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Neuntes Kapitel.

Die Segelanweisung. – Die Azoren-Inseln. – Geschichte ihrer Entdeckung. – Eine briefliche Schilderung des Aufenthaltes auf den Inseln. – Ankerketten. – Anker. – Die Kettenkasten. – Die Betting. – Die Stopper. – Vorbereitung zum Ankern. – Ankermanöver. – Im Hafen von Funchal. – Geschichte der Insel Madeira. – Kurzer Aufenthalt.


Die Kadetten sind in ihrer Messe zum Schulunterricht versammelt, den ihnen der Navigationsoffizier erteilt. Die »Moltke« befindet sich in der Nähe der Azoren, und der Navigationsoffizier macht den Kadetten die nötigen Mitteilungen, damit sie orientiert sind über das Land, das sie in den nächsten Tagen betreten werden. Er benützt für seinen Vortrag die sogenannte »Segelanweisung«, das heißt ein Buch, welches Auskunft gibt über die Verhältnisse im Nordatlantischen Ozean.

»Das Buch« – sagt Admiral von Werner – »enthält alles das, was über denjenigen Teil der Meere bekannt geworden ist, welchen es behandelt. Es bietet dem Seefahrer die genauesten Mitteilungen über alle Häfen und Ankerplätze mit den für ihn wichtigen Angaben über Behörden, Handels-, Ausrüstungs- und Proviantartikel; über die Güte des Trinkwassers und wo man es findet; über den besten Ankerplatz; über die im Hafen herrschenden Strömungen und Winde; wann die Regen- und wann die trockene Zeit herrscht; wann und wie die regelmäßig wiederkehrenden Stürme einsetzen, wie dieselben sich ankündigen und welche Vorsichtsmaßregeln man gegen sie anwenden muß. Der Jäger findet sogar Angaben über jagdbares Wild, der Geschichtsfreund solche über die interessantesten Daten dieses Gebiets, und der Naturfreund manchen wertvollen Wink, wie er seinem Wissensdrang Genüge tun kann. In dem Buche sind alle Leuchttürme bezw. Leuchtfeuer und wichtigen Punkte an der Küste mit ihrer Höhe über der Meeresfläche beschrieben; ebenso ist genau angegeben, welche Vorsichtsmaßregeln man bei der Ansteuerung der Küsten und Häfen beobachten muß. Es gibt ein genaues Verzeichnis aller Klippen und Untiefen auf dem offenen Meer und ergänzt in jeder Weise die Seekarten; es macht uns mit den seit Jahrhunderten gewonnenen Erfahrungen bekannt, welche über Wind, Wetter, Meeresströmungen, sowie darüber gesammelt worden sind, in welchen Gebieten man zu bestimmten Zeiten auf Eisberge stoßen kann. Und hieraus sind dann die Seewege festgestellt, mit der gleichzeitigen Angabe, welche die schnellste Reise gewährleisten, die vielleicht die doppelte Seemeilenzahl ausweisen und unter Benützung konstanter Meeresströmungen und andauernd günstiger Winde doch erheblich schneller an das Ziel führen, als der kürzeste Weg dies tun würde. So wird beispielsweise ein Kriegsschiff, welches abwechselnd je nach den Umständen mit Segel- und Dampfkraft fährt, von Australien aus unter Benützung der auf hoher Südbreite wehenden starken Westwinde und der Passatwinde im Atlantischen Ozean, ostwärts um das Kap Horn segelnd, schneller England erreichen, als wenn es den sehr viel kürzeren Weg durch den Indischen Ozean, das Rote und das Mittelländische Meer nimmt.«

Die Kadetten erfuhren, daß die Azoren eine Gruppe von neun Inseln im Atlantischen Ozean, nordwestlich von Afrika und den Kanarischen Inseln sind. Diese neun Inseln sind: Fayal, Pico, San Jorge, Graciosa und Terceira; südöstlich davon liegen San Miguel und Santa Maria und nordwestlich von den erstgenannten Inseln Flores und Corvo. Die drei Gruppen der Inseln sind durch weite Zwischenräume bis 180 Kilometer getrennt. Im ganzen bilden die Azoren einen 630 Kilometer langen Zug in der Richtung Nordwest–Südost. Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs, es finden sich heute auf ihnen noch Vulkane, heiße Quellen und Höhlen, aus denen beständig Schwefeldämpfe aufsteigen. In den Jahren 1591, 1638, 1719 und 1841 fanden große Ausbrüche dieser Vulkane statt, und die Inseln sind heute noch mit Lava, Tuffsteinen, Bimssteinen und Schlacken bedeckt. Während dieser Ausbrüche sind auch kleinere Inseln für kurze Zeit aus dem Meere emporgestiegen, welche später wieder verschwanden. So zeigte sich 1811 bei San Miguel eine neue Insel, die Saprina genannt wurde, aber nach kurzer Zeit nicht mehr zu sehen war.

Die Oberfläche der Inseln zeigt auch deutlich den vulkanischen Charakter. Kegelförmige Berge bis zu 2300 Meter Höhe steigen empor. Die niedrigen Bergzüge sind durch tiefe Schluchten zerrissen, die Küsten steil und hoch und zum Teil unzugänglich. Die Inseln haben das denkbar schönste und gesündeste Klima. Mitten im Ozean gelegen und doch nicht allzuweit entfernt von dem afrikanischen und europäischen Kontinent, haben sie eine Temperatur, die zwischen 10 und 23 Grad Celsius sich bewegt. Die Luft ist überaus rein.

Die Eilande sind, nachdem sie sich durch vulkanische Kräfte aus dem Meere emporgehoben haben, jedenfalls von Europa aus mit Tieren und Pflanzen versehen worden. Fast alle europäischen Haustiere, Schafe, Ziegen, Schweine, alle Sorten Geflügel, ebenso die europäischen Vogelarten der Wälder und der Ebene sind auf den Inseln vertreten. Auch achtzig Prozent aller Pflanzen stammen aus Europa. Die Vegetation ist eine höchst üppige, da sehr viel Wasser vorhanden ist. Orangen, Wein, Farbpflanzen, Getreide, Hülsenfrüchte, Kaffee, Zuckerrohr, Bananen wachsen auf den Inseln.

Die Inselgruppe gehört zu Portugal, bildet aber keine Kolonie, sondern einen eigenen Verwaltungsbezirk. Die 300 000 Einwohner sind fast ausnahmslos portugiesischer Abkunft. Sie sind intelligent, ausdauernd, mäßig und sparsam, aber wenig gebildet, denn das Schulwesen liegt sehr im Argen.

Entdeckt wurden die Azoren 1431 von dem Portugiesen Cabral. Man nimmt aber an, daß schon die Karthager, die Araber und vielleicht auch die Normannen auf ihren Entdeckungsfahrten zur See diese Inseln kennen gelernt haben. Im 15. Jahrhundert hatten sich sehr viele flandrische Ansiedler auf den Inseln niedergelassen. Man nannte sie deshalb auch die vlämischen oder die flandrischen Inseln. Den Namen »Azoren« erhielt die Gruppe von den vielen Habichten ( açor portugiesisch der Habicht), welche die portugiesischen Entdecker bei ihrer Landung antrafen. Im Jahre 1580, als Portugal von Spanien erobert wurde, kamen auch die Inseln unter spanische Herrschaft. Nur Terceïra widersetzte sich hartnäckig den Spaniern und verteidigte sich gegen eine ganze Flotte, bis es im Jahre 1583 ebenfalls unterworfen wurde. 1640, nach der Befreiung Portugals vom spanischen Joche, wurden auch die Inseln wieder portugiesisch.

Die besten Häfen auf den Inseln sind Ponta Delgada, Angra und Horta. Von diesen drei Häfen aus wird ein lebhafter Handelsverkehr mit Portugal, England, Brasilien und den Vereinigten Staaten von Amerika unterhalten. Wegen der vortrefflichen und wohlfeilen Lebensmittel werden die Inseln von vielen Handelsschiffen und fast von allen Kriegsschiffen angelaufen.

Der nachfolgende Brief des Maschinisten-Maaten Seydel mag unseren jungen Lesern Kunde von dem Aufenthalt der »Moltke« bei den Azoren geben. Dieser Brief lautet:

»Liebe Eltern! Unsere Fahrt von Lissabon bis hierher war von schönstem Wetter begünstigt. Am 30. Juli langten wir wohlbehalten vor Santa Maria, der am östlichsten gelegenen Azoren-Insel, an und ankerten vor einer dorfähnlichen Ansiedlung. Als wir uns dem Lande näherten, umschwärmten weiße, schwalbenähnliche Vögel, fast so groß wie kleine Möwen, unser Schiff, und das Wasser des Ozeans war von herrlichster dunkelblauer Farbe. Schon am nächsten Tage fuhren wir nach der Insel San Miguel, vor deren Hauptstadt Ponta Delgada wir am 1. August vor Anker gingen und an zwei Bojen festmachten. Die Stadt, deren Häuser sehr eng aneinander gebaut sind, macht durch eine Anzahl von Kirchen einen ganz stattlichen Eindruck. Die eine dieser Kirchen, der Muttergottes geweiht, liegt hinter der Stadt auf einem Hügel, der an der Vorderseite, die dem Hafen zugewendet ist, so steil abfällt, daß er nur von der Rückseite her bestiegen werden kann. Man hat aber von dem Hügel aus einen herrlichen Rundblick über die Stadt, den Hafen und das Meer. Mit uns zugleich im Hafen lag ein portugiesischer Postdampfer, der Hamburger Dampfer »Lydia« und ein schwedisches Handelsschiff. Die weit ins Meer zum Schutze des Hafens hinausgebaute Mole von Ponta Delgada zeigte die Spuren der Zerstörung, welche die im Frühjahr tobenden Stürme hier angerichtet hatten. Riesige Felsblöcke, aus denen die Mole aufgebaut war, hatten die Wogen nicht nur auseinandergerissen, sondern auch auf weite Entfernungen fortgeschwemmt. Wir sahen zwei Taucher beschäftigt, welche auf den Grund des Meeres hinabstiegen, um die Blöcke, welche die Wogen weggeschleudert hatten, mit Ketten zu umschließen, damit sie mit Dampfkraft wieder geheißt und an ihren früheren Platz gebracht wurden. Seit Jahren müssen jedesmal nach den Frühjahrsstürmen die Zerstörungen an der Mole wieder ausgebessert werden. Auch der Leuchtturm, der mit seinem roten Licht die Einfahrt zum Hafen bezeichnet, ist schon dreimal von den Wogen umgerissen worden, und sein Sturz hat jedesmal Menschenleben gekostet.

Vierzehn Tage lagen wir in dem schönen Hafen von Ponta Delgada und ich hatte bei mehrfachen Besuchen an Land Gelegenheit, die Insel und ihre Bewohner kennen zu lernen und mir so viel Portugiesisch anzueignen, wie man ungefähr für den täglichen Bedarf braucht. Überall hatte man herzliche Sympathien für die Deutschen, und die gesamte Besatzung deutscher Kriegsschiffe wurde überall gut aufgenommen, sobald man erst die Nationalität derselben festgestellt hatte. Von den Amerikanern dagegen wollten die Portugiesen nichts wissen, wohl wegen der Niederlage, welche Amerika dem portugiesischen Schwesterland Spanien beigebracht hatte. Über die Amerikaner äußerten sich die Eingeborenen sehr abfällig.

Trotzdem die Insel wenig kultiviert ist, wachsen hier doch die herrlichsten Früchte. Große, saftige Orangen, Bananen und die köstlichsten Melonen konnten wir zu fabelhaft billigen Preisen erstehen. Die Äcker und Gärten sind, wie in Holstein, durch Mauern und lebende Hecken getrennt. Die schönste Zusammenstellung tropischer Pflanzen fand ich in den beiden botanischen Gärten von Ponta Delgada. Während der eine dieser Gärten neuer und gepflegter erscheint und mit seinen Springbrunnen, Teppichbeeten und modischen Anlagen einen entzückenden Anblick bietet, hat man in dem andern die tropische Wildnis nachzuahmen versucht. Durch Grotten, aus Tropfstein erbaut, die üppig mit Farnen und Schlingpflanzen aller Art bewachsen sind, wandelt man wie traumbefangen in feuchtschwüler Luft dahin. Unter schattigen Laubdächern, gebildet von riesigen Stauden, welche ihre schilfartigen Blätter in bedeutender Höhe einander zuneigen und so gotische Hallen bilden, zwischen Palmen, deren Schäfte hoch oben Kronen tragen, die im Winde sich leise wiegen, geht man dahin und glaubt sich in paradiesische Gefilde versetzt.

Auf einem Spaziergang, den ich ganz allein unternommen hatte, gelangte ich außerhalb der Stadt an einen Park, der, wie alle Grundstücke hier, wohl zum Schutz der Weinberge gegen die rauhen Stürme, mit einer fast drei Meter hohen Mauer aus vulkanischem Gestein umgeben war. An dieser entlang gehend sah ich auf einer an der Mauer sich erhebenden Terrasse einen älteren Herrn, dem ich mich grüßend näherte. Ich betrachtete die schöne Schmiedearbeit des großen Tores, das in den Park hineinführte, worauf der Herr näher kam und fragte, ob ich mir den Park besehen wolle. Er hatte mich französisch angesprochen und ich antwortete ihm ebenso. Als ich seine Frage bejahte, erbot er sich selbst, mich durch den Park zu führen und mir die Glashäuser, die Ananas-Züchtereien und den Weingarten zu zeigen. Mit großer Liebenswürdigkeit machte mich mein Führer auf die seltensten Bäume aufmerksam, unter denen besonders die Araukarien und eine Art Trauerweide mich interessierten. Da sowohl mein Führer als ich die französische Sprache doch nicht vollständig beherrschten, wurde unser Gespräch in einem Gemisch von Französisch und Englisch mit eingestreuten portugiesischen Brocken geführt. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit führte mich der freundliche Herr auf die Terrasse, auf der ich ihn zuerst gesehen hatte. Wir nahmen hier Platz und ich genoß einen köstlichen Ausblick sowohl auf das Land, auf saubere kleine Ortschaften, die sich an den Gebirgshängen hinzogen, als auch nach der See hin, in deren glattem Spiegel sich die Strahlen der purpurnen Abendsonne brachen. Ich mußte auf der Terrasse Platz nehmen, und bald darauf brachte eine portugiesische Dienerin hiesiges Bier und Zigarren. Beim Plaudern entpuppte sich mein liebenswürdiger Wirt als Signor Manuel Hintze de Ribeiro, als einen Bruder des Premierministers von Portugal. Sein Vater war ein geborener Deutscher, seine Mutter Portugiesin. Er selbst war vor zwanzig Jahren einmal sechs Monate in Deutschland gewesen, und zwar in Baden-Baden. Er interessierte sich lebhaft für die deutschen Verhältnisse, über die er mich ausfragte. Nachdem Herr Hintze mir noch seine Karte mit voller Adresse gegeben hatte, begleitete er mich bis ans Tor und bat mich dringend, ihn wieder zu besuchen, falls ich noch einmal in diese Gegend kommen sollte.

Zur Stadt zurückgekehrt, traf ich mich mit einigen Kameraden in einem Restaurant der Rua Trinidade. Der Wirt sprach englisch, und wir ließen uns eine Ananas-Bowle brauen. Schon bei einem früheren Besuch auf den Azoren hatten wir dem Kellner des Restaurants das Bowlebrauen beigebracht, denn dieses Getränk ist dort nicht bekannt. Aus Weißwein, Sodawasser und Zucker, sowie köstlichen Ananasscheiben bereiteten wir uns ein wunderbares Getränk. Einige in unserer Nähe sitzende Portugiesen schienen sich für dasselbe sehr zu interessieren und ließen uns durch den Kellner die Bitte aussprechen, ihnen etwas von dem Getränk zu kosten zu geben. Wir baten die Herren sofort, bei uns Platz zu nehmen und von der Alemanha-Bowle mitzutrinken. Die Portugiesen fanden das Getränk sehr » bono« und luden uns, nachdem die Bowle ausgetrunken war, zu einigen Flaschen des besten Vinho Porto ein.

Am 12. August spielte unsere Schiffskapelle im Musikpavillon auf dem Platze des St. Josephs-Hospitals. Die Zeitung von Ponta Delgada hatte schon am Tage vorher die Mitteilung gebracht, daß dieses Konzert der deutschen Schiffskapelle stattfinden würde, und es versammelte sich die beste Gesellschaft der Stadt, um dem Konzert beizuwohnen.

Außer englischen Geschäftsleuten leben fast nur Portugiesen in Ponta Delgada. Die allgemeine Tracht ist die europäische, nur lieben die Damen die auffallenden Farben an ihrer Toilette. Die Männer haben einen gelblich-bräunlichen Teint, die Frauen pudern sich sehr stark. Sie erinnern in ihrem ganzen Äußern an die Spanierinnen.

Am 15. August verließen wir Ponta Delgada, wo es mir so gut gefallen hatte, daß ich am liebsten für immer dort geblieben wäre, um in den nächsten vierzehn Tagen die übrigen Azoren-Inseln zu besuchen. Wir liefen Terceira an, blieben aber nur zwei Tage hier und empfingen während dieser Zeit viele Besuche von Land. Rechts von der Stadt erhebt sich auf einem Hügel, den man auf steilen Serpentinenwegen ersteigt, ein Denkmal für Pedro IV.: ein steinerner Obelisk, von dem ich während eines kurzen Landbesuches eine prächtige Rundschau über Stadt und Hafen hatte. Unsere portugiesischen Kameraden an Land, die » sergentos«, besuchten uns auch an Bord und erkundigten sich eifrig nach den deutschen Militärverhältnissen.

Von Terceira gingen wir nach Graciosa, wo wir die Orte Porto Breia und Santa Cruz anliefen. Unsere Offiziere machten Besuche an Land beim deutschen Konsul.

Auf San Jorge besuchten wir die kleine Ortschaft Villa das Fellas. Hier blieben wir aber nur wenige Stunden und dampften noch in der Nacht nach der Insel Pico, wo wir vor Preinha ankerten. Die Insel Pico besteht eigentlich nur aus einem mehr als 2300 Meter hohen Bergkegel, aus dem sich noch im Jahre 1780 Lava ergoß und dessen Gipfel zur Winterszeit mit Schnee bedeckt ist. Wolken verhüllen meist die Spitze des Berges. Sein Fuß ist von einem Kranze reicher Waldungen umgeben. In diese eingebettet liegen über den steil ansteigenden Ufern nur kleinere Ortschaften, von denen Villa das Lagos die bedeutendste ist.

Am 21. August kamen wir vor Fayal an und gingen auf offener Reede zu Anker. Wir waren indes durch eine Mole, die aus starken Quadern bis zur Höhe von ungefähr acht Metern erbaut war, gegen Seegang und Wind geschützt. Auch die Küste von Fayal steigt schroff und steil aus dem Meere empor. Die von tiefen Schluchten zerrissenen Klippen, die meist aus prismatisch geformten Basaltfelsen bestehen, sind von den Wogen ausgewaschen und unterhöhlt. Schäumend und tosend schlägt die Brandung gegen diese Klippen und wirft Gischt und Schaum zehn bis fünfzehn Meter hoch an den Felsen empor. Auch diese Insel besitzt einen Bergkegel von fast tausend Meter Höhe und einen kleineren Berg am Südostende. Beides sind erloschene Vulkane. Die Hauptstadt der Insel ist Horta. Wälder von Granatbäumen umgeben die Stadt. Sie schien mir in spanischem Stile gebaut. Die weißen Häuser mit flachen Dächern, grün gestrichenen Türen und Fensterläden sehen sehr freundlich aus. Sonst aber ist das Leben und Treiben in Horta infolge des starken Handelsverkehrs ein europäisch-internationales. Engländer, Amerikaner, Portugiesen und Spanier bilden die Bevölkerung.

Beim Besuch einer der sieben Kirchen, die der kleine Ort aufzuweisen hat, fiel es mir auf, daß die im Inneren weißgetünchten Gotteshäuser keine Sitzgelegenheiten haben. Der Fußboden besteht aus weißgescheuerten sauberen Dielen, auf welchen die Beterinnen knieten oder hockten, während die Männer im Hintergrund der Kirche standen. Außerhalb der Hafenorte beschäftigt sich die Bevölkerung größtenteils mit Ackerbau. Ich sah viele kleine Kühe, die an den roten Schlag Norddeutschlands erinnern. Überall, auch in den kleinsten Dörfern, trafen wir auf unseren Ausflügen gute Wege, wohlerhaltene Wasserleitungen, Brunnen und Zisternen, oft im maurischen Stile verziert, eine Erinnerung an die Zeiten der Ansiedlung der Morisken, die aus Spanien im fünfzehnten Jahrhundert vertrieben wurden und auf den Azoren eine blühende Kultur schufen.

Da, wie erwähnt, viele und starke Winde auf den Inseln wehen, benützt man dieselben zum Treiben von Windmühlen, die sich insofern von den bei uns üblichen unterscheiden, als sie nicht feste Flügel haben, sondern an Stelle derselben vier dreieckige Leinwandsegel setzen können.

In den Wäldern traf ich außer den schon geschilderten tropischen Vogelarten auch die heimischen Rotkehlchen und Bachstelzen, und der Anblick derselben stimmte mich ganz weich, denn er erinnerte mich an die Heimat und an meine Lieben, die dort wohnen. Köstliche Stunden des Träumens und der Ruhe konnte man in diesen Wäldern verbringen, unbesorgt konnte man sich auf dem Rasen ausstrecken, denn giftige Reptilien gibt es auf den Azoren nicht.

In den Straßen von Horta fiel mir besonders die Tracht der Frauen auf. Ich glaubte zuerst, Ordensschwestern zu sehen, erfuhr aber bald, daß alle Frauen auf der Straße ein Kleidungsstück tragen, welches ihnen Mantel, Hut und Schirm zu gleicher Zeit ersetzt. Dasselbe besteht aus einem dunkelblauen sehr weiten Gewande aus Seide oder Wollstoff, welches die ganze Gestalt verhüllt. Am Kragen befindet sich eine hoch und spitz zulaufende Kapuze, welche so über den Kopf gezogen wird, daß von dem Gesicht nur wenig zu sehen ist. Durch diese spitze Kapuze sehen die Frauen, wenn man sie vor sich gehen sieht, wie wandelnde Zuckerhüte aus. Jede dieser Damen wird auf der Straße, bei Besuchen, Einkäufen oder auf dem Wege zur Kirche von einer in weiße oder hellfarbige Waschstoffe gekleideten Dienerin begleitet. Es würde für sehr unanständig gelten, wenn eine Dame ohne diese Dienerin die Straße betreten wollte. Auch die Frauen aus dem Volke verhüllen Kopf und Schultern mit einem Tuche.

In der Hauptstraße der Stadt fand ich einen großartigen Bazar, wie man ihn sonst nur in den europäischen Großstädten trifft, wo man alles, von dem teuersten Luxusartikel bis zur einfachen Orange, kaufen konnte.

Von Horta aus fuhren wir am 23. August nach der Insel Flores, welche diesen Namen führt, weil sie die Gestalt eines Blumenkorbes hat. Wir ankerten vor Santa Cruz nur vom 25. bis zum 26. August. Wir machten dann noch einen kurzen Besuch in der Hauptstadt der kleinen Insel Corvo und unsere Musikkapelle erfreute die Einwohner hier durch ein Konzert.

Am 28. August trafen wir wieder in Ponta Delgada ein. Wir bleiben noch einige Tage hier, um dann nach Madeira zu gehen. Von den Deutschen, deren Bekanntschaft wir schon bei dem ersten Besuch in Ponta Delgada gemacht haben, sind wir auch jetzt wiederum auf das herzlichste aufgenommen worden.«

In dem Tagebuch des kleinen Quadutters befindet sich eine Notiz betreffend die Stadt Horta, welche lautet:

»Bier sündhaft teuer. Kerle nehmen schamlose Preise. Dagegen Beefsteaks, Spiegeleier, weißer und roter Portwein und Muskateller ausgezeichnet. Es gibt eine deutsche Kneipe, die von einem Portugiesen gehalten wird. Die anderen Kneipen in Händen von Engländern, die unverschämte Preise nehmen. Habe für ein Abendbrot sechs Mark bezahlt, dabei allerdings vier Portionen gegessen.«

Der nächste Hafen, den die »Moltke« anlaufen will, ist Madeira, und die Überfahrt bis dorthin dauert nur wenige Tage. Am Morgen des 4. September bei hellem Sonnenschein meldet der Ausguckposten im Mars, daß sich unten am Horizont eine dunkle Wolke zeige. Es stellt sich heraus, daß diese dunkle Wolke Madeira ist, und auf dem Schiff trifft man die Vorbereitungen für das Ankern.

Der Laie stellt sich das Ankermanöver als etwas sehr Einfaches vor. Man läßt den Anker eben fallen, und wenn man später weiter fahren will, zieht man ihn wieder hoch. So einfach ist die Sache nicht, denn es handelt sich um die Überwindung und Beherrschung von ungeheuerlichen Lasten und Eisenmassen, die bei dem Ankermanöver in Frage kommen.

Wir wissen, daß jedes Kriegsschiff vier Anker hat, zwei Bug- und zwei Heckanker. Zu einem jeden Anker gehören 185 Meter Kette. Die Kette besteht aus einzelnen Gliedern von elliptischer Form und aus zolldickem Eisen. Die beiden Längsseiten der Ellipse sind durch einen sogenannten Steg aus Eisen verbunden. Dieser eiserne Querstab ist dazu angebracht, um zu verhindern, daß sich die Glieder der Kette, wenn eine große Last auf ihr ruht, ziehen und dadurch verlängern. Die vier Ketten ruhen in dem sogenannten Kettenkasten unter dem Zwischendeck des Schiffes, und zwar sind auf jeder Seite des Schiffes zwei solcher Kettenkasten für den Bug- und Heckanker vorhanden. Im Zwischendeck und im Batteriedeck befinden sich Klüsen, das heißt Löcher, welche mit Eisen ausgefüttert sind. Durch diese Klüsen wird die Kette bis zum Batteriedeck emporgeführt und ungefähr in der Mitte des Batteriedecks steigt sie empor. Sie wird nun auf dem Batteriedeck entweder nach vorn oder achter entlang geführt bis zu der sogenannten Betting. Diese Vorrichtung soll verhindern, daß die Kette mit zu großer Geschwindigkeit aus dem Schiffe hervorschießt.

Die Betting besteht aus einem senkrechten und einem wagerechten Balken, die miteinander zu einem Kreuz verbunden sind. Beide Balken sind mit Eisen beschlagen und so fest in das Schiff eingesetzt daß selbst die stärkste Inanspruchnahme durch die Kette sie nicht aus ihren Lagern heben kann.

Stellen wir uns vor dieses Kreuz, vor die Betting, und zwar beim Backbord-Buganker, so sehen wir die Kette an der rechten Seite des horizontalen Balkens herumkommen. Sie legt sich, nachdem sie die Hälfte des Balkens passiert hat, nach hinten über den Querbalken und kommt unter diesem hindurch wieder auf das Batteriedeck. Dann wird die Kette weiter geführt bis zur Backbord-Bugklüse, aus der noch ein Stück Kette, das an dem obersten Ankerring befestigt ist, heraushängt.

Unter dem Zwischen- und unter dem Batteriedeck, an der Stelle, wo die Ankerkette durch die Klüsen geht, befindet sich je ein Stopper, das heißt ein Hebel, mit welchem man die Kette gegen die Unterseite des Decks festdrücken kann. Diese Stopper wirken als Bremsen. Natürlich kann man diese Hebel, wenn man die Kette festhalten oder zu langsamerem Auslaufen veranlassen will, nicht mit der Hand regieren, sondern es werden Flaschenzüge – »Taljen« sagt der Seemann – angebracht und zwanzig bis dreißig Mann suchen mit vereinten Kräften dann den Hebel gegen die mit rasender Geschwindigkeit aus der Klüse schießende Kette zu drücken.

Um aber einen kleinen Begriff zu bekommen, mit welchen Gewichten auf einer Kreuzerfregatte beim Ankern operiert wird, sei mitgeteilt, daß jeder Anker ungefähr 3500 Kilogramm wiegt. 25 Meter Kette wiegen 1244 Kilogramm. Die ganze Kette wiegt ungefähr 9000 Kilogramm. Es steht also, wenn die Kette vollständig ausgelaufen ist, eine Last von ungefähr 12 500 Kilogramm auf dem Stopper, auf den Klüsen und verteilt auf den verschiedenen Decken des Schiffes. Natürlich ist im Kettenkasten das Ende der Kette sicher befestigt.

Auf der Reede von Funchal wird das Schiff nach Mitteilung der Segelanweisung auf einer Tiefe von fünfzig bis sechzig Metern ankern. Dreimal so viel Kette, als die Tiefe beträgt, muß aus dem Schiff herausschießen. Es werden also ungefähr 180 Meter Kette, das heißt die ganze Länge, gebraucht werden. Ungefähr 40 Meter Kette werden nun aus der Klüse im Batteriedeck hervorgeholt und in Schlangenwindungen von je 10 Metern Länge dicht nebeneinander gelegt. Von fünf zu fünf Metern werden nunmehr die einzelnen Lagen der Kette mit dicken Tauenden an schweren eisernen Bolzen befestigt, die zu diesem Zwecke auf dem Batteriedeck befestigt sind. Dadurch, daß die Kette um die Betting herumläuft, wird sie nämlich noch nicht genügend gebremst. Man bindet sie daher mit diesen Tauenden an die Bolzen fest, weil während des Fallens der Kette dann Stück um Stück sich erst von den Bolzen losreißen muß und so ein fortwährendes Stoppen und Bremsen der Kette entsteht.

Interessant ist eine Wernersche Schilderung des Ankermanövers im Hafen von Funchal, der Hauptstadt von Madeira.

»Wir sind nur noch wenige Seemeilen von Funchal entfernt. Die Mannschaft steht in Manöver-Aufstellung bereit; die Handlote sind besetzt, der Kommandant, erste Offizier und der Navigationsoffizier befinden sich auf der Kommandobrücke. Der letztere steht am Kompaß und behält die Landobjekte im Auge, um gleich Meldung machen zu können, sobald das eine in die gesuchte Richtung zum Schiff kommt, damit dieses dann den Kurs dieser Linie aufnimmt. Der erste Offizier wartet auf die Befehle des Kommandanten, welche er in Form von Kommandoworten zur Ausführung des befohlenen Manövers an die Besatzung weitergibt. Er ist in diesem Falle gewissermaßen nur des Kommandanten Sprachrohr, da dieser nicht gleichzeitig das Schiff auf den Ankerplatz zwischen andere Schiffe führen und die Detailausführung der Segelmanöver überwachen kann.

Die Leesegel, Bram- und Oberbramsegel werden weggenommen; drei Kommandos folgen kurz hintereinander, und in Zeit von einer Minute sind die Leesegel wie ein Nichts innerhalb des Schiffes verschwunden. Die Bram- und Oberbramsegel flattern noch etwas im Wind und sind dann auch aufgerollt an ihren Raaen befestigt.

Die Fregatte dreht gegen den Wind an und läuft nun in einem großen Bogen auf die Stadt zu, denn man kann hier nicht einfach vor dem Wind auf den Ankerplatz steuern, weil das Schiff sonst in dem Augenblicke des Ankerns zu viel Fahrt haben würde und auch auf dem Ankergrund kein Platz zum Drehen ist. So muß es vorher einen Bogen machen und mit halbem Wind in eine der sogenannten Peilungslinien hineinlaufen, damit man, sobald das Schiff den Kreuzungspunkt beider Linien erreicht oder annähernd erreicht hat, die Segel wegnehmen, seine Fahrt hemmen und dann den Anker fallen lassen kann.

Näher dem Land werden auch die Untersegel gegeit, aber noch nicht festgemacht, weil das Schiff möglicherweise sie noch gebrauchen muß. Nur unter Marssegeln, Klüver und Besahn nähert sich das Schulschiff den andern Schiffen. Der Platz ist erreicht, die Leute am Lot rufen die gesuchte Tiefe aus. Der Befehl zum Bergen der Marssegel und des Klüvers schallt über das Schiff, die Segel verschwinden in wenig Augenblicken und der stolze Bau schießt unter dem Druck des Ruders und dem des Besahns langsam in den Wind. Die Fahrt wird geringer, der jetzt von vorn kommende Wind bringt das Schiff zum Stillstand und dann zum langsamen Rückwärtsgang – der Augenblick, wo der Anker fallen muß, ist gekommen. Wollte man diesen früher werfen, dann würde die Kette auf den Anker selbst fallen, wahrscheinlich hinter dessen oberen Pflug haken und verhindern, daß der untere sich in den Meeresgrund eingraben kann. Dem Kommandoruf »Fallen Anker!« folgt ein schwerer Fall in das hochaufspritzende Wasser, und wir eilen nun schnell in die Batterie zur Kette und zum Stopper, halten uns aber weit ab von der ersteren, da jeder Schlag von ihr einen Beinbruch bedeuten würde. Mit hohen Sprüngen und wuchtigen Schlägen auf das hier aus eichenen Planken bestehende Deck, welches dem jedesmaligen Reißen einer Tauzurrung folgen, rasselt die Kette auf ihrer freien Bahn durch die Klüse aus dem Schiff heraus. Das letzte Tau ist zerrissen, der Offizier gibt den Befehl zum Öffnen des Stoppers und zwei Unteroffiziere begleiten diesen mit schrillen Pfiffen der Bootsmannspfeife, weil der Lärm die menschliche Stimme schon erstickt. Jetzt kommt erst Leben in die eiserne Schlange. Das Untier jagt, eine rote Rostwolke um sich verbreitend, aus dem Kettenkasten heraus. Der Offizier winkt heftig mit den Armen, um den Befehl zum Wiederschließen des Stoppers zu unterstützen, und der aus dem nächstgelegenen nach unten führenden Luk hervorstehende Kopf eines jungen Offiziers, welcher den Befehl am Stopper führt und vorsorglich seine Augen mit zu Hilfe nimmt, weil er aus Erfahrung weiß, daß man bei dem Lärm nicht hören, sondern nur sehen kann, verschwindet nach unten, wo nun das Schließen des Stoppers versucht wird. Zwanzig Mann ziehen hier mit Aufgebot all ihrer Kräfte an doppelten Flaschenzügen, um den schweren eisernen Hebel des Stoppers zu schließen, und nur mit Mühe gelingt es ihnen, nachdem etwa zwanzig, anstatt fünf bis zehn Meter ausgelaufen sind. Der Stopper hat gefaßt, und das ganze Deck, mit den starken Balken, welche es tragen, und den schweren Geschützen,, die auf ihm stehen, hebt sich an dieser Stelle etwa zwanzig Zentimeter hoch. Dann senkt es sich wieder, und die Kette, deren eiserne Glieder auch etwas elastisch sind, schlägt infolge des Rückschlags, auf eine Länge von vielleicht zwanzig Metern ein- oder zweimal mit furchtbarer Gewalt, daß es durch das ganze Schiff dröhnt, auf das Deck, als ob sie dieses zertrümmern wolle. Sind in dieser Weise 150 Meter Kette ausgesteckt, dann wird diese an mehreren Tauen von 15 Zentimeter Durchmesser, den sogenannten Taustoppern, befestigt, worauf der Stopper wieder vorübergehend geöffnet wird, damit der Zug der Kette von diesem auf die elastischen Taustopper übertragen wird und nur auf diesen ruht. Ist dies erreicht, dann wird der eiserne Stopper als Reservebefestigung wieder geschlossen. Diese elastischen Stopper sind erforderlich, um das heftige Einrucken, welches durch den Seegang hervorgebracht wird, zu mildern, da Schmiedeeisen ja durch derartige Erschütterungen seine Textur verändert, brüchig und daher unbrauchbar wird.

Sobald das Schiff sicher vor Anker liegt, werden die Mars- und Untersegel festgemacht. Auf jeden der beiden vordern Masten entern dazu auf Kommando etwa 130 Mann, auf den hintersten 30 Mann und legen gleichzeitig wie im Paradeschritt auf die Raaen aus. Das herabhängende Segeltuch verschwindet unter ihren Händen, sie legen wieder gleichzeitig ein, entern nieder, und nun begrüßt die Fregatte mit ihren ehernen Schlünden die Regierung des fremden Landes, dessen Gastfreundschaft sie genießen will. Die sich mit dem ersten Schuß gleichzeitig an der Spitze des vordersten Mastes entfaltende Flagge, welcher der blitzende und donnernde Gruß gilt, zeigt die portugiesischen Farben. Blitz und Knall folgen. Als ein lang anhaltender rollender Donner werden die gefeuerten 21 Schuß von dem vielfachen Echo der vor uns liegenden hohen Bergwand zurückgeworfen und diese großartige Schallwirkung pflanzt sich in der Erwiderung unseres Saluts fort, welche vom Lande aus gleich erfolgt, sobald der 21. Schuß gefallen ist.«

Die Insel Madeira (sprich: Madeh-ira) soll schon von den Phöniziern entdeckt worden sein. Auf einer florentinischen Karte aus dem Jahre 1351 ist die Insel bereits als »Holzinsel« verzeichnet. Im Jahre 1419 wurden zwei portugiesische Seefahrer durch einen Sturm nach der Insel verschlagen, und im nächsten Jahre nahm Portugal dieselbe in Besitz, um sie bis heut zu behalten. Nur während der spanischen Herrschaft über Portugal war Madeira ebenfalls, wie die Azoren, spanisch, und von 1807 bis 1814 hatten die Engländer die Insel besetzt.

Jeder Seefahrer, der Madeira und insbesondere die Hauptstadt Funchal sieht, ist hingerissen von ihrer Schönheit. Die Insel ist durch ihre Fruchtbarkeit, ihren herrlichen Pflanzenwuchs, ihr mildes Klima in der Tat eine Insel der Seligen. Hunderte von Kranken aus Europa und Amerika leben jahraus, jahrein auf der Insel, um durch das wunderbare Klima Linderung oder Heilung ihrer Leiden zu finden.

Die Bevölkerung ist portugiesischer Abkunft und beträgt ungefähr 150 000 Personen. Die Insel hat von Osten nach Westen eine Länge von 55 Kilometer und von Norden nach Süden eine Breite von 24 Kilometer. Sie wird in ihrer ganzen Länge von einem Gebirgszuge, der sich bis zu 1200 Meter erhebt, durchzogen. Die Bucht von Funchal ist halbkreisförmig, und weiße Häuser, in Grün und Blütenpracht eingebettet, sieht man am Ufer und bis hinauf zur Hälfte des Berges liegen.

Wer die Stadt selbst betritt, erlebt einige Enttäuschung. Sie ist sehr unreinlich, und die prächtigen kleinen weißen Häuser entpuppen sich zum Teil als baufällige Hütten. Alle Dampfer aber, welche nach Nord- und Südamerika, nach Westafrika und der Kapstadt gehen, laufen Madeira an, um hier Kohlen oder Proviant einzunehmen. Der Madeira-Wein, den die Insel produziert, ist weltberühmt und bildet einen bedeutenden Handelsartikel.

Die »Moltke« fand im Hafen das Schwesterschiff, die »Stosch« vor, welche hier schon längere Zeit gelegen hatte. Die Mannschaften der »Stosch« erzählten von den herrlichen Ausflügen, die sie auf der Insel unternommen hatten. Da das vulkanische Gestein, das den Boden der Straßen bildet, ganz glatt ist, dienen zum Verkehr Schlitten, die von Ochsen gezogen werden. Noch bequemer ist es, sich in der Sänfte, im sogenannten Hammock, tragen zu lassen.

Der Besatzung des Schulschiffes war aber nur ein ganz kurzer Landurlaub beschieden, denn nach zwei Tagen, am 6. September, ging die »Moltke« schon wieder aus Funchal heraus. Sie setzte ihren Kurs fast vollkommen südlich auf die Kapverdischen Inseln.


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