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Die Armensuppe

Auf der Gemeindewiese, draußen vor dem Städtlein, hielt dicht neben der Landstraße ein zweirädriger Töpferkarren mit übergespanntem Leinendach, an dessen Seiten große und kleine Töpfe aller Art aufgehängt waren, deren Farben in der Sonne glänzten. Der große Ziehhund war abgesträngt, lag im Schatten des Karrens und schien zu schlafen, während er doch ein wachsames Auge auf jeden Vorübergehenden hatte. – Ein Stück davon, unter einem Baum, saß die kranke Frau des Kärrners und neben ihr im Gras spielten die Kinder. Der Vater war mit einem großen Bündel Töpfe in den Ort gegangen, um sie zu verkaufen, und die Frau wartete in Sorgen darauf, daß er zurückkommen und Geld mitbringen sollte. Seit einer Reihe von Tagen schon litten sie Not, die Einnahme war schlecht gewesen und hatte kaum zu Brot gereicht und zu einem Schluck Milch für die Kleinen; der Kranken aber wäre eine warme Suppe so nötig gewesen. Zenz, die siebenjährige Älteste, teilte der Mutter Sorgen und wartete mit ihr auf des Vaters Rückkehr. Aber Stunde auf Stunde verging und er kam nicht. Da sagte das Kind: »Mutter, ich will einen Topf nehmen und zu den Leuten gehn, vielleicht, daß mir eins von ihnen a bissel Suppe gibt!« Die Mutter nickte. »Geh nur, versuch's!« Nun lief die Kleine, so schnell sie konnte, bis an die ersten Häuser, aber an einer Tür nach der andern stand sie still und wagte sich nicht hinein. Das Betteln war so schwer; vielleicht schickte man sie mit bösen Worten fort. – Als sie so zögernd auf der menschenleeren Straße stand, kam ein kleines Mädchen daher, das gleichfalls einen großen, leeren Topf trug. Neugierig schaute es im Vorbeigehen auf die Fremde, und diese folgte ihr unwillkürlich. Schon nach wenig Schritten lief das Blondköpfchen in eine enge Seitengasse hinab und verschwand hinter einem alten, hohen Hause. Die kleine Zenz hörte helle Kinderstimmen, und als sie an die offene Pforte eines niedrigen Mäuerleins trat, sah sie eine essende und schwatzende Gesellschaft vor sich. Auf einer Steinbank längs der Hauswand saß ein Kind neben dem andern, und ein alter Klosterbruder mit freundlichem Gesicht, der in der Tür stand, füllte alle dargereichten Töpfe mit dampfender Suppe. Wie einladend das aussah! – Jetzt kam auch ihre kleine Bekannte schon zurück, die Ärmchen konnten den schweren Topf kaum tragen und im emporgehobenen Röckchen hielt es noch ein großes Stück Brot. Diesmal ging sie nicht vorüber, sondern blieb bei der Fremden stehn. »Trau' dich nur mit deinem Töpfle hinein, bekommst schon was!« sagte sie. Und der freundliche Alte bemerkte kaum das schüchtern sich nähernde Kind, als er fragte, woher es komme, und wer es sei. Da erzählte Zenz von aller Not, bekam auch einen Topf voll Suppe, der gute Klosterbruder versprach nach der kranken Mutter zu sehen und fröhlich machte sie sich auf den Heimweg.

Bild: Hermann Kaulbach

Die Armensuppe.


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