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3. Kapitel.

Mit der rotblonden Frau war in diesen wenigen Augenblicken eine merkwürdige Veränderung vorgegangen. Es war, als habe eine böse Hand plötzlich den Schimmer der Jugend und den Glanz dieser seltenen, fremdländischen Erscheinung fortgewischt. Ihre vorher noch so glatten, zart getönten Züge sahen auf einmal grau und elend aus. Die Augen hatten ihren Sammetschimmer verloren und waren wie zurückgesunken unter den schön gewölbten Brauen. Das ganze Wesen der Gattin des Fondsmaklers Hermann Brunner war fahrig und nervös, als sie mit halbgebrochener Stimme zu dem Dienstmädchen sagte:

»Der Herr will meinen Mann sprechen … einen Augenblick …«

Dann wandte sie sich rasch nach rechts und verschwand in einem langen Korridor.

»Wie ist der werte Name?« fragte das Dienstmädchen.

Der Hagere, unter dessen Winterpaletot jetzt ein schwarzer, schon etwas abgeschabter Gehrock zum Vorschein kam, erwiderte:

»Den werde ich dem Herrn selbst sagen!«

Dann nahm er ein paar kleine, nicht allzu saubere Bürstchen aus seiner Westentasche und fing an, vor dem Korridorspiegel den dünnen schwarzen Schnurrbart eifrig zu bearbeiten. Er war damit noch beschäftigt, als die nächste Tür sich öffnete und eine weiche, etwas müde Stimme herausklang:

»Der Herr soll gefälligst hier eintreten!«

Mit langen Schritten und in der vorgebeugten Haltung der Engbrüstigen ging der Hagere in das Zimmer, dessen Tür das Dienstmädchen hinter ihm schloß. Er sah ohne weiteres, daß er sich hier in einem wohlhabenden Hause befand, und er beschloß, seine Forderungen darnach einzurichten.

Ihm gegenüber stand ein Herr von über Mittelgröße mit graublondem Vollbart und freundlichen Gesichtszügen, der ihn höflich nach seinen Wünschen fragte.

»Sie sind Herr Brunner selbst?« fragte der Hagere.

Der Hausherr nickte und fragte nochmals:

»Womit kann ich Ihnen dienen?«

Dabei deutete er nach einem mit taubengrauem Samt bezogenen Sessel hin, während er selbst sich auf einen Stuhl niederließ.

Der Lange mit dem Geierkopf nahm Platz.

»Es ist eine nicht ganz einfache Angelegenheit, die mich zu Ihnen herführt, Herr Brunner. Sie betrifft Ihre Frau Gemahlin.«

Der Fondsmakler, der bisher in höflicher Erwartung schweigend vor sich niedergeblickt hatte, hob schnell den Kopf und sagte in einem Tone ahnungsvoller Ueberraschung:

»Meine Frau? … Wieso? … Woher kennen Sie meine Frau? …«

Jener widerwärtige Hohn, der vorher schon die Gattin des Maklers so entsetzt hatte, ließ auch diesen selbst zurückschrecken vor dem Antlitz des ihm gegenübersitzenden Mannes.

»Weshalb lachen Sie denn?« fragte Brunner, halb furchtsam, halb entrüstet.

»Ich lache gar nicht,« meinte der andere, »das ist so mein Gesicht, daran müssen Sie sich gewöhnen!«

Jetzt erhob sich der Makler und sagte kühl:

»Ich verstehe das nicht, ich habe auch jetzt keine Zeit, derartige Gespräche mit Ihnen zu führen. Vielleicht teilen Sie mir Ihre Wünsche schriftlich mit.«

Der andere war ruhig sitzen geblieben. Das unschöne Lachen, das sein unsympathisches Gesicht noch widerwärtiger machte, behielt er bei.

»Ich würde Ihnen vorschlagen, Herr Brunner, etwas weniger voreilig zu sein in Ihren Entschlüssen! Wenn ich zu Ihnen herkomme und mit Ihnen über Ihre Gattin sprechen will, so hat das seinen guten Grund …«

Er richtete sich kerzengrade in seinem Sessel auf, und die Worte, die er ruhig, mit einer harten Kälte hervorstieß, trafen den blonden Mann, der ihm gegenüberstand, wie Dolchstöße.

»Ich habe Ihre Frau beim Diebstahl ertappt!«

Der Makler zitterte am ganzen Leibe.

»Sie haben … meine Frau …«

Dann rötete sich plötzlich das freundliche Gesicht, und ein schrecklicher Zorn flammte in den sonst so milden, grauen Augen auf. Vorstürzend und die wohlgepflegten Hände ballend, schrie Hermann Brunner:

»Herr, wenn Sie nicht sofort machen, daß Sie fortkommen, dann schlage ich Sie zu Boden!«

Der Besucher hatte sich in seinem Sessel zurückgelehnt. Sein Kopf lag auf der Lehne und der Geierschnabel von Nase starrte in die Luft. Dabei lagen die Arme lässig über den Seitenlehnen des Sessels.

»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, mein Herr! Aber vergessen Sie bitte nicht, daß jemand, der auf frischer Tat beim Diebstahl ertappt wird, keine Möglichkeit hat, sich davon weißzuwaschen … er kommt einfach ins Gefängnis!«

Dabei stand er auf und ging zurück bis zur Tür, wo er auf ein Tischchen den Pelzmuff der schönen Frau hingelegt hatte. Mit diesem kam er zurück, zog aus dem Muff, den ihm die Besitzerin zuletzt widerstandslos überlassen hatte, das kleine Paket Valenciennes-Spitzen heraus und sagte, dem Makler das Beweisstück hinhaltend:

»Die Points sind ungefähr zweitausend Mark wert. Ihre Frau hat sie bei H. M. Freitag Söhne in meiner Gegenwart gestohlen. Ich bin dort als Detektiv angestellt. Um kein Aufsehen zu erregen, was die Firma in jedem Falle zu vermeiden wünscht, habe ich Ihre Gattin hierher begleitet und will mich im Interesse des Geschäfts mit Ihnen auseinandersetzen. Wir nehmen im allgemeinen billigerweise den zehnfachen Betrag des gestohlenen Gegenstandes als den Wert dessen an, worum uns der betreffende Dieb im Laufe der Zeit geschädigt hat. Es wären darnach zwanzigtausend Mark, die Sie zu entrichten haben würden. Sind Sie damit einverstanden, so hat Ihre Gattin nur noch einen Revers auszuschreiben, der besagt, daß sie beim Diebstahl in den Räumen der Handlung abgefaßt worden ist, und daß sie sich verpflichtet, das Haus nie wieder zu betreten. Wir hingegen verpflichten uns, weiter kein Aufhebens von der Sache zu machen und vorläufig wenigstens, von jeder Strafverfolgung abzusehen.«

Hermann Brunner stand noch immer auf demselben Fleck. Die Röte auf seinen Wangen hatte einer tiefen Blässe Platz gemacht. Es sah aus, als würde der große, kräftige Mann jeden Augenblick zusammenbrechen.

»Meine Frau eine Diebin?« sagte er leise. »Ach, das ist furchtbar!«

Und dann sank er auf den Stuhl zurück, bedeckte das Gesicht mit seinen Händen und fing an zu weinen wie ein Kind.

Auch nicht die leiseste Regung eines Mitgefühls spiegelte sich in den Zügen des anderen. Mit gleichgültiger Stimme, nur von dem Bestreben geleitet, sein Geschäft so schnell als möglich abzuwickeln, sagte er:

»Ich sehe dabei doch gar keinen Grund, sich so aufzuregen. Das, was Ihnen heute geschieht, geschieht Hunderten. Die Frauen können doch nun mal die Hände nicht davon lassen, wenn sie schöne, teure Sachen sehen, die sie für ihre Kleider brauchen können. Es erfährt ja auch kein Mensch etwas davon! Sie zahlen den Betrag an uns, zu meinen Händen, und die Sache ist glatt erledigt.«

Mitten in seinem Schmerz horchte der Fondsmakler auf. Er war doch Kaufmann. Das »zu meinen Händen« konnte ihm, der tausend und abertausend Zahlungen selbst leistete oder vermittelte, nicht entgehen. Auch die berufsmäßige Kälte des anderen, die so gar keine Rücksicht nahm auf sein eigenes todwundes Empfinden, ließ Hermann Brunners Schmerz sich mehr zurückziehen. Mit dem Tuch über die Augen fahrend, sagte er:

»Ihre Art, diese Sache zu behandeln, berührt mich sehr sonderbar. Wenn ich mich wirklich zu einer Zahlung entschließen sollte, so müßte ich doch wenigstens darüber etwas in Händen haben, ich meine eine Quittung Ihrer Firma … und Sie werden mir selbst zugeben, daß es sehr merkwürdig erscheint, wenn Sie in Ihrer Stellung als Detektiv von mir Geld einkassieren wollen?!«

Der Makler schien noch mehr reden zu wollen, aber sein Gegenüber unterbrach ihn achselzuckend mit den Worten:

»Was Sie merkwürdig finden oder nicht, kann mir ganz gleichgültig sein! Entweder Sie bezahlen den verlangten Betrag jetzt, hier, sofort zu meinen Händen, oder ich sehe mich genötigt, dem Chauffeur, der unten noch wartet, als mein nächstes Ziel das Polizei-Präsidium zu nennen, wobei ich dann Ihre Gattin bitten müßte, wieder an meiner Seite Platz zu nehmen.«

»Dann ist sie also mit Ihnen hierher gefahren?« fragte Brunner ganz entsetzt.

»Ja, das ist wohl noch nicht das Schrecklichste, was ihr zustoßen konnte,« sagte der andere ironisch. Dabei dachte er wieder an den Schlag, der seine Wange getroffen hatte, und fügte grimmig hinzu: »Für mich war diese Fahrt jedenfalls unangenehmer. Madame ist eine sehr ungebärdige Person, wie es scheint, und ich möchte ihr nicht raten, mich noch einmal so zu behandeln wie vorhin!«

Nachdem er den angeblichen Detektiv eine Weile unbeweglich angeblickt hatte, erwiderte Brunner:

»Ich weiß nicht, wo Sie damit hinaus wollen. Jedenfalls werden Sie begreifen, daß ich so viel Geld nicht im Hause habe und daß ich Ihnen schon einen Scheck geben müßte, wenn Sie auf sofortige Zahlung bestehen.«

»Auf den Scheck verzichte ich,« entgegnete der angebliche Detektiv mit dem ihm eigenen boshaften Lachen. »Ich bin in allen solchen Fällen ein für allemal beauftragt worden, nur bares Geld anzunehmen …«

»Weil Ihnen der Scheck eventuell gesperrt werden könnte,« sagte Brunner, immer mehr erfüllt von der Vermutung, einem Gauner in die Hände gefallen zu sein, der seine unheilvolle Wissenschaft geschickt und rücksichtslos ausnutzte.

»Vor allen Dingen müßte ich doch meine Frau befragen,« sagte der Makler, wieder etwas stärker in seinem Widerstand.

»Wenn die Dame etwas zu sagen wüßte, wäre sie wohl längst hier!« höhnte der andere, »übrigens,« er zog die Uhr, »meine Zeit drängt! Wollen Sie zahlen oder nicht, Herr Brunner?«

Der Makler wurde wieder schwankend. Die Festigkeit des anderen machte ihn doch unsicher, und er wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er nochmals sagte:

»Sie werden begreifen, daß ich wenigstens erst mit meiner Frau sprechen möchte.«

»Ja, aber nicht allein, sondern hier in meiner Gegenwart!«

Der Makler zauderte, dann nickte er und sagte leise etwas Unverständliches, worauf er zur Tür ging und auf den Knopf der elektrischen Klingel drückte. Als gleich darauf das Dienstmädchen eintrat, befahl er diesem:

»Luise, gehen Sie mal bitte hinüber zu der gnädigen Frau, und sagen Sie, ich ließe sie bitten, so schnell als möglich hierher zu kommen.«



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