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Ich glaube voraussetzen zu können, daß das wenige, was sich von der Satire der Römer überhaupt, und von den Vorgängern des Horaz in diesem Fache ins besondere, mit Zuverlässigkeit sagen läßt, den meisten meiner Leser bereits aus dem zweiten Bande von Flögels Geschichte der komischen Literatur bekannt sei. Es würde also um so überflüssiger sein, was schon von andern gesagt worden, hier wieder zu sagen, da ohnehin die Satiren und Episteln des Horaz beinahe die einzige Quelle sind, woraus jene Kenntnisse geschöpft werden können. Was ich über den Charakter der Horazischen Satiren ins besondere zu sagen hatte, glaubte ich, mit besserm Nutzen des Lesers, in den Einleitungen, die jedem Stücke vorgesetzt sind, so wie sich die Veranlassung dazu anbot, beibringen zu können.
Es bleibt mir also hier nichts übrig, als ein paar Worte über die Versart, in welcher ich diese Satiren, so wie ehmals die Briefe des Horaz, zu übersetzen versucht habe.
Ich hatte zwei Ursachen, wovon jede für sich schon hinlänglich wäre, das Jambische Metrum dem Hexameter vorzuziehen. Die eine ist die gerechte Besorgnis, in einer Zeit von mehr als 25 Jahren die Kunst deutsche Hexameter zu machen ziemlich verlernt zu haben. Es ist mit den verschiedenen Versarten beinahe wie mit den musikalischen Instrumenten; wer eines derselben gut zu spielen weiß, muß sich täglich darauf üben; und selbst ein ausgemachter Virtuos (was ich in der Hexametrischen Kunst nie gewesen bin) würde es nicht mehr wagen, sich auf seinem Instrumente hören zu lassen, wenn er es viele Jahre lang ganz bei Seite gesetzt hätte. Wenn aber auch dieser Umstand nicht in Betrachtung käme, würde ich doch den freien Jambus bloß aus diesem Grunde vor dem Hexameter gewählt haben, weil der letzte künstlicher ist, und, wenn er anders wohl klingen soll, für die musam pedestrem des Horaz einen zu prächtigen Schritt in unsrer Sprache hat; da hingegen (wenigstens meinem Ohre nach) der freie Jambus geschickter scheint, dem Leser einen Begriff von der Leichtigkeit, Kunstlosigkeit und oft mit Fleiß gesuchten Nachlässigkeit des Horazischen Hexameters zu geben, und ungefähr dieselbe Wirkung auf deutsche Ohren, wie die Verse des Originals auf lateinische, zu machen. Ich sage mit Bedacht, der freie Jambus: eine Versart, worin ich zehen- und eilfsilbige Verse häufig mit zwölf- und dreizehnsilbigen (soviel möglich ohne Abschnitt nach der sechsten Silbe) vermische, und dadurch ein Silbenmaß erhalte, das der Prosa sehr nahe kommt, und, ohne so ungebunden zu sein wie das Metrum der lateinischen Komödienschreiber, doch frei genug ist, um sich beinahe jedem Gedankenschwunge, jeder Wendung des Ausdrucks, wie von selbst anzuschmiegen, und (wenn man anders die Kunst sie recht zu lesen versteht) dem Ohre, zu eben der Zeit, da es eine kunstlose Rede in dem gewöhnlichen Gange der Sprache des Umgangs zu hören glaubt, gleichwohl das kleine Vergnügen, das aus leiser und ununterbrochner Wahrnehmung des Rhythmus entsteht, in einem desto höhern Grade gewähret, je mehr Mannichfaltigkeit und Abwechselung dadurch in diese Art von Silbentanz gebracht wird.
Man sieht hieraus, ohne weitere Erklärung, warum ich dieses freie Metrum dem regelmäßigen zehnsilbigen Jambus vorgezogen habe. Es würde aber, auch ohne diese Rücksicht, bloß aus dem einzigen Grunde schon geschehen sein, weil dieses Metrum mir für die Horazischen Satiren schon zu künstlich scheint, einen zu ernsten und zu feierlichen Schritt hat, und in der Tat dem freien Gange der Gedanken in einer Schreibart, die der Prose so nah als möglich kommen soll, noch weit hinderlicher ist als der Hexameter.
Acht- und neunsilbige Verse habe ich mir nur wenn ich sie nicht zu vermeiden wußte, und daher sehr selten, – den Anapästischen Schritt aber (meines Wissens) niemals erlaubt, als wo er in den eilf- und dreizehnsilbigen Versen, durch Verbindung der übrigbleibenden Endsilbe mit dem ersten Jambus des folgenden Verses, von selbst entsteht.
Selten, und in der Tat seltner als ich gewünscht hätte, ist (nach Miltons Beispiel) zu Anfang des Verses ein Trochäus statt des Jambus gebraucht worden; wodurch, im Fall der vorgehende Vers eine sogenannte weibliche Endung, d. i. eine kurze Endsilbe mehr hat als der fünf- und sechsfüßige Jambus, in dem zweiten Schritte des nächstfolgenden ein Anapäst entsteht; wie z. B.
welches ich hier nur darum bemerke, damit man nicht für eine Härte halte, was mir, wenn es nicht zu häufig vorkommt, den Jamben eine größere Anmut zu geben scheint.
Der Gedanke, den lateinischen Text zugleich mit der Übersetzung zu geben, wird hoffentlich bei dem größern Teile der Leser, denen die Vergleichung der Kopei mit dem Originale dadurch erleichtert wird, Beifall finden. Ich habe ihn durchgehends nach der Bentleyischen Ausgabe abdrucken lassen, bis auf wenige Stellen, wo mir die gemeine Lesart den fast immer scharfsinnigen, aber doch nicht immer glücklichen Verbesserungen dieses gelehrten Mannes vorzuziehen schien.
Geschrieben zu Weimar, den 1sten Mai 1786.
Ich habe bei dieser Auflage nichts zu erinnern, als daß ich (um so mehr da sie wahrscheinlich von der letzten Hand ist) alle mir mögliche Aufmerksamkeit angewandt habe, meine Arbeit von allen, auch den unerheblichsten Unrichtigkeiten und Flecken, die ich in der ersten Ausgabe wahrnahm und für solche erkannte, zu reinigen. Jedoch habe ich nicht vergessen, daß wer ein Werk dieser Art nach achtzehn Jahren zu verbessern unternimmt, viel mehr Gefahr läuft zu viel als zu wenig zu tun, und also das weise manum de tabula nie vergessen darf.
Weimar den 10ten Januar 1804.
W.