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Siebentes Kapitel.

Kleiderordnung an Bord. – Löhnung. – Zeugwaschen. – Im Tajo-Fluß. – Lissabon. – Die Einwohner. – Aus dem Tagebuche des kleinen Quadutters. – Belem. – Cintra. – Ein Leichenzug. – Stiergefechte. – Sonntags-Musterung. – Der Kommandant inspiziert das Schiff. – Der Kirchenwimpel wird geheißt. – »Herr Pfarrer das Schiff ist klar zum Gottesdienst!« – Gottesdienst in der Batterie. – Urlauber gehen an Land. – Sonntag an Bord. – Steuermanns-Maat Nottemann spinnt ein Garn. – Wie der Klabautermann aussieht. – »Courage heißt der Klabautermann!« – Der fliegende Holländer. – »Wir erwarten Dich!« – An Bord des fliegenden Holländers. – Der Diener setzt seinen heruntergefallenen Kopf wieder auf. – Dienst auf dem fliegenden Holländer. – Luftspiegelungen. – Entrüstung. – Gesang und Tanz. – Urlauber kommen zurück.


Der Aufenthalt im Hafen von Plymouth hat aber für die Schiffsbesatzung noch eine weitere wohltätige Folge gehabt. Fürsorglich hat der erste Offizier eine Menge Frischwasser (so wird das Süßwasser genannt) in Balgen und Fässern mitnehmen lassen, um den Mannschaften einmal Gelegenheit zu einer Zeugwäsche in Frischwasser zu geben. Bevor wir uns mit dieser großen Wäsche befassen, wollen wir einmal sehen, über welche Kleidungs- und Wäschestücke ein Schiffsjunge oder Matrose verfügt.

Der Schiffsdienst, das Arbeiten in der Takelage, in den Lasten, in der Maschine, in den Kohlenbunkern, das Reinigen des Schiffes, der Umgang mit Seife, Teer, Öl, Fett, Farbe bringen es mit sich, daß der Anzug des Matrosen stark mitgenommen wird. Nehmen sich die Leute bei den Arbeiten in acht, so können sie trotzdem ihre Sachen sehr schonen, sind sie dagegen unachtsam oder Schmutzfinken, so verbrauchen sie sehr viel Wäsche und Anzüge, und es entsteht für den Staat durch Unachtsamkeit und Nachlässigkeit der Leute ein großer Schaden. Man hat deshalb in der Marine zu einem Mittel gegriffen, das man bei der Landarmee nicht kennt: jeder Matrose bekommt die Sachen geliefert, wie der Soldat an Land, aber er muß die Sachen bezahlen, natürlich nicht aus seiner eigenen Tasche und nicht von seiner Löhnung, sondern von dem »Kleidergelde«, das er bekommt. Dieses Kleidergeld in Höhe von neun Mark pro Monat wird dem Manne nicht ausgezahlt, sondern zurückbehalten. Die Summe genügt, um ihn mit guten und brauchbaren Kleidungsstücken in ausreichendem Maße zu versehen. Ist der Mann sparsam, so braucht er das ganze Kleidergeld nicht auf. Nimmt er sich mit seinen Sachen in acht, so spart er sich eine größere Summe vom Kleidergelde, und nach Ablauf des Jahres, wenn sein Kleider- und Wäschebestand in guter Ordnung ist, erhält er den Überschuß des Kleidergeldes ausgezahlt. Verläßt er das Schiff, so sind die Sachen, die er bezahlt hat, sein Eigentum. Wer unachtsam, schmutzig und liederlich ist, verbraucht natürlich sein Kleidergeld oder er macht sogar noch Schulden bei der Kleiderkasse, und zur Deckung dieser Schulden werden ihm dann rücksichtslos Abzüge von der Löhnung gemacht. Das hat eine heilsame Wirkung. Selbst die größten Schmutzfinken wollen nicht von ihrer Löhnung noch auf die Kleiderkasse etwas zuzahlen und nehmen sich nach Möglichkeit in acht.

So stehen sich sowohl der Staat als auch der Mann, der mit seinen Kleidungsstücken vorsichtig umgeht, bei dieser Einrichtung sehr gut. Sobald der Matrose eingestellt wird, erhält er: zwei blaue Mützen und eine weiße Mütze, die Mützenbänder mit Schiffsnamen, welche die Matrosen vorn an den Mützen tragen, werden an Bord unentgeltlich geliefert, müssen jedoch zurückgegeben werden, wenn der Mann das Schiff verläßt. Der Matrose erhält außerdem: einen Überzieher, eine Jacke, zwei Tuchhosen, zwei weiße Hosen, zwei Arbeitshosen, zwei Unterhosen, zwei wollene Hemden, zwei weiße Hemden, zwei große, bis in die Mitte des Rückens reichende vorn offene Kragen, zwei Unterhemden, zwei Arbeitsblusen, ein seidenes und ein wollenes Halstuch, ein Paar Strümpfe, ein Paar Schuhe, ein Paar Stiefel, eine Vorratstasche, einen Utensilienkasten, einen Kleidersack, einen Stiefelbeutel und ein Paar Handschuhe. Weitere Wäsche, besonders Strümpfe, sowie Taschentücher, muß sich der Mann aus eigenen Mitteln beschaffen.

Sind die Leute an Bord, so wird ihnen außer dem Kleidergeld auch noch ein Drittel ihrer Löhnung zur Deckung ihrer Kleiderschuld einbehalten, bei liederlichen Leuten kann der Kommandant sogar das Einbehalten von zwei Dritteln ihrer Löhnung verfügen. Es ist den Mannschaften aber gestattet, durch freiwillige Einzahlungen ihre Kleiderschulden möglichst bald zu tilgen. Für jeden Mann wird ein Kleiderbuch geführt, das den Leuten allmonatlich zur Durchsicht eingehändigt wird.

Da hier von der Löhnung der Leute gesprochen wurde, sei erwähnt, daß die Löhnung (incl. monatliches Kleidergeld von neun Mark) beträgt: Für einen Obermaaten 60 Mark, für einen Maaten 45 Mark, für einen Obermatrosen 24 Mark und für einen Matrosen 19,50 Mark. Außerdem erhalten die Leute, wie bereits erwähnt, volle Verpflegung. Neben ihrer Löhnung haben alle Mannschaften an Bord noch Zulagen, und diese teilen sich in Dienstalters-Zulagen, Seefahrts-Zulagen und Kapitulations-Handgeld. Für jedes Dienstjahr nach beendeter aktiver Dienstpflicht wird eine monatliche Zulage von drei Mark gezahlt. Die Seefahrts-Zulage wird für jedes auf Kriegsschiffen absolvierte Jahr Seefahrtszeit, möge dieselbe als Schiffsjunge, als Matrose oder Heizer in aktiver Dienstpflicht oder nach aktiver Dienstpflicht, fortlaufend auf einem oder auf verschiedenen Schiffen, in außerheimischen oder in heimischen Gewässern erworben sein, vom folgenden 1. April an gewährt.

Der Matrose hat also 234 Mark jährlich mit Kleidergeld, der Schiffsjunge 150 Mark, die Feldwebel und Wachtmeister erhalten 828 Mark jährlich außer freier Verpflegung an Bord. Deckoffiziere haben 1692, die Oberdeckoffiziere 2442 Mark Gehalt. Die Schiffsjungen erhalten eine volle Ausrüstung bei Indienst-Stellung, welche sie allmählich von dem ihnen zustehenden Kleidergelde abzahlen müssen. Die Seekadetten müssen ihre Ausrüstung, die mehr als tausend Mark kostet, aus eigener Tasche bezahlen und erhalten jährlich 468 Mark, die Fähnriche zur See 792 Mark. Bei Beschaffung von neuen Kleidungs- und Ausrüstungsstücken werden ihnen Vergünstigungen gewährt.

Es hat also auch schon der Schiffsjunge, ebenso wie der Matrose und Maschinist, ein großes Interesse daran, seine Sachen zu schonen.

Ist das Schiff unterwegs, so müssen Schiffsjungen, Matrosen und Maschinisten sowie die Maate ihre Kleidungsstücke und ihre Wäsche selbst reinigen. Kommt man in einen Hafen, so wird das Schiff, von der Stunde seiner Ankunft an, von Wäscherinnen umschwärmt, welche gewöhnlich Zeugnisse von anderen deutschen Kriegsschiffen über Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Reinlichkeit aufzuweisen haben. Diesen Waschfrauen können Schiffsjungen, Matrosen und Maschinisten die Wäsche zum Reinigen übergeben, aber auf eigene Kosten.

Die Kadetten sind an Bord von allen Reinigungsarbeiten befreit, sie müssen nur einige Male ihr Zeug mit den Schiffsjungen zusammen waschen, um für den späteren Dienst als Vorgesetzte den Reinigungsdienst kennen zu lernen. Die Offiziere lassen ihre Wäsche nur waschen, wenn sie an Land kommen, sie müssen deshalb über einen großen Wäschevorrat verfügen und gewöhnlich hat jeder Seeoffizier allein zwölf Dutzend Oberhemden, von denen, wenn er viel unterwegs ist, nach vier Jahren nicht mehr die Hälfte brauchbar ist, weil die Wäscherinnen im Auslande in rücksichtslosester Weise damit umgehen. Sie reinigen die Wäsche entweder mit Bürsten und Laugen, oder sie schlagen die schmutzige Wäsche so lange gegen Steine oder Baumstämme, bis der Schmutz herausgegangen ist. Wenn ein Seekadett zum ersten Male von der großen Reise zurückkehrt, dann ist seine Mutter gewöhnlich entsetzt über den Zustand, in dem er die prachtvolle Wäsche mitbringt, die er als Ausrüstung beim Eintritt in die Marine mit sich genommen hat.

Da der erste Offizier vorsichtshalber sehr viel Frischwasser für die Wäsche mitgenommen hat, vollzieht sich das Reinigen in sehr bequemer Weise. Sonst wird jedem Manne für die Wäsche, die wöchentlich einmal stattfindet, noch nicht ganz ein Liter Frischwasser zur Verfügung gestellt, es gilt also sich einzurichten. Gewöhnlich schüttet die Backschaft das ganze ihr zustehende Frischwasser in eine Balge. Wenn es irgend angeht, verwahren die Leute das Waschwasser, das ihnen zur täglichen Reinigung gegeben wird, einige Tage, um es bei der Reinigung der Wäsche zu verwenden, sonst müßte die Hälfte des Frischwassers dazu genommen werden, um die Sachen darin einzuweichen und zum ersten Male auszuwaschen. Dann wird Seewasser genommen, um die Sachen ordentlich zu durchnässen und nach Möglichkeit vom Schmutz zu befreien, und endlich wird in dem Rest des Frischwassers das in den Sachen zurückgebliebene Seewasser wieder ausgespült. Das Seewasser allein kann zur Wäsche nicht verwendet werden, die Seife schäumt nicht in Seewasser, und alle Patentseifen, die es gibt und die angeblich in Seewasser schäumen sollen, haben sich nicht bewährt. Würde der Matrose seine Kleider und besonders seine Wäsche nur in Seewasser waschen, so würde er wahrscheinlich davon nur große Unbequemlichkeiten haben. Es bleibt immer Salz in der Wäsche zurück und die Wäsche wird nie ordentlich trocken. Zieht der Mann dann die Wäsche an, so reizt das Salz die Haut, und besonders in den Tropen kommt dann der »Rote Hund« viel eher, als wenn der Mann Wäsche trägt, die in Süßwasser ausgespült ist.

Um die Wäsche zu trocknen, werden Leinen, sogenannte Jollentaue, kreuz und quer über das Schiff gespannt, doch natürlich so hoch geheißt, daß die Bewegung auf Deck und das Bedienen der Segel nicht gestört wird. Mit sogenannten »Bändseln« werden die einzelnen Wäschestücke an der Leine befestigt, damit sie nicht davonfliegen, und gewöhnlich ist bei einigermaßen gutem Winde die Wäsche in einer Stunde trocken. Sie wird dann wieder abgenommen, und die Leute können sie auf kleinen Rollen, die in der Batterie aufgestellt sind und die zur Verfügung der Mannschaft stehen, glatt rollen, um sie dann vorschriftsmäßig zusammenzulegen. Mit Bändern bestimmter Länge und Farbe werden die Anzüge und Wäschestücke dann zusammengebunden und im Kleidersack oder in der Kleiderkiste verstaut.

In der Nacht zum 19. Juli sichtete die »Moltke« das Leuchtfeuer von Kap Roca, dem westlichsten Punkte Europas. 596 englische Fuß hoch auf dem Felsen steht das Leuchtfeuer, welches 21 Seemeilen weit seinen Schein wirft.

Am Morgen ging die »Moltke« im Tajo-Fluß, der sich meerbusenartig an seiner Mündung erweitert, vor Anker, und vor den entzückten Augen der Schiffsbesatzung lag Lissabon, die Hauptstadt Portugals. Der Anblick Lissabons an einem sonnenhellen Tage vom Tajo aus gesehen, ist wahrhaftig prächtig. Mit einem weit ausgebreiteten Fächer, der mit Blumen verziert ist, hat ein Dichter die Stadt verglichen. Mit ihren breiten, scheinbar ins Unendliche, in anmutigen Windungen, verlängerten Quais, mit ihren tausenden von hohen weißen Häusern, zwischen denen Gärten voll üppigsten Grüns und bunter Blumen sich erstrecken, bietet die Stadt in Wirklichkeit einen zauberhaften Anblick.

Wie aber bei so vielen Städten des Südens, verschwindet die Schönheit, wenn man die Stadt betritt. Das Alltägliche, das Häßliche, macht sich in Lissabon bemerkbarer als in jeder andern Stadt, sobald man den Fuß auf den Quai setzt. Die meisten Straßen sind eng, steil und schmutzig. Ein widerlicher Geruch, aus hundert unangenehmen Sachen gemischt, in dem aber als Hauptbestandteile Sardinenabfälle und warmes Öl sich bemerkbar machen, ist nur zu sehr geeignet, dem Besucher eine üble Meinung von der Stadt beizubringen, die ungefähr 300 000 Einwohner zählt.

Allerdings für den jungen Seemann, der zum erstenmal Lissabon betritt, erschließt sich gewissermaßen eine neue Welt. Er macht zum ersten Male mit dem Süden Bekanntschaft. Wenn ihm schon im Hafen Kreolen, Neger, Mulatten, Mestizen, die Europäer aller Staaten, tunesische, algierische und türkische Matrosen begegnen, wenn er das Gewimmel an den Landungsplätzen sieht und ein unendliches Sprachengewirr an sein Ohr klingt, dann wirkt dieses Bild bestechend und man glaubt sich in die Zeiten zurückversetzt, in denen Portugal die Meere beherrschte. Aber je mehr man sich vom Hafen entfernt und in die Stadt hineinkommt, desto mehr treten einem die Zeichen des Verfalls entgegen. Seit dem furchtbaren Erdbeben, das im Jahre 1755 die Stadt vollständig verwüstete und ganz Europa in Schrecken versetzte, sind einzelne Gebäulichkeiten noch nicht wieder aufgebaut. Es fehlt eben an Geld. Dreißigtausend Einwohner haben an jenem schrecklichen 1. November ihr Leben verloren, als das Meer sich haushoch hob und mit furchtbarer Wucht sich auf die Stadt und auf die Küste warf.

Welch reiches Land ist dieses Portugal einst gewesen, welch kühne Männer hat es erzeugt, die hinauszogen auf die Meere, um, wie Vasco de Gama und Bartholomäus Diaz, eine neue Welt für das kleine Portugal zu erobern! Portugals Flotte wurde die Beherrscherin der Meere, unendliche Schätze flossen aus den Kolonien nach Portugal, und dieser Reichtum wurde das Unglück des Landes. Die Bevölkerung, hörte auf Ackerbau, Viehzucht und Industrie zu treiben. Die Schätze der Kolonien erschienen unerschöpflich. Aber man vergaß selbst die Kunst des Schiffbauens. Dadurch verfiel die Flotte, und als diese erst geschwächt und kampfunfähig war, verlor Portugal eine Kolonie nach der andern. Heute führt Portugal nur eine Scheinexistenz von Englands Gnaden und ist finanziell so abhängig von England, daß ein einziger Wink von London her genügt, um in Portugal den Staatsbankerott herbeizuführen.

Lissabon ist nicht arm an großen Plätzen, wie der Dom Pedro-, der Kronprinzen-Platz. Zahlreiche Denkmäler erinnern an die große Vergangenheit Portugals und an die berühmten Männer, die es dereinst besaß.

An der felsigen Küste zieht sich die Stadt empor. Je höher man aber in den Straßen hinaufkommt, desto weniger belebt sind sie, und nur des Abends sieht man Spaziergänger in der Gold-, Silber-, Augusta-, Chiado-Straße. Zu arbeiten scheint niemand, mit Ausnahme der Gallegos, der Hafenarbeiter, die aus der spanischen Provinz Galizien stammen, und den Varinas, den Fischweibern und Hökerinnen. Selbst die Männer, denen man begegnet, machen einen weibischen, theatralischen Eindruck. Irgendwelche Eigenart in Kostüm oder Auftreten ist nicht zu sehen. Die Schaufenster der besten Straßen sind mit Pariser Artikeln vollgepfropft, und der Großmannssucht der Portugiesen entspricht ihr Geld.

Milreis, gleich 1000 Reis, klingt sehr stolz, aber es sind nur 3 Mark 40 Pfennige, und wenn jemand für 10 000 Reis in einem Laden einkauft, so sind das immer erst 34 Mark.

Die Mannschaften der »Moltke« erhielten vom Zahlmeister Vorschüsse aus ihre Löhnung in portugiesischem Gelde, damit sie beim Betreten des Landes keine Verluste hatten, wenn sie Geld wechselten. Eine Silbermünze, so groß wie unser Fünfzigpfennigstück, waren 100 Reis, und eine Münze, so groß wie ein Zweimarkstück, 500 Reis.

Wenn wir einen Blick in das Tagebuch des kleinen Quadutter werfen, so finden wir verzeichnet:

»Lissabon hat sehr große Restaurants. Das beste Lokal ist bei Jansen, wo viele Deutsche verkehren und wo es deutsche Zeitungen gibt. Hier aß ich vortreffliches Beefsteak mit Bratkartoffeln. Man bekommt Landwein für 100 Reis gleich 32 Pfennig, Portwein kostet 1000 Reis oder 3 Mark 40. Außerdem gibt es noch ein zweites Restaurant, das den Namen »Bierkirche« führt und in dem es ebenfalls sehr gutes Essen und Trinken gibt. Es befindet sich in der Rua de Trinidad.«

Wir wollen uns mit dieser summarischen Abfertigung Lissabons, die der kleine Quadutter beliebte, nicht begnügen, sondern zusammen mit den Kadetten einen Ausflug nach Belem und nach Cintra machen.

Belem liegt südwestlich von Lissabon und hat auf der Höhe des Berges ein Fort, welches dereinst wohl sehr stark gewesen ist und die Hafeneinfahrt deckte, jetzt aber den Eindruck der Verfallenheit macht und lediglich zu Salutzwecken dient. Unterhalb des Forts liegt der Belems-Turm, der von jedem jungen Seefahrer aufgesucht wird. Er ist zum Andenken an Vasco de Gama, der von diesem Punkte aus seine Entdeckungsreisen antrat, erbaut. Der Oberteil des Bauwerks wurde als Leuchtturm verwendet. Der Unterbau hat eine viereckige Gestalt und ist kolossal massiv. Infolgedessen hat das Bauwerk auch die schrecklichsten Erdbeben überdauert. Dieser Unterbau ist eine Festung mit Kasematten und über dem Unterbau erhebt sich erst der schlanke Leuchtturm. In der Nähe des Belems-Turmes befindet sich ein berühmtes Kloster der Hieronymiten, das zum Teil im maurischen Stil erbaut ist.

Der schönste Ausflug von Lissabon aber geht nach Cintra, 34 Kilometer von Lissabon entfernt. Man begibt sich dahin auf einer breiten, weißen, staubigen Landstraße mit verkrüppelten Bäumen, verkümmerten Platanen und riesigen Aloen. Zu beiden Seiten der Landstraße breiten sich steinbedeckte, wenig ergiebige Maisfelder aus. Die Stadt Cintra selbst liegt am Fuße einer Kette ehemals vulkanischer Berge. Sie ist von einem wahren Pflanzenparadies umgeben, das dem Besucher um so zauberhafter erscheint, nachdem er das wüstenartige Land zwischen Lissabon und Cintra passiert hat. Riesenhafte Korkeichen, Platanen, große Eucalyptusarten, Fichten, Cypressen bilden einen Wald, der hinter Cintra am Berge emporsteigt.

Auf dem Gipfel des Berges aber liegt eines der Wunderwerke der Welt, das Schloß von Cintra, das als Residenz des Königs dient. Gebahnte Wege, welche gestatten, bis zum Schlosse auf Eseln oder Pferden zu reiten, führen zu dem Bauwerk empor, und zwar durch Wälder von Kamelien, Eichen, Zitronenbäumen, Araukarien, in denen sich weite Flächen jener kostbaren Blumen erstrecken, die wir bei uns nur in Treibhäusern ziehen, wie Azaleen, Fuchsien, Hortensien, welche einen herrlichen, ja in ihrer Blütezeit geradezu betäubenden Duft entwickeln. Sie bilden gewissermaßen die Vorbereitung für den Anblick des feenhaften Schlosses, das im maurischen Stil errichtet ist und aus dem Jahre 1400 stammt.

Hat man sich an der Schönheit des Schlosses satt gesehen, dann genießt man den herrlichen Ausblick von der Spitze des Felsens weit hinein in das Land, über den Meerbusen und über die Stadt Lissabon.

Auf dem Rückwege zum Hafen begegnete den Ausflüglern, den Offizieren und Kadetten, ein Leichenzug echt portugiesischen Gepräges. Der Leichenwagen bestand aus einem zweirädrigen Gefährt mit sehr langen Deichseln. Quer über die Deichseln war der Sarg gestellt, den man mit Riemen an Handhaben befestigt hatte. Der ganze kabriolettartige Wagen mitsamt den Deichseln war über und über vergoldet. Zwischen den Deichseln ging ein Maulesel, reich geschirrt, und auf ihm saß ein Reiter, der das sonderbare Gefährt lenkte, halb Postillon und halb Harlekin, mit hohen Reitstiefeln, buntem Rock und sehr komischem Hut. Man glaubte einen Maskenaufzug und nicht ein Leichenbegängnis zu sehen. Die Leidtragenden gingen hinter dem vergoldeten Gefährt her, sahen aber nicht besonders traurig aus. Es gehört zu den Charaktereigentümlichkeiten des portugiesischen Volkes, dem Tode mit einem gewissen Gleichmute entgegenzusehen. Bezeichnend ist es, daß die Kirchhöfe » prazeres«, das heißt Vergnügungsstätten, genannt werden.

Diejenigen Mitglieder der Besatzung, welche über Zivilkleidung verfügten, also die Offiziere, Kadetten und Deckoffiziere, wohnten auch einem großen Stiergefecht bei, das in der Arena von Santa Anna stattfand. Die portugiesischen Stiergefechte zeichnen sich dadurch vor den spanischen aus, daß bei ihnen in den seltensten Fällen Blut fließt. Der Stier, der in die Arena kommt, trägt große hölzerne Kugeln auf seinen Hörnern, so daß die Hornstöße wohl eine Quetschung verursachen, aber nicht den Tod des Getroffenen herbeiführen. Es werden weder Pferde noch Stiere getötet, sondern nachdem man den Stier durch allerlei Neckereien ermüdet hat, wird er wieder aus der Arena hinausgeführt. So haben nur die im Rokoko-Kostüm erscheinenden Furcatos ihre Künste zu zeigen. Sie necken den Stier, sie springen über ihn hinweg, sie hängen sich zu Dutzenden an seinen Schwanz, an seine Ohren, an seine Hörner und zeigen, daß sie stärker sind, als der Stier. Ist dieser bezwungen, so wird er hinausgebracht, und von allen Seiten wirft man den Furcatos kleine Geldmünzen als Trinkgelder zu.

Der 23. Juli 1899 war ein Sonntag. Am Sonnabend schickte der Kommandant der »Moltke« den Maschinisten-Maaten Seydel, der Französisch verstand, an Land, um mit irgendeinem der Geistlichen der vielen Kirchen darüber zu verhandeln, ob die Katholiken, die sich an Bord befanden, am nächsten Tage am Gottesdienst teilnehmen könnten. Der Maschinisten-Maat erfüllte seine Aufgabe, trotzdem der Geistliche, mit dem er verhandelte, kein Wort Deutsch und nur einige wenige französische Brocken verstand. An Bord der »Moltke« aber machte man sich zurecht, um den Sonntag im Hafen von Lissabon würdig zu feiern.

In das Einerlei des täglichen und nächtlichen Dienstes bringt der Sonntag eine angenehme Abwechselung. Die Vorbereitungen beginnen schon am Sonnabend mit dem uns bekannten »Rein Schiff«. Trotzdem wird am Sonntagmorgen noch eine kleine Nachreinigung gehalten und vor dem Frühstück wird das Schiff noch einmal bis in seine verstecktesten Winkel und Ecken gesäubert. Beim Frühstück wird Antreten in weißen Paradeanzügen befohlen. Die Mannschaften ziehen sich um und gegen neun Uhr stehen in Musterungsdivisionen geordnet Schiffsjungen, Matrosen, Kadetten und Maschinisten mit den Offizieren an Deck. In langen schnurgeraden Linien mit weitem Gliederabstand sind die Divisionen aufgestellt. Der Kommandant, begleitet von seinem Stabe, durchschreitet die Glieder und mustert jeden einzelnen Mann. Dann treten die Leute weg und der Kommandant begibt sich, begleitet von den sämtlichen Offizieren und Deckoffizieren, in die unteren Decke. Die Türen zu allen Räumlichkeiten sind geöffnet, auch in den Lasten unten ist jeder Raum den Blicken des revidierenden Kommandanten ausgesetzt, ohne daß erst eine Tür geöffnet zu werden braucht. Durch das ganze Schiff schreitet der Kommandant, in jeden Winkel sieht er hinein, und dieser Rundgang dauert fast zwei Stunden.

Jeden Sonntag findet diese außerordentliche Revision statt, die natürlich durch überraschende Revisionen des Kommandanten an den Wochentagen unterstützt wird. Deshalb ist am Sonnabend »Rein Schiff«, deshalb wird am Sonnabend die Säuberung des Schiffes bis in die letzten Winkel vorgenommen. Gefolgt von dem Stabe und geführt von dem Maschineningenieur geht der Kommandant auch in die Maschine, wo alles blitzblank und sauber ist, und selbst in den Wellentunnel, durch den die Schraubenwelle des Schiffes hindurchgeht, steigt der Kommandant hinein, um sich auch hier von Ordnung und Sauberkeit zu überzeugen.

Der Kommandant mit den ihn begleitenden Offizieren kehrt an Deck zurück, und jetzt wird die Schiffsglocke in feierlichen Schlägen geläutet. Die Kriegsflagge an der Gaffel wird niedergeholt und an ihrer Stelle steigt der weiße Kirchenwimpel mit rotem Kreuz empor. Unter ihm auf Halbmast weht die Kriegsflagge. Das Schiff bereitet sich zur Kirche vor und innerhalb einer Viertelstunde sind in der Batterie alle Umbauten getroffen worden, um in würdiger Weise den Sonntags-Gottesdienst zu halten.

Die Bänke in der Batterie sind heruntergeschlagen, um von den Besuchern des Gottesdienstes als Sitzgelegenheit benützt zu werden. Aus den Offiziersmessen und den Kammern haben die Burschen Stühle für die Deckoffiziere, Kadetten und Offiziere besorgt und rechts und links vom Altar aufgestellt. Dieser steht ganz dicht unter der Vorluke, die sich in der Nähe des Fockmastes befindet, und besteht aus einem Schränkchen, das zur Aufnahme der gottesdienstlichen Utensiliern dient und das von dem Steuermanns-Maaten, der gleichzeitig die Stelle des Bordsküsters versieht, aufgebaut worden ist. Das Schränkchen trägt eine Hülle aus dunklem Tuch mit gesticktem goldenen Kreuz, es ist mit einer Decke versehen, auf welchem zwei brennende Leuchter und ein Kruzifix stehen. Hinter dem Altar, gewissermaßen als Abschluß für denselben, ist eine Kriegsflagge aufgehängt. Ein Tisch ist für die Mitglieder der Schiffskapelle seitwärts vom Altar aufgestellt.

»Alle Mann zum Gottesdienst in die Batterie!« rufen die Maate durch die Decke, und mit ihren Gesangbüchern begeben sich die Matrosen und die Maschinisten mit ihren Maaten in die Batterie und nehmen auf den Bänken Platz. Unmittelbar nach ihnen erscheinen die Deckoffiziere, die Kadetten und allmählich auch die Offiziere, nur der erste Offizier und der Kommandant fehlen noch.

Der erste Offizier hat sich in die Kajüte des Kommandanten begeben und diesem gemeldet, daß das Schiff »klar zum Gottesdienst« sei.

Der Kommandant gürtet die Dienstschärpe um und steigt mit dem ersten Offizier die Treppe zum Batteriedeck hinunter.

»Ordnung!« ruft der erste Offizier, und alle im Batteriedeck Versammelten fahren in die Höhe und nehmen eine dienstliche Haltung an.

Der erste Offizier führt den Kommandanten bis auf seinen Ehrenplatz unmittelbar neben dem Altar, auf einen Wink nehmen die Anwesenden Platz.

Feierliche Ruhe herrscht in dem Batteriedeck, obgleich hier hunderte von Menschen versammelt sind. Unterdes hat sich der Bordküster in die Kammer des Schiffspfarrers begeben und diesem gemeldet:

»Herr Pfarrer, das Schiff ist klar zum Gottesdienst!«

Der Schiffspfarrer, der bereits mit seinem geistlichen Gewande bekleidet ist, nimmt die für den Gottesdienst notwendigen Bücher mit sich und begibt sich ebenfalls nach dem Batteriedeck. Sobald er an den Altar getreten ist, beginnt die Musik einen Choral zu spielen.

Feierlich ziehen die Klänge durch das niedrige Deck, und durch die weitgeöffneten Stückpforten der Batterie dringt der Klang hinaus über die weite Wasserfläche des Tajo.

Nach dem Gebet des Geistlichen werden zwei Verse eines Kirchenliedes gesungen, wobei die Musik ebenfalls begleitet. Dann folgt die Predigt, welche nach Vorschrift nicht länger als fünfzehn Minuten dauern soll. Man will, daß an Bord der Gottesdienst nicht länger als eine halbe Stunde währe. Wer von den Teilnehmern sein Herz rühren lassen will, wer das Bedürfnis hat, andächtig zu sein, kann das auch in einer halben Stunde tun, und ein langer Gottesdienst würde den Leuten, die zusammengepfercht im Batteriedeck sitzen, mehr Unbequemlichkeit als Erbauung bringen.

Eine kernige, kräftige Predigt hält der Schiffspfarrer. Er spricht zu Soldaten, aber er spricht auch zu jungen Menschen, die zum ersten Male fern von der Heimat sind, zu den Schiffsjungen und Kadetten. Er weiß seine Rede so einzurichten, daß sie für jedermann verständlich ist und in jedermanns Herzen Anklänge weckt. Dann werden mit Musikbegleitung wieder zwei Verse eines Kirchenliedes gesungen, es folgt das Schlußgebet und der Pfarrer verläßt das Deck.

Unmittelbar nach ihm erhebt sich der Kommandant, und begleitet von sämtlichen Offizieren, denen sich die Kadetten und Deckoffiziere anschließen, steigt er zum Oberdeck empor und verschwindet in seiner Kajüte.

»Decke fegen!« lautet das Kommando, als die Mannschaften auch die Batterie verlassen haben. Das Deck wird aufgeklart, auf dem Oberdeck wird, trotzdem dies ganz überflüssig ist, noch einmal gefegt und alles zurecht gestellt und dann kommt das angenehme Kommando:

»Backen und Banken!«

Es gibt heute, da ja im Hafen die Beschaffung von frischem Proviant sehr leicht war, ein ausgezeichnetes Sonntagsdiner, nämlich Rostbeef, Kartoffeln und grünen Salat.

Der Sonntag-Nachmittag gehört an Bord der Kriegsschiffe den Leuten, und nur wenn das Schiff auf hoher See und in schwerer Gefahr ist, zieht man die Mannschaft zum Dienst heran. Natürlich stehen auch jetzt die Posten auf der Back und am Fallreep, und auf der Kommandobrücke geht ein Deckoffizier auf und ab, während der Wachtoffizier an der Steuerbordseite des Schiffes »promeniert«.

Gleich nach Tisch treten die Urlauber auf Deck an, und der erste Offizier mustert dieselben noch einmal. Er hält ihnen eine eindringliche Rede, sich an Land würdig und anständig zu betragen, warnt vor dem Trinken und vor Streitigkeiten mit den Eingeborenen und den Matrosen fremder Kriegsschiffe, denn es liegen gleichzeitig zwei englische, ein holländisches und ein französisches Kriegsschiff auf der Reede vor Anker. Ebenso erinnert der Offizier daran, daß um neun Uhr die Boote wieder am Quai sein werden, um die Urlauber zurückzuholen, und daß derjenige, der zu spät oder betrunken an Bord käme, strenger Strafe gewärtig sein müsse.

Die Boote werden heruntergelassen, die Dampfbarkasse spannt sich vor und in langem Zuge schleppt sie die Boote, die mit weißgekleideten Matrosen dicht besetzt sind, bis zum Quai. Natürlich bleibt ein Teil der Matrosen an Bord, sämtliche Leute werden niemals beurlaubt. Die Kadetten sind vollzählig an Bord geblieben, denn sie haben Besuch von portugiesischen Kadetten erhalten. Der Kommandant hat Gäste in seiner Kajüte, den deutschen Konsul mit seiner Familie. Einige deutsche Kaufleute und Beamte sind Gäste in der Offiziersmesse. Die Deckoffiziere sind teils an Land, teils haben sie ebenfalls Gäste in ihrer Messe.

Nachmittags sitzen die Matrosen auf dem Oberdeck und vergnügen sich mit Kartenspielen, wobei jedoch das Spielen um Geld bei Strafe verboten ist.

Die Schiffsjungen dürfen heute nicht an Land, sie werden am nächsten Tage einen gemeinsamen Ausflug unter Führung von Deckoffizieren und Offizieren unternehmen. Sie werden sogar das Vergnügen haben, einen Eselritt bis nach Cintra zu machen, worauf sich die Jungen schon gewaltig freuen.

An den vorhergehenden Tagen hat ihnen der Schiffspfarrer Vorträge gehalten über die Stadt Lissabon und über das große Erdbeben vom 1. November 1755. Er hat ihnen auch Episoden aus der portugiesischen Geschichte erzählt, hat ihnen von Bord aus interessante Bauwerke gezeigt, die bei dem Besuch an Land besichtigt werden sollen. Die Schiffsjungen werden, wenn sie in einen neuen Hafen kommen, über das Wissenswerteste unterrichtet, damit sie nicht verständnislos in der Welt herumfahren.

Jetzt sind die Schiffsjungen auf Deck dicht neben der Back unter Aufsicht einiger Steuermanns-Maaten versammelt, und es geht so laut bei ihnen zu, daß sie trotz des Sonntags hin und wieder zur Ruhe ermahnt werden müssen.

Ein wahrer Sturm aber erhebt sich, als der Steuermanns-Maat Nottemann zu den Schiffsjungen kommt.

Steuermanns-Maat Nottemann ist schon ein alter Knabe mit graumeliertem Bart, ein Mann, der selbst Familienvater ist und dessen Söhne bereits in der Marine dienen. Er ist ein sehr tüchtiger Maat und strenger Vorgesetzter, aber er ist nebenbei ein wahrer »Schiffsjungenvater« und versteht es, die manchmal sehr unbotmäßige jugendliche Schar in Ordnung zu halten. Er vergißt nicht, daß die Schiffsjungen doch vor allem Kinder sind, die nicht immer wie Soldaten behandelt werden können.

»Herr Steuermanns-Maat, spinnen Sie doch ein Garn!« bitten die Schiffsjungen.

Nottemann läßt sich gern bitten und antwortet daher:

»Ihr habt mich heute wieder vor der Musterung so geärgert, daß ich gar nicht daran denke, ein Garn zu spinnen.«

»Herr Steuermanns-Maat, sind Sie doch nicht böse,« sagt Schwersenzke, der in seiner Dreistigkeit sich immer zum Sprecher der Schiffsjungen aufwirft, »wir haben bloß das Kommando nicht ordentlich verstanden. Wir werden uns auch wieder solche Mühe geben, daß Sie Ihre Freude an uns haben sollen.«

»Du bist der Schlimmste von allen!« sagt Nottemann, »du machst nichts wie Unfug und stiftest die anderen noch dazu an.«

»Ach Herr Steuermanns-Maat, spinnen Sie doch ein Garn!« bitten jetzt auch die anderen Jungen im Chor.

Nottemann setzt sich auf einen Kranz aufgewickelten Tauwerks, ein Zeichen, daß er wirklich »ein Garn spinnen«, das heißt erzählen will. Um ihn herum gruppieren sich die Schiffsjungen möglichst dicht, denn Nottemann ist ein berühmter Erzähler. Sobald die Matrosen sehen, daß der Steuermanns-Maat sich fertig zum »Spinnen« macht, kommt auch ein Teil von ihnen heran und auch von der Back herunter treten die Maate, denn sie freuen sich auf die Erzählung Nottemanns ebenfalls. Er ist nämlich ein großer Seelateiner, das heißt er kann prachtvoll lügen.

»Was soll ich euch denn erzählen?« fragt Nottemann, und einer der jüngsten Schiffsjungen sagt schüchtern:

»Vom Klabautermann!«

»Von dem ist nicht viel zu erzählen,« meint Nottemann, »und man spricht an Bord des Schiffes nicht gern von ihm, denn er ist leicht beleidigt. Der Klabautermann ist der gute Geist des Schiffes. Er trägt gelbe Hosen, einen roten Rock und einen spitzen grünen Hut. Außerdem hat er Reiterstiefeln an, er ist aber kaum einen halben Meter hoch. Aber Kräfte hat er über alle Maßen, wenn er beim Ballastverstauen, beim Segelbergen, beim Ankerhieven mit zufaßt, dann geht die Sache wie geschmiert. Er leistet so viel wie zwanzig Mann. Wenn er gut behandelt wird, hilft er vorn und hinten im Schiffe, hilft er gleichzeitig oben auf der Oberbram-Raa und unten in der Bilge. Aber man darf ihn nicht schimpfen, darf nicht höhnisch von ihm sprechen und überhaupt keine Witze über ihn machen. Wer nicht an ihn glaubt, der mag sich vor ihm in acht nehmen, im dunklen Zwischendeck wird er den Klabautermann einmal vor sich stehen sehen mit großen feurigen Augen und grünen Zähnen. Wer ihn aber gesehen hat, der lebt nicht lange, der kommt sicher beim Segel-Exerzieren aus der Takelage herunter oder er geht im nächsten Sturme über Bord. Faulenzer kann er nicht leiden, ihr wißt es ja, wenn ein Schmierfink und Faulenzer durch das Zwischendeck geht, dann gibt ihm der Klabautermann gern einen Knuff. Am liebsten sitzt er auf dem Klüverbaum.«

»Haben Sie ihn schon gesehen, Herr Steuermanns-Maat?«

»Nein, mein Junge, sonst lebte ich nicht mehr. Ohne Schaden können ihn nur die Leute sehen, die in der Mitternachtsstunde des 29. Februar geboren sind. Und auch für die ist es nicht gut, ihn zu sehen, denn er zeigt sich ihnen auch nur, wenn ein Unglück für das Schiff im Anzuge ist. Dann sehen ihn diese Berufenen zwischen zwölf und ein Uhr nachts unterm Bugspriet hocken und sie hören ihn auch Wehe schreien. Wenn es aber so weit ist, dann geht er bald von Bord, und das ist das Zeichen, daß der Untergang des Schiffes unmittelbar bevorsteht.«

»Auf den Kriegsschiffen hält er sich so wie so nicht gern auf, es ist zu viel Geräusch hier, er kann das Trommeln und Pfeifen nicht vertragen, auch das Schießen hat er nicht gern. Auf den Handelsschiffen hält er sich lieber auf. Ich habe einmal einen Kapitän von der Handelsmarine getroffen, der mir erzählt hat, wie der Klabautermann seines Schiffes jeden Sonntag-Mittag zu ihm in die Kajüte gekommen ist, um mit ihm ein Glas Wein zu trinken. Mehr wie ein Glas trank er nie, auch Essen nahm er an. Der Kapitän hat aber auch Glück gehabt, er ist wohl zweihundertmal über den Atlantischen Ozean gefahren und nie ist ihm etwas passiert. Jetzt sitzt er als Pensionär an Land.«

»Wir haben in der Schule ein Gedicht vom Klabautermann gelernt,« sagte Franz Schwersenzke.

»So,« meinte Nottemann, »von wem ist denn das Gedicht?«

»Von dem Dichter Kopisch.«

»Na, dann sag' es doch einmal auf.«

Franz Schwersenzke stellte sich in Positur und trug das Gedicht vor:

»Flink auf die luftigen Segel gespannt!
Wir fliegen wie Vögel von Strand zu Strand,
Wir tanzen auf Wellen, um Klipp und Riff,
Wir haben das Schiff nach dem Pfiff im Griff,
Wir können, was kein anderer kann,
Wir haben einen Klabautermann!

Der Klabautermann ist ein wackerer Geist,
Der alles im Schiffe sich rühren heißt,
Der überall, überall mit uns reist,
Mit dem Schiffskapitän flink trinkt und speist:
Beim Steuermann sitzt er und wacht die Nacht,
Und oben in der Mars, wenn das Wetter kracht.

Ist's Wetter klar und die Fahrt gelingt,
So nimmt er die Geige und tanzt und springt,
Und alles muß auf dem Deck sich schwingen,
Unzählige selige Lieder singen,
Nicht Sturm, nicht Wurm, nichts ficht ihn an:
Wir haben den wahren Klabautermann!

Hei, entert er auf! Sei die See auch groß,
Klabautermann läßt kein Ende los;
Er läuft auf die Raaen, wenn alles zerreißt,
Er tut, was der Kapitän ihn heißt.
Und wißt ihr, wie man ihn rufen kann?
Courage heißt der Klabautermann!«

Der Vortrag hatte entschieden Erfolg. Die Schiffsjungen und Matrosen lachten und Zimmermanns-Maat Klampe meinte:

»Sieh einer die Krot'! Die kann reden wie ein Schauspieler!«

Steuermanns-Maat Petersen aber sagte:

»Wart', mein Junge, wenn wir eine Theateraufführung an Bord haben, dann wirst du mitspielen, du hast das Zeug dazu.«

»Ach bitte, Herr Steuermanns-Maat, erzählen Sie doch weiter!« baten die Schiffsjungen.

»Habe ich euch schon erzählt, wie ich einmal Dienst auf dem »Fliegenden Holländer« getan habe?«

»Nein, Herr Steuermanns-Maat!« klang es von den Lippen der Schiffsjungen, und die Matrosen waren gespannt, was Nottemann wohl jetzt für ein Garn spinnen würde.

»Nun, ihr wißt doch, daß der »Fliegende Holländer« heute noch auf den Meeren herumfährt. Es ist ein Gespensterschiff, dessen Kapitän und Mannschaft verflucht sind und in Ewigkeit, ohne Ruhe zu finden, auf den Meeren segeln müssen. Der Kapitän soll ja wohl ein deutscher Adliger sein, der seine Braut und ihren Bruder erschlagen hat und andere Verbrechen beging. An Land wird ja auch eine Oper aufgeführt »Der fliegende Holländer«, ich habe sie mir auch einmal angesehen, aber was darin vorkommt, das ist nicht richtig. Ich weiß das besser, denn ich bin selber einmal vier Wochen als Steuermanns-Maat auf dem »Fliegenden Holländer« gewesen. Die Sache kam so:

Wir lagen mit dem Kriegsschiff »Medusa« in Singapore vor Anker. Ich war damals noch ein junger Mensch und erst seit einem halben Jahre Steuermanns-Maat. Ich war an Land beurlaubt und hatte mich etwas verspätet. Mir war den ganzen Tag über schon sehr eigentümlich zu Mute gewesen. Als ich an den Hafen kam, war unser Kutter schon mit den Urlaubern an Bord gegangen. Es war mir dies sehr unangenehm, denn ich hatte noch niemals eine Strafe gehabt und hatte nun Unannehmlichkeiten, weil ich zu spät vom Urlaub zurückkam.

Als ich mich nach einem Boote umsah, sah ich plötzlich ein solches angerudert kommen, besetzt mit zwei Mann in sonderbarer Tracht. Die Ruderer waren in weite schwarze Mäntel gehüllt und trugen graue Filzhüte, die nach oben spitz zuliefen, auf dem Kopfe. Sie hielten ihr Boot an der Stelle an, wo ich stand, und einer von ihnen sagte mit eigentümlicher Stimme, die mir durch Mark und Bein ging:

›Steig' ein, wir erwarten dich!‹

In diesem Augenblick packte mich eine furchtbare Angst, aber gleichzeitig empfand ich einen Zwang, dem ich nicht widerstehen konnte, mich in das Boot hineinzusetzen. Ich nahm am Heck Platz, fand aber hier kein Steuer.

›Ich will nach der »Medusa«!‹ sagte ich den sonderbaren Ruderern. Ich erhielt aber keine Antwort, denn die beiden Mann zogen die Riemen an und wir flogen durch das Wasser, als würde das Boot von einer Dampfmaschine getrieben.

Trotzdem schien die Fahrt kein Ende nehmen zu wollen, der Hafen kam mir auch verändert vor. Es war Mondschein, aber Wolken verschleierten den Mond und er gab nur unsicheres Licht. Ich spähte rings umher nach der »Medusa«, aber ich sah sie nicht. Immer weiter hinaus mit unheimlicher Schnelligkeit ruderten mich die beiden Männer, bis wir uns einem großen dunklen Schiffe näherten, das keine Laternen hatte. Ich wollte den Ruderern sagen, daß das Schiff nicht die »Medusa« sei, aber meine Zunge war wie gelähmt.

An Backbord-Fallreep legten sie an und winkten mir, auszusteigen. Ich betrat über das Fallreep das Schiff und sah auf dem Deck eine Menge von Personen sich bewegen, die alle die sonderbare Tracht der beiden Ruderer angelegt hatten. Ich sagte dem ersten dieser sonderbar gekleideten Männer:

›Ich bin der Steuermanns-Maat Nottemann von S. M. S. »Medusa«!‹ worauf der Mann schweigend nach der Vorluke zeigte und mir andeutete, ich solle hinunter gehen.

Eine unheimliche Stille herrschte auf dem Schiffe, niemand sprach ein Wort. Ich schritt durch das Batteriedeck, das von einer einzigen Lampe erhellt war, und ein Frösteln überfiel mich, als ich im Schatten sonderbare Gestalten sich bewegen sah. Am Achterende des Batteriedecks stand eine Tür weit offen, aus der heller Lichtschein herausdrang. Ich ging auf die Tür zu und sah hinein. An einem Tische, der mit Weinflaschen und Gläsern, sowie mit Tabakspfeifen und Tabak bedeckt war, saß ein Mann mit langem silberweißen Bart und hohläugigem verwetterten Gesicht. Er trug alt-holländische Tracht. Als ich den Kopf in die Kajüte hineinstreckte, schrie er mir zu:

›Tritt nur herein und sei willkommen auf dem »Fliegenden Holländer«!‹ Dann lachte er wild auf, denn er sah wohl, wie erschrocken ich war.

›Da trink!‹ rief mir der Kapitän zu und füllte ein großes Paßglas bis zum Rande mit einem dunkelroten Wein, der wie Blut aussah. Ich leerte das Glas auf einen Zug und ich hatte das Gefühl, daß Feuer durch meine Adern fließe. Aber mit einem Schlage war all meine Furcht weg, und als mir der Kapitän jetzt die Hand hinhielt und sagte:

›Schlag' ein! Willst du Steuermanns-Maat werden bei uns?‹ da sagte ich ohne weiteres zu und schüttelte dem Kapitän kräftig die Hand.

Der Kapitän nahm eine Pistole und feuerte den Schuß zur Tür hinaus ab. Mich wunderte das nicht, ich hatte das Wundern vollständig verlernt, seitdem ich den Wein getrunken hatte. Ich fand es nur zu natürlich, daß der Kapitän auf diese Art und Weise seinen Diener herbeirief. Es kam auch ein Mann in die Kajüte hinein, der dasselbe Kostüm trug wie die anderen, aber unter dem Hut grinste ein Totenkopf, und aus dem weiten, schwarzen Gewande kamen Knochenarme hervor. Es steckte ein Gerippe in diesem Kostüm.

›Bring' mehr Wein, du fauler Geselle!‹ schrie der Kapitän und feuerte eine zweite Pistole auf den Diener ab. Die Kugel traf den Kopf und dieser fiel mitsamt dem Hut herunter. Aber der Diener hob Kopf und Hut wieder auf und setzte sie an die richtige Stelle, dann ging er hinaus.

Ich fand das alles nur zu natürlich, nicht einmal komisch kam mir der Kerl vor, der seinen Kopf wieder so aufsetzte, als wäre es eine Perrücke.

Bis zum Morgen kneipte ich mit dem Kapitän, dann sagte mir dieser:

›Du mußt jetzt deinen Dienst antreten!‹

Ich ging auf Deck und sah, daß es heller Tag war, aber das Schiff war ringsum von Nebel umgeben. Ich nahm meine Pfeife heraus und pfiff, dann rief ich:

›Antreten zur Musterung!‹ und die sonderbaren Gestalten traten vorschriftsmäßig an, aber keiner von ihnen sprach ein Wort. Es waren alles hohläugige, magere Kerle mit gräßlichen Galgenphysiognomien. Hätte ich nicht vom Weine des Kapitäns getrunken, so würde ich mich vor der Bande entsetzt haben, drei Morde schien mindestens jeder von ihnen auf dem Gewissen zu haben. Sie gehorchten aber jedem meiner Befehle, nur erhielt ich nie eine Antwort und nie vernahm ich ein Sprechen oder Lachen an Bord, nur der Kapitän schien außer mir die Gabe der Rede zu haben. Es war ein sehr langweiliger Dienst, denn man wußte nicht, wohin man kam. Am Steuer standen Leute, die sich auf meinen Befehl ablösten, aber der Kompaß war ganz weiß und am Rande der Bussole war ein breiter roter Strich. Auf diesen wurde die Spitze der Magnetnadel gerichtet, und so steuerten wir, doch immer in anderem Kurs, kreuz und quer im Ozean umher.

Wenn ich euch Bengels jetzt fortwährend schwadronieren und plappern höre, denke ich immer daran, wie hübsch es eigentlich auf dem »Fliegenden Holländer« gewesen ist, wo sich kein Mensch vermaulte oder etwas sagte, wenn man einen Befehl gab. Ihr solltet wirklich einmal alle einen Kursus auf dem »Fliegenden Holländer« durchmachen.«

»Und wie sind Sie wieder von dem »Fliegenden Holländer« heruntergekommen, Herr Steuermanns-Maat?«

»Ja, seht ihr, das ist eine eigentümliche Geschichte. Ich legte mich eines Abends, nachdem ich wieder mit dem Kapitän sehr stark gekneipt hatte, in meine Koje, denn ich hatte eine eigene Kammer für mich, und als ich morgens erwachte, lag ich im Lazarett in Singapore, und sie behaupteten, ich hätte das Fieber gehabt und hätte vier Wochen bewußtlos dagelegen.«

Die Schiffsjungen lachten und das Gesicht der Matrosen verzog sich zu breitem Grinsen. Steuermanns-Maat Petersen aber sagte:

»Das war natürlich nur ein Witz von dir, Nottemann. Aber man soll eigentlich über solch ernste Sachen keine Scherze machen. Der »Fliegende Holländer« existiert wirklich, und ich selbst habe ihn gesehen.«

»Und lebst noch?« sagte Nottemann höhnisch.

»Ich habe ihn nicht zuerst gesehen. Nur derjenige, der ihn zuerst sieht und anruft, hat Unglück, und so war es auch bei uns. Es war auf der alten Schiffsjungen-Brigg »Rover«, als gegen Morgen, der Tag graute schon, sich im Nebel plötzlich ein Schiff zeigte. »Schiff quer ab!« rief der Posten auf der Back und die ganze Wache fuhr auf. Wir sahen an unserem Steuerbord neben uns ein Schiff ganz deutlich, aber im nächsten Augenblick war es verschwunden. Der Mann aber, der es gesehen hatte, fiel in der Nacht beim Segelreffen über Bord und wurde nicht mehr aufgefunden.«

Der Maschinisten-Maat Seydel mischte sich in das Gespräch und sagte:

»Unzweifelhaft haben viele Leute von Kriegs- und Handelsschiffen bereits den »Fliegenden Holländer« wirklich gesehen, oder sie glaubten ihn wenigstens zu sehen, denn eine Luftspiegelung hat sie getäuscht. Es steht fest, daß es auf dem Meere Luftspiegelungen und eine Art Fata morgana gibt, genau so, wie in der Wüste. Man sieht manchmal in der Luft Schiffe mit den Mastspitzen nach unten hängen und bei den abergläubischen, alten Seeratten gilt das natürlich auch als unglückliche Vorbedeutung. Die Erscheinung ist einfach durch die verschiedene Erwärmung der Luftschichten zu erklären. Es steht fest, daß Kriegsschiffe, die dreihundert englische Meilen von einem anderen Schiffe entfernt waren, deutlich gesehen wurden. Man hat aus einer Entfernung von mehr als hundert Kilometern ganze Hafenstädte über dem Horizont erscheinen sehen. Es ist eben Luftspiegelung und weiter nichts. Aber natürlich, der ungebildete Seemann verbindet solche Erscheinungen gleich mit dem Aberglauben, ohne den es nun einmal an Bord nicht geht. So wird die Luftspiegelung zum Fliegenden Holländer oder zum Totenschiff.«

Seydel verließ die Gruppe und ging nach dem Batteriedeck hinunter. Die Maate sahen ihm erstaunt und ärgerlich nach. Wieder einmal trat der Gegensatz zwischen Maschinen- und Seemannschaft zu Tage.

»Meinte er uns mit den ungebildeten Seeleuten?« fragte Petersen entrüstet. »Was bildet sich denn dieser Radattel-Leutnant ein?«

» Die Herren haben die Weisheit immer mit Löffeln gegessen. Plus minus gleich Unendlich. Die berechnen ja alles und wissen alles zu erklären. Nur wenn ihnen ihre Kaffeemühle kaput geht, dann sind sie zu Ende mit ihrer Kunst.«

Der Musikers-Maat, der die Kapelle an Bord dressierte, kam dazu und sagte den Maaten vorwurfsvoll:

»Es wäre vielleicht besser, die Jungen würden ein Lied singen, als daß die Maate sich vor ihnen herumstreiten. Vorwärts, Jungens, wir wollen einmal ein Lied anstimmen!«

Unter Leitung des Musikers-Maaten wurden einige Volkslieder von den Schiffsjungen angestimmt, und alle Vergnügungsboote, welche auf der breiten Wasserfläche des Hafens herumsegelten oder ruderten, näherten sich der »Moltke«, um den ungewohnten deutschen Gesang, der den Insassen der Boote sehr gut zu gefallen schien, besser zu hören.

Heute gab es etwas besonders gutes zum Abendbrot, nämlich außer Tee, Butter und Brot noch warmes Fleisch. Dann begaben sich aber Matrosen und Schiffsjungen wieder auf das Oberdeck. Die Musikkapelle kam und begann zu spielen, und es dauerte nicht lange, so drehten sich Matrosen und Schiffsjungen im Tanze. Es gab einen richtigen »Marine-Hopps«. Die Schiffsjungen, welche schon etwas tanzen konnten, brachten ihren Kameraden, welche diese Kunst nicht verstanden, das Tanzen bei. Ein Matrose muß tanzen können, das gehört zu seinen Eigentümlichkeiten.

Als sich die Schiffsjungen müde getanzt hatten, führten die älteren Matrosen, die schon in der Welt herumgekommen waren, originelle Tänze auf, spanische und Niggertänze, wobei sie wie verrückt auf dem Deck herumtrampelten. Besonders unter den älteren Matrosen konnten manche diese Niggertänze vortrefflich vorführen. Auch die Offiziere waren vom Achterdeck aus Zeugen dieses Tanzes und schickten den Niggertänzern zur Belohnung eine Flasche Wein.

Das Kommando »Hängematten ausgeben!« machte dem Sonntagsvergnügen ein Ende. Die Schiffsjungen und dann die Matrosen gingen unter Deck und in die Hängematten.

Nach neun Uhr aber kehrte die Dampfbarkasse, welche die mit Urlaubern besetzten Kutter zog, vom Hafenquai nach der »Moltke« zurück. Der erste Offizier stand auf dem Achterdeck, und jeder Urlauber, der das Schiff betrat, mußte an ihm vorübergehen und sich melden. Mancher stand dabei nicht ganz fest auf seinen Beinen und zeigte eine bedenkliche Neigung, sich wie ein Schiff auf wogender See zu verhalten, nämlich zu schlingern und zu stampfen. Aber der erste Offizier sah über diese Beweglichkeit hinweg und winkte nur den Kameraden, den Mann rasch in die Hängematte zu bringen. Keiner der Urlauber war an Land zurückgeblieben; wie die Maate meldeten, war auch nichts Unangenehmes an Land vorgefallen.


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