stück Seife, das er mit Behagen verspeiste und das ihm nicht die geringsten Beschwerden verursachte.

Zeitweise wurden an Bord auch Hühner und Enten gehalten, und es war üblich, wenn »Rein Schiff« gemacht wurde, die Tiere dann aus den Käfigen herauszulassen, um ihnen die sehr notwendige Freiheit zu gewähren. Hühner leiden stark unter der Seekrankheit. Müssen sie beständig im Käfig sitzen, so schwellen ihnen die Beine an, gleichzeitig magern die Tiere derartig ab, daß es sich nicht einmal mehr lohnt, sie zu kochen oder zu braten. Die Enten dagegen befinden sich mordswohl, besonders, wenn sie an den Tagen, wo »Rein Schiff« gemacht wird, Gelegenheit finden, einmal ordentlich im Wasser zu pantschen.

Der Waschbär wurde bei der Ankunft in Kiel einem Zoologischen Garten geschenkt, wie man denn überhaupt in Zoologischen Gärten öfter Tiere findet, die Geschenke von Schiffsbesatzungen oder einzelnen Offizieren sind, welche aus dem Auslande kamen und die Tiere glücklich über die lange Seereise hinwegbrachten.

Kapitän von Holleben erzählt eine wunderbare Szene, die sich auf einem Kriegsschiff abspielte, das in seiner Deckmenagerie einen Tiger beherbergte.

»In einer andern Nacht vernahm ich folgende Geschichte, die von einem Mecklenburger Matrosen im allerbesten Plattdeutsch vorgetragen wurde, und welche davon zeugt, wie harmlos der Mensch mit der Zeit von wilden Tieren denkt, wenn man viel damit umgeht. Haben wir doch auch an Bord der »Gazelle« einen Tiger mit einer Dogge großgezogen, der später das Prachtstück des Berliner Zoologischen Gartens geworden ist, ohne daß man das Tier je anders, als wie einen Hund behandelte; fanden wir doch ein andermal vor der Tür eines deutschen Afrikareisenden in einem Hotel in Kairo einen jungen Löwen liegen, haben unsere Leute doch oft japanische Bären, so wie sie an Bord kamen, aus ihren Käfigen gelassen, wobei sie sich bis aus einige wenige Unarten stets manierlich benommen haben! Ähnliches erzählte auch jener Mecklenburger, nur war das Tier, um das es sich handelte, nicht mehr jung, sondern ein ziemlich ausgewachsener Tiger aus Indien, den man im oberen Zwischendeck eines Dampfers in einem vergitterten Käfig wohl verwahrte. Kommt da ein Matrose mit schlotternden Knien auf die Brücke gewankt und meldet dem Wachthabenden:

›Herr Leutnant, der Tiger ist los!‹

›So – verdammte Geschichte! Einfangen das Beest!‹ sagt indes der Leutnant, und der Matrose zieht ab.

›Wie?‹ sagt der Kommandant, ›was ist verdammt?‹

›Ich melde, daß der Tiger los ist,‹ berichtet der Leutnant.

›Hm,‹ macht der Kommandant, ›der Bootsmann soll kommen!‹

Der Bootsmann erscheint und lüftet die Mütze.

›Herr Koptein!‹

›Der Tiger ist los, Bootsmann, – gehn Sie runter, fangen Sie ihn wieder ein!‹

Der Bootsmann zaudert – dreht sich dann um und marschiert langsam nach vorn.

›Dunnerja!‹ denkt er, ›Hammels gripen: ja – allenfalls – aber Tigers gripen, det hev ick nich lernt!‹ Aber es muß nun mal sein, und bald naht er wieder von vorn, mit vier verwogenen Gesellen, mit einigen Stricken bewaffnet, welche hinuntergehen wollen, den Tiger zu ›gripen‹. Das Luk wird aufgemacht, und sie steigen sachte, der Bootsmann voraus, nach unten.

Alles ruhig – der Kommandant und der Leutnant denken gar nicht mehr an den Tiger und den Bootsmann – da plötzlich furchtbares Geschrei, ein Kopf erscheint an Deck – ein schreckensbleiches Gesicht, den Mund weit aufgerissen, schreit ein Matrose, während er vergebens weiter nach oben ampelt:

›Herr Koptein, he hett mich biten – he hett mich an die Büchs!‹

›Au – au – die Kornalje – he will mich freten!‹ schreit schon wieder ein anderer, aber keiner kommt mehr nach oben.

Mit einem Satz ist der Leutnant von der Brücke und steht jetzt mit hochgeschwungenem Kappbeil am Luck – da plötzlich läßt er das Beil fallen und lacht – und lacht, daß er sich halten muß. Alle fünf Helden sind auf der Treppe angekommen, die, halbdunkel, den Anblick nach unten erschwert. Jeder hat den andern hinten gefaßt und jeder ist der Überzeugung, daß ihn der Tiger gepackt hat, und er brüllt so toll, wie nur ein Gebissener brüllen kann, unterdessen der Tiger ruhig in seinem Käfig sitzt und die etwas undicht gewordenen Stäbe seines Zwingers wieder in Ordnung bringen läßt, nachdem sich die erste Furcht gelegt hatte. Der Bootsmann hatte sich, von Angst erfüllt, an den ersten angeklammert, und jene taten unwillkürlich dasselbe.« –

Nach glücklicher Fahrt langte die »Moltke« am Donnerstag, den 23. Januar 1900, im Hafen von Habana (sprich Awana, im Spanischen wird das b wie w ausgesprochen und h ist stumm wie im Französischen) an und ging vor der Stadt zu Anker. Durch eine Einfahrt von mehr als eineinhalb Kilometer Länge und ungefähr 380 Meter Breite gelangt man in den inneren Hafen, der sich in drei Buchten teilt. Das gelbliche Wasser, das goldfarbig aussieht, wenn es die Sonne bescheint, ist fast überall zehn Meter tief, so daß die größten Schiffe, insbesondere die Handelsdampfer, bis dicht an die Quais herangehen und dort ihre Ladung löschen können.

Es lagen noch einige fremdländische Kriegsschiffe im Hafen und mit diesen erfolgte die übliche Begrüßung durch Entsendung von Pikettoffizieren und durch den Salut. Die älteren Leute gingen sofort an Land, denn es galt die Vorbereitungen für den Geburtstag des Deutschen Kaisers zu treffen, der bekanntlich am 27. Januar gefeiert wird.

Offiziere, Maate und Matrosen, welche schon früher in Habana gewesen waren, behaupteten, die Stadt mache jetzt einen besseren Eindruck auf sie, als früher unter spanischer Herrschaft. Es scheint also die nordamerikanische Aufsicht, unter welcher jetzt die Insel Kuba und die Hauptstadt stehen, günstig eingewirkt zu haben. Die Straßen sahen sauberer aus, der Verkehr erschien geregelter und man vernahm auch, daß die Sicherheit bedeutend zugenommen habe. War es doch unter spanischer Herrschaft nichts Seltenes, daß am hellen, lichten Tage und in belebten Straßen Leute erdolcht oder in aller Geschwindigkeit niedergeschlagen und beraubt wurden.

Habana hat immer den Namen »die Perle von Westindien« geführt, aber seit der Herrschaft der Spanier, die von 1763 bis zu ihrer Niederlage durch Nordamerika in der jüngstvergangenen Zeit gedauert hat, ist auch die Insel Kuba und vor allem die Hauptstadt Habana, allmählich heruntergekommen. Die Lage Habanas als Handelshafen ist aber eine so günstige und glänzende, daß hoffentlich, nachdem die Amerikaner erst Ordnung geschafft haben, die Stadt wieder einen großen Aufschwung nehmen wird.

Die Stadt ist ungesund, obgleich für die Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse viel geschehen ist. Unter der spanischen Herrschaft wurden zum Beispiel alle Kloaken der Stadt in den Hafen geleitet, und dadurch wurde dieser derartig verpestet, daß die Schiffe, die vor Anker waren, nachts alle Luken, Pforten und Fenster schließen mußten, weil man es sonst vor dem entsetzlichen Gestank nicht aushielt. Jetzt, Ende Januar, betrug die Temperatur zwischen 18 und 20° C; man befand sich im tropischen Winter.

Die Altstadt von Habana ist unansehnlich. Sie ist der Hauptsitz des Verkehrs, aber die Häuser sind niedrig, die Straßen eng und schmutzig und die öffentlichen Gebäude ohne architektonische Schönheit, mit Ausnahme der im altspanischen Stil erbauten Kathedrale, in welcher von 1794 bis zur Übergabe Habanas an die Nordamerikaner die Gebeine des Kolumbus ruhten. Viel schöner sieht es in den Vorstädten aus, besonders in Colon. Hier findet man Villen, breite, mit Bäumen bepflanzte Straßen, anmutige Anlagen mit Denkmälern, Blumenbeeten und Springbrunnen.

Am Nachmittag des 26. Januar fuhren Pikettoffiziere von der »Moltke« an Land und zu den im Hafen liegenden fremden Kriegsschiffen, um ihnen mitzuteilen, daß die Besatzung der »Moltke« am nächsten Tage den Geburtstag des Deutschen Kaisers zu feiern gedenke. Die Pikettoffiziere baten um die Teilnahme der Schiffe und brachten für die Kommandanten sowie für die Spitzen der Behörden an Land eine Einladung zum Diner beim Kommandanten der »Moltke«. Es gehört zur internationalen Höflichkeit, daß derartige Einladungen zur Mitfeier ohne weiteres angenommen werden.

Am Morgen des 27. hatten die öffentlichen Gebäude von Habana die nordamerikanische Flagge geheißt. Die anderen Kriegsschiffe hatten die deutsche Flagge am Großtopp und die eigene Landesflagge im Vor- und Kreuztopp. Auf der »Moltke« wurden früh um acht Uhr bei der Flaggenparade Toppflaggen gesetzt. Es sind dies ganz besonders große Kriegsflaggen, die nur bei festlichen Gelegenheiten gebraucht werden. Die Toppflaggen setzte man im Vortopp, im Großtopp, im Kreuztopp und an der Gaffel des Besans. Außerdem hatte das Schiff über die Toppen geflaggt, das heißt sämtliche an Bord vorhandene Signalflaggen waren auf eine riesige Leine gezogen worden. Das Ende dieser Leine wurde mit Gewichten beschwert und in das Wasser gelassen, so daß die Flaggenreihe vom Wasserspiegel bis zum Bugspriet reichte. Vom Bugspriet wurde die Flaggenleine nach dem Vortopp und nach dem Groß- und Kreuztopp bis hinunter zum Heck und dort wieder mit Hilfe eines beschwerenden Gewichtes bis ins Wasser geleitet.

Für die »Moltke« galt an diesem Tage die Sonntags-Routine. Es war am Tage vorher sorgfältig »Rein Schiff« gemacht worden. Um ¾9 Uhr wurde Umziehen in weißen Parade-Anzug befohlen. Dann kam

»Musterung in Divisionen!«

Hierauf machte der Kapitän, wie dies Feiertags üblich ist, seinen Revisions-Rundgang durch das ganze Schiff. Gegen elf Uhr wurde die Schiffsglocke geläutet, um den Beginn des Festgottesdienstes anzuzeigen. Auf dem Achterdeck war durch Ausspannen von deutschen Flaggen ein abgegrenzter Raum hergestellt worden. Innerhalb desselben stand der Altar mit dem Kruzifix und den brennenden Lichtern. Die ganze Schiffsbesatzung in höchster Gala versammelte sich vor dem Achterdeck. Die Bänke aus der Batterie und im Zwischendeck waren herbeigetragen und nebst Stühlen für die Offiziere vor dem Achterdeck aufgestellt worden. Der Marinepfarrer hielt den Festgottesdienst, bei welchem die Musikkapelle mitwirkte und die Besatzung die Lieder sang. Mit Gesang, Gebet und Predigt wurde dieser Gottesdienst bis kurz nach ½12 Uhr in feierlicher Weise gehalten. Dann hieß es:

»Klar Deck!«

Die Bänke, Stühle, auch der Altar wurden beseitigt, bis ungefähr gegen ¾12 Uhr die ganze Mannschaft aufgepfiffen und

»Achteraus!«

befohlen wurde. Der Kapitän, umgeben vom Schiffsstab, stand auf dem Achterdeck mit der Uhr in der Hand, denn es galt, bei der jetzt stattfindenden Festfeier gleichzeitig mit den anderen Kriegsschiffen im Hafen zu handeln.

Dann hielt der Kommandant die Festrede, in der er auf die Bedeutung des Tages hinwies. Er beendete seine Rede in dem Augenblick, in dem die Schiffsglocke acht Glas zu schlagen anfing, das heißt, in dem es zwölf Uhr mittags war, und schloß mit einem dreifachen Hurra auf den Kaiser.

In dem Augenblick, in dem aus fast fünfhundert Kehlen dieses Hurra über die Wellen des Hafens von Habana dröhnte, setzten die Schiffsgeschütze mit dem Salut von dreiunddreißig Schuß zu Ehren des Deutschen Kaisers ein. Sobald aber die Geschütze der »Moltke« den ersten Schuß gefeuert hatten, fielen die Kanonen der anderen Kriegsschiffe ebenfalls mit dem Salut von dreiunddreißig Schuß ein. Der Hafen war voll Kanonendonner und Pulverrauch, und hundertfach warf das Echo von den Bergen, auf denen die alten Forts der Spanier lagen, den Donner des Saluts zurück.

Ein festliches Mittagessen, das sehr reichlich und gut sein konnte, weil man sich ja in einem Hafen befand, wurde der Mannschaft gewährt. Nachmittags fanden in den verschiedenen Messen großartige Diners und Festlichkeiten statt. Der deutsche Konsul mit seinen Angehörigen und eine Menge hervorragender Deutscher waren als Gäste in die Messen geladen. Abends erfolgte die festliche Beleuchtung des Schiffes mit elektrischem Licht. Um aber etwas ganz Besonderes zur Feier des Tages zu tun, hatten die Maschinisten aus mehr als tausend Glühlampen ein sechs Meter breites und drei Meter hohes »W« und eine ebenso hohe Kaiserkrone zwischen Fock- und Großmast befestigt, und weit hinaus und von den Bewohnern der Stadt stundenlang bewundert, leuchtete dieses riesige von einer Krone überragte W nach Einbruch der Dunkelheit.

Daß es am Abend und bis spät in die Nacht auf dem Schiffe sehr lustig zuging, weil man ausgiebig den Geburtstag des höchsten Kriegsherrn feierte, ist selbstverständlich; wird ja auch von der Landarmee der Geburtstag des Kaisers im ganzen Reich stets so festlich wie möglich begangen.

Am nächsten Tage begann wieder der Dienst in aller Strenge, und auf den fremden Kriegsschiffen schüttelte man den Kopf über den Eifer, mit dem auf dem deutschen Schiffe auch im Hafen stets der Dienst betrieben wurde. Besonders die Amerikaner und Russen stellen im Hafen den Dienst fast vollständig ein, beurlauben die Mannschaften und führen an Bord ein wahres Lotterleben.

Die Mannschaft der »Moltke« war jetzt vorzüglich ausgebildet. Morgens und abends beim Segelexerzieren bot die Besatzung des Schiffes den Zivilisten und der Besatzung der anderen Kriegsschiffe stets ein großartiges Schauspiel. Abends wurden die Marsstengen an Bord genommen und früh wurden sie exerziermäßig wieder aufgebracht. Die Hauptsache war aber, daß die Leute das Andeckbringen der Marsstengen in drei Minuten und das Wiederaufbringen und Befestigen in fünf Minuten ausführen mußten. Es sah geradezu zauberhaft aus, wenn die Mannschaften gleichmäßig wie Automaten aufenterten und in der staunenswert kurzen Zeit die schweren Marsstengen nicht nur hinaufzogen, sondern an ihre Plätze brachten und vorschriftsmäßig befestigten, dann rasch niederenterten und sich in scharf ausgerichteten Reihen an Deck wieder in Divisionen aufstellten. Vom Augenblick des Aufenterns bis zur Aufstellung an Deck durften nicht mehr als fünf Minuten vergehen, sonst wurde das ganze Manöver noch einmal gemacht.

Eine große Enttäuschung wurde denjenigen Mannschaften der »Moltke« zuteil, welche zum erstenmal nach Habana kamen und geglaubt hatten, nun einmal in echten Habana-Zigarren schwelgen zu können. Sie erfuhren, daß die besten Fabrikate von Habana gar nicht in der Stadt selbst zum Verkauf kämen, sondern sofort nach außerhalb verschickt würden, daß ferner infolge der Kriegswirren der letzten Jahre die Produktion des vortrefflichen Tabaks auf der Insel Kuba stark ab genommen habe, und die Enttäuschung wurde noch größer, als sie Habana-Zigarren, das Stück zu achtzig Pfennige, kauften, die in keiner Weise dem hohen Preise, der für sie bezahlt worden war, entsprachen.

Der Hafen von Habana hat aber für die deutsche Marine noch eine interessante historische Bedeutung, weil sich in seiner Nähe eine Episode abgespielt hat, welche eigentlich das einzige Ruhmesblatt im Kranze der neuen deutschen Flotte bildet. Ein einzigesmal hat die junge deutsche Flotte Gelegenheit gehabt, wenigstens eines ihrer Schiffe siegreich gegen ein feindliches Kriegsschiff zu sehen.

Die ganze französische Flotte blockierte bekanntlich eine Zeitlang nach Ausbruch des französischen Krieges von 1870 die deutschen Häfen. Da aber alle Schiffahrtszeichen weggenommen waren, wagten es die Franzosen doch nicht, so nahe an die Küste heranzukommen, um Hafenstädte zu bombardieren oder eine Landung zu versuchen. Nachdem die französische Flotte monatelang eine Blockade aufrecht erhalten hatte, welche zeitweise von deutschen Schiffen durchbrochen wurde und der Besatzung der französischen Flotte ungeheuerliche Strapazen auferlegte, verschwand sie aus den deutschen Gewässern, ohne auch nur das Geringste erreicht zu haben.

Am 7. November 1870 war das norddeutsche Kanonenboot erster Klasse »Meteor« in dem Hafen von Habana angelangt. Das Schiff hatte 62 Mann Besatzung, war mit drei Geschützen armiert und hatte einen Inhalt von 326 Tonnen. Kapitänleutnant Knorr, der jetzige Admiral, kommandierte das Schiff. An demselben Tage lief ein französisches Kriegsschiff »Bouvet« in den Hafen ein. Das Schiff war doppelt so groß wie der »Meteor«, hatte 80 Mann an Bord, sowie neun Geschütze, und seine Maschinen besaßen 150 Pferdekräfte, während das deutsche Boot nur eine Maschine von 80 Pferdekräften hatte.

Das internationale Abkommen duldet zwischen Schiffen von Nationen, die im Kriege liegen, keinerlei Feindseligkeiten in einem fremden Hafen. Verläßt einer der Gegner den Hafen, so darf ihm der andere, nach internationalem Seerecht, erst nach vierundzwanzig Stunden folgen. Auch darf ein Kampf nur in einer Entfernung von mehreren Meilen vom Hafen stattfinden, und sobald eines der Schiffe etwa in den Hafen zurückkehrt und die sogenannte Demarkationslinie passiert hat, darf es von dem anderen nicht mehr verfolgt oder beschossen werden.

Die Mannschaften des deutschen Schiffes »Meteor« brannten vor Begierde, sich mit den Franzosen im Kampfe zu messen, obgleich dieses Schiff einen doppelt bis dreifach so großen Gefechtswert hatte, als das kleine deutsche Kanonenboot. Um den Franzosen herauszufordern, begab sich der »Meteor« in See und wartete draußen auf den Feind. Dieser kam jedoch nicht heraus, da er eben durch das Gesetz daran verhindert war. Als aber nach einigen Stunden der »Meteor« wieder in den Hafen zurückkehrte, wußten nicht nur die Franzosen, sondern alle Schiffsbesatzungen im Hafen, sowie die Bewohner der Stadt, daß das Herausgehen des »Meteor« eine Herausforderung der Franzosen gewesen war.

Am nächsten Tage mittags um ein Uhr verließ aber nunmehr der »Bouvet« den Hafen und kreuzte draußen auf der Reede. Er erwartete das deutsche Schiff zum Zweikampfe. Der »Meteor« durfte erst am 9. November, mittags ein Uhr, genau nach vierundzwanzig Stunden, dem »Bouvet« folgen.

Man wußte, daß es draußen zu einem Kampfe auf Leben und Tod kommen würde, und tausende von Menschen zogen aus der Stadt Habana, mit Fernrohren bewaffnet, nach dem Strande, um dem Zweikampfe zwischen Deutschen und Franzosen beizuwohnen. Auch viele Deutsche, welche in Habana lebten, zogen klopfenden Herzens hinaus, um zu sehen, wie es ihren Landsleuten auf dem bedeutend kleineren Schiffe gehen würde.

Außerhalb des Hafens wurde auf dem »Meteor« »Klar Schiff!« geschlagen, obgleich man den französischen Aviso noch nicht sah. Nach einer halben Stunde aber kam der »Bouvet« von Norden her in Sicht, und der »Meteor« ging ihm mit Volldampf entgegen. Auf weite Entfernung eröffnete der »Bouvet« das Feuer gegen den »Meteor«. Der erste Schuß aus den Geschützen des Feindes, der, nebenbei bemerkt, zu kurz ging, wurde von der Mannschaft des »Meteor« mit lautem Hurra begrüßt. Erst gegen halb drei Uhr waren sich die Schiffe so nahe, daß man auf dem »Meteor« schießen konnte. Es wurden die Toppflaggen geheißt, und zehn Seemeilen weit von der Küste begann auf eine Entfernung zwischen 400 und 500 Meter ein lebhaftes Feuer, durch welches beide Schiffe beschädigt wurden. Plötzlich kam das feindliche Schiff mit vollem Dampf auf den »Meteor« zu. Es wollte seine größere Masse ausnützen, um den »Meteor« quer zu rammen und zum Sinken zu bringen. Durch ein geschicktes Manöver wich aber der »Meteor« aus. Dicht aneinander jagten die beiden Schiffe vorüber, so daß sie sich gegenseitig an der Takelage schwer beschädigten. Die Kanonen des »Meteor«, welche ausgerannt waren, wurden durch das vorüberjagende feindliche Schiff von den Lafetten gehoben und für einige Zeit unbrauchbar gemacht. Da die Franzosen auch gleichzeitig ein scharfes Gewehrfeuer auf die Besatzung des »Meteor« abgegeben hatten, gab es auf dem deutschen Schiffe mehrere schwer Verwundete. Das Schlimmste aber war, daß der »Bouvet« mit seinem Backbord-Kranbalken dem »Meteor« sämtliche Wanten an der einen Seite zerrissen und die Boote zertrümmert hatte. Gleichzeitig packte die Fockraa des Feindes die deutsche Fockraa, brach sie entzwei, knickte den Großmast, und als dieser stürzte, weil ihn die Wanten nicht mehr hielten, riß er auch den Besan-Mast mit sich und brach ihn auf eine Länge von acht Fuß über Deck ab.

Der »Meteor« war ein vollständiges Wrack, und hätte der französische Kommandant mehr Geistesgegenwart und Überlegung besessen, so hätte er im nächsten Augenblick den »Meteor« wirklich rammen und vernichten können. Er hatte aber wohl selbst mit seinen Havarien zu tun und war außerdem kein entschlossener Mann. So arbeitete man denn auf dem »Meteor« mit Aufbietung aller Kraft, um die Trümmer der Masten und Raaen mit dem über Bord hängenden Tauwerk los zu werden, weil man sonst nicht weiter fahren konnte. Gleichzeitig wurden in der Batterie die Geschütze wieder in Ordnung gebracht, und in erstaunlich kurzer Zeit konnte der »Meteor« wieder einen Schuß auf den »Bouvet« abgeben. Unmittelbar, nachdem die vierundzwanzigpfündige Granate den »Bouvet« getroffen hatte, drang aus seiner Seite zischend eine Dampfwolke. Die Granate hatte in den Kessel des Schiffes geschlagen, und die Maschine des »Bouvet« war mit einem Schlage unbrauchbar. Wenn jetzt der »Meteor« an den »Bouvet« herankam, konnte er ihn entern und das Schiff mitsamt der Besatzung gefangen nehmen. In dem Augenblick aber, in dem sich der »Meteor« in Bewegung setzte, um den »Bouvet« zu entern, kamen ihm die Reste der überhängenden Takelage in die Schraube und zwangen ihn, still liegen zu bleiben. Der »Bouvet« setzte Segel und entfloh auf den Hafen zu. Vergeblich jagte ihm der »Meteor« aus seinen Geschützen einige Granaten nach.

Holz- und Taureste wurden von der Schraube losgehauen und nach einer halben Stunde war die Maschine des »Meteor« wieder klar. Mit voller Kraft nahm er die Fahrt auf, um den »Bouvet« zu verfolgen, und immer näher kam er dem feindlichen Schiffe, das nicht besonders gut segelte. Noch eine Viertelstunde, und der »Bouvet« wäre verloren gewesen.

Doch bald fiel von dem spanischen Wachtschiffe ein Schuß, welcher anzeigte, daß der »Bouvet« die neutrale Zone erreicht hatte. Der »Meteor« durfte nicht mehr feuern und ging eine halbe Stunde später neben den Gegner im Hafen von Habana vor Anker.

Das kleine deutsche Schiff hatte gesiegt, und selbst die Spanier feierten den Heldenmut, den Kapitänleutnant Knorr mit seiner Mannschaft gegen das weit größere französische Schiff gezeigt hatte. Unter großer Teilnahme der Bewohner begrub der »Meteor« am nächsten Tage die Toten, die ihn das Gefecht gekostet hatte.


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