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Die Jagd auf Mausererpel

Pak hatte sich bald nach der Trennung von seiner Ente mit einem halben Dutzend Erpel zusammengetan und zog mit ihnen durch die Landschaft. Wo man einfiel, war Nahrung in Hülle und Fülle, und Tag und Nacht waren die Enten in Betrieb. Besonders in den warmen, kurzen Nächten war ein Leben auf den Gewässern, lauter und vergnügter als am Tage. Auch war jetzt im Mai Schonzeit für die Enten, so daß sie den Jäger nicht zu fürchten brauchten, und da die Welt um diese Jahreszeit voller Jungtiere war, die den Räubern aller Art leicht zur Beute wurden, so brauchten die sieben Erpel auch von dieser Seite nicht so viel zu fürchten.

Doch im Sommer begann für die Entenvögel eine böse Zeit. Die Mauser. Pak nahm mit Erstaunen wahr, daß ihm sowie den anderen Erpeln die Federn ausfielen. Das wurde immer schlimmer, und er sah schließlich ganz ruppig aus; er hatte Mühe, sich in die Luft zu schwingen. Das hörte dann auch ganz auf, die Schwungfedern fielen aus.

Da sah der ehedem so prächtige Pak traurig aus und ebenso die sechs andern. Sie lebten auf dem großen See, dessen anderes Ufer blau im Dunst lag. Der See hatte breite Rohrgelege, in denen die Wasservögel sicheren Schutz fanden. Gerade jetzt in der Mauserzeit war es ein Segen für die Erpel, so gut aufgehoben zu sein.

Aber es ist bekanntlich nichts von Bestand, und so kamen eines Tages Männer in hohen Stiefeln mit Sensen, die mähten breite Schneisen in das Röhricht und beunruhigten alles, was in Rohr und Schilf lebte, sehr. Das dauerte drei Tage, dann wurde wieder Ruhe. Im Laufe von zwei Wochen gewöhnten sich die Erpel an die freien Straßen in ihrem undurchsichtigen Reich.

Doch dann kam der schlimme Tag. In mehreren Kähnen kamen schon am frühen Morgen Jäger, Treiber mit langen Stangen und Hunde. Teils in den Kähnen, teils am Ufer stellten sich die Schützen an, so daß sie Übersicht über die Schneisen hatten, während die Treiber mit den Stangen in Begleitung der Hunde das Rohr durchdrückten. Die Stiefel reichten den Männern bis an den Bauch, und so rauschten und planschten sie, mit den Stangen überall in das Rohr stoßend, heran. Die Hunde suchten und schnauften vor Anstrengung, sie arbeiteten sich durch dick und dünn und waren unermüdlich, das Wild in Bewegung zu bringen.

Die sieben Erpel waren starr vor Entsetzen. Ihr Rohrwald bot keinen Schutz mehr. Aufstehen konnten sie nicht, sie hatten keine Schwungfedern, und wenn sie schwimmend flohen, dann mußten sie über die Schneisen. Alle Sieben saßen zusammen und konnten sich nicht entschließen. Doch unaufhaltsam stampfte das Verhängnis näher und einzelne suchten am Ufer Schutz. In vorjährigem Schilf und unter Uferhöhlungen suchten sie sich zu drücken. Aber die Hunde stöberten sie auf, einen Erpel griffen sie, zwei andere drückten sie wieder zurück ins Rohr, und jetzt fielen die ersten Schüsse. Hinter Pak rauschte das Schilf auf, Flügel klatschten, eine Ente stand auf.

»Ja, die Weiber, die können jetzt fliegen«, dachte Pak. Da rief ein Mann: »Keine Ente schießen! Nur Erpel!« Doch der Schuß krachte, aber er ging vorbei und die Ente strich fort.

Einer der Schützen, ein alter Herr im grauen Bart, stand am Ufer, hatte das Gewehr in halbem Anschlag erhoben und beobachtete gespannt seine Schneise. Ein Bleßhuhn ruderte eilig, kopfnickend über die Wasserstraße. Es blieb unbeschossen. Bleßhühner gehören zum halbjagdbaren Wild, man schießt sie nur gelegentlich, wenn sie überhand nehmen. Schmecken tun sie nur, wenn man sie abzieht, mit Speck umwickelt und Sahne und Wacholderbeeren dazu tut. Außerdem lockt den geübten Jäger der Schuß nicht sehr, denn er stellt keine Anforderungen an die Schießkunst. Nur im Frühjahr, wenn die Wasserhühner in großen Flügen bis zu hundert Stück und mehr, leicht geworden durch die Entbehrungen des Winters, ausgezeichnete Flieger sind, dann ist es eine reizvolle Jagd, aus dem reißend schnell dahinfliegenden Schwarm mit sicherem Schuß eine Doublette herunterzuholen. Doch dann ist wieder das Wildpret ein mehr als zweifelhafter Genuß. Der einen Lietze folgte bald noch eine, und diese war begleitet von einer ganzen Reihe halbwüchsiger Jungen. Ihre Unterseite war hell vom Schwanz bis zur Schnabelspitze, der charakteristische weiße Hautfleck auf der Stirn fehlte auch noch, und sie piepten voller Angst. Besorgt klang das harte »Täk – täk –« der Mutter, und schnell waren alle im schützenden Rohr verschwunden. Da plötzlich rauschte das Schilf auf, und ein großer rostroter Vogel mit weitklafternden Schwingen hob sich schwerfällig empor. Seine ganze Figur, Hals, Kopf und Schnabel erinnerten an den Fischreiher. Da riß der alte Herr die Flinte an die Backe – doch er setzte wieder ab, ohne zu schießen, denn die große Rohrdommel steht das ganze Jahr unter Naturschutz, da sie selten ist und unsere Seen und Wiesen interessant macht. Überall knallte es jetzt. Da fuhr auf einmal ein Wesen über die Wasserfläche, das nicht länger als ein Finger war, nur dicker. Aber kurz bevor es drüben war, krachte der Schuß. Der Jäger ließ den Cocker-Spaniel, einen weiß und schwarz getüpfelten Hund mit langen Behängen von der Leine. Mit einem Satz war er im Wasser, ergriff das kleine Etwas und apportierte es. Doch da war es gar nicht mehr klein, sondern ein ausgewachsener Mausererpel. Kaum hatte der Hund »Setz dich« gemacht, da huschte schon wieder ein Erpel, ganz tief im Wasser liegend, über die Schneise, so daß man nur den Kopf und einen Strich des Halses sehen konnte. Wieder fuhr die Waffe hoch, ging mit, schwang vor und gab Dampf. Der Erpel bäumte sich, schoß im Kreise herum, schlug mit den Flügeln, und lag dann still auf dem Rücken. Nur die Ruder schlugen noch etwas. Gerade als der Jäger wieder den Hund löste, fuhr abermals ein Entenkopf über die Schneise und ehe der Mann die Flinte hoch hatte, da er mit dem Hund beschäftigt war, war der Erpel auf der andern Seite des Röhrichts.

Das war Pak. Er sauste so schnell er konnte weiter, doch bald war wieder eine Schneise vor ihm und er verhielt sich still.

Eine ganze Weile mochte er so gespannt auf irgendeinen günstigen Moment gewartet haben, da plätscherte es hinter ihm und Rohrhalme bewegten sich. Gleich daraus schossen zwei Erpel an ihm vorbei, und dicht nebeneinander über die Schneise. Ein Schuß fiel. Der eine Erpel blieb bewegungslos liegen, der andere machte kehrt. Ein zweiter Schuß ließ auch ihn verenden.

Jetzt ist's Zeit, dachte Pak, nach zwei Schüssen machen die Kerls meistens eine Pause, und er flitzte rüber. Dieser Jäger aber führte eine automatische fünfschüssige Flinte, und als Pak noch auf der Schneise war, krachte es zum dritten Male. Die Schrote saßen voll um den Kopf des Enterichs, und doch traf ihn kein einziges. Auch das kommt vor.

Nun hielt sich der Gejagte dicht am Ufer, und da wollte es der Zufall, daß er an die Mündung eines schmalen Grabens kam. Er zögerte nicht und bog sofort ein. Der Graben hatte hohe Ränder und die waren mit Gesträuch, hohem Gras und Brennesseln bestanden. Dort unten eilte der kleine Grünhals entlang. Da hörte er hinter sich brechen, und das Geräusch von jagenden Läufen. Pak beschleunigte sein Tempo. Doch der Verfolger holte auf. Jetzt vernahm der Erpel schon das Hecheln und gleich daraus sah er einen kleinen weiß und braunen Hund, einen Münsterländer Heidewachtel, auf sich zustreben.

Pak lief und wand sich durch herniederhängendes Gezweig. Der Graben wurde hier immer trockener, führte nur noch wenig Wasser, und wenn sich der Enterich duckte, hatte er ziemlich freie Bahn. Jedoch der Hund kam näher.

Das kleine Herz des Erpels hämmerte, sein Schnabel stand halb offen, er war am Ende seiner Kraft. Und jetzt war auch der unerbittliche Jäger heran, nur ein ganz tief hängender Schlehenzweig hielt ihn noch zurück. Pak schlüpfte durch und hastete weiter. Jetzt bog er um eine kleine Kurve, die der Graben beschrieb, und siehe da – das dornige Schlehengezweig nahm zu.

Hinter dem Wilderpel jacherte der Wachtel, es war aber offensichtlich, er hatte jetzt Mühe zu folgen.

Immer dichter wurde das Buschwerk, und bald war nicht mehr daran zu denken, daß der Hund mitkam. Da lief er den Hang hoch oben auf dem Grabenrand entlang ein ganzes Stück voraus, und wo die Schlehen aufhörten, sprang er wieder in den Graben und legte sich vor. »Mal muß der Erpel ja kommen«, dachte er wohl. Aber wenn der Hund gerissen war, Pak war auch nicht von gestern.

Da, wo die Zweige mit langen Dornen so dicht waren, daß selbst er nur noch mit Mühe weiterkam, da blieb er.

Die Jäger saßen lange schon beim Frühstück, als endlich der Wachtelrüde angehechelt kam.

»Ja, ja«, meinte der alte Förster, der den Cocker-Spaniel führte, »die Wachtel gehen ihre eigenen Wege und sind dickköpfig bis zur Sturheit«. Der Wachtelhund näherte sich seinem Herrn im Bewußtsein erfüllter Pflicht. Der sah jedoch nur den Mangel an Resultat und die Tatsache, daß das liebe Hündchen eine volle Stunde fortgewesen war, und ihm dadurch die Jagd verdorben hatte. Und der kleine Weiß-Braune, der Lob erwartet hatte, bezog mörderische Dresche. Laut erscholl sein Wehklagen. Bis zu Pak drang der Jammer. Der konnte sich dieses Geräusch so halb und halb erklären, denn er hatte ja bei den Menschen gelebt. Daß es sein Widersacher war, der da so klagte, wußte er allerdings nicht, doch hätte er es gewußt, es wäre ihm Balsam gewesen. Später lief er dann am Graben solange weiter, bis der wieder mehr Wasser führte. Schließlich gelangte er auf diesem Wege zu einem völlig verschilften Fließ. Hier blieb der Schwergeprüfte und wartete die Zeit ab, da er wieder Federn auf dem Leibe hatte, und, wie es sich für einen Vogel gehört, fliegen konnte.

Auch die schwere Zeit der Mauser ging vorüber. Als aber das neue Federkleid da war, fand sich Pak sehr verändert, denn er sah so grau aus wie eine Ente. Sein Sommerkleid zeigte keinerlei Farbenpracht. Er hielt sich wieder mit einigen Erpeln, die ebenso unscheinbar aussahen wie er selbst. Sie waren bald hier und bald da und hatten keine andere Sorge als die, den Jägern auszuweichen und sich satt zu fressen.

Jedoch eines Tages hatte Pak ein seltsames Erlebnis. Es war am frühen Morgen, der Nebel lag noch über dem Waldfee, und ein paar Blaumeisen fingen eben an, an den Erlen herumzuturnen, um Atzung für ihre Jungen zu schaffen. Pak gründelte hart am Ufer, um Wasserkerfe an den Wurzeln der Erlen zu suchen. Da hatte er mit einem Male ein Gefühl, als faßte ihn etwas leise an sein eines Ruder. Pak machte eine heftige Bewegung, aber da wurde das leichte Gefühl zu einem harten schmerzhaften Druck. Nun schlug der Erpel mit Gewalt sein Ruder hin und her, aber jetzt wurde der Schmerz unerträglich, und Pak flog mit einem Schrei auf. Doch hatte er Mühe hochzukommen, denn etwas hing an seinem Ruder und kniff unerträglich. Schließlich bekam der Enterich Fahrt, und nun sah er, was für ein Anhängsel er mit sich herumtrug – – einen ausgewachsenen Krebs!

Der Panzerträger bewegte mechanisch seine freie Schere, und hin und wieder machte er mit dem Schwanze die charakteristischen schnellen Schläge. Pak sauste mit dem Krebs durch die Luft, schlenkerte mit dem Ruder, um endlich den Plagegeist loszuwerden. Doch wenn Krebse erst mal böse sind, halten sie fest, und wenn es geraden Weges in die Hölle geht. Dieser, der sich nicht von Pak trennen mochte, war so lang wie eine Männerhand. Längst waren die beiden nicht mehr über dem Wasser. Wald und Feld, Wiese und Dorf hatten sie überflogen, aber der Krebs ließ nicht locker.

Hätte Pak seine Vernunft noch gehabt, er wäre zum nächsten Wasser geflogen und hätte den Kruster still in sein Element gehängt. Pak war aber infolge des Schreckens unvernünftig. Voll Angst und Wut strampelte er nur und flog.

Das hätte der Wildenterich noch lange ausgehalten. Wer weiß, bis wohin der noch geflogen wäre.

Er war über einem Vorort der Großstadt, als der Griff des Krebses endlich erlahmte. Die Klammer löste sich – und der Scherenträger fiel.

Pak fuhr ordentlich ein Stück in die Höhe, als er frei wurde.

Der Krebs aber fiel auf einen Balkon.

Dort, im vierten Stockwerk, krabbelte er auf dem Beton herum, bis ein kleiner Junge auf den Balkon trat und ihn erblickte.

»Mutti! Ein Tier! Ein Riesentier!« So lief der Knabe schreiend in die Küche zu seiner Mama. Die Mutter staunte, ergriff die Müllschaufel und holte damit den Krebs in die Küche. Dann aber rief sie sofort ihren Mann an, der bei einer Zeitung beschäftigt war, und erzählte ihm diese letzte Neuigkeit.

Pak und der Krebs

Die Sache kam noch am selben Tage in die Zeitung, und zwar unter der Überschrift: »Ist der Krebs Fassadenkletterer?« Namhafte Zoologen nahmen sich der Sache an, und es war ein Rätselraten ohnegleichen. Über die wahre Ursache wurde man sich niemals klar. Man nahm schließlich an, irgendein Witzbold hätte ihn vom Dach heruntergelassen.

Nachdem der Krebs nun genug besprochen worden war, und man sein Bild in allen bedeutenden Blättern gesehen hatte, wurde er dem Aquarium geschenkt und an seinem Behälter hing ein Schild, auf dem in kurzen Worten seine Geschichte stand.


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