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Im Säulengang des Klosterhofes versammelt sich allmählich eine kleine, ungeduldige Gesellschaft. Buben und Mägdlein kommen, sogar ein ganz Kleines wird im Wäglein herbeigefahren. Ein wenig kalt ist's wohl draußen, denn es steht der vierundzwanzigste Dezember im Kalender, und wenn auch grad noch kein Eis den Fluß bedeckt und der Schnee diesmal lange auf sich warten läßt, so weht's doch scharf, und man spürt, der Winter ist da, wenn er auch noch Versteckens spielt. Davon aber merkt das Häuflein nichts, denn die Christfreude macht Kinderherzen immer warm. Und riecht nicht die ganze Welt heute nach Tannen, Wachslichtern und Lebkuchen? Schon dämmert's in den Ecken des Hofes, die heilige Nacht kommt leise heran, die schönste Nacht des ganzen Jahres, die Nacht, in der einst das Christkind im Kripplein des Stalles zu Bethlehem lag. – Der Kinder Augen sind auf die große Pforte des Klosters gerichtet, durch die des Christkinds Bote zu ihnen heraustreten soll. Endlich tut sie sich auf und die liebe Schwester Agnes kommt, einen großen, gefüllten Korb im Arm. »Ei, Weihnacht, Weihnacht!« flüstert das blonde Margretle, das der Schwester entgegenspringt und ihr den Korb tragen hilft bis zum Mäuerlein, wo sie ihn niedersetzen. Alle Augen hängen an seinem bunten Inhalt; jedes sucht sich heimlich aus, was es am liebsten haben möchte. »Für wen wird das braune, glänzende Steckenpferd wohl anders sein, als für mich?« denkt das Tonele mit der kecken Feder am Hut, und richtig! kaum gedacht, reicht's ihm die gütige Hand. »Hier, vom Christkind ein Rößlein! Es trabt tüchtig, braucht nicht Heu noch Hafer, nur gute Behandlung!« Und sein Schwesterlein bekommt ein Geschichtenbuch mit bunten Bildern, das ist nebenbei noch etwas für ihn, denn sie liest's ihm vor, das weiß er. – Des Torwarts Fritzle steht beladen mit einer Schiefertafel, einem braunen Lebkuchen, so groß, wie er noch keinen besaß, und roten Äpfeln, – kann man reicher bedacht werden? – Doch, was gibt's denn da? Das kleine Trotzköpfchen will nicht nehmen, was ihm das Christkind schickt? Ja, ein Püppchen hat sich's wohl gewünscht, aber ein kleines Puppenfräulein mit rosa oder blauem Kleidchen, wie Schulmeisters Mariele eins hat, nicht so ein garstiges, zappliges Ding, wie dies hier, dem der Kopf hin und her fällt, und Beine und Arme schlenkern. Doch Schwester Agnes redet mit guten Worten zu, des Christkinds Gabe dankbar anzunehmen. »Wirst schon noch sehen, Mäusle, was für ein schönes, liebes Puppenkind es ist!« Und das Trotzköpfchen greift endlich zu, wenn auch widerwillig. Und wollt ihr wissen, wie es ihm später mit der Christgabe ergangen ist? Nach wenig Tagen schon hatte es sein zappliges Püppchen so ins Herz geschlossen, als ob es das allerschönste auf der Welt wäre, und es mochte sich Tag und Nacht nicht von ihm trennen. Wer hätte ihm da noch sagen dürfen, daß es garstig sei! – Nicht wahr, in des Christkinds Gaben liegt oft solch geheimer Zauber?