Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel.

Begegnung mit einem Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie. – »Haben Sie Postsachen?« – »Postsachen fertig machen!« – Das Marine-Postamt in Berlin. – Tag-Signale. – Optische und akustische Signale. – Das internationale Signalbuch. – Fernsignale. – Semaphore. – Der Winkspruch. – Die Kapverdischen Inseln. – Der Hafen von Porto Grande. – »Alle Mann Boote aussetzen!« – Landungs-Manöver. – Die Landung. – Hai-Angeln. – Der Hai und seine Piloten. – Der tote Hai an Bord. – Nebelsignale. – Gesetzliche Vorschriften. – Nachtsignale. – Not- und Lotsen-Signale. – Signalisieren mit Laternen. – Geheimhaltung der Signale.


Am dritten Tage nach der Abfahrt von Madeira meldete der Ausguckposten im Mars:

»Schiff voraus! Zwei Strich Backbord!«

In der Tat sieht man unten am Horizont eine lange Rauchwolke aufsteigen, die unzweifelhaft von einem Dampfer herrührt. Die Nachricht, daß man einem Schiffe begegnet, verbreitet sich sehr rasch auf der »Moltke«. Wem es der Dienst gestattet, eilt nach dem Oberdeck, um zu sehen, welcher Nationalität und Art das entgegenkommende Schiff ist.

Von der Brücke aus mustert der Offizier mit dem Fernglas sorgfältig den Rumpf des Schiffes, der sich allmählich über dem Horizont zeigt. »Es ist ein Handelsdampfer!« sagt er dem Navigationsoffizier, der auch auf die Brücke gekommen ist und nach dem fremden Schiffe hinüber sieht.

Es dauert wohl noch eine Stunde, ehe sich die beiden Schiffe so nahe gekommen sind, daß man an ihnen auch Details unterscheiden kann. Auf dem Handelsdampfer, der entgegenkommt, hat man an der ganzen Bauart, der Takelage der »Moltke« gesehen, daß man einem Kriegsschiffe begegnet. Wir wissen bereits, daß jedes Handelsschiff, welches auf See einem Kriegsschiffe begegnet, seine Nationalflagge zeigen muß. Es steigt am hinteren Mast des Handelsdampfers, der nur zwei Masten führt, die deutsche Flagge empor.

Es ist also ein deutsches Schiff, dem man sich nähert. Die »Moltke« setzt am Kreuzmast, und zwar am oberen Teile der Gaffel, die Kriegsflagge. Der entgegenkommende Dampfer setzt aber auch noch am Topp des vorderen Mastes seine Kontorflagge, die Flagge der Gesellschaft, der er angehört. Es ist die blau-weiß-gelbe Flagge der Hamburg-Amerika-Linie, und nun weiß man auf der »Moltke«, daß man einen Dampfer jener Gesellschaft vor sich hat, die den Verkehr zwischen Deutschland und Südamerika vermittelt.

Die Signal-Gasten haben sich in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen, in der Nähe der Kommandobrücke aufgestellt und die Signalflaggen zurecht gemacht.

»Signal auf dem Hamburger Dampfer!« meldet der Maat dem wachhabenden Offizier.

Dieser blickt lange und sorgfältig auf das Signal und ruft dann dem Ordonnanzkadetten zu:

»Gehen Sie zum Herrn Kommandanten und melden Sie ihm, daß der Hamburger Dampfer uns das Signal zeigt: »Haben Sie Postsachen?«

Nach kurzer Zeit kommt der Ordonnanzkadett der Wache und meldet dem wachhabenden Offizier:

»Der Herr Kommandant befiehlt, beizudrehen und dem Dampfer das Signal zu geben, daß wir ihm Postsachen mitgeben wollen.«

Es ist sehr liebenswürdig von dem Kapitän des Hamburger Dampfers, Postsachen des Kriegsschiffes zu übernehmen, denn dies hält ihn in seiner Fahrt mindestens eine halbe Stunde, wenn nicht länger, auf, und bei den Fahrten der Handelsdampfer bedeutet Zeit Geld.

Kaum eine Minute später tönen die Pfiffe der Maaten durch die Decke und es wird gerufen:

»Wer noch Postsachen hat, soll sie innerhalb zwanzig Minuten fertig machen. Wir geben dem deutschen Dampfer Post mit!«

Alle Dienstobliegenheiten, mit Ausnahme der Wache auf Deck, werden unterbrochen. Wer einen halbvollendeten Brief hat, schreibt schleunigst noch einige Schlußworte, verschließt den Brief und adressiert ihn. Wer nicht in der glücklichen Lage ist, einen Brief angefangen zu haben, nimmt wenigstens eine Postkarte und schreibt darauf einen flüchtigen Gruß an seine Angehörigen in der Heimat.

Der Hamburger Dampfer – es ist die »Patagonia« – hat, als er sich auf gleicher Höhe mit der »Moltke« befand, die Nationalflagge auf Halbmast gehen lassen und dann sofort in die Höhe gezogen, man nennt das: »die Flagge dippen«, und jedes Handelsschiff erweist mit diesem Gruß dem ihm begegnenden Kriegsschiffe die ihm zustehende Ehre. Auch die Kriegsflagge der »Moltke« wird gedippt. Dann stoppt der Dampfer die Maschine ab, während auf der »Moltke« die Segel so gestellt worden sind, daß das Schiff gar keine Fahrt mehr macht.

Die gesammelten Postsachen des Schiffes werden in einen Beutel getan, ein Kutter wird ausgesetzt und bemannt. Einer der jüngeren Offiziere steuert den Kutter zur »Patagonia« hinüber. Dort wird ein Tau dem Kutter zugeworfen, der Postsack wird an dieses Tau gebunden, der Offizier spricht dem Kapitän der »Patagonia« seinen Dank aus, dann rudert der Kutter zurück, während sich der Dampfer zur Fahrt nach Europa in Bewegung setzt. Er signalisiert noch zu der »Moltke« hinüber:

»Glückliche Fahrt!« und die »Moltke« antwortet:

»Besten Dank! Ebenfalls glückliche Reise!«

Der Kutter legt wieder an der »Moltke« an, wird geheißt, die Raaen fliegen herum, der Wind fällt wieder in die Segel und das Schiff nimmt seinen Weg weiter durch die Fluten des Ozeans.

Die gesamten Briefe und Postkarten, die nach der »Patagonia« in dem Postsack hinübergeschickt wurden, sind nicht frankiert, und es ist dies auch nicht nötig. Der Postsack geht bis Hamburg und von dort direkt an das Marine-Postamt in Berlin. Hier wird er geöffnet und auf Reichskosten werden jetzt Briefe und Karten mit den nötigen Marken versehen. Die Einrichtung der Marinepost ist eine große Wohltat, nicht nur für die Offiziere und die Besatzung unserer Kriegsschiffe, sondern auch für deren Angehörige in der Heimat. Es steht natürlich jedermann frei, die gewöhnliche Post zur Beförderung seiner Briefe zu benutzen. Es ist nur fraglich, ob ein solcher Brief auch den Adressaten erreicht. Es ist ein sehr häufig vorkommender Fall, daß Offiziere oder Mannschaften der deutschen Kriegsschiffe, die auf einer zwei- bis dreijährigen Reise unterwegs gewesen sind, wochenlang nach ihrer Rückkehr in der Heimat Briefe erhalten, die ihnen von ihren Angehörigen auf dem gewöhnlichen Wege des Briefverkehrs zugesendet wurden, den Adressaten von Hafen zu Hafen nachfolgten, ohne daß sie dieselben erreichten.

Die Angehörigen in der Heimat, welche an die Offiziere und Mannschaften eines Kriegsschiffes, das in fremden Gewässern sich aufhält, schreiben wollen, versehen die Briefe mit der Aufschrift: »Soldatenbrief. Eigene Angelegenheit des Empfängers.« Es braucht kein Bestimmungsort auf der Adresse angegeben zu werden, nur die Charge und der Name des Mannes und vor allem der Name des Schiffes. Diese Briefe gehen an das Marine-Postamt in Berlin. Hier hat jedes der Schiffe, die in fremden Gewässern sind, ein besonderes Fach, und in dieses wird der Brief hineingelegt. Das Reichsmarineamt oder die Admiralität teilen dem Marine-Postbureau in Zwischenräumen mit, wohin Briefe für Offiziere und Mannschaften eines Kriegsschiffes gesandt werden sollen. Die vorgesetzte Behörde weiß zum Beispiel ganz genau, daß die »Moltke« laut der Anweisung, die der Kapitän mitbekommen hat, in den ersten Tagen des Oktober in Rio de Janeiro eintreffen wird. Das Marine-Postamt befördert mit einem deutschen oder ausländischen Dampfer, der vor der »Moltke« oder kurz nach ihr in Rio de Janeiro eintreffen wird, sämtliche Postsachen, Briefe Zeitungen, Postanweisungen, Pakete, die für die Besatzung der »Moltke« bestimmt sind. Die Postsachen werden in Säcke gepackt und an den deutschen Konsul in Rio de Janeiro adressiert. Die Offiziere und Mannschaften, die in Rio de Janeiro ankommen, werden dort die Briefe empfangen. Sie können der brasilianischen Post Sendungen an ihre Angehörigen anvertrauen, aber sicherer ist es, sie geben die Briefe dem Zahlmeister. Ebenso können Postanweisungen beim Zahlmeister eingezahlt werden, wenn die Mitglieder der Besatzung ihren Angehörigen in der Heimat Geld zuschicken wollen.

Der Zahlmeister packt die Briefe und Postanweisungen in einen großen Umschlag, frankiert ihn mit den landesüblichen Marken und schickt ihn durch die gewöhnliche Post an das Marine-Postamt in Berlin. Hier werden wiederum die Briefe und Postanweisungen mit den nötigen Marken versehen und dann durch die Post weiter befördert.

Wir haben gesehen, wie sich das Kriegs- und das Handelsschiff durch Signale miteinander verständigten und müssen nun auch dem hochwichtigen Signalwesen zur See einige Worte widmen.

Es gibt Tag- und Nachtsignale, es gibt optische und akustische Signale. Für die Schiffe aller Länder gibt es eine internationale Sprache, gewissermaßen eine Art »Volapük«. Die größten schiffahrttreibenden Staaten der Welt haben sich über ein internationales Signalbuch geeinigt, dessen neueste Ausgabe am 1. Januar 1901 erschienen ist und seit dem 1. Januar 1902 benützt wird.

Dieses internationale Signalbuch schreibt eine Anzahl von bunten Flaggen vor, von denen jede einzeln oder in Gruppen bis zu vier Stück ihre ganz bestimmte Bedeutung in allen Sprachen hat. Die Signalflaggen bestehen aus Flaggen, Standern und Wimpeln. Der Wimpel hat eine dreieckige Form, er gleicht einem langen, gleichschenkeligen Dreieck, dessen Basis am Flaggenstock oder an der Flaggenleine festgemacht ist. Diese Seite heißt die »feste Seite«. Die Flagge hat rechteckige Form. Die der festen Seite gegenüberliegende Schmalseite führt den Namen »fliegende Seite«. Wenn eine Flagge an der fliegenden Seite dreieckig (schwalbenschwanzförmig) ausgeschnitten ist, so nennt man sie Stander.

Es gibt jetzt siebenundzwanzig bunte Flaggen für das internationale Signalisieren. Die wichtigste von ihnen ist der Signalbuchwimpel, welcher senkrecht rot-weiß-rot-weiß-rot gestreift ist. Wenn ein Schiff mit einem andern ihm begegnenden oder mit einer Station an Land Nachrichten nach dem internationalen Signalsystem austauschen will, so heißt es unter seiner Nationalflagge den Signalbuchwimpel. Das bedeutet:

»Ich will mit Ihnen nach dem internationalen Signalbuch sprechen.« Darauf heißt das andere Schiff ebenfalls den Signalbuchwimpel, und es bedeutet dies:

»Ich bin bereit zu der Unterhaltung.«

Das Schiff beginnt nun entweder Worte zu buchstabieren, indem es die Buchstaben der Worte, die es übermitteln will, durch die Flaggen einzeln darstellt, gewöhnlich aber werden nur einzelne Buchstaben oder Buchstabengruppen durch die Flaggen angegeben. In einem alphabetischen Register wird auf dem anderen Schiffe nachgeschlagen, was die Buchstaben bedeuten, und hat man den ganzen Satz, den sie ausdrücken, gelesen, so wird wieder der Signalbuchwimpel geheißt zum Zeichen:

»Wir haben verstanden.«

Auch Schiffe, die vor Anker liegen oder in voller Fahrt sich befinden, führen manchmal einzelne der Signalflaggen, die nach dem internationalen Kodex ihre ganz bestimmte Bedeutung haben.

Die Bedeutung der Flagge P, des sogenannten »blauen Peters«, haben wir bereits kennen gelernt. Ein Schiff, das die Flagge Q, eine ganz gelbe Flagge, geheißt hat, sagt damit:

»Ich darf wegen ansteckender Krankheit nicht in Verkehr treten.«

Die Flagge S, eine weiße Flagge mit einem kleinen blauen Rechteck in der Mitte, ist das internationale Lotsensignal und heißt:

»Ich wünsche einen Lotsen.«

Die Flagge B, ein ganz roter Stander, heißt:

»Ich lade Pulver. Nehmt euch in acht.«

Der Stander A, senkrecht weiß und blau geteilt, heißt bei den Kriegsschiffen:

»Ich mache Probefahrt unter vollem Dampf.«

Sind die Schiffe so weit voneinander entfernt, oder fährt das Schiff bei einer Station an Land so weit vorbei, daß man wohl annehmen kann, die Farben der Flaggen seien nicht mehr zu unterscheiden, so werden die sogenannten Fernsignale angewendet. Hier gibt es nur drei Signalzeichen: rund, dreieckig, viereckig. Man kann auch hier mit Flaggen signalisieren, bei denen aber die Farbe gleichgiltig ist. Die viereckige ist die Flagge, die dreieckige ist der Wimpel. Dann muß man allerdings noch einen Ball aus Korbgeflecht haben. Meist werden aber alle Fernsignale durch Körper aus Korbgeflecht dargestellt, und zwar erscheint der Ball als runde Scheibe, der Kegel als Dreieck und der Zylinder als Viereck.

Fährt zum Beispiel ein Schiff in der Nähe einer Signalstation vorbei und die Station zeigt das Dreieck, unter diesem einen Ball und darunter das Viereck, so heißt das:

»Drehen Sie bei, wir haben wichtige Mitteilungen für Sie!«

Oder das Schiff fährt zum Beispiel bei einer Landstation vorbei und zeigt übereinander Viereck, Dreieck, Ball: das ist das Signal R und heißt:

»Machen Sie meinem Reeder eine telegraphische Meldung von unserer Vorbeifahrt.«

Natürlich signalisiert das Schiff dann auch noch seinen Namen und den Hafen, nach dem es unterwegs ist.

Außer mit Flaggen wird aber auch mit Semaphoren sehr viel signalisiert. Besonders sind in den Hafenstädten Semaphore aufgestellt, aber auch die Kriegsschiffe tragen oft an den Mastspitzen Semaphore. Es sind das Signalmasten, wie sie an der Eisenbahn aufgestellt sind, nur daß sich an der Spitze des Signalmastes nicht zwei, sondern drei Arme befinden. Durch Drähte, die bis zum Deck hinuntergehen, können die Arme der Semaphore in die verschiedenartigsten Stellungen gebracht werden und dadurch können einzelne Buchstaben oder Buchstabengruppen und nach dem internationalen Signalbuch ganze Sätze ausgedrückt werden.

Der Semaphor kann auch durch einen Mann mit zwei kleinen Flaggen ersetzt werden, und das Signalisieren mit diesen sogenannten Winkflaggen, die gewöhnlich rot sind, wird in der Marine besonders im Hafen sehr eifrig betrieben. Man sieht, wenn viele Schiffe im Hafen sind, fast auf jedem Schiffe ein paar Signalgasten stehen, von denen der eine mit zwei Flaggen in der Luft fortwährend herumfuchtelt, während der andere durch einen Kieker (Krimstecher) das andere Schiff beobachtet. Nachrichten durch sogenannten »Winkspruch« gehen mit großer Geschwindigkeit im Hafen von Schiff zu Schiff. Sämtliche Buchstaben des Alphabets, ebenso die Zahlen, außerdem einige andere Signale können durch einen Mann mit zwei Flaggen sehr bequem gegeben werden.

Die Flagge in der rechten Hand wagerecht ausgestreckt gehalten heißt zum Beispiel B, in der linken Hand F. Die Flagge in der rechten Hand senkrecht über den Kopf gehalten heißt D, hält die linke Hand die Flagge, in der Stellung zwischen der senkrechten und der wagerechten Richtung, so heißt dies E, in der rechten Hand C. Hält die rechte Hand die Flagge schräg nach unten, also ungefähr 45 Grad unter wagerecht, so heißt dies A. Dieselbe Stellung der Flagge auf der linken Seite G. Natürlich wird meist mit beiden Flaggen gleichzeitig signalisiert, zum Beispiel rechte Flagge wagerecht, linke Flagge senkrecht heißt P, beide Flaggen wagerecht R.

Mit dieser Betrachtung hätten wir die üblichen Tagsignale behandelt; um nicht zu ermüden, werden wir die Nachtsignale bei anderer Gelegenheit kennen zu lernen suchen.

Die »Moltke« läßt die Kanarischen Inseln links von ihrer Fahrtrichtung liegen, ohne sie anzulaufen, und steuert direkt den Kurs S ¼ SO, das heißt: Süd ein Viertel Südost.

Nach einigen Tagen steigen am Horizonte eigentümlich geformte Felszacken auf, von Zwischenräumen unterbrochen. Es ist eine Gruppe von Inseln, von denen nur eine die Konturen eines höheren Berges aufweist. Diese Inselgruppe sind die zu Portugal gehörigen Kapverdischen Inseln, nur 560 Kilometer von der westafrikanischen Küste und vom Grünen Vorgebirge entfernt.

Die zehn bewohnten Inseln und einige unfruchtbare Felseneilande gliedern sich in zwei Gruppen, in eine nordwestliche und eine südöstliche. Die fruchtbarste dieser Inseln liegt in der Nordwestgruppe und ist Santo Antonio. Der Haupthafen Porto Grande liegt auf der Insel Saõ Vincente.

Die Portugiesen haben im Jahre 1461 die gänzlich unbewohnten Inseln in Besitz genommen. Bevölkert wurden diese Eilande durch Negersklaven von der gegenüberliegenden Küste von Guinea. So bilden denn heute noch Neger und Mischlinge neben wenigen Europäern die Hauptbevölkerung.

Irgendwelche Reize landschaftlicher Art bieten die Inseln nicht. Es sind trostlose vulkanische Eilande, deren Rötlichbraun sehr einförmig wirkt. Im Jahre regnet es höchstens ein- bis zweimal, dann sprießt allerdings Gras mit zauberhafter Geschwindigkeit aus der Erde empor. Nicht einmal genügend Wasser haben diese Eilande, und eine in den Felsspalten horstende Fischadler-Art, eine Kormoran-Art, einige halbverhungerte Ziegen und Esel sind die Repräsentanten der Tierwelt, neben dem Ungeziefer.

Santiago hat fruchtbaren Boden, dort wachsen sogar Orangen, die aber sehr sauer sind. Reich ist die Umgebung der Insel an Fischen. Porto Grande hat einen guten Hafen mit bequemer Einfahrt. Er hat Bedeutung als Kohlenstation, und deshalb laufen alle Dampfer, die nach Afrika und Südamerika gehen, ihn an.

Zuerst war es ein spekulativer Engländer, namens Miller, der hier eine Kohlenstation anlegte. Da sich die Schiffe aber auch mit frischem Wasser versorgen wollten, baute er eine Destillieranstalt, welche aus Seewasser Süßwasser herstellt. Die Kohlenstation im Hafen von Porto Grande wurde schließlich so wichtig, daß sie bei Berechnung der Schiffsbauten mit in Betracht gezogen wurde. Die Handelsdampfer, welche nach Südamerika gehen, brauchen heute nicht mehr so große Kohlenbunker wie früher, weil sie ihre Vorräte eben auf Saõ Vincente ergänzen können. Es laufen täglich etwa fünf Schiffe in Porto Grande ein, um Wasser und Kohlen einzunehmen, und die Neger haben reichlichen Verdienst, trotzdem sie nur einen Tageslohn von fünfzig Pfennig erhalten. Da es fürchterlich heiß ist und die trostlosen Inseln so gar nichts bieten, halten sich die Dampfer auch nur wenige Stunden auf, nicht länger als notwendig ist, um Wasser und Kohlen zu übernehmen.

Am 8. September ging die »Moltke« im Hafen von Porto Grande vor Anker. An Land war nicht viel zu holen. Für schweres Geld gab es in einigen Restaurants schales Bier zum Preise von drei Mark die Flasche. Auch Billard konnten diejenigen spielen, die in der Hitze sich noch mehr warm machen wollten. Dicht am Hafen gab es nur Niggerkneipen, vor denen sich selbst die Matrosen ekelten.

Von allen Kriegsschiffen, welche Porto Grande aufsuchen, verfehlt kaum eins, die günstige Gelegenheit zu einem Landungsmanöver auszunützen. Man sieht in auswärtigen Häfen derartige Übungen fremder Kriegsschiffe nicht gern. Auch hat man zu gewärtigen, daß bei der Landung Flurschaden entsteht, den das Schiffskommando ersetzen muß. Auf Porto Grande aber bieten ganz in der Nähe des Hafens die flachen felsigen Ufer sehr schöne Gelegenheit, auch einmal die Landungsrolle zu üben, die sich ganz bedeutend von der Klar-Schiffs-Rolle unterscheidet.

Schon am zweiten Tage kam vormittags ganz überraschend der Befehl:

»Alle Mann Boote aussetzen!«

Man wußte, was das bedeutete, und in wenigen Sekunden glich die Schiffsbesatzung wieder einmal einem aufgestörten Ameisenhaufen. Vor allem wurden die Boote zu Wasser gelassen, und zwar zwei Barkassen, eine Pinasse, zwei Kutter und eine Jolle. Die Dampfbarkasse machte so schnell wie möglich Dampf, um sämtliche Boote an Land schleppen zu können.

Hornsignale befahlen, die Boote zu armieren. Jeder Mann wußte nach der Landungsrolle, was er dabei zu tun hatte. Die Jolle wurde als Lazarettboot eingerichtet, und die beiden Ärzte, der Lazarettgehilfe und die als Krankenträger bezeichneten Matrosen luden mit größter Geschwindigkeit die notwendigen Gegenstände: Verbandzeug, Medikamente, Krankentragen, selbst einen kleinen Operationstisch in die Jolle hinein. Außerdem erhielten die Boote eine Ladung von Munition, Proviant für zwei Tage, es wurden Wasserfässer mit Trinkwasser in die Boote gelegt, Kompasse, Laternen, Signalflaggen, Decken, Lote wurden eingepackt. Jedes Boot erhielt außerdem einen kleinen Anker nebst langem Ankertau. Vier Boote wurden mit kleinen Geschützen versehen. Es waren dies Acht-Zentimeter-Kanonen, welche auf besonderen Lafetten rasch im Hinterteil des Bootes so aufgestellt wurden, daß man sie schon während der Fahrt verwenden konnte. Außerdem kam in jedes Boot noch eine Landungslafette. Das vierte Boot erhielt eine Revolverkanone mit zugehöriger Munition und Lafette.

Nachdem das Armieren der Boote vollendet war, wurden die Leute angewiesen, sich mit möglichster Geschwindigkeit anzukleiden und für die Landung fertig zu machen. Die Mannschaften trugen ihr Tropenzeug, an Stelle der Mützen den Tropenhelm mit weißem Nackenschleier, halbhohe Stiefel, Seitengewehr mit Patronentasche, Brotbeutel und Trinkflasche, gefüllt mit Wasser oder kaltem Kaffee, soweit letzterer an Deck vorhanden war, außerdem noch das Gewehr. Die Offiziere waren mit Säbeln, Revolvern und Patronentaschen bewaffnet und trugen ebenfalls den Tropenhelm.

Bootsweise traten die Mannschaften auf Deck an, wurden flüchtig gemustert und bestiegen dann schleunigst die Boote. 250 Mann, also die größere Hälfte der Besatzung, hatten das Landungsmanöver auszuführen. Sobald die Boote ein Stück vom Schiffe fort waren, nahm dieses den Anker auf und machte sich ebenfalls gefechtsklar, um (wenn es ernst gewesen wäre) die Landung der Boote durch die Schiffsgeschütze zu unterstützen.

Die Dampfbarkasse schleppte die Boote in langer Reihe an Land. Aber schon aus eine Entfernung von einigen hundert Metern befahl der erste Offizier, der immer Führer der Landungstruppen ist, die Schlepptaue loszuwerfen, da angenommen wurde, die Landungsboote erhielten vom Ufer aus Feuer. Die Mannschaften griffen zu den Rudern und die Boote teilten sich, so daß sie in zwei großen Halbkreisen dem Ufer zusteuerten, wobei die beiden rechts fahrenden Boote ein starkes Geschützfeuer (natürlich mit Platzpatronen) auf den angeblichen Feind unterhielten.

Jetzt dröhnten auch die Schiffsgeschütze der »Moltke«, um zu markieren, daß das Schiff ebenfalls den Feind beschieße, um ihn an weiterer Schädigung der Landungstruppen zu verhindern. Während der linke Flügel der kleinen Bootsflottille landete, unterhielten die beiden Bootskanonen des rechten Flügels ein ununterbrochenes Feuer. Noch bevor die Boote den Strand erreicht hatten, sprangen die Offiziere ins Wasser und ihnen folgten die Mannschaften. Bis über die Knie im Wasser watend, zogen sie die Boote an Land und ein Teil der Landungsmannschaften schwärmte sofort als Schützen aus, um unter Führung der Offiziere vorzugehen. Ein anderer Teil beeilte sich so sehr wie möglich, die Geschütze aus den Bootslafetten heraus und auf die Landungslafetten zu heben. Mit Hilfe der mitgenommenen Stengen, Ruder und Planken wurde eine kleine Brücke für jedes Boot bis zum Ufer gebaut und über diese das Landungsgeschütz an Land gebracht. Dann spannten sich die Geschützbedienungsmannschaften (je acht für jede Kanone) vor die Geschütze und zog sie so rasch wie möglich in die Feuerlinie. Die Munition in Kasten wurde von anderen Mannschaften nachgetragen. Es entwickelte sich ein sehr lebhaftes Feuergefecht gegen den nicht vorhandenen Feind, ein paar großartige Sturmangriffe wurden unternommen, bei denen viel Platzpatronen aus Geschützen und Gewehren verknallt wurden, dann wurde an Land etwas Rast gemacht, nachdem vom Schiffe das Signal gekommen war:

»Manöver beendet!«

Die Boote, welche das Landungskorps herangebracht hatten, wurden während des Gefechtes von zurückgebliebenen Mannschaften ein Stück vom Lande abgerudert und dann an den mitgenommenen Ankern festgemacht. Im Ernstfalle können die Boote, die ein Stück vom Lande ab im Wasser liegen, nicht so leicht vom Feinde überrumpelt und weggenommen werden. Für die Landungstruppe ist es ja von größter Wichtigkeit, daß sie immer die Möglichkeit hat, sich in die Boote zurückzuziehen und zum Schiffe zurückzurudern. Im Falle eines Mißlingens des Landungsmanövers bliebe ja auch nichts anderes übrig, als sich in den Schutz des Schiffes zurückzubegeben. Allerdings würde ein solcher Rückzug sehr verhängnisvoll, wenn der Feind nachschießt, denn in den dichtbesetzten Booten würde natürlich jede Kugel einen Menschen treffen. Andererseits könnte allerdings das Schiff durch lebhaftes Feuern mit seinen Geschützen auch den Rückzug der Boote decken.

Die große Hitze, welche zeitweise unerträglich wurde, hätte zum Baden verlockt, wenn nicht Porto Grande viel von Haifischen besucht würde. Überhaupt übt der Hafen eine große Anziehungskraft auf Seetiere aus. Öfter erscheinen große Walfische, dann auch riesenhafte Rochen, Seeteufel genannt, welche wie große Tischplatten aussehen und manchmal einen Durchmesser von zweieinhalb bis drei Meter haben.

Natürlich mußte hier ein Hai geangelt werden. Das gehört zu der Reise eines Schulschiffs, und nicht nur den Schiffsjungen und Kadetten macht das Haiangeln Spaß, sondern auch den Matrosen, denn kein Tier haßt der Seemann so sehr, als diese gierige, gefräßige Bestie, welche so vielen Seeleuten schon den Tod gebracht hat.

Der Dichter sagt von diesem Tiere:

»Der gefräßige Hai, die Hyäne des Meeres.«

Aber der Hai ist vielmehr als ein Tiger zu bezeichnen, und er würde noch größeres Unheil anrichten, wenn er nicht so faul und phlegmatisch wäre. In dem klaren Wasser des Hafens sah man Haifische bis zur Länge von vier Metern und darüber, welche sich natürlich in der Nähe der Schiffe aufhielten, um von den Abfällen, die über Bord geworfen wurden, ein leckeres Mahl zu halten.

Bootsmannsmaat Petersen war ein berühmter Haiangler. Er ließ sich aus dem Hellgat vom Verwalter den großen Haihaken geben, der an langer, starker Kette befestigt wird. Auf Anordnung des Zahlmeisters wurde ein großes Stück Speck aus der Proviantlast hergegeben. Dieses wurde an dem Haken sorgfältig befestigt, so daß es der Hai nicht abreißen konnte. Dann wurde der Köder über Bord geworfen, so daß das Wasser hoch aufspritzte. Wenn die Haifische etwas auf das Wasser aufklatschen hören, so vermuten sie sofort eine Beute und kommen heran. In der Tat sah man auch kurze Zeit, nachdem der Speck im Wasser hing, die beiden eigentümlichen Lotsenfische, die jeden Hai begleiten, geschwommen kommen.

Diese Lotsenfische, auch Piloten genannt, sind ein eigentümlicher Beweis für das Zusammenleben verschiedener Tiere in der Natur. Sie sind 15 bis 30 Zentimeter lang, haben einen langen, eiförmigen Körper, stumpfe Schnauze und Stachelflossen. Sie sind bläulich-silbergrau, und zwei von ihnen findet man bei jedem einzelnen Haifisch. Sie schwimmen vor ihm her, führen ihn bis an die Beute heran und machen dann dem Haifisch Platz. Niemals frißt der Hai diese kleinen Fische, obgleich ihr Fleisch sehr wohlschmeckend ist, selbst nicht, wenn er den größten Hunger hat. Man behauptet, der Haifisch sehe sehr schlecht und die Piloten führten ihn deshalb an die Beute heran, weil sie dieselbe schon aus großer Entfernung bemerkten. Das würde wohl erklären, weshalb sich der Hai zu den Pilotfischen hält; was aber veranlaßt die Pilotfische, sich dem schrecklichen Ungeheuer, dem Haifisch, anzuschließen? Es wurde behauptet, die Piloten lebten von den Exkrementen des Haifisches, man hat aber in ihrem Magen Fische gefunden. Sie leben also von Fischnahrung und brauchen den Haifisch nicht. Die Lotsenfische sollen sich stets nur bei einem einzelnen Haifisch und niemals einfinden, wenn mehrere zusammenschwimmen.

Den Pilotfischen, die sich dem Speck näherten, folgte die dreieckige große Rückenflosse des Hais, die man stets aus dem Wasser herausragen sieht. Der Hai kam bis in die Nähe des Specks, schien aber keine Lust zum Zubeißen zu haben. Durch Ziehen an der Kette mußte der Speck hin- und herbewegt werden, um den Haifisch zu locken. Endlich legte er sich schwerfällig auf die Seite. Der Haifisch kann bekanntlich nur beißen, wenn er auf der Seite oder auf dem Rücken liegt. Ein nochmaliges Wedeln mit dem Speck steigerte seine Freßlust, er warf sich herum und schnappte nach dem Köder. In selben Augenblick aber riß Petersen mit aller Gewalt die Kette empor und hieb dadurch den Fisch an, das heißt, er jagte den Angelhaken in den Oberkiefer des Haifisches hinein.

Das gelingt nicht immer und am besten kommt der Haifisch fest, wenn er nicht nur nach dem Köder schnappt, sondern ihn sofort verschluckt, so daß der Angelhaken erst hinter dem Schlunde des Haifisches faßt.

Dies schien auch diesmal der Fall zu sein, denn obgleich der Haifisch unmittelbar nachdem er festsaß, hoch aus dem Wasser sprang und fürchterlich mit dem Schwanze um sich schlug, kam er doch nicht los.

Auf dem Schiffe herrschte ein riesiger Jubel, als der Haifisch festsaß. An die Kette war vorher ein starkes Tau gebunden worden, an welchem jetzt hundert Hände den sich wie rasend geberdenden Hai festhielten. Zeitweise wurde etwas Kette und Tau nachgelassen, damit der Haifisch mehr Freiheit bekam. Dann wurde er wieder herangezogen und durch dieses Spiel wurde allmählich das Tier so ermüdet, daß es zeitweilig ganz apathisch dalag.

Eine Rolle war unterdes an eine der Raanocken befestigt worden, das Ende des Haltetaues wurde durch die Rolle hindurchgeschoren, und nun wurde mit lautem taktmäßigem Rufen der Hai hochgeheißt. Bald schwebte er über dem Wasser und peitschte wütend mit dem Schwanze die Schiffswand. Man konnte seine funkelnden, bösartigen Augen deutlich sehen.

Der erste Offizier hatte ein geladenes Matrosengewehr genommen, zielte genau und schoß den Haifisch durch den Kopf. Aber erst nach einem zweiten Schuß hörte das Schlagen des Haifischschwanzes auf.

Früher heißte man die Haifische lebend an Bord und rannte ihnen ein Langholz, eine Spake, in den Rachen und durch den Magen in den Körper hinein. Dadurch wurde der Haifisch ganz steif und konnte nicht mehr mit dem Schwanze schlagen. Doch war dieses Manöver sehr gefährlich, besonders bis der Haifisch durch die eingerannte Spake gewissermaßen fest geworden war. Ein Schlag seines Schwanzes brach Arme oder Beine, und es kam vor, daß solche Haifische an der Angel selbst noch bissen und furchtbare Verwundungen zufügten, denn der Hai hat bekanntlich eine siebenfache Reihe von nach innen gekehrten dreieckigen Zähnen, von denen jeder einzelne sägeförmig ausgezahnt ist.

Der tote Hai wurde jetzt an Bord gebracht und vor allem ausgeschnitten. Den Matrosen erscheint es besonders wichtig, den Haifisch sofort zu öffnen, um festzustellen, ob er nicht etwa menschliche Leichenteile in sich hat. Man fand aber nichts, als einige Reste von Schiffsabfällen, und so konnte zur Zerteilung des Fisches geschritten werden. Aus dem Rückgrat werden Spazierstöcke gemacht und das Gebiß gibt in präpariertem Zustand eine hübsche Zimmerdekoration, besonders für einen Seemann. Nach Schiffsbrauch gehören Kopf und Rückgrat dem Kommandanten, der aber auf der »Moltke« diese Trophäe dem ersten Offizier schenkte. Das Herz des Haifisches wird stets besonders ausgeschnitten, auf Deck gelegt und von der Mannschaft genau beobachtet. Es zuckt oft nach einer Stunde noch. Einzelne Matrosen veranlaßten den Koch, ihnen Haifischfleisch zu braten, und es gibt wirklich Liebhaber für diese Speise, die im allgemeinen als recht ekelhaft und widerwärtig bezeichnet werden muß.

Durch das Bluten des Haifisches und seine Zerteilung war das ganze Oberdeck verunreinigt worden. Aber mit Vergnügen opferte die Mannschaft sogar einen Teil ihrer Mittagsfreizeit, um das Deck wieder in Ordnung zu bringen. Hatte sie doch das befriedigende Gefühl, wieder einmal einem Haifisch den Garaus gemacht zu haben.

Am 12. September verließ die »Moltke« schon wieder den Hafen von Porto Grande, sie nahm ihren Kurs weiter nach Süden auf Rio de Janeiro zu.

Wir wollen uns jetzt wieder dem Signalwesen zuwenden, um uns über denjenigen Teil zu unterrichten, der uns noch nicht bekannt ist.

Die akustischen Signale bei Tage werden bei Dampfschiffen durch die Sirene, sonst mit der Glocke gegeben. Es werden auch Kanonenschüsse abgefeuert, das letztere jedoch nur, wenn das Schiff in Not ist. Die Sirene, eine Art Trompete, die durch Dampf geblasen wird und einen durchdringenden, kilometerweit hörbaren Ton hervorbringt, sowie die Glocke werden angewendet, wenn Nebel eingetreten ist und sich das Schiff in einer Gegend befindet, wo viel Verkehr herrscht, so daß die Gefahr eines Zusammenstoßes mit einem anderen Schiffe naheliegt.

Die kaiserliche Verordnung vom 7. Januar 1880 zur Verhütung des Zusammenstoßes der Schiffe auf See schreibt in ihrem Artikel 12 folgendes vor:

»Ein Dampfschiff muß mit einer Dampfpfeife oder einem anderen kräftig tönenden Dampfsignalapparat versehen sein, welche so angebracht sind, daß ihr Schall durch keinerlei Hindernis gehemmt wird, ferner mit einem wirksamen Nebelhorn, welches durch einen Blasebalg oder durch eine andere mechanische Vorrichtung geblasen wird, sowie mit einer kräftig tönenden Glocke. Ein Segelschiff muß mit einem ähnlichen Nebelhorn und mit einer ähnlichen Glocke versehen sein.

Bei Nebel, dickem Wetter oder Schneefall, es mag Tag oder Nacht sein, müssen die in diesem Artikel beschriebenen Signale folgendermaßen angewendet werden:

a) Ein Dampfschiff in Fahrt muß mit seiner Dampfpfeife oder einem anderen Dampfsignalapparat mindestens alle zwei Minuten einen langgezogenen Ton geben.

b) Ein Segelschiff in Fahrt muß mit seinem Nebelhorn mindestens alle zwei Minuten, wenn es mit Steuerbordhalsen segelt, einen Ton, wenn es mit Backbordhalsen segelt, zwei aufeinanderfolgende Töne, und wenn es mit dem Winde achterlicher als dwars segelt, drei aufeinanderfolgende Töne geben.

c) Dampfschiffe und Segelschiffe, welche in Fahrt sind, müssen mindestens alle zwei Minuten die Glocke läuten.«

Leider helfen diese Signale bei Nebel meist nichts und trotz derselben finden Zusammenstöße von Schiffen statt. In der dicken, nebligen Luft pflanzt sich nämlich der Schall ganz anders fort als sonst, und es ist deshalb schwer zu hören, aus welcher Richtung der Schall der Sirene oder der Glocke kommt. Techniker in allen schiffahrttreibenden Ländern beschäftigen sich damit, neue, verbesserte Nebelsignale zu erfinden, aber trotz aller Bemühungen ist man noch zu keinem sicheren Resultate gekommen.

Von noch größerer Wichtigkeit als am Tage sind die Signale bei Nacht. Nach der kaiserlichen Verordnung von 1876 sollen bei Nacht angewendet werden: Als Notsignale:

»Flammen von brennendem Teer oder Öltonnen, Raketen oder Leuchtkugeln von beliebiger Art und Farbe, welche einzeln in Zwischenräumen von kurzer Dauer abgefeuert werden.«

Als Lotsensignale sollen bei Nacht in den deutschen Gewässern angewendet werden:

»Erstens: Blaufeuer, welche alle fünfzehn Minuten abgefeuert werden, oder

Zweitens: ein unmittelbar über der Verschanzung (Reling) in Zwischenräumen von kurzer Dauer gezeigtes helles, weißes Licht, welches jedesmal ungefähr eine Minute lang sichtbar ist.«

In der deutschen Flotte verwendet man für das Signalisieren bei Nacht auf den modernen Schiffen den Nachtsignalapparat von Conz. Dieser Apparat wird zwischen dem Groß- und dem Kreuzmast in der Höhe der Marsen geheißt und besteht aus drei Lampenpaaren. Jedes Lampenpaar hat ein weißes und ein rotes Licht. Der Apparat kann aber nur dort angewendet werden, wo Elektrizität auf einem Schiffe vorhanden ist. Dadurch, daß man durch elektrische Schaltung einzelne Gruppen von Lichtern oder sämtliche sechs Laternen auf einmal aufflammen läßt, kann man nach einem besonderen Signalbuch sehr sicher sich mit anderen Schiffen in Verbindung setzen. Die modernen Kriegsschiffe sind außerdem alle mit elektrischen Scheinwerfern ausgestattet, auch diese können zum Signalisieren bei Nacht, sogar auf sehr weite Entfernungen, verwendet werden.

Es wird dann durch Morsezeichen signalisiert. Bekanntlich hat der Amerikaner Morse für seinen elektrischen Telegraphen als Schriftzeichen eine Verbindung von Punkten und Strichen erfunden, und so kann man mit langen und kurzen Lichtblicken diese Zeichen nachahmen. Dazu braucht man aber nicht einmal einen elektrischen Scheinwerfer, man kann das auch mit einer Laterne machen, indem man sie kürzere oder längere Zeit zeigt. Gewöhnlich rechnet man für einen Punkt des Morse-Alphabets eine Sekunde, für den Strich drei Sekunden. So heißt zum Beispiel:

. . – : »Sie steuern einen gefährlichen Kurs!«

. – – . : »Ihre Lichter sind verlöscht!«

. – . . : »Stoppen Sie oder drehen Sie bei. Ich habe wichtige Nachrichten für Sie!«

Auch die Positionslaterne, sowie die weiße Laterne, die jeder Dampfer am Mast führt, gehören zu den Nachtsignalen.

Für das Signalisieren bei Tag und Nacht wird jetzt in den Kriegsmarinen und auch schon auf den großen Handelsdampfern die drahtlose Telegraphie mit großem Erfolge verwendet, und wahrscheinlich ist die Zeit nicht mehr fern, wo diese Art der Nachrichtenvermittelung so ausgebildet sein wird, daß die Schiffe selbst in einer Entfernung von tausenden von Kilometern von hoher See her werden Nachrichten nach dem nächsten Lande gelangen lassen können. Es wird dann die Schiffahrt zur See noch an Sicherheit gewinnen.

Die Signalbücher jeder Marine sind Dienstgeheimnis, denn es wäre ja für den Feind von größtem Wert, wenn er die Signale des Gegners ablesen könnte. Für den Fall eines Krieges aber sind in jeder Marine neue Signalordnungen vorgesehen, die im Augenblicke der Kriegserklärung erst in Giltigkeit treten, um den Feind, wenn es ihm durch Spionage gelingen sollte, die Friedenssignale zu erfahren, keinen Vorteil zu gewähren.


 << zurück weiter >>