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Der Waadtländer Schild

Erinnerung an Ferdinand Flocon

1859

           

An der Brücke zu Lausanne
Hängt der Wappenschild von Waadt,
Darauf »Vaterland und Freiheit«
Froh das Volk geschrieben hat.
Erzgegossen glänzt das Wappen,
In der Sonne strahlt die Schrift;
Also schrieb man in Helvetien,
Und von Eisen war der Stift!

Sieh! Im regen Brückenwandel
Malet sich ein schönes Bild;
Liebend hebt ein kleines Dirnchen
Seinen Bruder vor den Schild,
Lehrt ihn schreiben jene Worte
»Freiheit« und das »Vaterland«!
Und sie führt des Knäbleins Finger
Mit der wenig grössern Hand.

Und sie lenkt den zarten Finger
Am Metall hinauf, hinab,
An den sonndurchglühten Zeichen,
Die das grosse Rom uns gab.
Und wie von der Kinder Locken
Gold in Gold zusammenfliesst,
Von der Wangen Freudenröte
Ros' an Rose blühend spriesst.

Aber auf derselben Brücke
Geht ein einsam fremder Mann,
Wandelt mit ergrautem Haare
Still und kühl in Acht und Bann.
Er gewahrt das Spiel der Kleinen,
Rascher fliesst sogleich sein Blut,
Doch um schmerzlich nur zu klagen
Um verlornes höchstes Gut:

»Welche Worte seh' ich schreiben
Hier die Unschuld und das Glück!
Wehvoll wenden sie mein Sehnen,
Frankenland! zu dir zurück!
Was mir dort in Blut und Greuel
Im Verrat zusammenbrach,
Lehret hier ein Kind das andre,
Singt der Vogel auf dem Dach!

Ist denn euer Himmel blauer,
Schweizer! goldner euer Korn?
Sind denn lautrer eure Brunnen,
Eure Rosen ohne Dorn?
Glück und Unschuld, ach! sie bauen
Wohl allein der Freiheit Reich!
Ob ihr schuldlos seid – nicht weiss ich's –
Doch gesegnet seh' ich euch!«


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