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Ulysses Tiresias | ||||
Ulysses Du hast mir vieles da geoffenbaret, Tiresias: nun lehre mich, ich bitte, dies einz'ge noch, durch was für Weg' und Kniffe ich mein zertrümmertes Vermögen wieder ersetzen kann. Was lachst du? Tiresias Ists dem Schlaukopf nicht genug, nach Ithaka zurückgeführt zu werden, und seine väterlichen Götter wieder zu sehn? – Ulysses O du, der keinem jemals log, du siehst, wie arm und nackt (nach deiner eigenen Weissagung) ich nach Hause kommen werde, wo die Sponsierer meines Weibes mir in Kammer, Stall und Keller wenig übrig gelassen haben. Sintemal nun ohne Vermögen, wie du weißt, Geschlecht und Tugend |
ULYS. Hoc quoque, Tiresia, praeter narrata petenti responde: quibus amissas reparare queam res artibus atque modis. Quid rides? TIR. Iamne doloso non satis est, Ithacam revehi patriosque penates <5> aspicere? ULYS. O nulli quidquam mentite, vides ut nudus inopsque domum redeam, te vate, neque illic aut apotheca procis intacta est aut pecus: atqui |
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nicht einen Pfifferling geachtet wird, so – Tiresias Ohne Umschweif! Weil dein Abscheu vor der Armut doch so groß ist, wie ich sehe, so höre, wie du dich bereichern kannst. Kommt eine Kluppe Krammetsvögel, oder was sonst das Rarste in der Jahrszeit ist, dir vor die Hand, so laß es unverzüglich nach einem schönen großen Hause fliegen, wovon der Herr betagt ist. Ausgesuchte Früchte, das Beste was dein Feld und Garten trägt, soll, ehe noch dein Hausgott was davon gekostet, der begüterte Patron, dein wahrer Hausgott, schmeckenDen Laren, oder Hausgöttern, wurden gewöhnlich die Erstlinge von allem, was der zum Hause gehörige Boden hervorbrachte, geopfert. Daß man nicht primum, sondern privum im eilften Verse lesen müsse, kann wohl keine Frage sein: aber wie Krammetsvögel etwas Rares sein könnten, will Baxtern nicht einleuchten. Gleichwohl wurde dieser Vogel (wie aus vielen Stellen unsers und andrer Dichter erhellet) damals von den Proceribus gulae sehr geschätzt, und war wegen der starken Konsumtion, vielleicht auch andrer Lokalumstände wegen, so gemein nicht, daß man sich mit etwas Auserlesenem in dieser Gattung (worauf das Wort privum deutet) einem geizigen Alten, der seinem Gaumen gern unentgeltlich etwas zu Gute tat, nicht hätte empfehlen sollen.! Dem hofiere auf jede Weise! Sei er ein so schlechter Mensch als immer möglich, von der niedrigsten Geburt, ein überwiesner Schelm, mit Bruderblut besudelt, ein dem Kreuz entlaufner Sklave, das soll dich nicht verhindern, ihm CortegeDies ist der eigentliche Sinn der Redensart ne comes exterior etc. Die Großen in Rom hatten gewöhnlich, wenn sie ausgingen, eine Menge aufwartsamer Freunde und Klienten um sich herum; nach und nach affektierten auch reiche oder angesehene Leute von geringerer Bedeutung dieses Geprän ge. Comites interiores waren diejenigen, die dem Patron unmittelbar zur Seite gingen und folgten; exteriores die übrigen, die sich in weitern Kreisen an jene anschlossen und bloß die Zahl vermehren halfen. Dieses Cortege-Machen war, wie ich schon anderswo bemerkt habe, eine von den indispensabelsten Pflichten müßiger Klienten, die sich ihrem Patron gefällig machen wollten. |
et genus et virtus, nisi cum re, vilior alga est. TIR. Quando pauperiem, missis ambagibus, horres, <10> accipe qua ratione queas ditescere. Turdus, sive aliud privum dabitur tibi, devolet illuc, res ubi magna nitet, domino sene; dulcia poma, et quoscumque feret cultus tibi fundus honores, ante Larem gustet venerabilior Lare dives: <15> qui quamvis periurus erit, sine gente, cruentus sanguine fraterno, fugitivusNämlich servus, der aus Furcht vor einer schweren Strafe entlaufen war. Es versteht sich, daß die Rede hier von dem ist, was ein solcher Reicher ehemals gewesen war.: ne tamen illi |
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zu machen, wo und wann ers fodert. Ulysses Was? Ich, einem DamaDama war ein bekannter Sklaven-Name und steht hier für einen jeden andern dieser Gattung, ohne eine besondere Person zu bezeichnen. Der Unwille, den Horaz seinen travestierten Ulysses hier über den Antrag des thebanischen Propheten bezeugen läßt, ist ein sehr feiner Zug. Denn wiewohl er sich ziemlich bald herumstimmen läßt, weil der Abscheu vor Armut am Ende bei ihm doch alles andere überwiegt: so wäre es gleichwohl wider alle Anständigkeit und Wahrscheinlichkeit gewesen, wenn selbst ein travestierter Ulysses sich ohne einigen Widerstand bequemt hätte, eine so verächtliche Rolle zu spielen, wie diejenige, welche Tiresias, nach seiner Erklärung von dem hohen Wert und der Unentbehrlichkeit des Reichtums, ihm ohne Bedenken zumuten zu können glaubte., einem solchen Schurken, die Seite decken? Nein! so hab' ich mich vor Troja nicht betragen, wo ichs immer mit den Besten aufnahm! Tiresias Gut! So bleibst du arm. Ulysses Das will ich auch, wenn's sein muß! Hab' ich doch wohl Ärgers schon ertragen. – Aber, da du doch ein Seher bist, was hält dich mir zu sagen, wo und wie ein tücht'ger Haufen Geld auf einmal zu erheben ist? Tiresias Ich hab' es dir gesagt, und sag' es wieder: Angle fleißig Vermächtnissen von reichen Greisen nach! mit deinem schlauen Kopfe kann es dir |
tu comes exterior, si postulet, ire recuses. UL. Utne tegam spurco Damae latus? Haud ita Troiae me gessi, certans semper melioribus. TIR. Ergo <20> pauper eris! UL. Fortem hoc animum tolerare iubebo, et quondam maiora tuli. Tu, protinus, unde divitias aerisque ruam, dic, augur, acervos! TIR. Dixi equidem et dico: captes astutus ubique testamenta senum; neu, si vafer unus et alter <25> insidiatorem praeroso fugerit hamo, |
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nicht fehlen. Aber gib nicht gleich das Handwerk mit der Hoffnung auf, wenn etwa der ein' und andre, schlauer als du selbst, dem Hamen, mit der Flieg' im Maul', entschlüpfte. Kommt je ein großer oder kleiner Handel vor Gericht, und einer von den Streitenden ist reich und kinderlos, und hat den andern offenbar zur Ungebühr befehdet, diesem wirf dich zum Beschützer auf; hingegen, wem sein Ruf und die Gerechtigkeit gewonnen gibt, den fliehe, wenn er Erben, oder eine noch junge fruchtbare Gemahlin hat. Zu jenem sprichst du: »Quintus oder Publius, (denn weicheMolles auriculae deutet, vielleicht der Beweglichkeit wegen, auf auriculas asini. Ohren mögen gerne soSklaven und Leute vom gemeinen Pöbel hatten keine Vornamen, oder wurden wenigstens nicht damit genannt. Dies letztere war nur unter vornehmen Personen üblich; wiewohl Freigelaßne, und Klienten von geringem Stande, den Namen ihres Patronen anzunehmen, und sich also auch mit einem Vornamen zu dekorieren pflegten; zumal, wenn sie (wie z. B. der Trimalcion des Petronius) ein ansehnliches Glück gemacht hatten. Wenn also der Erbschleicher einen Dama, einen solchen Glücksgünstling von der niedrigsten Herkunft, Quintus oder Publius anredet: so macht er ihm dadurch ein indirektes Kompliment, indem er sich stellt, als ob er ihn durch seine Geburt oder Verdienste zu einem solchen Vornamen berechtigt halte. sich streicheln lassen) dein Verdienst hat mich zu deinem Freund gemacht; ich bin im Rechte bewandert, weiß die mißlichsten Prozesse hinauszuführen; eher soll man mir die Augen aus dem Kopfe ziehn, als durch Schikane um eine taube Nuß dich ärmer machen. Daß dir dein Gegenteil nichts abgewinnen |
aut spem deponas, aut artem illusus omittas. Magna minorve foro si res certabitur olim, vivet uter locuples sine gnatis, improbus ultro qui meliorem audax vocet in ius: illius esto <30> defensor! fama civem causaque priorem sperne, domi si gnatus erit fecundave coniux. »Quinte«, puta, aut »Publi«, (gaudent praenomine molles auriculae) »tibi me virtus tua fecit amicum; ius anceps novi, causas defendere possum; <35> eripiet quivis oculos citius mihi, quam te contemptum quassa nuce pauperet. Haec mea cura est, |
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und seinen Scherz nicht mit dir treiben soll, laß meine Sorge sein!« – Kurz, heiß ihn ruhig nach Hause gehn und seines Felles pflegen; sei sein Agent, laß keine Gänge dich und keine Mühe dauren, sei es, daß des roten Hundsterns Glut unmündige Bildsäulen spalte, oder der von fetten Kutteln gedehnte FuriusEine bittere Anspielung auf die Armseligkeit dieses Versemannes. mit grauem Schnee die Alpen überspeieDie beiden, ihrer Ziererei und Unschicklichkeit wegen, lächerlichen Bilder, wodurch Tiresias in dieser Stelle Hitze und Frost bezeichnet, sind aus irgend einem ernsthaften Gedichte eines gewissen Furius Bibaculus genommen, der zu Horazens Zeit in einigem Ruf stand, und dessen der Dichter spotten wollte. Auch Quintilian, der dieses Bibaculus unter den römischen Jambendichtern mit einiger AuszeichnungInstit. Orat. L. 10. c. 1. erwähnt, führt an einem andern OrteL. 8. c. 6. (ohne den Autor zu nennen) den Vers:
(welchen Horaz hier so beißend parodiert, indem er statt Jupiters den Dichter selbst Schnee speien läßt) als ein Beispiel einer harten Metapher an, ohne zu bemerken, daß sie, außer der Härte, noch unanständig und schmutzig ist. Die infantes statuae (vermutlich eben dieses Dichterlings) würde Swift, in seiner Klassifikation der verschiedenen Arten des dem Erhabnen entgegengesetzten Niedrigen (Bathos) ohne Zweifel in die kindische rangiert haben. Daß Bibaculus durch das Beiwort infantes frisch verfertigte hölzerne Statüen (die an Alter gleichsam noch Kinder seien) habe bezeichnen wollen, läßt sich daraus schließen, weil dergleichen Bilder durch die Sonnenhitze am ehesten Spalten bekommen. Übrigens hat uns GelliusNoct. Att. L. 18. c. 11. noch folgende aus einem Gedichte desselben ausgehobene Verse aufbehalten, die von seiner geschmacklosen Affektation, neu im Ausdruck zu sein und nach seltsamen Metaphern ohne Rücksicht auf ihre Schicklichkeit oder Unschicklichkeit zu jagen, starke Proben enthalten. Ich setze sie hieher, weil sie bis zum Überfluß beweisen können, daß Horaz einen so schalen Kopf mit gutem Grunde lächerlich gemacht habe.
(wird einer dann, der ihm zur Seite steht, ihn mit dem Ellenbogen stupfendStupfen, sagt Herr Adelung in seinem vortrefflichen Wörterbuche, ist ein im Hochdeutschen unbekanntes und nur im Oberdeutschen gangbares Wort, dessen Bedeutung mit einer stumpfen Spitze stoßen ist. – Nun kann aber ein Dichter, und in der Tat jeder andere Schriftsteller, wenn er ein Wort, das diese Bedeutung haben soll, vonnöten hat, unmöglich mit einer stumpfen Spitze stoßen sagen; es bleibt ihm also schwerlich ein anderes Mittel übrig, als das Oberdeutsche Stupfen in sein altes Bürgerrecht einzusetzen, und sich desselben eben so unbedenklich zu bedienen, als ob es in Leipzig und Meißen auf allen Gassen gehört würde. In dergleichen Fällen ist es dem Schriftsteller, zumal dem Dichter, und besonders dem komischen Dichter erlaubt, sich zu erinnern: daß die Oberdeutsche Mundart viele Jahrhunderte lang die Hochdeutsche war; daß Oberdeutsche Provinzial-Wörter, eben so wie die Kursächsischen dieses Schlages, nur alsdann aus der Schriftsprache ausgeschlossen bleiben müssen, wenn man ihrer zu Bezeichnung eines Begriffs nicht schlechterdings nötig hat; und, kurz, daß Herr Adelung selbst die große Armut der obersächsischen Mundart anerkennt, und der Meinung ist, »wir müßten sie auf eine erlaubte Art immer mehr und mehr zur Vollkommenheit zu bringen suchen.« – Zu dieser Vollkommenheit einer Sprache gehört unleugbar, daß sie für alle im menschlichen Leben vorkommende Sachen und Handlungen, ja, soviel nur immer möglich, selbst für die feinsten Verschiedenheiten und Schattierungen der Begriffe, schickliche Wörter habe. Wer uns nun (in Ermanglung eines positiven göttlichen oder menschlichen Sprach-Gesetzbuches) sagen soll: welche Art, die Sprache der Vollkommenheit näher zu bringen, die erlaubte Art sei – wenn es nicht die gesunde Vernunft ist, die wir auch hier (wie in allen Dingen) hören müssen, – weiß ich nicht. Mich deucht aber, der gemeine Menschenverstand werde einem jeden sagen: daß – wenn es auch wahr wäre, daß die obersächsische Mundart (zufälligerweise) zu der Ehre, die hochdeutsche zu sein, gelangt sei, gleichwohl ein gutes altes deutsches Wort, dessen Bedeutung seit vielen Jahrhunderten in einem großen Teile des deutschen Reiches jedermann verständlich gewesen ist, und für welches die obersächsische Mundart kein gleichbedeutendes hat, aus dem einzigen Grunde, weil es nicht obersächsisch ist, nicht aus der Schriftsprache ausgeschlossen, sondern vielmehr in dieselbe wieder aufgenommen werden müsse. Ich habe also hier dem Worte stupfen, meinem alten Landsmanne, ohne Bedenken seinen gehörigen Platz eingeräumt; und, weil ich mich dieser Freiheit bei ähnlichen Fällen in gegenwärtigem Werke mehrmals bedient habe, für nötig gehalten, bei dieser Gelegenheit den Grund meines Verfahrens anzugeben. sagen) was sich der Mann für Müh' gibt! welch ein warmer und unverdroßner Freund von seinen Freunden er ist! Das wird dann immer größre Lachse herbeiziehn, und dein Fischbehälter wird sich wohl dabei befinden. Doch, mit alledem, (um dich nicht gar zu bloß zu geben, wenn du deine Freundschaft nur den Kinderlosen widmest) falls etwa einer zu beträchtlichem Vermögen nur einen Sohn von etwas schwächlicher Gesundheit hätte, magst du immer sachte |
ne quid tu perdas neu sis iocus.« Ire domum atque pelliculam curare iube. Fi cognitor ipse, persta atque obdura, seu rubra canicula findet <40> infantes statuas, seu pingui tentus omaso Furius hibernas cana nive conspuet Alpes. Nonne vides (aliquis cubito stantem prope tangens inquiet) ut patiens! ut amicis aptus! ut acer! Plures annabunt thunni, et cetaria crescent. <45> Si cui praeterea validus male filius in re praeclara sublatus aletur, ne manifestum |
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mit deinen Diensten angekrochen kommen, in Hoffnung wenigstens zum zweiten Erben substituiert zu werden, und (wofern der Himmel etwa mit dem armen Jungen ein anders machte) seinen Platz zu füllen. Dies Spiel schlägt selten fehl. – Wenn einer dir sein Testament zu lesen hinreicht, so vergiß mir ja nicht, dich zu sträuben, und die Tafeln mit Widerwillen von dir wegzuschieben, doch so, daß du mit einem schnellen Blick zuvor den zweiten Absatz auf der erstenDie Römer schrieben ihre Testamente gewöhnlich auf zwei an einander geheftete Wachstafeln, die man, weil sie sich zusammenlegen ließen, Diptychas nannte. Prima cera ist also hier die erste Tafel, in deren erstem Paragraphen (versu) der Erblasser, im zweiten der Erbe genennt war. durchlaufest, um zu sehn, ob du allein genennt bist, oder noch mit mehreren zu teilen hast. Denn oft geschieht es, daß ein alter ausgelernter Fuchs von einem NotarRecoctus scriba ex quinqueviro. Die Quinqueviri waren eine Art von obrigkeitlichen Subdelegierten oder Kommissarien, denen die Ausrichtung von allerlei Arten von Geschäften aufgetragen wurde. Für Scriba scheint unser Notar hier das schicklichste Wort zu sein. Die Redensart bezeichnet einen Mann, der Gelegenheit gehabt hat, hinter alle mögliche Pfiffe und Schliche zu kommen, und das corvum deludet hiantem ist eine Anspielung auf die bekannte Fabel vom Fuchse und Raben. Übrigens fällt in die Augen, daß unter dem aus einem Quinquevir aufgekochten Scriba Coranus gemeint ist. dem gier'gen Raben seine Beute vor dem Schnabel wegschnappt, und mit aller seiner List Nasica am Coran zum Esel wird. Ulysses Sprichst du im Paroxysmus, oder spottest meiner mit Vorsatz, daß du mir in Rätseln sprichst? |
caelibis obsequium nudet te, leniter in spem adrepe officiosus, ut et scribare secundus heres, et si quis casus puerum egerit Orco, <50> in vacuum venias: perraro haec alea fallit. Qui testamentum tradet tibi cumque legendum, abnuere et tabulas a te removere memento; sic tamen ut limis rapias, quid prima secundo cera velit versu, solus, multisne coheres? <55> veloci percurre oculo. Plerumque recoctus scriba ex quinqueviro corvum deludet hiantem captatorque dabit risum Nasica Corano. ULYS. Num furis? an prudens ludis me obscura canendo? |
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Tiresias O Laertiades, ein Mann wie ich, der die Prophetengabe vom Apoll empfing, mag sagen was er will, so sagt er immer was, das zutrifft – oder nichtDrolligter kann wohl ein Weissager nicht über sein eigen Handwerk spotten?. Ulysses Demungeachtet erkläre mir, wofern du anders darfst, was du mit dieser Prophezeiung meinest. Tiresias In jenen Tagen, wo ein junger Held, entsprossen von Äneens Götterstamme, zu Wasser und zu Lande groß und selbst den Parthern furchtbar istEine sinnreichere Wendung hätte der Dichter nicht nehmen können, um diese zu seiner Zeit geschehene komische Anekdote bei dieser Gelegenheit anzubringen, als daß er sie von dem Propheten Tiresias als eine zukünftige Begebenheit vorhersagen läßt; denn er gewann dadurch den Vorteil, dem jungen Cäsar, der um diese Zeit den Römern lieb zu werden anfing, ein Kompliment zu machen, welches dadurch, daß es in die Form einer Weissagung eingekleidet und dem Tiresias in den Mund gelegt ist, die Grazie erhält, die den größten Wert solcher Komplimente ausmacht. Die abgeschiedene Seele des Tiresias konnte keinen Grund haben, einem jungen Römer zu schmeicheln, der nach mehr als tausend Jahren erst geboren werden sollte: der Prophet sagt also nichts als Wahrheit; und was er von dem jungen Cäsar sagt, geschieht nicht einmal um ihn zu loben, sondern bloß um die Zeit zu bestimmen, wann die Anekdote von Coranus und Nasica sich ereignen würde. Er nennt ihn nicht mit Namen; dies würde gegen das prophetische Costum gewesen sein; aber er bezeichnet ihn durch Umstände, welche, zusammengenommen, in ihm allein zusammentrafen. Er nennt ihn – Jüngling, teils weil man bei den Römern mit dreißig noch iuvenis hieß, teils weil ein Mann von dreißig verhältnisweise gegen einen Greis von mehr als 180 (wie Tiresias nach der mythologischen Sage war) noch ein sehr junger Mensch ist – von Äneens Götterstamm entsprossen, weil Julius Cäsar, dessen Schwester-Enkel Octavianus war, sein Geschlecht von Äneas, einem Sohne des Anchises und der Venus, so wie Anchises das seinige von Erichthonius, einem Sohne des Vulcans und der Minerva ableitete – zu Wasser und zu Lande groß, mit Rücksicht auf die Siege, die er über den jungen Pompejus, und ganz neuerlich über die Dalmatier, Pannonier und Illyrier erhalten hatte – vor allem aber den Parthern furchtbar, nicht als ob der junge Cäsar damals schon etwas gegen die Parther unternommen hätte, was diese Prophezeiung hätte rechtfertigen können; sondern weil die Römer es wünschten und Octavianus selbst (dessen Uneinigkeit mit seinem Kollegen und Schwager Antonius jetzt dem letzten entscheidenden Ausbruch nahe war) bei jeder Gelegenheit zu verstehen gab, daß er, an dem Platze des Antonius, die Schmach, die der römische Name durch die berufne Niederlage des M. Crassus von den Parthern erlitten hatte, längst getilgt haben würde. Schon der große Divus Julius hatte diesen Vorsatz gefaßt, und würde ihn vielleicht ausgeführt haben, wenn ihm die Dolche des Brutus und Cassius Zeit dazu gelassen hätten. Antonius, dem es als oberstem Befehlshaber über die morgenländischen Provinzen des römischen Reiches am ersten zukam, die stolzen Parther, das einzige den Römern noch furchtbare Volk, zu demütigen, war in seinen bisherigen Versuchen nicht glücklich gewesen, und verlor auch überdies zusehends in der Meinung und Zuneigung der Römer, je mehr der junge Cäsar über ihre Herzen gewann. Alle ihre Hoffnungen und Wünsche waren also, besonders was diesen Punkt, der ihnen so sehr am Herzen lag, betraf, auf diesen letztern gegründet; und da sie ihm alles zuzutrauen anfingen, so ließen sie sich gern bereden, daß sein Name den Parthern wirklich schon so schrecklich sei, als sie wünschten daß er es sein möchte. In diesen zwei einzigen Worten, Parthis horrendus, lag also ein Kompliment, das zu gleicher Zeit für den jungen Cäsar das schmeichelhafteste und den Römern das angenehmste war, das Horaz ihm durch seinen Tiresias nur immer machen konnte. Es gab ihm in den Augen der letztern einen höhern Glanz als alle seine bisherigen Siege, und foderte ihn zugleich vor den Augen der ganzen Welt auf, die Prophezeiung wahr zu machen., wird ein Nasica, um den Coranus, dem er schuldig ist, nicht zu bezahlen, seine schöne Tochter dem alten Knasterbart beiliegen lassenWeil diese Anekdote, allem Ansehen nach, vor kurzem zu Rom begegnet war, so ist Horaz um so kürzer in seiner Erzählung, weil das daraus entstehende Helldunkel eine charakteristische Eigenschaft aller Weissagungen ist, und dessen ungeachtet für seine Zeitgenossen Licht genug hatte. Beide Personen sind unbekannt; aber was Horaz von ihnen sagt, ist hinlänglich, uns auf die Spur der Umstände zu bringen, womit unsre eigene Einbildungskraft die leichte Skizze des Dichters ausmalen muß. Coranus war ein reicher alter Filz, dem die schöne Tochter seines Schuldners Nasica in die Augen stach. Nasica, der dies merkte, war niederträchtig genug, dem alten Satyr seine Tochter aufzuopfern, in Hoffnung, daß Coranus so dankbar sein werde, ihm wenigstens die Summe, die er ihm schuldig war, in seinem Testamente zu vermachen. Coranus mochte ihm dazu, auf eine verdeckte und zweideutige Weise, Hoffnung gemacht haben, und vermutlich war Nasica in einer Lage, die ihm nicht erlaubte, die Sache noch vor der Hochzeit in Richtigkeit zu bringen, sondern ihn nötigte, es auf die unsichre Edelmütigkeit seines alten Schwiegersohnes ankommen zu lassen. Dieser machte inzwischen sein Testament, und reichte es seinem Schwiegervater (Nasica) hin, in der Voraussetzung, daß er, durch die anscheinende Offenheit seines Verfahrens hinlänglich beruhiget, so höflich sein werde, es nicht zu lesen. Die römische Etikette und der Wohlstand erfoderte in einem solchen Falle, daß man viele Komplimente mit einander machte, daß aber gleichwohl derjenige, der in dem Testamente bedacht worden zu sein glauben konnte, alles Eindringens des Testators ungeachtet, sich beständig weigern, und wenn er es auch endlich aus den Händen desselben annahm, es doch ungelesen wieder bei Seite legen mußte. Nasica und Coranus spielten also jeder seine Rolle, wie es sich gehörte. Jener weigerte sich was er konnte, dieser ließ nicht nach; jener nahm endlich das Testament, und stellte sich vermutlich, als ob er nicht die geringste Neugierde habe es zu lesen; er schielte aber doch heimlich hinein, und fand, zu seiner großen Bestürzung, daß weder er noch seine Tochter darin bedacht war. Das Lustige der Anekdote besteht also darin, daß, indem jeder den andern betrog, am Ende beide sich betrogen fanden. Denn, wiewohl Nasica und seine Tochter am schlimmsten dabei wegkamen, so konnte es doch auch dem alten Coranus nicht angenehm sein, daß sein Schwiegervater und seine junge Frau so früh erfuhren, wie wenig er zu ihrer Dankbarkeit berechtigt war. – Die Meinung des Dacier und Baxter, daß Horaz die ehrbaren Wörter: heuraten, Schwiegervater und Tochtermann, nur spottweise gebraucht habe, um das wahre Verhältnis zwischen diesen dreien Personen (welches ihrer Vermutung nach nicht das ehrbarste war) nicht mit seinem rechten Namen zu nennen, mag, da sie doch nichts als eine nicht unwahrscheinliche Vermutung ist, an ihren Ort gestellt bleiben.. Wie wird der schlaue Tochtermann sich aus der Schlinge ziehn? Er wird sein Testament dem Schwiegervater überreichen und |
TIRES. O Laertiade, quicquid dicam aut erit aut non: <60> divinare etenim magnus mihi donat Apollo. ULYS. Quid tamen ista velit sibi fabula, si licet, ede. TIR. Tempore quo iuvenis Parthis horrendus, ab alto demissum genus Aenea, tellure marique magnus erit, forti nubet procera Corano <65> filia Nasicae, metuentis reddere soldum. Tum gener hoc faciet: tabulas socero dabit atque |
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ihn bitten, es zu lesen: dieser wird sich lange sperren, aber endlich doch es nehmen, es verstohlnerweise lesen, und finden – daß ihm und den Seinen nichts vermacht ist, als die Freiheit, wenn sie wollen, sich aufzuhängenDie im Original gebrauchte Redensart nil praeter plorare, welche eigentlich aus der griechischen Sprache entlehnt ist, kann, deucht mich, hier nicht schicklicher als durch diejenige, die ich dafür gesetzt habe, wiewohl sie stärker scheint, ausgedrückt werden. Sie ist schon in der 10ten Satire des ersten Buches vorgekommen, wo aber in dem Zusammenhang eine Ursache lag, ihr im Deutschen eine andere Wendung zu geben.. – Eins noch will ich dir empfohlen haben: wenn dein alter Kindskopf von einem listgen Weibsstück oder einem Schalk von Freigelaßnen guverniert wird, daß du es mit ihnen hältst und immer vorteilhaft von ihnen sprichst, damit sie hinterm Rücken dich wieder loben. Helf was helfen kann! Doch immer ist und bleibt das Wichtigste, der Hauptperson dich gänzlich zu bemeistern. Macht er (zum Beispiel) Verse: lobe sie, wie platt sie immer sind! Ist er ein Freund von hübschen Weibern: warte ja nicht, bis ers selber an dich bringe; führ ihm deine Penelope von freien Stücken zu. Ulysses Wie? meinst du, eine Frau von ihrer Tugend und Keuschheit werde sich dazu bequemen? |
ut legat orabit: multum Nasica negatas accipiet tandem et tacitus leget, invenietque nil sibi legatum praeter plorare suisque. <70> Illud ad haec iubeo: mulier si forte dolosa libertusve senem delirum temperet, illis accedas socius, laudes, lauderis ut absens. Adiuvat hoc quoque. Sed vincit longe prius ipsum expugnare caput. Scribet mala carmina vecors? <75> laudato! scortator erit? cave te roget: ultro Penelopen facilis potiori trade! ULYS. Putasne, perduci poterit tam frugi tamque pudica, |
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Sie, die so viele Freier nie vom rechten Wege verleiten konnten. Tiresias Gut! Das waren junge Leute, die just nicht viel daran spendieren wollten, und, weil die Küche ihnen näher lag, die Liebe nur als Nebensache trieben. So blieb Penelope ja wohl ein Tugendbild: Doch laß sie erst von einem reichen Alten gekostet und den klingenden Gewinn mit dir geteilet haben, Freund! kein Hund wird schwerer von fettem Leder abzuhalten sein! Noch ist ein großer Punkt, vor lauter Eifer der Sache nicht zuviel zu tun. Das folgende Geschichtchen ist zu meiner Zeit begegnet. Ein böses Stück von einer alten Frau zu Theben ließ, kraft ihres letzten Willens, ihr Gut dem Erben unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der arme Mann (ich war |
quam nequiere proci recto depellere cursu? TIRES. Venit enim magnum donandiIch ziehe diese Lesart, als die natürlichste, dem venit enim magno des Sim. Bos vor. Bentleys Verwandlung des magnum (in indignum) ist nicht nur gezwungen, sondern gibt sogar einen falschen Sinn. S. Haberfelds Vorles. über das 2te B. der Horaz. Satir. S. 221.f. parca iuventus, <80> nec tantum Veneris quantum studiosa culinae! Sic tibi Penelope frugi est: quae si semel uno de sene gustarit tecum partita lucellum, ut canis a corio numquam absterrebitur uncto. Me sene, quod dicam, factum est: anus improba Thebis |
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ein Augenzeuge des Spektakels!) ihren mit fettem Öl gesalbten nackten Leichnam bei hellem Tag auf seinen bloßen Schultern zu Grabe tragen mußte – um, wo möglich noch tot ihm zu entschlüpfen; ohnezweifelEs ist zu vermuten, daß auch dieses Geschichtchen eine Begebenheit aus Horazens Zeit war, wiewohl er sie den alten Tiresias, zur Abwechslung, als etwas wovon er selbst Augenzeuge gewesen, erzählen läßt. Der Text erfoderte, um in der Übersetzung deutlich genug zu werden, eine Umschreibung, welches überhaupt in diesem Stück öfters unvermeidlich war. Gleichwohl habe ich in der Paraphrase noch einen Umstand, den die Imagination des Lesers nachtragen muß, ausgelassen: nämlich diesen, daß die Alte vermutlich in ihrem letzten Willen ausdrücklich verordnet hatte, daß, wofern ihr Erbe, der sie auf diese seltsame Weise zu Grabe tragen mußte, so ungeschickt wäre, sie fallen zu lassen, er sofort der Erbschaft verlustig sein sollte. Ohne eine solche Klausel hätte, deucht mich, das scilicet elabi si posset mortua keinen Sinn, und die ganze Handlung wäre von Seiten der alten Frau, die doch ausdrücklich als boshaft (improba) charakterisiert wird, nur eine sehr alberne Posse, gewesen., weil er im Leben gar zu unbescheiden ihr sich aufgedrungen hatte. Also sieh dich vor, in deinem Eifer nie zu lau, allein auch nicht zu heiß zu sein. Schwatzhaftigkeit, zum Beispiel, würde einem krittlichen Murrkater übel dich empfehlen: aber gar zu still taugt auch nichts. Laß, wie Davus im Lustspiel, wenn du vor ihm stehst, den Kopf, als aus Respekt, ein wenig vorwärts hängen. Hingegen in Attentionen kannst du nie zu viel tun. Geht die Luft ein wenig frisch, sogleich erinn're ihn, sein teures Haupt aus Vorsicht einzuhüllen. Im Gedränge schone, ihm Raum zu machen, deiner Schultern nicht. Ist er geschwätzig, halte stets dein Ohr ihm lauschend dargespitzt: Läßt er sich gern |
<85> ex testamento sic est elata: cadaver unctum oleo largo nudis humeris tulit heres, scilicet elabi si posset mortua: credo quod nimium institerat viventi. Cautus adito, neu desis operae, neve immoderatus abundes. <90> Difficilem et morosum offendes garrulus: ultra non etiam sileas. Davus sis comicus, atque stes capite obstipo multum similis metuenti. Obsequio grassare; mone, si increbuit aura, cautus uti velet carum caput; extrahe turba <95> oppositis humeris; aurem substringe loquaci. |
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recht derb und schamlos ins Gesichte loben, mach' es so arg, und blase unermüdet den angeschwellten Schlauch so lange auf, bis er mit aufgehobnen Händen ruft: halt ein! Und wann nun endlich die erwünschte Stunde, die dich der langen Dienstbarkeit und Sorge entledigt, kommt, und du gewiß bist, wachend und deutlich dieses goldne Wort vernommen zu haben: »Ferner, meinem Freund Ulyß vermache ich ein Viertel meiner ganzen Verlassenschaft« dann überlaß dich deinem Schmerz! »So ist dann nun mein Freund, mein Dama, hin! Ich armer! O! wo werd' ich wieder einen so biedern, so getreuen finden!« – rufe von Zeit zu Zeit, und, wenn du's möglich machen kannst, so laß mitunter auch ein Tränchen fallen! Ja keine Spur der Freude, die das Herz dir heimlich hüpfen macht, in deiner Miene! |
Importunus amat laudari? donec, ohe iam! ad caelum manibus sublatis dixerit, urgue; et crescentem tumidis infla sermonibus utrem. Cum te servitio longo curaque levarit; <100> et certum vigilans, »Quartae esto partis Ulysses« audieris »heres«: »Ergo nunc Dama sodalis nusquam est? Unde mihi tam fortem tamque fidelem!« sparge subinde, et, si paulum potes, illacrimare. Est |
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Ist sein Begräbnis deiner Willkür überlassen, so richt' es ohne Kargheit aus: es lobe die ganze Nachbarschaft die prächt'ge Leiche! Ist unter deinen Erbgenossen etwa ein alter Herr, der ziemlich übel hustet: dem sage, wenn er Lust zu einem Grundstück zeigt, du werdest deinen Anteil mit Vergnügen ihm um ein Spottgeld lassenIm Grundtext: nummo. Es war nämlich ein römischer Gebrauch, wenn man jemanden etwas von Wert schenken wollte, und gleichwohl, aus welcher Ursache es auch sein mochte, dem Handel das Ansehen eines ordentlichen Kaufes geben wollte oder mußte, es ihm nummo, d. i. um einen Sesterz, zu verkaufen. Bentley führt in seiner 14ten Anmerkung zur vierten Satire des ersten Buches eine Menge Beispiele und Zitationen an, welche über die Gewöhnlichkeit und Rechtsbeständigkeit dieser seltsamen Art von Kauf und Verkauf keinen Zweifel übrig lassen; wiewohl eine von Torrentius aus den Digesten angeführte Stelle zu beweisen scheint, daß sie in spätern Zeiten abgeschafft worden sei.. – Doch, nichts mehr! Mich zieht die unerbittlich herrschende Proserpina hinunter – Lebe wohl! |
gaudia prodentem vultum celareAlle Einwendungen, die gegen diese gewöhnliche Lesart gemacht worden, und die man in Hrn. Haberfelds Vorlesungen ad h. l. beisammen findet, scheinen mir unerheblich und gesucht. Est ist hier handgreiflich das griechische έξεστι – und warum sollte es nicht möglich sein, seinen beweglichen Gesichtszügen, in dem Augenblick, da sie zu Verrätern an uns werden wollen, noch Gewalt anzutun? Keine der vorgeschlagenen Veränderungen des Textes gibt einen bessern Sinn.. Sepulcrum, <105> permissum arbitrio, sine sordibus exstrue; funus egregie factum laudet vicinia! Siquis forte coheredum senior male tussiet, huic tu dic, ex parte tua, seu fundi sive domus sit emptor, gaudentem nummo te addicere. Sed me <110> imperiosa trahit Proserpina – vive valeque! |