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Es war ein gräuliches Schnee- und Schlackerwetter, als ein Mann in ziemlich dürftiger Kleidung und einen schlechten Regenschirm über seinem schäbigen Filz haltend, die Fischerstraße hinaufging und vor einem der alten Häuser, zu beiden Seiten des schmalen Torwegs die Firmenschilder ablesend, stehen blieb.
Endlich schien er gefunden zu haben, was er suchte. Er ging über den zugigen Flur, in dem schon die Dämmerung herrschte, bis zu der Wendeltreppe, die er sich, ein Streichhölzchen anzündend, hinauftastete.
Im zweiten Stockwerk fand er nach langem Suchen in der Dunkelheit der Treppe, die noch unbeleuchtet war, das Schild des Rechtskonsulenten Anton H. Wisecky.
Das war der Mann, den er suchte! Er klopfte und trat gleich darauf in den wenig anheimelnden Raum ein.
Ein Junge von vielleicht vierzehn Jahren mit großen, abstehenden Ohren und verschlagenem Blick, der unter der kurzgeschorenen Tolle aus schmalen Augen funkelte, saß dort an einem kleinen Tischchen und schrieb an einem Aktenstück.
»Ich heiße Adam Smith,« begann der Ankömmling. »Ich möchte gerne reden mit die Herrn Rechtskonsulenten.«
»Ist jetzt nicht zu sprechen,« erwiderte der Junge, ohne sich zu erheben. »Was wünschen Sie denn? … Ich bin der Bureauvorsteher.«
»Ach no!« wehrte der Engländer, »ich muß sprechen die Herrn selber!«
»Müssen Sie warten!« sagte der Junge und deutete mit dem Ellbogen auf den defekten Rohrstuhl, der neben seinem Tische stand.
Nach einiger Zeit klingelte es. Der Junge verschwand im Hinterzimmer, um gleich darauf wieder einzutreten.
»Jetzt is er da! Ich soll fragen, was Se wollen?«
»Das ich uerde sagen die Herren selber.«
»Gibts nicht. Bei uns wird bei de Anmeldung jleich jesagt, was los is, sonst wird überhaupt keener nich jemolden.«
Der Besucher griff in die Tasche, zog ein Markstück hervor und reichte es dem Jungen.
»Da, my boy!«
Sofort änderte sich das Benehmen des »Bureauvorstehers« vollkommen.
»Des is was andres,« sagte er, »wenn ichs mit 'nem Schantelmänn zu tun habe, der weiß, was sich gehört, denn können Se auch sprechen … Aber ich sage Ihnen, er hat 'ne Latte!«
Der Engländer neigte den Kopf vor, als habe er nicht recht gehört.
»'ne Latte hat er!« wiederholte der Junge.
»Er muß vor'n paar Tage Geld gemacht haben und wenn er das hat, denn kriegt er sofort seine Tour. Und denn is er seine zwei, drei Tage auf der Fahrt, das knallt man so!«
»Aha,« nickte der Andere bedächtig. »Na, hoffentlich kann man reden mit ihm!«
»Reden können Se. Un verstehn tut er och, und ich sage Ihnen, wenn der auch schon dreimal genug hat, denn is er immer noch viermal so gerissen wie jeder andere!«
Damit ging er vor dem Besucher her zu der Tür des Privatbureaus, öffnete diese, um sie gleich hinter dem Eintretenden wieder zu schließen.
Die Einrichtung des Zimmers, das der Fremde betrat - unter dessen ärmlicher Kleidung sich kein anderer als der Detektiv Frank Wesson verbarg - war mehr als seltsam: Die kleine, runde Glaslampe, die in der Mitte von der Decke herabhing, war mit einem grünen Seidentuch umwickelt und gab so dem nicht zu großen Raum eine mystische Beleuchtung. Sonst fand sich nur ein kleiner, klappriger Holztisch im Zimmer vor, mit schmutzigen Tellern, Speiseresten, Flaschen und Gläsern beladen, und daneben ein uralter Lehnstuhl, aus dessen geschwärztem Lederpolster an allen Ecken das Roßhaar hervorguckte. An der Wand eine Feldbettstelle und neben ihr ein Holzstuhl mit einem Napf voll schmutzigen Seifenwassers. Dann hing da noch ein Plan von Berlin und eine große Weltkarte, auf der mit Bleistift alle möglichen Reiserouten vorgezeichnet waren.
Der Bewohner des im übrigen stark überheizten Zimmers lag, nur mit einer Wolldecke zugedeckt, auf diesem Bett und bemühte sich sichtlich, den schweren Kopf, auf den Arm gestützt, aufrecht zu halten.
Das Raubvogelgesicht dieses Menschen sah mit seinen vom Trunk geröteten Augen geradezu abstoßend aus, und der Besucher, der sich in vorsichtiger Entfernung von dem Liegenden hielt, verspürte nichtsdestoweniger schon bei der Begrüßung den Fuselhauch, der von Anton H. Wisecky ausging.
Mit kläglicher Stimme und heuchlerischer Grimasse sagte der Biedere:
»O, wie leid tut es mir, mein Herr, Sie in dieser Lage empfangen zu müssen. Aber Sie sehen ja, ich bin leidend, und der Arzt hat mir das Aufstehen streng verboten … Bitte, sagen Sie mir doch, womit kann ich Ihnen dienen?«
Frank Wesson, dessen Augen unter den sie halb bedeckenden Lidern hervor schnell über den Liegenden hinglitten und dessen ganze Persönlichkeit wie mit einem einzigen Griff in sich aufnahmen - der Detektiv behielt seine demütige Stellung bei und sagte in noch kläglicherem Tone, wie vorher der andere:
»Mein Gott, ich suche jemand, der mir beisteht. Und da hab' ich von Ihnen gehört. Vielleicht können Sie mir helfen.«
Der Detektiv merkte wohl, wie Anton H. Wisecky ihn trotz seines grimmigen Katers einer genauen Musterung unterzog. Dieser gedunsene Geierkopf starrte mit einer frechen Neugier auf den Engländer, der wie unter der Last seiner Betrübnis gebeugt dastand.
»Das ist schon ganz schön,« meinte der Rechtskonsulent dann, »aber dazu müssen Sie mir vor allen Dingen sagen, um was es sich eigentlich handelt … Ja, und erst möchte ich mal wissen, wer Sie eigentlich zu mir geschickt hat?«
»Den Namen kann ich auch nicht sagen,« meinte der Engländer mit gut gespielter Naivität, »es war einer auf dem Polizei-Präsidium … ich bin nämlich schon vernommen worden in der Sache.«
»Ja, in welcher Sache denn? … Ich weiß ja noch garnichts!«
»Na, wegen … wegen … ich soll was mitgenommen haben aus einem Geschäft …«
»Haben Sie natürlich nicht! … Denken garnicht daran, nicht wahr? …« lachte der Rechtskonsulent, »was war's denn für'n Geschäft?«
»Ach, aus 'nem Warenhaus …«
»Und was sollen Sie da gestohlen haben?«
»'n Teleskop … Ich bin nämlich Optiker …«
»Na, wie war es denn nu?« Anton H. Wisecky fing diese doch in sein Fach schlagende Sache immer mehr an zu interessieren, »hat Sie jemand dabei gesehen? Sind Sie auf frischer Tat dabei ertappt worden? Hat man Sie gleich ins Bureau runtergeführt?«
Der andere nickte nur.
»Das ist allerdings faul … Aber sagen Sie mal, Sie, Verehrtester, haben Sie vielleicht irgend etwas Rauchbares bei sich? … Mich rauchert ganz entsetzlich, und ich möchte den Jungen nicht erst runterschicken!«
Der Detektiv zögerte, ehe er die Hand nach dem eleganten Etui in seiner Rocktasche greifen ließ, Seine Befürchtung, dem anderen möchte diese teure Tasche und noch mehr die sehr gute Zigarre auffallen, bewahrheitete sich auch augenblicklich, aber Frank Wesson war auch sofort mit einer einleuchtenden Ausrede bei der Hand.
Kaum hatte der Rechtskonsulent die ersten Züge getan, so sagte er auch schon in seiner unangenehmen familiären Weise:
»Donnerwetter, Mensch, wo beziehen Sie denn die her? Das ist ja 'ne piknoble Sorte!«
Der Detektiv machte nur eine kleine, kaum merkliche Greifbewegung mit der rechten Hand, aber der andere verstand ihn sofort und lachte schallend:
»Na, Sie sind wenigstens 'ne ehrliche Haut! Nu, schießen Sie mal los und erzählen Sie mir alles haarklein, damit ich sehe, wo wir einsetzen können.«
Frank Wesson merkte, daß er jetzt das Mißtrauen des anderen, das sicherlich zu dessen hervorragendsten Eigenschaften gehörte, besiegt habe, ließ sich dadurch aber keineswegs zu der Unklugheit verleiten, nun auch seinerseits einen allzu offenen Stimmungswechsel zu zeigen, sondern erzählte noch ebenso betrübt wie zuvor sein unangenehmes Erlebnis, das selbstverständlich nur in seiner Phantasie existierte.
»Und in welchem Warenhaus war das?« fragte der Rechtskonsulent.
»Bei Freitag Söhne,« meinte der andere und fügte, da er die plötzlich auffahrende Bewegung Anton H. Wiseckys wohl merkte, hinzu:
»Das ist ja eben die Dummheit, daß jeder, der was machen will, zu den Allergrößten hingeht, wo natürlich auch am meisten aufgepaßt wird. Aber auf der anderen Seite, jeder hat doch seine besonderen Artikel, und weil ich gelernter Optiker bin, bring ich das Zeug natürlich auch am leichtesten unter, was doch sonst bloß in Spezialgeschäften zu haben ist … Und in den kleinen Läden, da sehen sie einem zu sehr auf die Finger! …«
Dem Rechtskonsulenten schien das einzuleuchten. Er nickte bestätigend. Aber ganz war sein Argwohn offenbar doch noch nicht überwunden. Er wiederholte jetzt seine anfängliche Frage und meinte mit einem Grinsen, zu dem Detektiv hinüberspähend:
»Wie Sie bloß gerade zu mir damit kommen?«
»Na, der auf dem Polizeipräsidium sagte doch, Sie hätten da Ihre besonderen Beziehungen …«
»Wie sah denn der aus?« fragte Wisecky. «
»Ach, wir saßen nebeneinander in kleinen Zellen, Sie wissen doch schon, wo man drin warten muß, bis man verhört wird, und da hab' ich ihn eigentlich bloß flüchtig gesehen, wie er nachher rausgeführt wurde, 's war so'n kleiner Dicker mit 'nem kahlen Kopf.«
Der Rechtskonsulent dachte nach, dann meinte er kopfschüttelnd:
»Ich kann mich nicht besinnen. Und das ist ja auch egal … Jedenfalls ist es einer, den ich selbst mal beim Schlafittchen gekriegt habe. Ich war nämlich früher selber Detektiv im Warenhaus …«
Und auf das glänzend vorgetäuschte, starre Staunen des anderen hin, laut auflachend, setzte er hinzu:
»Nu brauchen Sie aber keine Angst zu haben, daß Sie sich mir gegenüber verraten hätten. Ich bin längst nicht mehr bei der Gesellschaft. Ich habe jetzt mein eigenes Geschäft und stehe mich viel besser dabei. Und was Ihren Fall anbelangt, den übernehme ich natürlich. Daß ich Sie vor Gericht nicht verteidigen kann, das wissen Sie ja, da müßt' ich beim Landgericht zugelassen sein als Rechtsanwalt, was ich, Gott sei Dank, vorläufig noch nicht bin. Aber, wenn ich so auch hinter den Kulissen bleiben muß, Sie sollen die zwanzig Mark, die ich für meinen Rat verlange, nicht umsonst ausgegeben haben. Das Geld wird natürlich im voraus bezahlt.«
Der Detektiv nahm ohne weiteres aus einem abgeschliffenen Portemonnaie ein Zwanzigmarkstück und reichte es seinem Gegenüber.
Der klemmte es lustig, wie ein Monokle, ins linke Auge und grinste.
»Sie glauben garnicht, was so'n Goldblick mitunter für eine Wirkung hat und wieviel weiter der Mensch durch solch 'ne goldene Brille sehen kann. Also, was ich sagen wollte: Sie schreiben mir Ihren Fall genau auf, und denn bringen Sie das hierher, und das übrige werden wir schon machen … 'nen Rechtsanwalt? Nee, den brauchen Sie nicht. Das fingere ich ganz alleine. Man bloß nicht mit den studierten Leuten, die lassen sich doch bezahlen und vermasseln Ihnen nachher die ganze Fahrt!«
Jetzt meinte der Detektiv, daß es Zeit sei, seinem eigentlichen Ziele noch näher zu kommen, und fragte vorsichtig und zaghaft:
»Ja, aber die Beziehungen, die Sie früher zu den Warenhäusern hatten oder, ich will mal sagen, zu Freitag Söhne gehabt haben, die sind doch, wie Sie selbst sagen, inzwischen längst abgebrochen? … Ich kann garnicht einsehen, wie Sie mir da helfen wollen?«
»Das lassen Se man ganz meine Sorge sein,« sagte der andere überlegen. »Uebrigens sind die Beziehungen auch noch nicht so ganz abgebrochen. Ich bin da immer noch ein bißchen freiwilliger Kriminalbeamter, was nebenbei auch seine Vorzüge hat. Aber, nun ist's gut. Nun hab' ich Ihnen genug gesagt, sogar eigentlich schon mehr, als ich sagen durfte. Nu müssen Sie Vertrauen zu mir haben und mich ruhig machen lassen … Uebrigens, haben Sie noch so'n Ding da, so'ne Giftnudel? Ja? - Dann zeigen Sie mal her. Sie verderben sich bloß den Magen dran … So, nun werd' ich mich erst noch mal ein bißchen ausruhen, und dann treten wir Ihrem Fall näher! Ich sage Ihnen, Sie sind nicht der erste, der Anton H. Wisecky zu Dank verpflichtet ist.«
Damit reichte er dem Besucher seine Hand hin, die dieser mit innerem Widerstreben nahm, um sich gleich darauf mit höflichen Bücklingen zu verabschieden.
Als Frank Wesson heraustrat ins Vorzimmer, fragte der Junge:
»Na, wie war er? … Ungenießbar, was?«
Der Detektiv lachte.
»Ja, sein Bureauvorsteher ist mir lieber.«
»Mir ooch,« erwiderte der Junge, mit unerschütterlichem Ernst weiterschreibend an seinem Aktenbogen.
»Wenn Sie wieder was brauchen, Herr …«
Der Detektiv nickte. Draußen auf der Treppe blieb er eine ganze Weile stehen. So leicht hatte er sich die Sache kaum gedacht.
Allerdings hatte die sehr intelligente Frau Brunner ihm auch eine Beschreibung des Erpressers geliefert, die besser und genauer war als jeder Steckbrief. Mit dieser Beschreibung war er zu Freitag Söhne gegangen, hatte sich dort einen der Portiers herausgesucht, einen von denen, die am längsten im Hause angestellt waren, und hatte diesen Mann, nachdem er seine Privatwohnung in Erfahrung gebracht, abends dort aufgesucht.
Er führte sich bei dem nichts ahnenden Angestellten des Warenhauses als Ausländer ein, der einen Menschen suchte, der vor einiger Zeit ein Verhältnis mit seiner Schwester angebahnt und diese, nachdem er ihr eine nicht unbedeutende Summe Geldes abgenommen, sitzen gelassen hätte.
Was der Detektiv kaum gehofft hatte, das traf ein. Der Portier wußte schon nach flüchtiger Beschreibung, daß es sich hier um einen Mann handelte, der vor längerer Zeit im Warenhaus von Freitag Söhne als Detektiv angestellt gewesen war. Weswegen jener entlassen worden sei, darüber wollte der Portier nichts Genaues wissen.
Frank Wesson aber war vollständig mit dem zufrieden, was er erfahren hatte. Der Mensch, um den es sich aller Wahrscheinlichkeit nach handelte, hieß Anton H. Wisecky und mußte sich auch jetzt noch in Berlin aufhalten.
»Denn,« sagte der Portier, »ich habe ihn noch vor ganz kurzer Zeit bei uns herauskommen sehen.«
Der Detektiv bot dem braven Manne ein Trinkgeld an, was aber entschieden zurückgewiesen wurde.
»Ich fürchte nur,« sagte der Angestellte, »daß Sie von diesem Kerl nie einen Pfennig zurückbekommen werden.«
Aber auf die Frage, wieso er denn das glaube, wollte der Portier auch jetzt nicht mit der Sprache heraus.
Der nächste Weg führte Frank Wesson zu dem Gesuchten selber und, als der Detektiv jetzt wieder aus dem düsteren Hause in der Fischerstraße heraustrat, da war seine vorher schon ziemlich sichere Vermutung zur Gewißheit geworden, dieser Wisecky und der Mann, der gegen Frau Ellinor Brunner die Erpressung verübt hatte, waren ein und dieselbe Person.
Nun war es vor allen Dingen notwendig, herauszubekommen, weshalb Wisecky seine Stellung im Warenhause aufgegeben hatte.
Auf dem Wege dorthin, den er in geschlossenem Automobil zurücklegte, hatte der Engländer Zeit, den ganzen Fall noch einmal zu überdenken, an dem er selbst ein Interesse nahm, wie er es viel verwickelteren und einträglicheren Sachen kaum entgegenbrachte.
Frank Wesson war kein Kind mehr. Er hatte es stets verstanden, Geld zu machen, womit die Fähigkeit, es festzuhalten, allerdings nicht verbunden war. Aber sein Leben hatte er genossen. Doch er entsann sich nicht, auch nur ein einziges Mal bei allen seinen Liebesabenteuern selbst innerlich sehr beteiligt gewesen zu sein. Dieses kühle Herz war, wie er selbst meinte, nicht geschaffen, sich einem Weibe in dauernder Zuneigung zuzuwenden.
Und nun merkte er plötzlich, ohne daß ihm das vorläufig eine sonderliche Befriedigung gewährte, daß er da vorgestern abend in ein Frauenauge geblickt hatte, dessen dunkler, schwermutsvoller Glanz jetzt schon beherrschend über seinem ganzen Sein schwebte. Er hatte sich wie ein Jüngling in ein Gesicht verliebt, das zum ersten Mal vor ihm auftauchte, und hier in der Dunkelheit des Wagens stand sie plötzlich wieder vor ihm, die rotblonde Frau in ihrer ganzen sieghaften Schönheit. Der Detektiv, der im Kampfe des Lebens hart geworden war und der sein Herz kaum noch empfänglich glaubte für so zarte Regungen, fühlte sich plötzlich von einem Feuer durchglüht, das nichts gemein hatte mit der rasch verflackernden Flamme jener kleinen Liebschaften, die der Lebemann schon mit dem Gedanken an ihre baldige Wiederauflösung anknüpft.
Er sah Frau Ellinor vor sich, und es gelang ihm nicht, wie sonst, leichtfertig und zynisch an diese Frau zu denken. Er fühlte, daß dieser Gedanke ihn lange beschäftigen würde und daß er fähig wäre.
Opfer zu bringen und selbst Torheiten dafür zu begehen. Und wenn er auch vielleicht den Wunsch hatte, diese Empfindungen abzustreifen, so schien ihm, der bisher kaum Aehnliches empfunden hatte, doch dieser leise bohrende Schmerz der Sehnsucht süß und beseligend. Er ärgerte sich, daß jetzt die Droschke hielt und das strahlende Licht der Bogenlampen seine lieblichen Träume störte, deren Erfüllung er, wie jeder Liebende, schon dicht vor sich sah …
Im Bureau des Warenhauses selbst machte man ihm gar keine Schwierigkeiten. Er zeigte seine von der Polizei beglaubigte Detektivkarte, und der Hausinspektor sagte ihm darauf, nachdem er ihn vorher noch ausdrücklich auf die Pflicht der Verschwiegenheit in seiner Amtseigenschaft aufmerksam gemacht hatte, jener Anton H. Wisecky hätte mehrere Jahre im Dienste des Warenhauses als Detektiv gestanden, dann sei es zur Kenntnis der Firma gekommen, daß Wisecky die wohlhabenderen unter den beim Diebstahl abgefangenen Personen nicht zur Anzeige gebracht, sondern sie durch Drohungen eingeschüchtert und dann dauernd mit Erpressungen verfolgt habe.
Im Interesse der Erpreßten oder richtiger gesagt, im Interesse der Familien dieser Leute, die doch das Geld hätten aufbringen müssen, habe man von einer Anzeige gegen ihn Abstand genommen. Damit sei aber keinerlei Rücksichtnahme für den Erpresser selbst verbunden gewesen, wozu auch nicht die geringste Veranlassung vorgelegen hätte.
Das war alles, was der Detektiv wissen wollte. Er bedankte sich und antwortete auf die Frage des Inspektors, ob Wisecky etwa wiederum eine neue Gaunerei begangen hätte, ausweichend: Er vermute allerdings derartiges und sei dem Gegner hart auf den Fersen. Sollte es ihm gelingen, jenen zu fassen, so würde er sich gegebenenfalls sofort wieder an das Warenhaus wenden.
Dann fuhr der Detektiv nach Hause und machte peinlicher als sonst noch Toilette.
Er schalt sich selbst einen Narren, als er vor dem Spiegel stehend das Klopfen seines Herzens und jenes heiße trockene Gefühl im Halse spürte, das ihn nur sehr selten und bei heftigen Erregungen überkam.
Wie es aber dann um 8 Uhr klingelte - um diese Zeit wollte Frau Ellinor kommen - da bebten die schlankem harten Finger des Detektivs, und er ließ sich für einen Augenblick in den Sessel nieder, in dem närrischen Bestreben, seine Selbstbeherrschung wieder zu erlangen.
Es klopfte, und der Schreiber meldete eine Dame.
»Führen Sie sie herein,« sagte der Detektiv auf englisch und mußte selber lächeln über den gepreßten Ton seiner Stimme.