Horaz
Horazens Satiren
Horaz

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Achte Satire

Einleitung

Unser Dichter hätte seine satirische Laufbahn schwerlich mit mehr Bedauren der Leser, das Ende derselben zu sehen, beschließen können, als mit diesem Stücke; wiewohl es unter diejenigen gehört, die er nicht sowohl für das Publikum als zur Belustigung seines großen Freundes Mäcenas geschrieben zu haben scheint. Er schildert eine Szene, die in Städten, wo große Welt ist, noch immer oft genug vorkommt, um (aller der kleinen Züge ungeachtet, welche die Hand der Zeit für uns verwischt hat) noch eine Frischheit zu haben, die an einem so alten Gemälde der stärkste Beweis der Geschicklichkeit des Meisters ist.

Es scheint etwas Gewöhnliches in Rom gewesen zu sein, daß Leute von geringeren Stande Männern vom ersten Rang große Traktamente gaben; teils um sich, ihrer Meinung nach, bei ihnen dadurch ein Verdienst zu erwerbenEin Beispiel dieser Art kommt in den Briefen des Cicero an den Trebatius vor, wo er zu wiederholten Malen eines gewissen Octavius erwähnt, der mit aller Gewalt die Ehre haben wollte, den großen Konsularen zu bewirten. Cn. Octavius, summo genere natus, terrae filius, is me, quia scit tuum familiarem esse, crebro ad cenam invitat: adhuc non potuit perducere; sed mihi tamen gratum est. L. VII ep. 9. Ego, si foris cenitarem, Cn. Octavio, familiari tuo, non defuissem: cui tamen dixi, cum me aliquoties invitaret: oro te, quis tu es? etc. ibid. ep. 16., teils um bei einer solchen Gelegenheit mit ihrem Reichtum und Geschmack Parade zu machen, und sich unter den Leuten ihrer Klasse das Ansehen zu geben, als ob sie mit den ersten Personen in der Republik auf einem gewissen Fuße stünden, und mit einem wichtigen Tone sagen zu können: »als Mäcenas mir neulich die Ehre erwies, bei mir zu speisen« oder, »Mäcenas, bei dem ich mir, ohne Ruhm zu melden, schmeicheln kann einen Stein im Brette zu haben« u.s.w. Das letztere fand vornehmlich bei derjenigen Art von Emporkömmlingen statt, die im Finanzstande, durch große merkantilische Geschäfte, Kommissionen, Pachtungen der Staatseinkünfte und dergleichen schnell zu einem großen Vermögen gelangt, oder noch schneller durch Beerbung von Leuten dieses Schlages reich geworden waren, und nun, vermöge der Maxime, die unser Dichter so oft zum Gegenstand seiner Satire macht, sich einbildeten, daß ihr Geld alle ihre Mängel bedecke, und ihnen alles mitteile, was man nötig habe, um Figur in der Welt zu machen, und sich mit den Ersten und Besten soviel möglich auf gleichen Fuß zu setzen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Nasidienus Rufus, dessen dem Mäcenas gegebenes großes Gastmahl sich Horaz in gegenwärtigem Stücke von seinem Freunde Fundanius erzählen läßt, ein Mann aus dieser GattungDie Vermutung vieler Ausleger, daß Nasidienus ein erdichteter Name sei, und daß Horaz den Salvidienus Rufus, von welchem im 66ten Kapitel des Suetonius in Augusto die Rede ist, dadurch habe bezeichnen wollen, hat nicht nur nicht den geringsten Grund für, sondern im Gegenteil vieles wider sich, wenn es der Mühe wert wäre, sich in diese Erörterung einzulassen.. Ein moderner Autor würde nicht ermangelt haben, uns von einer so lächerlichen Person eine Abschilderung vom Kopfe bis zum Fuße zu geben; aber Horaz hatte eine andere und unstreitig bessere Manier, seine Leute zu porträtieren; und ohne daß er so etwas im Sinne zu haben scheint, kommt, hier mit einem Zug und dort mit einem Zug, unvermerkt der Effekt heraus, daß wir den Mann leibhaftig vor uns stehen sehen, und seinesgleichen schon manche gekannt zu haben glauben. Man sieht aus allen Umständen, daß dieser Nasidienus, – nach Art der meisten, die das Glück und ihr eigenes Talent für die Kunst, reich zu werden, aus einem geringen Anfang dahin gebracht hat, etwas in der Welt vorzustellen, eine lächerliche Karikatur von Geiz und Verschwendung, von Hoffart und Niederträchtigkeit, von Eitelkeit und Leichtglaubigkeit, und bei einer Menge kleiner Prätensionen an Geschmack und Lebensart, ein platter, leerer, und langweiliger Mensch, ohne Geist, ohne Erziehung, ohne Welt – und also wahrlich kein Mann war, mit dem ein Mäcenas in irgend einem andern als in solchen Verhältnissen stehen konnte, die der Zufall und der Augenblick, in einer Stadt wie Rom, auch zwischen Personen, die am weitesten von einander abstechen, entstehen und wieder verschwinden macht. Wie dem auch sein mochte, genug, Mäcenas konnte oder wollte, aus Rücksichten deren sich eine Menge denken lassen, diesem Nasidien die Ehre nicht abschlagen, sich von ihm bewirten zu lassen; aber da die Sache so ablief, wie man sichs schon zum voraus vorstellen kann, so scheint er auch für billig gehalten zu haben, daß dem albernen Menschen seine Impertinenz nicht so ganz unbestraft hingehen sollte: und da man die Rache, welche Vibidius und Balatro gleich auf der Stelle an seinem Weinkeller ausgeübt hatten, noch nicht hinreichend fand: so scheint Horaz, wiewohl er kein Augenzeuge gewesen war, das übrige auf sich genommen, und in dieser Witz- und Scherzreichen Satire auf eine Art bewerkstelliget zu haben, die seinen großen Freund für die im Speisesaal des Nasidienus ausgestandne Langweile reichlich entschädigte.

Übrigens wird es vielleicht nicht überflüssig sein, den Leser auf einen Umstand aufmerksam zu machen, den ich für einen Zug der feinsten Urbanität und Delikatesse halte. Er besteht darin, daß Mäcenas, wiewohl er bei Nasidiens Gastmahl die Hauptperson war, doch in diesem Stücke keine Rolle spielt, immer eine stumme Person vorstellt, an allem Mutwillen, den seine beiden Schatten (oder, nach unsrer Art zu reden, Gesellschafts-Cavaliers) an dem armen Nasidien verüben, keinen Teil nimmt, und überhaupt nur zweimal mit Namen genennt wird, und auch dies bloß, weil zum Effekt des Ganzen schlechterdings nötig war, zu wissen, daß die Gasterei ihm zu Ehren angestellt worden. Jeder Leser von feinerem Gefühl wird, wie ich hoffe, an dieser weisen Bescheidenheit – in einem komischen Gemälde, worin es darum zu tun ist, einen Gecken lächerlich zu machen, die respektable Person, die man dadurch rächen will, völlig in den Schatten zu stellen, – den Dichter erkennen qui nil molitur inepte, und den, selbst in den freiesten Ergießungen der scherzenden Laune, das Gefühl des Schicklichen nie verläßt.


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