|
Ich hab' in kalten Wintertagen,
In dunkler hoffnungsarmer Zeit
Ganz aus dem Sinne dich geschlagen,
O Trugbild der Unsterblichkeit.
Nun, da der Sommer glüht und glänzet,
Nun seh' ich, dass ich wohl getan;
Ich habe neu das Herz umkränzet,
Im Grabe aber ruht der Wahn.
Ich fahre auf dem klaren Strome,
Er rinnt mir kühlend durch die Hand;
Ich schau' hinauf zum blauen Dome –
Und such' kein bessres Vaterland.
Nun erst versteh' ich, die da blühet,
O Lilie, deinen stillen Gruss,
Ich weiss, wie hell die Flamme glühet,
Dass ich gleich dir vergehen muss!
|
|
Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein' Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas, form und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und ein Jahrhundert nichts.
Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End',
Auch ich schreib' meinen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, dass ich aufgeblüht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz.
|
|
Dich zieret dein Glauben, mein rosiges Kind,
Und glänzt dir so schön im Gesichte!
Es preiset dein Hoffen, so selig und lind,
Den Schöpfer im ewigen Lichte!
So loben die tauigen Blumen im Hag
Die Wahrheit, die ernst sie erworben:
So lange die Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben!
Die Rose, die Rose, sie duftet so hold,
Ihr dünkt so unendlich der Morgen!
Sie blüht dem ergrauenden Gärtner zum Sold,
Der schaut sie mit ahnenden Sorgen.
Der gestern des eigenen Lenzes noch pflag,
Sieht heut schon die Blüte verdorben –
Doch seit eine Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben.
Drum schimmert so stolz der vergängliche Tau
Der Nacht auf den bebenden Blättern;
Es schwanket und flüstert die Lilienfrau,
Die Vögelein jubeln und schmettern!
Drum feiert der Garten den festlichen Tag
Mit Flöten und feinen Theorben:
So lange die Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben!
|
|
Zwei Gräber waren auf der Heide,
Von Immortellen ganz bedeckt,
Ein schönes Weib mit schwerem Leide
Lag auf dem einen hingestreckt;
Das andre hielt mit bittern Tränen
Ein trauervoller Mann bewacht,
Und beide sahn mit Liebessehnen
Hinauf zur hellen Frühlingsnacht.
»In jenen heil'gen Ätherfernen
Harrt nun die liebste Seele mein,
Bald werd' ich unter goldnen Sternen
Auf ewig, ewig bei ihm sein!
Als einen Hauch und Seufzer zähle
Ich noch die kurze Spanne Zeit;
Dann aber sind so Lieb' wie Seele
Ganz der Unendlichkeit geweiht!« –
»O kreiset rascher, träge Sonnen!
Und löset dieses Leibes Bann,
Dass ich befreit in neuen Wonnen
Mein selig Liebchen finden kann!
Heil mir! Ich will sie wiedersehen!
Und ob auch Stern um Stern zerbricht,
In Ewigkeit wird nie vergehen
Zwei treuer Seelen Bund und Licht!«
So riefen Weib und Mann, so beide,
Ganz in den eignen Gram gebannt;
Sie sahn sich nicht auf dunkler Heide,
Die Blicke himmelwärts gewandt.
So trauerten sie, bis der Morgen
Erröten hiess der Wolken Schar,
Im Ätherblau das Gold verborgen
Und lichter Tag auf Erden war.
Da rafften sie sich auf und gingen
Entlang das schimmernde Gefild,
Bis plötzlich ihre Augen hingen
Eins an des andern schönem Bild.
Und eh' der junge Tag, der warme,
Die letzten Tränen weggeküsst,
Schon fielen lächelnd in die Arme
Sich beide, Leid in Lust gebüsst.
Der Enkel Trupp mit festen Händen
Auf selber Heid' im Sonnenschein
Sieht pflügen man und singend wenden
Ein längst verschollenes Gebein.
Sie decken rasch, was sie gefunden,
Mit jungen Saaten, im Gemüt
Leis ahnend, dass die eignen Stunden
Aus diesem Tode nur erblüht!
|
|
In heissem Glanz liegt die Natur,
Die Ernte lagert auf der Flur;
In langen Reihn die Sichel blinkt,
Mit leisem Geräusch die Ähre sinkt.
Doch hinter jenen grünen Matten,
In seines Kirchleins kühlem Schatten
Geborgen vor dem Stich der Sonne,
Da steht das Pfäfflein der Gemeine,
Auf diesem, dann auf jenem Beine,
In seiner alten Predigertonne
Hoch an dem Pfeiler grau und fest,
Dem Kranich gleich in seinem Nest.
Schwarz glänzt das kurzgeschorne Haar,
Wie Röslein blüht das Wangenpaar;
Nur etwas schläfrig blinzen nieder
Die Äuglein durch die fetten Lider,
Weil er sich seiner Wochenpredigt
Mit ziemlich saurer Müh' entledigt.
So spricht er von dem ewigen Leben,
Das nach dem Tod es werde geben:
Wie man auch da noch müsse ringen
Und immer weiter vorwärts dringen,
Und nie von Handel und Wandel frei,
Bis man zuletzt vollkommen sei;
Von einem Stern zum andern hüpfen
Und endlich in den Urquell schlüpfen.
Doch unten in des Kirchleins Tiefen
Die Hörer auf den Bänken schliefen.
Sie waren alle hoch an Jahren,
Mit weissen oder gar keinen Haaren,
Ganz klingeldürre Fraun und Greise,
Gebeugt von ihrer langen Reise;
So lehnten sie an ihren Krücken
Mit lebensmüdem sanften Nicken.
Sie hatten gelebt und hatten gestritten,
Erde gegraben und Garben geschnitten,
Bürden getragen und Freuden gehabt,
Und, wenn sie gedürstet, sich gelabt.
Sie hatten nicht ihr Leben verfehlt,
Kein Genie und keine Tugend verhehlt,
Auch keine Schwänke unterlassen,
Wen s'konnten bei der Nase fassen,
Den haben sie gar fest ergriffen,
Und ihn mit Freuden ausgepfiffen,
Nicht immer bezahlt, was sie geborgt,
Und fleissig doch für Erben gesorgt.
Die Predigt schweigt, sie sind erwacht,
Die Kirchentür wird aufgemacht,
Und leuchtend bricht der grüne Schein
Der Bäume in die Dämmrung ein.
Die Alten stehen mühsam auf
Und setzen sich gemach in Lauf
Und schleichen seltsam kreuz und quer
Zwischen den Gräbern hin und her.
Sie setzen sich auf die Leichensteine
Und reiben ihre kranken Beine,
Sie hüsteln, spucken aus und lachen
Und sprechen bewusstlos kindische Sachen,
Sie schauen in die goldnen Auen,
Wo ihre Enkel und Sohnesfrauen
Im fernen Sonnenglanze gehen,
Die reifen Früchte rüstig mähen;
Sie sehen in all den hellen Schein
Mit blöden Augen stumm hinein.
Schon ist verklungen leis und weit
Das Lied von der Unsterblichkeit.
Und wie vor langen achtzig Jahren
Die Flämmlein im Entstehen waren
Und mählich aus der tiefen Nacht
Sich in ein helles Licht entfacht,
Das freilich auch sich ewig schien,
So glimmen sie jetzt wieder hin
Und denken bessres nicht zu tun,
Als ewig, ewig auszuruhn.
Von Durst nach neuem Kommerzieren,
Wenn recht ihr schaut, ist nichts zu spüren.
Das Pfäfflein ist nach Haus gekommen,
Hat einen Schluck zu sich genommen
Und wandelt jetzt im schmucken Garten,
Den kühlen Abend zu erwarten,
Wo er sich freut auf ein Gelage,
Zu dem er freundlich ist gebeten;
Doch steht die Sonn' noch hoch am Tage.
Des ist er nun in grossen Nöten;
Er weiss, die besten Bachforellen
Werden auf blumiger Schüssel schwellen,
Ausländische Wurst und köstlicher Schinken
Reizen ihn zu frohem Trinken;
Er kennt die staubigen Flaschen zu gut
In Herrn Confratris frommer Hut,
Die schön geschliffenen Gläser dringen
Schon in sein Ohr mit feinem Klingen;
Er kennt das Tischlein hinter der Türen,
Von wo die Flaschen hermarschieren.
Bis er eine mit silbernem Hals entdeckt,
Die vor dem Abschied doppelt schmeckt.
Und noch drei lange, lange Stunden!
Hier hat er Ranken angebunden,
Ein nagendes Räupchen abgelesen,
Dort aufgehoben einen Besen
Und an das Gartenhaus gelehnt,
Dann einen Augenblick gewähnt,
Er wolle auf den Sonntagmorgen
Noch schnell für eine Predigt sorgen;
Doch ist er hievon abgegangen,
Hat einen Schmetterling gefangen,
Wirft einen Socken über den Hag,
Der mitten in einem Beete lag.
Die Sonne steht noch hoch am Tag.
Er wird der langen Weil' zum Raube
Und sinkt in eine kühle Laube,
Macht dort ein Ende seiner Pein,
Schläft zwischen Rosen und Nelken ein.
O Pfäfflein, liebes Pfäfflein, sag',
Ist dir zu lang der eine Tag,
Was willst du mit all den Siebensachen,
Den Millionen Sternen und Jahren machen?
|
|
Fliehe nicht, du holde Maid,
Wenn wir dir vorüber kommen,
Leute, denen aus Wanderleid
Ist ein guter Stern entglommen!
Sind gebräunt in Wetter und Wind
Und gereift an heissen Sonnen;
Über unsre Wangen sind
Ein paar Tränen schon geronnen.
Treten jetzo fest einher,
Fühlen unter uns die Erde,
Nicht von eitlem Hoffen schwer,
Noch verzagend vor Gefährde.
Atmen froh das Morgenwehn,
Wenn wir durch die Lande schweifen;
Glauben nichts, als was wir sehn
Und mit unsern Sinnen greifen!
Halten nichts auf hohlen Dunst,
Mögen nichts auf Worte geben;
Doch verstehen wir die Kunst,
Wie wir denken, auch zu leben.
Scheiden leicht von jedem Traum,
Der sich nicht mit Wahrheit paarte;
Doch hegt unser Busen Raum
Für das Starke wie das Zarte.
Ruhen heut im sonnigen Tal,
Lauschend, wie die Knospen springen,
Stehen morgen im Wetterstrahl,
Wo die Stürme die Wolken schwingen
Und es lobet unser Geist
Was da lebt in Licht und Grauen;
Doch wir ehren noch zumeist,
Wenn sie gut sind, holde Frauen!
|
|
Flackre, ew'ges Licht im Tal,
Friedlich vor dem Fronaltare;
Auch dein Küster liegt einmal,
Der das Öl hat, auf der Bahre!
Rausche fort, du tiefer Fluss!
Dein Gesang wird fortbestehen:
Aber jede Welle muss
Endlich doch im Meer vergehen.
Nachtviolen, süss und stark
Duftet ihr durch diese Lauben,
Und ihr wisst das feinste Mark
Luft und Erde schnell zu rauben.
Von der warmen Nacht geküsst,
Säumt ihr nicht, es auszuhauchen,
Eh' ihr selber wieder müsst
Eure Köpflein untertauchen.
Aus des Äthers dunklem Raum
Perlen leuchtend goldne Sonnen,
Kommen, schwinden wie ein Traum,
Doch gefüllt bleibt stets der Bronnen.
Und nur du, mein armes Herz,
Du allein willst ewig schlagen,
Deine Lust und deinen Schmerz
Endlos durch die Himmel tragen?
Ewig neu der Wirbel ist,
Zahllos aller Dinge Menge,
Und es bleibt uns keine Frist,
Zu beharren im Gedränge.
Wie der Staub im Sonnenstrahle
Wallt's vorüber, Kern und Schale –
Ewig ist, begreifst es du,
Sehnend Herz, nur deine Ruh!
|