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Die Liebe

Da Mautz die Feldscheune gefunden hatte, konnte ihm der Winter nicht so viel anhaben wie anderen Tieren der freien Wildbahn. Er dehnte seine Raubzüge hier- und dorthin aus, aber immer kehrte er wieder unter das schützende Dach und in das wärmende Heu der Scheune zurück. Erst wenn der Abend gekommen war, ging er auf Raub aus und vor Tage kehrte er heim, denn er hatte das Erlebnis mit dem Bauernköter keineswegs vergessen. Er vergaß überhaupt nichts von dem, was für ihn von Belang gewesen war. Er hatte es gelernt, sich des Windes mit allen seinen Tücken und Veränderlichkeiten meisterhaft zu bedienen. Denn jedes Säugetier, das unbeschützt vom Menschen in der Freiheit lebt, verläßt sich in erster Linie auf die Nase – dann erst auf Auge und Gehör.

Mautz kannte die Stellen in der großen Schonung, an denen die Kaninchen am leichtesten zu beschleichen waren. Er wußte die Zeiten, zu denen die Rebhühner an die Fütterungsstellen kamen, die ihnen der Jäger hergerichtet hatte, damit sie gut durch den Winter kamen. Der Kater hatte bald gelernt, daß man Fuchs und Dachs besser aus dem Wege ginge, denn sie waren stärker als er. Auch daß ein Igel, obwohl aller Wahrscheinlichkeit nach schmackhaft und fett, kaum zu bewältigen war, hatte Mautz schmerzhaft erfahren. Er hatte begriffen, daß man die winterliche Notlage der Wildenten vorteilhaft ausnützte, wenn man sich im trocknen vorjährigen Schilf da auf die Lauer legte, wo das Fließ nicht zugefroren war. So mußte er oft lange in Kälte und Geduld verharren, bis eine ahnungslose Ente in seine unmittelbare Nähe kam. Dann schlug er dem Breitschnabel die Krallen in den Hals, und mochte sich das Opfer noch so sehr wehren und mit seinem starken Schwingenpaar schlagen, der Kater hielt fest. Ein- oder zweimal glaubte er bei dieser Gelegenheit seinen Jugendgefährten Pak erwischt zu haben, doch er war es nicht. Mautz lernte schnell. Und so verging der Winter für den grauen Kater auf das angenehmste. Seine Einsamkeit war ihm nur lieb, denn es liegt im Wesen der Katzen, ihre Wege allein zu wandeln. Aber jeder Zustand ist der Veränderlichkeit unterworfen.

Rebhühner an der Fütterung

Als der Februar zu Ende ging und der März kam, da wurde Mautz, der mit Freuden Einsame, plötzlich des Alleinseins müde. Er fühlte sich voller Unruhe, und die Luft trug ihm Gerüche zu, die ein sehnsüchtiges Glück in ihm erweckten. Und eines Nachts, er wunderte sich selber über sein Talent, drangen wilde, doch hingebende Laute aus seiner Kehle. Aber es wurde ihm keine Antwort – – – raau, raau, klang es durch den kalten, ungestümen Frühjahrswind. Da zog er los, den verheißungsvollen Düften nach, die ihn elend und selig zugleich machten.

Als er etwa eine Stunde lang dem unsichtbaren Ziele nachgegangen war, hörte er eine Stimme, ähnlich der seinen, nur heller, die schmachtend in der Finsternis erklang. Jetzt ließ auch er rollend seine Stimme hören, und war in wenigen Minuten bei einem Gehöft, das inmitten hoher Bäume lag. Er sprang über den Zaun und sah am Fuße der Haustreppe etwas Helles sich bewegen. Im Nu war er dort! Aber husch – war das helle Etwas zum Stall hinüber geglitten. So ging es eine Weile hin und her, und Mautz hatte das entzückendste Kätzchen erkannt, das je über Dächer gesprungen war.

Der junge Kater war begeistert! Und auch das schöne Kind fand Gefallen an dem stürmischen Kavalier, und sein grau und schwarz gestreiftes Kleid erschien ihr vornehm und elegant. Bald verlangsamte sich ihre Flucht, und es dauerte nicht lange, da schmiegte sie sich an ihn, strich mit ihrem Köpfchen unter seiner Kehle durch, ließ auch ihren geschmeidigen Rücken an seiner Brust entlanggleiten, wobei ihr seines Schwänzchen ihm kosend über Nase und Ohren glitt. Da wurde er wild – und mit einer geschmeidigen Bewegung nahm er ihren Rücken zwischen seine Vorderläufe und wollte sich nach Art der Katzenmänner in ihrem Genick festbeißen. Im nächsten Augenblick sah er hundert bunte Sterne, denn fünf Krallen waren ihm sehr schnell und schmerzhaft ins Gesicht geschlagen worden. Dazu fauchte das Jungfräulein giftig und grell und sprang davon. Mautz wollte ihr nachsetzen, als ihm von hinten etwas in den Nacken sprang und ihn mit Zähnen und Klauen ganz gräßlich bearbeitete. Das war »Griff«, der stärkste Kater des Dorfes. Er stand im vierten Jahre und hatte alle Kater in der Runde geschlagen. Sogar den schwarzen Peter des Schlächters. Jetzt mußte er hier, ausgerechnet bei seinem Liebling, der schönen Mitzi, einen Laffen treffen, den er noch nie gesehen hatte, und der höchstens ein Jahr alt war. Und wieder hieb er grollend und heulend drauf los. Mautz kreischte vor Schmerz und Wut, doch dann sah er rot und mit gellender Stimme fuhr er herum! – »Rach – rach –« hatte »Griff« ein paar Dinger im Gesicht, die er dem Konfirmanden nie zugetraut hätte. Er schlug wuchtig zurück, aber der fremde Kater, der zwar hoch, doch schmächtig erschien, war erstaunlich gewandt. Er sprang hoch in die Luft und landete auf des rot-weißen Griff Rücken, schlug sehr unangenehme Doppelschläge und war nur mit Mühe abzuschütteln. Doch sofort griff er wieder an. Da erkannte der Matador des Dorfes, daß er hier ein Talent vor sich habe, einen zwar noch jungen, aber schneidigen Burschen.

Mautz und die Katze

Und Griff setzte alles ein, was er hatte, und das wurde Mautz doch etwas zu viel.

Ganze Serien von kurzen harten Schlägen drosch Griff, der in der Vollkraft des Lebens stand, dem Fremden über die Augen. Und wenn auch der Junge mitzuhalten versuchte, das Tempo des erfahrenen Katers war zu mörderisch. Mautz begann nachzulassen, während der andere immer noch Reserven aus sich herausholte. Und jetzt drang Mautz eine Kralle seines Feindes tief in die Nase. Das nahm dem armen Kerl auf einen Moment die Besinnung, und nun verabfolgte ihm Griff alles, was er noch brauchte. Da riß er sich los und rannte um sein Leben. Der andere hinterher! Aber Mautz hatte Panik ergriffen und seine Angst verlieh ihm Schnelligkeit. So entkam er dem grimmigen Sieger und rettete sich verbittert in seine Einsamkeit. – – – So erging es Mautz wie so manchem jungen Mann, seine erste Bekanntschaft mit der Liebe war schmerzvoll.

Voll blutender Risse kam er zu Hause an. Er war arg verbeult, und seine Laune war scheußlich. Er hatte getan, was er konnte, aber der andere war ihm einfach über gewesen. Das kränkte ihn mächtig, und voller Mißmut machte er einen Kringel aus sich – und schlief ein.

Als Mautz erwachte, war es schon ganz hell. Er reckte sich, aber er zuckte zusammen, denn er hatte einen bösen Muskelkater. Er verließ die Scheune, indem er seinem Vorsatz, bei Tage nicht hinauszugehen, untreu wurde. Es war jedoch eine Gleichgültigkeit über ihn gekommen, die ihm sonst fremd war. So schlenderte er unlustig in den grauen Märzmorgen hinein. Ein paar Krähen zogen quarrend über ihn dahin und sagten ihm eine Grobheit, die er nicht erwiderte. Die Schwarzen kamen von ihren Schlafbäumen und zogen los, um Wildenten- und Birkhuhngelege, sowie die ersten Junghäschen zu räubern. Die Zeit, da sie von gefallenem Wild und mehr oder minder ungenießbaren Überresten leben mußten, die war nun vorbei. Mautz sah ihnen nach, bis sie hinter den Kiefernkronen verschwanden. Der gekränkte Kater trottete weiter. In einer Ackerfurche schnürte er entlang. Er wollte nach der Schonung, um dort mal nach dem Rechten, das heißt: nach den Karnickeln, zu sehen. Jäh fuhr er zusammen! Ein Knattern und Prasseln stob vor ihm empor, und zwei Rebhühner, Paarhühner, wie der Waidmann sagt, standen auf. Unbeherrscht sprang er ein, was natürlich zwecklos war. Er wurde sich dessen auch gleich bewußt – und schämte sich. Dann tat er so, als wäre gar nichts gewesen und trottete weiter. Jetzt kam er an einigen Schlehenbüschen vorbei. Da war eine lustige Gesellschaft zu Gange. Ein Flug Schwanzmeisen und ein paar Goldhähnchen suchten nach Puppen und anderen kleinen schmackhaften Sachen. Dabei unterhielten sie sich in ihrer klingenden Sprache, hatten den Kopf bald oben, bald unten und waren voller Betriebsamkeit und Lustigkeit. Diesmal gab sich der Kater keine Blöße. Diese kleinen Bürschchen mochten gewiß gut schmecken, aber sie waren nicht zu kriegen. Intelligent, schnell und immer wachsam – nein – das war nichts für den Kater! Er hatte jetzt die Büsche hinter sich und war fast an der Kiefernschonung, da sah er vor sich, auf etwa zwanzig Meter, einen kurzen Baum ohne Äste stehen. Das war neu! Mautz stand regungslos! Seine klaren grünen Augen waren unverwandt auf das unheimliche Ding gerichtet, das da vor ihm stand, wo es früher nicht gestanden hatte. Die Schwanzspitze des Katers zuckte kaum merklich, sonst stand er noch immer unbeweglich. Doch plötzlich sah Mautz oben am Ende des Stammes zwei sich bewegende Augen und da erkannte er einen Menschen in dem Baum. Er riß sich herum und war blitzschnell in den Büschen. Es donnerte und krachte! – Schrote prasselten dicht neben ihm auf die Erde, aber da war er schon aus den Büschen, in der Furche und von da hinter einen Steinhaufen gehuscht. Jetzt mit fliegender Lunte über ein Stück freies Feld – und dann war Mautz hinter einem Hügel verschwunden! »Pfui Deibel! Der Tag fängt gut an«! dachte der vielgeprüfte Kater, und die uralte Weisheit wurde ihm klar: »Der Tag ist böse und hell – die Nacht ist dunkel und gut!« Und er beschloß, fortan endgültig danach zu handeln.

Mautz erkennt einen Menschen


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