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Das Grab von Schönbrunn.

Der Tag ist hold, der Tag ist schön,
Und würzig weht die Luft,
Es spielt um Wald und Bergeshöh'n
Ein zaubervoller Duft.

Der fernen Stadt gedämpfter Schall
Klingt wie ein Rauschen kaum,
Ich hör' das Lied der Nachtigall
Hoch über mir im Baum.

Dort liegt im Sonnenglanz das Schloß,
Des Kaisers altes Haus,
Durch seine Pforten geht der Troß
Der Menschen ein und aus.

Und lachend, schwatzend zieht vorbei
Das Volk des Augenblicks,
Als ob ein ew'ger Sonntag sei,
Ein ew'ger Tag des Glücks.

Du ahnungsloses Volk der Welt,
Horch' auf! ich tu' dir kund.
Was mir die Nachtigall erzählt
Mit ihrem süßen Mund:

Vernichtet war das Vaterland,
Zu Tod verwundet schwer,
Auf unsrer schönen Erde stand
Napoleon, der Herr.

Er saß im Prunksal von Schönbrunn,
Er trank des Kaisers Wein,
Was keiner tat, das will er tun,
Weltkönig will er sein.

Er hört kein Drohn, er hört kein Flehn,
Er schreitet zum Balkon,
Die Kriegesheerschau anzusehn
Bei dumpfer Trommel Ton.

Er steigt hernieder in den Sand
In heißer Sonne Glut,
Drückt manchem tapfern Gast die Hand,
Greift grüßend an den Hut.

Stumpfsinnig steht das Volk umher
Und weidet sich und gafft,
Als ob es nicht geschändet wär'
Durch seiner Feinde Kraft.

Es fühlt nicht Elend, fühlt nicht Spott,
Drängt vor und drängt zurück;
Sein Bändiger ist ihm ein Gott,
Es betet an sein Glück.

Er aber, der so ruhig dort
Das Kriegsvolk musternd steht,
Er ahnt nicht, daß der blut'ge Mord
In Kreise um ihn geht.

Er ahnt nicht, daß ein Auge blickt
Nach ihm voll Haß und Schmerz,
Er ahnt nicht, daß ein Dolch sich zückt.
Geschliffen für sein Herz.

Er ahnt nicht, daß ein zornig Blut
In Jünglingsadern rollt,
Daß unter Bettlern freier Mut,
Empörte Mannheit grollt.

Er ahnt es nicht, weil er's nicht glaubt
In herzlos kalter Ruh', –
Da tritt mit wildumlockten Haupt
Ein Schwärmer auf ihn zu.

Der schlägt den Mantel weit zurück,
Hebt drohend Dolch und Hand
Und ruft: »Geh hin in deinem Glück,
Todfeind von Volk und Land!

Ja, stirb!« – Da wirft der Schergen Troß,
Bevor er's noch vollbringt,
Auf ihn sich, macht ihn waffenlos,
Er kämpft umsonst und ringt.

Man schleppt ihn zu der Wache fort,
Er zeigt nicht Furcht noch Reu',
Er sitzt gefesselt, spricht kein Wort,
Wie ein gefangner Leu.

Der Kaiser selber kommt zu ihm:
»Gib Antwort! Bist du krank?«
Er aber wendet sich voll Grimm,
Schenkt weder Gruß noch Dank.

»Bereu'! ich lass' dich leben. Mann,
Willst du mir danken nun?«
»Hätt' ich es heute nicht getan,
Ich würd' es morgen tun.«

»Denkst du an deinen Vater nicht.
An deine Mutter, Sohn?«
»Ich denke an das Weltgericht;
Steigt Ihr herab vom Thron.

Werft Eure Krone in den Sand,
Das Zepter und das Schwert,
Gebt frei mein armes Vaterland!
Denn Ihr seid todeswert.

Vollzieht an mir, was Euch gefällt.
Werft mich in ew'ge Haft!
Noch hat kein Großer dieser Welt
Gefrevelt ungestraft.«

»Es wird dich reu'n, was du gesagt.«
»Nein! Wahrheit ist mir Lust.
Ihr tötet alles, gut! so jagt
Das Blei in meine Brust!

Ich will hinaus zum Tode gehn
Mit heiterm Jünglingsmut,
Es wird ein Rächer auferstehn
Aus meinem armen Blut.«

Der Kaiser horcht, der Kaiser sinnt,
Spricht dann das letzte Wort:
»So stirb! du hast den Tod verdient«
Und wandelt schweigend fort.

Es war ein goldner Sonnentag,
Und lieblich war die Luft,
Auf Wäldern und auf Feldern lag
Ein wehmutvoller Duft.

Der fernen Stadt verlorner Schall
Klang wie ein Rauschen kaum,
Es sang wohl auch die Nachtigall
Ihr Lied auf diesem Baum.

Zwölf Grenadiere traten an,
Und vor dem Baume frei
Stand furchtlos der verlorne Mann,
Ihn traf das Todesblei.

Und seitwärts höhlten sie ein Grab
Am Fuß der Eiche auf
Und senkten seinen Leib hinab
Und warfen Erde drauf. – –

Das Volk, das zog vieltausendmal
Den Garten auf und ab.
Es hörte nicht die Nachtigall,
Es wußte nichts vom Grab.

Es ging am Baume unbewußt
Vorbei mit leichtem Schritt,
Nicht ahnend, daß es auf die Brust
Des edlen Rächers tritt.

Ich aber gab dir heute kund.
Leichtblütig Volk der Welt,
Was mir mit ihrem süßen Mund
Die Nachtigall erzählt.


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