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Morgen ist Kirchweih im Ort, und die Musikanten, die zum Tanz aufspielen sollen, haben auf dem freien Platz vor der Kirche unter der großen Dorflinde Probe geblasen. Nun sitzen sie alle im Wirtshaus um den Tisch beim Bier und halten Vorfeier. Da kommt des Schusters jüngster Lehrbub, der Franzl, die Strasse herauf mit dem Deckelkrug in der Hand, um für den Meister und die Gesellen den Abendtrunk zu holen. Er sieht das große Horn mit den roten Schnüren und Quasten, das der Hornist an einem Nagel in der Hauswand aufgehängt hat, und die Versuchung kommt ihm, es herunterzunehmen und das Blasen zu versuchen. Muß das eine Lust sein! Sein Vater, der schon längst tot ist, war ein Musikant, und er möchte es auch werden, viel, viel lieber als Schuster. Den ganzen Tag über liegen ihm Melodien im Ohr, und in der Werkstatt singt und pfeift er bei der Arbeit vor sich hin. Meister und Gesellen haben ihren Spaß dran, er aber möchte wirklich etwas lernen und können. Auf den Dörfern zum Tanz aufspielen, das wäre doch besser nach seinem Geschmack als das Flicken zerrissener Schuhe und Stiefel. Auch manches blanke Geldstück würde dabei wohl in seine Hand wandern, das könnte er der Mutter heimbringen, die seit des Vaters Tod nicht aus den Sorgen herausfindet. – Unter diesen Gedanken holt der Franzl das große Horn vom Hagel, hält es zur Probe an den Mund, schaut sich ängstlich um, ob's auch niemand sieht, und schleicht sich dann doch lieber damit hinters Haus. Da ist er ungestörter bei seiner Kunstübung. Nur das Kleinste vom Adlerwirt und Schulmeisters Berta sitzen auf der Steintreppe, zu denen setzt er sich nieder mit seinem Blasinstrument. »O je!« sagt Berta und schaut ihm staunend zu, wie er's an den Mund hebt. Er kommt sich sehr wichtig vor, bläst die Backen auf, stößt einen Ton ins Mundstück hinein und wartet, bis er an der Schallöffnung wieder herauskommt. Der Weg ist weit. Schön klingt's nicht, freilich! eher fürchterlich, und die beiden Kleinen bekommen einen Schreck. »Püpple, fürcht' dich nicht!« sagt Berta beruhigend zum Puppenkind, das sie im Arm hält. Und der Franzl bläst weiter, die Töne poltern und gellen ohrenzerreißend. Da packt ihn plötzlich eine feste Hand beim Ohrzipfel und als er aufschaut, steht der Meister vor ihm. »Sakermentscher Bub', wo bleibst denn mit dem Bier? Und was treibst hier für Narrenspossen?« Schnell steht unser Franzl auf seinen Beinen und will eben das Horn wieder an den Nagel hängen, als der Hornist, der das Blasen gehört hat, herauskommt. Nun gibt's noch einmal etwas, aber es liegt ein Ausdruck im Gesicht des Buben, der den Scheltenden rührt. »Bist denn gar so arg versessen auf die Musik?« fragt er. Und als Franzl nickt, und sein Meister noch ein gut Wort für ihn einlegt, verspricht der Hornist, ihn ein wenig in die Lehre zu nehmen. »Macht sich's, kannst später bei uns bleiben!« fügt er hinzu. Da wirft der Franzl den Hut in die Luft und tut einen hellen Jauchzer.