Gottfried Keller
Martin Salander
Gottfried Keller

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Die Brüder, so einig sie waren, trennten sich nur insofern vor der Welt, als jeder denjenigen Volks- oder Bürgerkreisen nachging, die seinem Parteinamen entsprachen. Da sie noch wenig politischen Verstand und Gedankenvorrat besaßen, so fiel es ihnen nicht schwer, sich mehr durch ihre Anwesenheit als durch Reden bemerklich zu machen und dagegen mit einer den Sprachführern gewidmeten schmeichelhaften Aufmerksamkeit deren Wohlgefallen zu erwerben. Nach und nach erwiesen sie sich nützlich durch vorkommende mindere Schreibarbeiten, die sie bereitwillig besorgten, und durch vertrauliche Mitteilungen aus dem Lager der Gegenpartei, von Absichten und Beschlüssen, drolligen oder nachteiligen Vorfällen, persönlichen Reibungen und dergleichen, was sie einander jeweilig ungesäumt zuraunten. Das gab ihnen unter ihren Leuten dann den Ruf rühriger und gut unterrichteter Politiker, wenn sie vorsichtig und ganz wie beiläufig die Neuigkeit an den Mann brachten. Es ist übrigens anzunehmen, daß der letztere Zug nicht sowohl aus bösartiger Falschheit, als aus dem leichtsinnigen Spiel hervorging, das sie mit dem Parteiwesen trieben. Noch andere, unschuldigere Ränke übten sie fleißig. Wenn sie in eine öffentliche Zusammenkunft, einen Verein oder auch nur sonst ins Wirtshaus gingen, sorgten sie dafür, daß ihnen ab und zu dringliche Geschäftsbriefe und Telegramme aus ihren Kanzleien nachgesandt oder daß sie persönlich hinausgerufen wurden. Das belächelten zwar erfahrene Unterstreber, aber mit Achtung und Wohlwollen. Sie hielten es für etwas durchaus Tüchtiges, quasi Staatsmännisches, und verrieten das ihnen bekannte Geheimnis keineswegs an die Menge.

Die Brüder gediehen auf das beste und gewannen jeder an seinem Orte täglich an Ansehen und Beliebtheit im Volke. Die sicheren Hoffnungen auf die Ämter ihrer beiden Vorgesetzten erfüllten sich allerdings nicht. Der eine, der hatte abgehen wollen, ward plötzlich eifersüchtig und besann sich anders; derjenige, der nach Ablauf seiner Amtsdauer gestürzt werden sollte, machte verzweifelte Anstrengungen und empfahl sich persönlich in den Häusern der Stimmberechtigten, so daß er mit knapper Mehrheit wieder bestätigt wurde. Sein Substitut Julian, der sich unbefangen beworben, erhielt aber so viel Stimmen, daß er durch die Ziffer schon eine Anwartschaft unter den hervorragenden Kandidaten bekam.

Die zwei jungen Männer säumten unter solchen Umständen nicht länger, sich außerhalb ihrer Notariatskreise umzutun und erworbene Freundschaften zu benutzen, und so währte es nicht zu lange, bis jeder in einer fruchtbaren, wohlhabenden Gegend des Landes zum Notar erwählt worden, Isidor, der Altliberale, im Norden, und Julian, der Demokrat, im Osten von Münsterburg.

Im Zeisig herrschte Freude. Frau Amalie Weidelich rief: »Zwei Landschreiber zu Söhnen!« und der Vater Jakob sagte: »Ja, du hast's erreicht, was die Ehre betrifft! Aber mit dem Einkommen der Notare soll es nicht mehr glänzend stehen! Wir werden noch weiter opfern müssen!«

»Ei, da sorg du nicht!« eiferte die Mutter, »diese Sorte bleibt nicht lang auf dem Fleck stehen!«

»Jedenfalls,« fuhr Jakob Weidelich unbeirrt fort, »braucht jeder alsbald ein Haus, einen anständigen Wohnsitz; denn mit einer Landschreiberei kann man nicht bei Bauersleuten zur Miete wohnen! Das wird auch Geld kosten!«

Die Söhne beruhigten den Vater. Zu einem artigen Haus oder gar einem mäßigen Landgute zu kommen, ergebe sich die vorteilhafteste Gelegenheit aus dem amtlichen Geschäftsleben selbst bei Anlaß von Konkursabsteigerungen, Erbverkäufen und anderen Fällen von Handänderungen, wo ein gewandter Notar, wenn er die Augen auftue und etwas wage, ja zunächst bei der Anrichte stehe.

Vater Weidelich verstand sich nicht recht auf solche Geschäftsläufe; von den alten Landschreibern seines Gedenkens hatte man dergleichen Praxis nicht vernommen; doch war er selber kein Gewinnverächter und fand es schließlich um so besser, wenn hier das biblische Wort gelte: »Dem Ochsen, der da drischt, sollst du nicht das Maul verbinden.«

Die gute Mutter vermochte kein Wort mehr zu sagen, so gerührt, so betroffen war sie, die Söhne in eigenen Herrenhäusern sitzen zu sehen, weit auseinander im Lande wohnend.

Während die jungen Notare einstweilen noch in den Wohnräumen ihrer Vorgänger die Ämter antraten und verwalteten, suchte gelegentlich jeder in den Ortschaften seines Kreises eine Behausung. Das gab Gelegenheit, sich der angesessenen Wohnerschaft zu zeigen und Leutseligkeiten mit ihr zu tauschen. Um auf der nunmehrigen Laufbahn nicht mehr verwechselt zu werden, hatten sie auch das Äußere so ungleich als möglich gemacht, Julian das üppige Haar kurz gestutzt und ein zartes Schnurrbärtchen gepflanzt, Isidor das Haar mit Pomade glatt gestrichen und gescheitelt; dazu trug jener einen schwarzen Filzhut, breit wie ein Wagenrad, dieser ein Hütlein wie ein Suppenteller.

Das Glück wollte, daß beide in kurzer Zeit Anlaß fanden, ein schönes Grundstück zu billigem Preise an sich zu ziehen und statt der bisherigen Besitzer lediglich den eigenen Namen in die Grundbücher einzutragen. Nachher konnten sie soviel Land davon verkaufen, daß sie beinahe zinsfrei wohnten. Julians Sitz lag im Osten in der großen Dorfschaft Lindenberg; die weit zerstreuten Häuser zogen sich um den Fuß des Berges herum, die neue Kanzlei aber glänzte weiß von der Höhe ins Land hinaus. Isidor hatte zur Residenz die Kirchgemeinde Unterlaub gewählt, und das kleine, aber zierliche Landhaus, das er bezogen, war ebenfalls auf einer anmutigen, aus grünem Buchengehölz ragenden Erdbrust gelegen, wo es »im Lautenspiel« hieß. Wenn die Eltern Weidelich zu einer gewissen Jahreszeit des Abends, bei schönem Wetter, die Anhöhen über dem Zeisighofe bestiegen, so konnten sie in der Ferne die weißen Mauern und die Fenster beider Häuser im Scheine der niedergehenden Sonne schimmern und funkeln sehen.

Aber nicht nur das Himmelslicht, auch die Gunst der Menschen schien die glückseligen Wohnungen und ihre Eigner zu verklären; denn als wiederum eine kleine Zeit verstrichen, starb in Isidors Gegend ein altes Mitglied des Großen Rates und nahm in Julians Revier ein anderes, durch Verhältnisse genötigt, seinen Austritt. Die Altliberalen, über den Verlust ihres alten Genossen betrübt, wollten es auch einmal mit jungem Holze versuchen und hoben den jungen Notar im Lautenspiel auf den Schild; die Demokraten im Osten holten schon seines großen Hutes wegen den Julian vom Lindenberg herunter; denn dieser Hut, als ein unverhohlenes Zeichen der Gesinnung, bildete einen trefflichen Gegensatz zu dem gescheitelten Haar und dem glatten Gesicht Isidors und eine Herausforderung aller Andersgesinnten überhaupt.

Sie wurden zur nächsten Versammlung des zweihundertköpfigen Rates einberufen und, nachdem die Wahlen anerkannt, zum Handgelübde in den Saal geführt; schon vor der Sitzung hatten sie unter Anleitung des Weibels sich die Plätze ihrer Vorgänger gesucht und nahmen nach vollzogener kurzer Handlung dieselben ein.

Als sie nun dasaßen, der eine hier, der andere dort, waren beide gleichmäßig still und doch unaufmerksam, so daß sie kaum wußten, was jetzt verhandelt wurde. Nach und nach fiel es ihnen ein, daß sie gedruckte Sachen in einem Umschlag mit sich führten, neue Vorlagen wurden ausgeteilt, sie vertieften sich blätternd darein und erwischten auch den Faden, an welchem die Beratung eines Gesetzentwurfes sich hinspann. Aber schon bei der ersten Abstimmung, die im Laufe des Morgens stattfand, fehlten sie im Saale, da sie ihren guten Bekannten gefolgt, die ihnen gewunken, und mit denselben zum Frühstücke in eine Schenke gelaufen waren. Es konnte wegen Unvollzähligkeit überhaupt nicht abgestimmt und mußten die Weibel ausgesandt werden, aus den umliegenden Wirtschaften die Abwesenden herbeizuholen, während der ernstere und an Ausdauer mehr gewöhnte Teil der Senatoren, der auf dem Rathause saß, irgendeinen Bericht anhörte. In den ihnen wohlbekannten dunkeln, von Geräusch erfüllten Zechstuben stellten sich die Weibel unter die Türen und ersuchten mit lauten Ausruferstimmen die hochgeachteten Herren, zur Abstimmung zu kommen. Mit einigem Tumult erhoben sich die eifrigen Frühstücker und kamen, die Zwillinge mitten unter ihnen, eilig in einer dichten Wolke durch die uralte Türe hereingeströmt.

Isidor und Julian fanden die Sache lustig und kamen mit lachenden Gesichtern, während der verdrießliche Präsident auf dem Hochsitze zum ersten Vizepräsidenten neben ihm sagte: »Das geht ja bald wie in einer Schule, wenn man die Knaben hereintreibt!«

Es wurde mit dem Entwurf fortgefahren, wollte aber nicht recht klecken, weshalb der Präsident vorschlug, abzubrechen und eine Nachmittagssitzung zu halten. Das beliebte der Versammlung und verschaffte den zwei jüngsten Mitgliedern ein neues Vergnügen, indem sie, jeder unter einer Schar seiner Gesinnungsgenossen, zum Mittagessen ins Gasthaus wanderten. Dort tauten sie vollständig auf, beim Kartenspiel um den schwarzen Kaffee die Weihe der Ebenbürtigkeit erwerbend.

Als man nach zwei Stunden in die Ratssitzung zurückkehrte, fühlten sie sich schon wie zu Hause. Sie begannen an diesem ersten Tage die äußerlichen Gewohnheiten älterer Stammgäste und vielbeschäftigter Männer nachzuahmen, Julian verließ seine Bank, um sich an einen Tisch zu setzen, welcher mit Schreibmaterial bedeckt in der Mitte des Saales stand. Einen Vorrat klein geschnittener Blätter nicht beachtend, löste Julian von einem Buche des schönsten Papiers einen großen Bogen ab, schlug ihn auseinander und statt ein Falzbein zu gebrauchen, riß er ihn aus freier Hand, um seine Kanzlistenkünste zu zeigen, mit einem Zuge mitten durch, allerdings schnurgerade.

»Ratsch!« machte der Herr Präsident dem der schrille Laut in den Ohren wehe tat gegen seinen Nachbar, »diesen Vergeuder möchte ich nie zum Finanzminister machen! Wie er nur mit dem schönen Papier umgeht, das ihn nichts kostet!«

Julian aber fuhr fort, die Stücke entzweizureißen, bis er endlich eines passend fand, daraufzuschreiben, die Feder eintauchte, nachdenklich zur Saaldecke emporschaute und dann anfing, etwas zu schreiben, zuweilen ein wenig aufhorchend, um den Gang der Beratung nicht außer acht zu lassen. Zuletzt drehte er sich auf seinem Stuhle nach dem Redner hin, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und schien, die Feder hinter dem Ohre, aufmerksam, ja gespannt zuzuhören. Dann schrieb er weiter, sandelte endlich, las das Geschriebene, faltete es zusammen und schritt nach seinem Platze zurück.

Bald daraus begab sich Isidor an den Tisch, wo er ein Bögelchen Postpapier nahm und mit fliegender Hand einen Brief schrieb. Die Unterschrift aber vollzog er langsam und nachdrücklich, bis er plötzlich die Faust in eine kreisende Bewegung versetzte, die eine Weile in der Luft spielte, ehe sie sich auf das Papier niederließ und eine Wolke von kraus durcheinandergeringelten Federzügen auf und um den Namen kritzelte. Schließlich spritzte er geschickt drei Tupfen dazwischen, zur Erbauung der Leute, die ihm von der Galerie herab zuschauten. Dann faltete er den Brief, tat denselben in ein Kuvert und schrieb die Adresse, streckte den Federhalter empor und winkte dem Weibel, der aufmerksam auf seinem Posten stand. Diensteifrig eilte der auf seinen Zehen herbei, den silbernen Schild an drei Kettlein vor der Brust, nahm den Brief in Empfang und legte ihn mit einer Oblate unter die an den Tisch befestigte Siegelpresse, das kleinere Staatswappen daraufdrückend, worauf er ihn hinaustrug oder vielmehr durch das mit einem kleinen Türchen versehene Guckloch in der schweren Eichentüre einem der draußen stehenden Läufer hinausbot. Isidor lehnte indessen ausruhend in seinem Sessel am Tische, mit verschränkten Armen sich das Publikum auf der Galerie betrachtend.

Der Vorsitzende sagte zum Nebenmann: »Ich wollte wetten, der hat sich gewiß ein halbes Dutzend Frankfurter Bratwürstchen bestellt, die er heute abend mit nach Hause nehmen will!«

»Er kann auch um eine halbe Million Franken für seine Hypothekarklientel geschrieben haben«, erwiderte lachend der Vizepräsident; »Sie scheinen übrigens unserer neuesten Ratsjugend nicht sehr gewogen zu sein?«

»Nun, je nachdem! Wenn sie anfangen, zwillingsweise aufzuziehen und sich benehmen wie auf dem Fastnachtstheater oder bei sonst einem Knabensport, so muß ich gestehen – darf ich Sie bitten, mir Ihren Zusatzantrag schriftlich einzureichen!« unterbrach sich der Präsident, als ein Redner sein Votum schloß und sich niedersetzte; »wer begehrt ferner das Wort?«

Diese Nachmittagssitzung dauerte so lange, daß die Herren Volksvertreter nach Schluß derselben sofort die Bahnhöfe aufsuchen mußten, um die Heimat zu erreichen. Denn seit das Ländchen überall von den Schienenwegen durchzogen war, galt es nicht mehr für wohlanständig, die Nacht in der Hauptstadt zuzubringen, während man in einer halben oder ganzen Stunde zu Hause und am Morgen eben so rasch wieder da sein konnte.

Um nicht nachteilig aufzufallen, sahen sich auch die Brüder Weidelich genötigt, mit den Ratsgenossen nach ihren betreffenden Bezirken zurückzufahren. Es gehörte überdies zum Tageslauf, an den Gesprächen der Heimkehrenden teilzunehmen, wenn auch nur mit den Ohren, und so gewissermaßen bis zum Ende dabei zu sein.

An diesem Abend saßen im Zeisig die Eltern der jungen Großräte unwirsch, fast betrübt am Tische. Stolz auf das heutige Ereignis, welches die Gutheißung all ihrer Opfer und Hoffnungen enthielt, hatten sie den ganzen Tag auf den Augenblick geharrt, den die Söhne finden würden, Vater und Mutter aufzusuchen und zu begrüßen. Schon zur Mittagszeit hielten sie kräftige Speise und besseren Trank bereit und zögerten lange vergeblich, bis sie endlich zu essen begannen. Öfter verließen sie ihre Geschäfte und liefen auf die Straße, in der Hoffnung, die neuen Würdenträger von der nahen Stadt heraufkommen zu sehen. Allein sie kamen nicht.

»Sie werden nicht Zeit finden,« sagte Jakob Weidelich, »sind jetzt eben angebunden bei den Geschäften, an allen Enden!«

Als die guten Leute spätabends nochmals hinausgingen und die letzten Bahnzüge in der Ferne durch die Stille rollen und pfeifen hörten, wußten sie, daß sie die Söhne nun nicht mehr sehen würden. Die Frau wischte sich die Augen, was seit undenklichen Zeiten nur geschehen, wenn sie Zwiebeln schälte; es war ihr zumute, als ob die Söhne für immer entschwunden und in ein unbekanntes Land gefahren wären.

»Sie kommen ja morgen wieder,« sagte Jakob, »und übermorgen wahrscheinlich auch!«

»Wer weiß, ob sie dann an uns denken! Es ist mir ums Herz, wie wenn sie uns nichts mehr angingen!«

Die Frau schlich ins Haus zurück, damit niemand ihre Betrübnis bemerke und deren Ursache errate, und der Mann drückte sich nach ein paar Minuten auch hinein. Sie tranken zusammen von dem besseren Wein, den sie für die Söhne bereit gehalten.

»Und warum brauchen sie denn alle Tage hin und her zu fahren wie die Maulaffen?« schalt die Mutter, »da sie ja so bequem bei uns übernachten könnten und kein Geld ausgeben müßten?«

»Das verstehst du nicht! Sie haben doch in ihren Kanzleien nachzusehen, was vorgegangen ist; und morgens früh, eh' sie weggehen, weisen sie den Schreibergesellen die Arbeit an. Das macht sich auch besser, als wenn sie sich drei oder vier Tage lang nicht blicken ließen! Zu was hat man alle die Eisenbahnen, für die sich die Gemeinden und der Staat so überschuldet haben? Das kommt ihnen jetzt zugute, sie können den Tag über prächtig hier im Rathaus sitzen und am Abend wie am Morgen früh doch ein paar Stunden zu Haus arbeiten! Denn sie haben eine große Verantwortlichkeit!«

Auch in Martin Salanders Wohnung war der Tag nicht ohne seltsame Spuren vorübergegangen. Als die Familie beim Mittagsmahle vereinigt saß, zog er eine Zeitung aus der Tasche, die um elf Uhr ausgegeben worden. Er warf nur einen Blick auf die neuesten Nachrichten, worunter die Eröffnung des Großen Rates nebst den zwei oder drei ersten Geschäften; des Eintrittes der beiden jungen Notare war erwähnt.

Salander, dem die Wahlen nicht unbekannt geblieben, hatte noch nicht daran gedacht, daß heute eine Session begann und die Gebrüder Weidelich an derselben teilnahmen. Er fühlte sich wunderlich überrascht. Die unwillkommenen Liebhaber seiner Töchter waren nicht nur als seine Gönner aufgetreten und nahe daran gewesen, ihm selbst in den Obersten Rat zu verhelfen, sondern sie saßen jetzt selber darin, während er, der bewährte und erfahrene Volksfreund, der Vater, in der Zeitung lesen mußte, was dort vorging. In Gegenwart seines weiblichen Haushaltes überlief mit dem Schatten der Menschlichkeit eine unbequeme Eifersucht sein Gemüt.

»Was gibt es in der Zeitung, daß du so ein bedenkliches Gesicht machst?« sagte Frau Marie, die ihn ansah, weil die Töchter ihn verstohlen zu beobachten schienen.

»Ich?« sagte er, die Augen nicht von dem Blatte wegwendend, »es gibt weiter nichts! Ich lese da just, daß die Herren Weidelich heut in das Rathaus eingezogen sind.«

Erst jetzt blickte er auf, da die Gattin sich bewegte, wie wenn sie erschräke. Mit ihr zusammen nahm er wahr, daß die Augen der Jungfrauen seltsam glänzten und ihre Lippen zuckten, als wollten sie sagen: sind sie nun alt genug?

»Die gute Suppe ist versalzen, Magdalena, nehmt mir den Teller weg!« rief die Mutter der eintretenden Köchin zu. Diese nahm den Teller samt dem Löffel und kostete die Suppe.

»Ich begreife nicht,« entgegnete sie, »ich habe gewiß nicht mehr Salz genommen als gewöhnlich!«

»Gleichviel, sie ist versalzen! Ich mag überhaupt nicht essen!« Hiermit legte Frau Salander ihr Tellertuch weg und erhob sich.

»Marie, sei nicht töricht und iß! Oder ist dir nicht wohl?« rief nun Martin, als er sah, daß die Frau blaß geworden. Besorgt stand er auf und auch die Töchter schoben mit ganz veränderten Gesichtern die Stühle zurück, um der Mutter beizuspringen. Sie faßte sich jedoch unvermutet. »Bleibt nur sitzen und eßt!« sagte sie, »ich will es auch tun, so gut ich kann!«

Als alle ihre Plätze wieder eingenommen und die bewegte Frau etwas ruhiger geworden, fuhr sie zu sprechen fort: »Ich sehe, daß ihr nicht von eurem Willen weicht und die Dinge ihren Lauf nehmen. Wenn ihr etwas zu sagen habt, so redet offen, ich mische mich nicht mehr darein und überlasse eurem Vater den Rat und die Tat, wenn etwas zu tun ist!«

»Sprich nicht so!« sagte Martin, »wir wollen nicht als geschiedene Leute vor den Kindern stehen! Wie steht es denn nun,« wandte er sich an die Töchter, »was geht vor mit den jungen Leuten, den Zwillingen?«

Es blieb ein Weilchen still. Dann nahm Fräulein Setti sich zusammen. »Liebe Eltern!« sagte sie mit gesenkten Augen, während Netti mit Herzklopfen neben ihr saß, »die Zeit ist jetzt da. Am nächsten Sonntag wollen sie kommen und um uns anhalten. Wir bitten euch, uns nicht entgegen zu sein!«

Wieder herrschte ein kurzes Schweigen. Dann sagte Salander: »Wir wollen sie kommen lassen! Bis dahin dürfen eure Eltern wohl noch ein wenig nachdenken und auch dann die übliche Bedenkzeit ausbitten, insofern es wünschenswert scheint.«

»Oh, wir wollen ja nichts überstürzen!« rief Nettchen.

»Schon gut, iß jetzt nur, es wird ja alles kalt!« schloß Salander und setzte allein die Mahlzeit fort, da die Mädchen feierten und die Mutter wieder aufgestanden war und sich schweigend im Zimmer zu schaffen machte.

Die Töchter zeigten sich von dieser Stunde an unterwürfig und sehr liebenswürdig gegen Vater und Mutter. Wenn sie auch entschlossen waren, ihr persönliches Recht zu behaupten, so wußten sie doch den Unterschied zwischen einem friedlichen Ausscheiden aus dem Elternhaus und einem gewaltsamen Bruche richtig zu schätzen. Sie hatten auch ihr gutes Gewissen wiederhergestellt, indem sie mit den Geliebten nicht mehr zusammengetroffen und den brieflichen Verkehr auf das Notwendige beschränkten. Zur etwelchen Entschädigung bestiegen sie in schönen Morgen- oder Abendstunden zuweilen die Berghöhe, wo man das Haus des Notars am Lindenberg und dasjenige des Notars im Lautenspiel sehen konnte. Jede trug ein Doppelglas an schmalem Riemen umgehängt, und wenn sie oben anlangten, forschten sie mit beseelten Augen in dem Ferneblau, welches die darin entrückten Gegenstände ihrer Liebeswahl noch tausendmal verschönerte. Netti vermochte durch ihr Glas die Fenster am Hause Julians zu zählen; der Schwester gelang das an Isidors Hause nicht, weil es zu jener Zeit im Schatten stand. Dafür sah sie im Lautenspiel einen weißen Rauch aufsteigen und deutlich einen Streifen Sonnenlichts auf einem Weiher und durch die Bäume blitzen.

»Wie schön wird es sein,« rief sie, »wenn ich meinen Brief an dich datieren kann: ›Lautenspiel, den 1. Mai‹!«

»›Auf Lindenberg, am 1. Juni‹ wird sich auch nicht übel ausnehmen!« meinte Nettchen und guckte weiter; »wenn ihr zum Besuch kommt, so essen wir in der obern Eckstube, sieh mal das äußerste Fenster links, dort muß man weit ins Land hinaussehen! Es soll ein allerliebster kleiner Saal sein, hat er mir geschrieben.«

Jetzt aber sahen sie mit noch größerer Sehnsucht, als in das Land hinaus, dem kommenden Sonntag entgegen, so daß derselbe für sie nicht so unversehens da war wie für die Eltern.

Frau Salander hatte sich inzwischen aus den Unterredungen mit Martin schmerzlich überzeugt, daß kein greifbarer Grund zu längerem Widerstande vorhanden war, der das bevorstehende Heiraten vor der Welt nur noch auffälliger machen würde, wenn die Töchter einfach wegliefen. Sie brachte es aber nicht über sich, der Heimsuchung und dem Triumphe der beiden hinterlistigen Töchter als Opferlamm beizuwohnen; daher beschloß sie, den Tag zu einem längst verheißenen Besuch auf dem Lande zu benutzen und zugleich durch ihre Abwesenheit den nach ihrer Meinung mutwillig verirrten Kindern eine Strafe anzutun. Da sie jedoch dem Mann zugegeben hatte, man werde die Freier in jedem Falle zu Tische behalten müssen, so sorgte sie selbst für ein anständiges und doch in richtigem Maße gehaltenes Essen, und niemand war froher, mitzuhelfen, als Magdalena, welche durch den glücklichen Ausgang ihrer Sünden völlig entlastet zu werden hoffte. Sie diente gern in dem Hause und wünschte dasselbe nie zu verlassen.

Als am Sonntag vormittag der Wagen für die Mutter schon vor dem Hause stand, sprach sie gegen Mann und Töchter noch die Hoffnung aus, man werde, was auch kommen möge, von einer Verlobungsfeier absehen, welche ja keinen Sinn haben würde, da man sich auf Grund der Volljährigkeit ohne Zutun der Eltern schon verlobt habe.

Die zwei Fräulein verzichteten in ihrer Freude gern auf das Fest, das die Mutter selbst für überflüssig erklärte; sie waren sogar ja froh, daß sie für heute fortging, weil sie wußten, wie die Zwillinge sich vor ihr scheuten und die heutige Handlung leichter abgewickelt werde.

Martin Salander hingegen sah die Frau fast mit Trauer wegfahren, betroffen von ihrer beharrlichen Strenge in dieser Sache; er wußte, wie redlich und frei von aller Gehässigkeit sie war, und fühlte daher aus ihrem Verhalten eine schwere Ahnung von Unglück heraus, die er nicht zu teilen vermochte und doch achten mußte.

Nicht lange war Frau Salander fort, so erschienen die Brüder Julian und Isidor, beide feiertäglich gekleidet. Mit ihnen trat ein voller Sonnenschein in das Zimmer. Salander war wie geblendet von den Gesichtern der Mädchen, die nicht einmal lachten und doch so von Glück leuchteten, daß er wünschte, die Mutter könnte die merkwürdige Erscheinung auch sehen.

Die Fräulein saßen standesgemäß auf dem Sofa des Besuchzimmers, der Vater und die Freiersjünglinge auf Stühlen, und letztere so befangen, daß es einer guten angeborenen Bescheidenheit gleichsah. Das kam vornehmlich von der Abwesenheit der Hausfrau her. Die Spazierstöcke hatten sie vor der Türe stehenlassen, wie es die Landleute taten, wenn sie auf die Kanzlei kamen; die Hüte hielten sie in den Händen und schauten während der ersten Wechselreden verlegen im Zimmer umher.

Endlich brachte Salander sie auf den Zweck ihres Besuches; es gefiel ihm, daß so kecke und jugendliche Politiker doch bescheiden und sogar schüchtern sein konnten in ernstem Augenblick. Selbstverständlich hatten sie nach allem, was geschehen, nicht mehr viel zu sagen und taten es auch kurz und natürlich; der Herr Großratspräsident hätte nichts daran zu tadeln gefunden. Wieder sahen sie sich an den Wänden um, während Salander seine Antwort erst flüchtig erwog; der wohlgeordnete Raum erhöhte ihre ungewohnte Achtung und diese wieder Salanders gute Meinung; jedes Bedenken, jede Vorstellung über diesen oder jenen Punkt, alle Fragen nach ihren Lebensplänen und Aussichten unterlassend, erklärte er, immerhin mit ernster Miene, daß er und die Mutter dem Willen der Töchter nicht entgegen seien und nur der Hoffnung leben könnten, diese Verbindungen werden usw., worauf er kurz abschnitt und die Notare, wenn sie nichts anderes vorhätten, auf den Mittag zum Essen einlud.

Sie waren noch immer so befangen, daß sie nicht einmal wagten, in Bräutigamsweise sich den Mädchen zu nähern, die sie doch so gut kannten, und diese von ihrer feierlichen Würde zur Verlegenheit übergingen und darob fast erbost wurden; denn sie wußten selbst nicht, wie vornehm sie plötzlich den Zwillingen erschienen. Der Vater, solche Zartheit mit neuem Wohlgefallen bemerkend und in der Absicht, die Verlobten jetzt allein zu lassen, nahm für kurze Zeit Abschied, um auf das Kontor zu gehen und die eingegangenen Briefe zu öffnen.

Am Mittagsmahle tauten die Notare ein wenig auf, doch nicht genug, um das Gespräch zu würzen. Salander wollte von Politik und den Ratsverhandlungen reden; sie schienen aber nicht dazu gelaunt und ließen ihm meistens allein das Wort, was er schließlich auch als Bescheidenheit auslegte. Er bedachte hierauf, daß man den Eltern Weidelich, die so nah wohnten, doch auch entgegenkommen müsse, und daß der Anfang am besten zu bewerkstelligen wäre, wenn er jetzt die Töchter ermahnte, mit den Herren nach dem Zeisig zu spazieren und sich den künftigen Schwiegereltern vorzustellen. Dadurch würde Frau Marie Salander des ersten Schrittes überhoben; er selbst wollte sie auf der einsamen Rückfahrt überraschen und dem Mietwagen ein paar Stunden weit entgegenwandern.

Sein Vorschlag wurde von jedermann sehr gebilligt, von den Töchtern, weil sie auf einen ergiebigen Spaziergang rechneten, von den Zwillingen, weil sie ein böses Gewissen hatten und die Eltern zu versöhnen hofften. Die drei Sitzungstage im Beginn der verflossenen Woche waren nämlich vorübergegangen, ohne daß sie ein einziges Mal Zeit gefunden, die sehnsüchtig ihrer harrenden Eltern aufzusuchen, die nicht wußten, was sie denken sollten, bald mit der Wichtigkeit der Geschäfte und der Personen ihrer Söhne sich tröstend, bald an ihrem Herzen, ihrer Kindesliebe verzweifelnd, und wahrscheinlich in beidem irrend. Auch wußten sie nichts davon, was heute, an diesem schönen Sonntage, vorging. Die Zwillinge hatten ihre Absicht verschwiegen, damit nicht etwa auf dem Markte durch Schuld der mütterlichen Reden eine schädliche Szene entstand.

So saßen nun Jakob Weidelich und seine Frau Amalie auf der Bank vor dem Hause und machten Kalender, als sie zwei schwarzgekleidete junge Herren mit hohen Hüten daherkommen sahen, jeder mit einer hübschen, blühenden und schön geputzten jungen Dame am Arm. Denn die Salanderfräulein hatten es darauf abgesehen, den fremden Eltern wie ihren Söhnen Vergnügen und ein wenig Ehre zu bereiten, da die eigenen Eltern kein sonderliches Freuden- und Ruhmesgeschrei erhoben. So wollten sie nun die Elternlust im Zeisig zu erhöhen suchen und sich mit daran gütlich tun.

Mann und Frau Weidelich dachten eher an den Tod, als daß das ihre Söhne wären, bis sie ganz herangekommen.

Jetzt endlich erkannten sie ihr Blut, von gutem Weine und noch besserem Abenteuer so rosig angehaucht wie noch nie; als aber vollends die zwei Fräulein Salander genannt und als Bräute vorgestellt wurden, da vergaßen sie, insbesondere die Mutter, alles Leid schneller, als ein Licht ausgeblasen wird. Wenigstens ward es ihr fast dunkel vor den Augen: die Salanderinnen, von denen das Stück erst eine halbe Million Franken gelten sollte! Das heißt, wenn ihr Vater nicht wieder Dummheiten machte! Denn wer kann heutzutag noch fest auf seinen Willen bauen? Das ist jetzt so, sie haben die Bräute und sind Mannes genug mit und ohne die halbe Million.

Solche Gedanken stürmten in der Brust der guten Frau, wurden aber nicht laut; denn sie war stracks in das Haus hineingelaufen und putzte sich in der Geschwindigkeit so gut als möglich heraus. In der Zeit führte der ehrliche Milch- und Gemüsehändler den Ehrenbesuch in die ländliche Stube, nötigte die jungen Leute, um den Tisch herum Platz zu nehmen, und eilte, um nicht sofort reden zu müssen, mit der blanken Weinkanne in den Keller.

Während er dort war, kam die Frau gesprungen, rief: »So ist's recht, ruhet nur aus!« lief aber zur andern Tür wieder hinaus, um die Magd auszutreiben, wie sie sagte, damit sie schnell Küchlein backen helfe, nur eine Schüssel voll, zum Kaffee, der gemacht werden müsse. Umsonst gingen und riefen die jungen Leute ihr nach, sie solle doch alles bleiben lassen, sie hätten weder Hunger noch Durst. Das gehe sie nichts an und der Tag sei noch lang und noch nichts bereit, gab sie zurück und trollte sich weiter. Sie prallte mit ihrem Manne zusammen, der mit der gefüllten Zinnkanne und einem großen Stück Käse auf bemaltem Teller gemessenen Ganges hereinkam, auf den Tisch abstellte, denselben mit Gläsern bedeckte, dann aber nicht dablieb, sondern wieder hinausging und nach einer Weile mit einer riesigen Schüssel voll Schinkenschnitze zurückkehrte. Dann nahm er kleinere, ebenfalls mit bunten Nelken verzierte Teller, Messer und Gabeln aus dem Schrank und holte zuletzt ein großes Bauernbrot herbei, das er anschnitt. Dazwischen hörte man von der Küche her schon das Feuer knistern und die Butter in der Pfanne spratzeln.

»Ei, was machst du denn, Vater?« rief Frau Weidelich, in weißer Küchenschürze und mit gerötetem Gesichte eintretend, »das wäre ja später nach dem Kaffee recht gewesen! Wo soll ich denn damit hin?«

»Bring nur, was du hast, wenn du fertig bist!« sagte gelassen Jakob Weidelich, »wir stellen alles durcheinander, so sieht unsere Armut um so reicher aus! Ohnehin trinken ich und die Buben lieber ein Glas Wein als Kaffee.«

»Die Buben, ja! Wißt ihr ungeratenen Ratsherren, daß wir den schönen Schinken vergangene Woche schon für euch gesotten haben? Aber ihr habt euch nicht ein Augenblicklein gezeigt und uns vergeblich warten lassen!«

»Du mußt es nicht übelnehmen, Mama!« entschuldigten sich die Söhne, »wir gehören unseren Stellungen, nicht mehr uns selbst an; Geschäfte und Umstände nahmen uns dies erste Mal so in Anspruch, daß wir uns vor der Abfahrt nie losmachen konnten. Künftig wird es hoffentlich nicht mehr so gehen!«

»Gott bessere es!« sagte die Mutter, »aber das Kücheln macht mir einen Heidendurst! Gib mir ein halbes Glas voll Wein, Vater, und schenke den jungen Herrschaften auch ein, weil's einmal dasteht!«

Weidelich goß einen klaren, halbroten Wein in die Gläser.

»Zur guten Gesundheit, ihr lieben Jungfern! Zur Gesundheit, Vater! Und Isidor und Julian!«

Sie trank das halbe Glas mit einem Zuge leer und wischte den Mund mit der Schürze, sichtlich erfrischt weitersprechend: »Und was machen denn die lieben Eltern, ihr Fräulein? ist die Mama wohlauf und der Herr Papa auch?«

»Vater und Mutter sind beide wohlauf, wir danken der Nachfrage!« sagte Setti, »wir sollen Sie und Herrn Weidelich freundlich von ihnen grüßen, und sie hoffen bald Gelegenheit zu haben, die geehrten Eltern unserer Bräutigame selbst zu begrüßen!«

»Jetzt ist's Zeit für dich als Vater, auch dein Wörtlein zu sagen«, stieß die fröhliche Frau den Mann an, der, von der Verlobungsgeschichte zwar nur halb unterrichtet, den Stand der Sache im ganzen doch zu beurteilen wußte; er räusperte sich ein weniges, eh' er sprach: »Was soll ich da viel sagen, als daß es mir eine Ehre ist, oder uns, wollt' ich sagen! Ich bin ein schlichter Landwirt« (die Söhne hatten ihm diesen Ausdruck eingelernt, weil der alte Name Bauer, der immer einen Herrn voraussetze, im souveränen Volke nicht mehr üblich sei), »ich bin ein schlichter Landwirt und weiß nicht gelehrte und wohlgesetzte Worte zu machen! Ich kann nur die freundlichen Jungfern, die mir ganz gut gefallen, willkommen heißen, und hätte nie gedacht, zu so vornehmen Sohnsfrauen zu kommen! Möge der Herr seinen Segen dazu geben!«

»Ich hab' es schon lang getan!« rief Mama Weidelich, »es soll gelten! Laßt uns darauf anstoßen!«

Sie trank die andere Hälfte ihres Glases aus, wischte sich aber diesmal mit der Schürze gerührt die Augen, statt des Mundes; denn ein schöner Teil all ihres Sinnens und Trachtens schien jetzt in Erfüllung zu gehen. Vorderhand lief sie wieder in die Küche, um ihrerseits die Arbeit am Glücke nicht ausgehen zu lassen; man hörte sie Kaffee mahlen, Zucker zerstoßen und dazwischen laut mit der Magd reden, die, einen Spritzkuchen an einer langen Gabel emporhaltend, nicht aus dem Staunen über das Ereignis herauskam.

Es blieb keine Zeit für den Spaziergang, auf den die Jungen gehofft; die Frau wollte die unverhoffte Verlobungsfeier nicht unterbrechen, den Triumph sich nicht verkürzen lassen, und sie teilte die Heiterkeit ihres Gemütes auch den anderen mit, zumal den zwei Bräuten, welche für die Ausdauer ihrer Gefühle hier mehr Anerkennung fanden, als im eigenen Elternhause, und sich offenen Herzens daran erfreuten. Es wurden sogar einige Liedchen im Chor gesungen; vor dem Hause sammelten sich neugierige Kinder, bei dem alten Brunnen mit dem abgesägten Flintenlauf standen Weiber aus der Nachbarschaft, welche das Gerücht herbeigelockt, und suchten des Anblickes der Brautleute teilhaftig zu werden.

Das gelang ihnen auch. Die Herren Notare konnten trotz des mütterlichen Eindringens nicht über Nacht bleiben, weil für beide auf den nächsten Morgen Geschäfte vertagt waren; die Bräute aber waren zuletzt doch froh, sich auf den Heimweg zu machen, um noch vor der Mutter zu Hause zu sein.

Die Zuschauer auf dem Brunnenplatze, Weiber und Kinder, sahen daher unvermutet den kleinen Festzug aus der Tür treten und sich über den Platz bewegen, zu zwei und zweien, voran die Brautpaare, zuletzt die Eltern als Nachhut. Mama Weidelich wollte sich sehen lassen und bestand darauf, eine Strecke weit das Geleite zu geben.

»Seht!« flüsterten die Leute, »da kommen sie! Das sind die Landschreiber, potztausend! Und das also die Fräulein, die hortreich sein sollen! Sauber sind sie, leutselige Weibsbilder! Und die Alte, die blüht ja wie eine Rose! Guten Abend, Frau Weidelich, guten Abend, Herr Weidelich!«

Sie winkte den Weibern dankbar zu, weil sie so hübsch am Wege standen.


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