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Felix Notvest weiß noch nicht, wie sich die Regierung zu seiner Eingabe stellt, doch ist ihm die Arbeit selbst ein Segen geworden, sie hat ihm Klarheit über sein Innerstes gebracht. Er ist ein Mann mit den Neigungen zur Gelehrsamkeit, ein Dokumenten- und Bücherwurm, aber kein Pfarrer. Um diesen Beruf in seiner Höhe und Tiefe zu erfüllen, muß man mitten in Lust und Leid, in Not und Glück des Volkes aufgewachsen sein und seine Seele kennen. Ihm aber, dem Patriziersohn aus der Stadt, stehen die Bauern halbscheu gegenüber, er findet, weil ihm die Lebensverhältnisse in Reifenwerd zu fremd sind, den Ton nicht, der zu Herzen geht, und in der Kirchenpflege sagt es ihm der Säckelmeister in wohlwollendem Freimut: »Sie sprechen über die Köpfe Ihrer Gemeinde hinweg!«
Darum Berufswechsel! Eine neue schöne Aufgabe steht klar vor ihm.
Ein Sprößling des niedergehenden Patriziates der Stadt, möchte er an ihrer neugegründeten Universität auf den Lehrstuhl der vaterländischen Geschichte steigen und das Beste, was das Patriziat geliebt und gepflegt hat, das Verständnis und die Hochachtung für die Kulturarbeit der Vorfahren, durch empfängliche Schüler in das nüchtern gewordene Volk tragen, das über seinem wirtschaftlichen Vorwärtsdrang die Fühlung mit dem geschichtlichen Untergrund seines Lebens verloren hat.
In diesem Sinne hat er einen Brief an seinen Vater, den ehrwürdigen Antistes, geschrieben. Ginge er von Reifenwerd fort, so würde ihm aus seiner kurzen Verweserzeit nichts fehlen als ein dunkles Augenpaar unter langen Wimpern, seine schüchterne und doch so gescheite Lieblingsschülerin, das Christli. Bis die Entscheidung fällt, lebt er geschichtlichen Studien im Kloster. So tritt er eines Abends aus dem Gotteshaus in den blühenden Kreuzgang.
Ueber die Steildächer der Abtei rieselt die Sonne, aus dem hangenden Epheu dringt der glucksende Ton brütender Vögel und der Rosenduft webt über der blühenden Wildnis.
Da traut er seinen Augen kaum: mitten in der verwahrlosten Pracht, unter den Dolden des Holunders und den Ranken des Geißblattes sitzt auf einem umgestürzten Grabstein eine Nonne, eine Dominikanerin, wie sie vor vierhundert Jahren im Kreuzgang gewandelt haben.
Sie liest mit gesenktem Blick selbstvergessen in beschriebenen Blättern.
Einen Augenblick zögert Felix Notvest. Sein Blick gleitet vom Schleier, der um ihr blondes Haar gewunden ist, das weiße Wollkleid hinunter, um das sich der dunkle Strick schlingt, auf den mit Sandalenriemen verschnürten Fuß, der unter dem Rand des Kleides hervorschaut. Was ist das für ein entzückendes Wunder – dieser kleine übermütige Fuß!
Der junge Mann, der bis dahin nur zwischen Vater und Mutter, zwischen Büchern und Scharteken gesessen hat, errötet.
Es ist Sigunde Fürst, die in dieser Maskerade dasitzt. Er grüßt stumm und will weiter gehen.
Da kommt plötzliches Leben in die lesende, träumende Nonne. Mit glühendem Haupt erhebt sich die junge Dominikanerin, die vielleicht die Begegnung herbeiführen wollte, aber nun durch das plötzliche Erscheinen Felix Notvests doch etwas verwirrt ist. Erst nach einem peinvollen Augenblick löst sich die gegenseitige Ueberraschung.
»An diesem Kleid sind Sie selbst schuld, Herr Pfarrer,« lächelt sie. »Ich las Ihre kurze Schilderung des Lebens der Dominikanerinnen. Da überfiel mich die Lust, selbst eine zu sein – die Nonne Ursula!«
»Wie kommen Sie aber zu den Blättern?« stottert Felix Notvest, der seine Eingabe in ihrer Hand erkennt.
»Die hat mir das Glück zugeführt! Herr Pfarrer, was Sie über die Abtei schreiben, ist ergreifend, und ich bin Regierungspräsident Hohspang zu großem Dank verbunden, daß er Ihre Eingabe an meinen Bruder gesandt hat.«
Das klingt warm und aufrichtig.
»Eine Indiskretion!« grollt der Pfarrer.
»Verzeihen Sie dieselbe um meinetwillen!« erwidert Sigunde Fürst bittend und bescheiden. »Die Schrift giebt mir viel zu denken. Ich sehe dabei mein ganzes unnützes Leben. Sie aber wollen etwas schaffen, was groß und erhaben ist! Ich möchte Ihre Schülerin sein, nein, jene Ursula Demut, von welcher Sie in der Eingabe sprechen, ich möchte etwas für die Erhaltung der Kunstaltertümer thun!«
»Sie, Fräulein Fürst?« Und bei den einschmeichelnden Worten geht ein Sturm durch die Seele des Pfarrers. Sigunde ist so schön und sie ist anders, als die Dekanin, als die Leute im Dorf von ihr sprechen. Sie ist verleumdet worden.
Ihr Atem streift ihn, die grauen, ins Grünliche spielenden Augen leuchten wundersam auf.
Und der Mund – dieser Mund! Es ist nicht zu denken, daß ein Mensch einen solchen Mund küssen dürfe!
Aus einer kurzen Ueberlegung blickt sie, die schmalen, feinen Hände über die Kniee gefaltet, zu ihm auf. »Es muß etwas geschehen für die Abtei. Obwohl mein Bruder zürnen wird, ich gehe doch zu Regierungspräsident Hohspang und erbitte seine Teilnahme für Ihren großen Plan. Er ist mir wohlgesinnt, und,« fügt sie mit einem schelmischen Lächeln bei, »selbst alte Herren sind nicht hartherzig, wenn ein junges Fräulein betteln kommt – dafür wünsche ich nur einen Dank, nämlich daß ich Ihre Schülerin sein darf!«
Ihre Augen heischen ein freundliches Ja, vor Ueberraschung seiner selbst nicht ganz mächtig, stammelt der Pfarrer: »Ich will Ihnen gern alles im Kloster zeigen, was Ihren Anteil erregen kann.«
Wohl ist es ihm, als begebe er sich mit dieser Zusage in eine dunkle Gefahr; aber es liegt doch ein geheimnisvoller Reiz darin, mit dem schönen begeisterungsvollen Fräulein durch die stillen Räume der Abtei zu gehen.
Sie jubelt über sein Wort; das als Nonne verkleidete Weltkind legt zutraulich einen Augenblick ihre Hand in die seine, und mit erzwungener Kühle sagt er: »Kommen Sie mit mir in den Kreuzgang, da finden wir gleich die größten geschichtlichen Denkmäler, die eingemauerten Grabsteine der bei St. Johann erschlagenen Ritter.« Und da er sich neben dem verkleideten Fräulein unsicher fühlt, so spricht er lehrhaft wie ein Professor mit ihr.
»In jener Schlacht,« erzählt er, »erlag fast der ganze Adel den Hellebarden der Bauern, und umsonst stellten nach der Niederlage die Herren, welche noch auf den Schlössern saßen, die Bitte, auf der Walstatt ein Kloster errichten zu dürfen. Als aber die frommen Frauen von Reifenwerd um die Erlaubnis baten, die mit ihrem Herzog Erschlagenen auf dem Schlachtfeld auszugraben und sie in ihr Kloster überzuführen, widerstanden die Bauern und Städter nicht und gestatteten es. Die Nonnen verrichteten die schwere Arbeit, mit Schaufeln gruben sie die schon Beerdigten aus, führten ihrer über Hundert nach Reifenwerd und betteten sie in diesem Wandelgang zur ewigen Ruhe. Die Abtei ist also das große Grabmal des Adels unseres Landes geworden und also auch damit eine geweihte Stätte unserer Geschichte.«
»Allein, das merkwürdigste unter den Denkmälern,« fährt Felix Notvest fort, »ist hier neben dem Eingang zur Kirche – es ist dasjenige der Königin Agnes von Ungarn. Sie kennen ihre Gestalt aus Ihrer Schulzeit.«
»Herr Pfarrer,« lacht Sigunde hell, »nichts weiß ich – es sind nicht alle Lehrer so beredt wie Sie!«
»Ein Wappen mit dem ungarischen Doppelkreuz, ein Spruch,« sagt der Pfarrer, um sein Erröten zu verbergen, »das ist alles, was der alte Stein enthält, doch ist der Spruch bezeichnend. Mit wenig inhaltschweren Worten sagt er: »Jacet hic pelegrina insatiabilis. Satura«, zu Deutsch: ›Hier ruht eine Pilgerin, die unersättlich war. Sie ist satt geworden‹«
Die Augen Sigundens leuchten in Spannung auf, sie wiegt das schöne Blondhaupt und sagt: »Das ist ein Wort, das zu denken giebt. Wie kann man des schönen Lebens satt werden?«
»Agnes,« erklärt der Pfarrer, »war die Tochter des deutschen Kaisers Albrecht, mit siebzehn Jahren vermählt und Königin, mit zwanzig Jahren Witwe. Damals lebte an ihrem Hof Rudolf von Balm. Sie liebte ihn, er aber sie nicht. Er fiel in Ungnade. Nun kam im Jahr 1308 der Kaisermord bei Brugg, und unter den Verschworenen, die mit Johannes von Schwaben über Albrecht herfielen, war auch Rudolf von Balm. Um die Unthat zu sühnen, eilte Agnes von Ungarn herbei, mit ihrer Mutter Elisabeth übte sie an den Rittern, die nicht hatten entfliehen können, die Blutrache. Vor dem Thor des Klösterchens Reifenwerd wurde Rudolf von Balm auf das Rad geflochten. Auf einem Thronsessel sitzend, überwachte die auf Schloß Reifenloh wohnende Königin die Qualen des Ritters, den sie einst geliebt hatte. Umsonst flehte der Mann mit den gebrochenen Gliedern um einen Trunk. Sie ließ ihn dürsten, weil er ihr einst einen Kuß verweigert hatte. Da siehe! Vom Brunnen des Klösterchens herüber flog eine Taube, in ihrem Schnabel brachte sie ein nasses Blatt und letzte den Sterbenden. Vor dem göttlichen Wunder ergriff Agnes das Entsetzen, sie floh und die Nonnen begruben den Toten. In fernen Ländern frönte Agnes, unersättlich an Mannesliebe, dem Genuß und mied die Stätte. Jahrzehnte später aber erschien in strengem Winter eine Pilgerin am Thor von Reifenwerd, Agnes von Ungarn. Neben dem Grab des Ritters führte sie ein gottseliges Leben und erhob das Kloster, das sie vergrößerte und bereicherte, zur Abtei.«
Sigunde schweigt, dann seufzt sie; in seltsamer Unruhe blickt sie in die Weite und lächelt plötzlich.
»Es ist nichts,« sagt sie traumvoll halb zu sich, halb zum Pfarrer, »so sind wir Glücksucherinnen mit lustigem Kopf und traurigem Herzen.«
Felix Notvest staunt. Es dämmert. Ein Streifen Abendrot, ein Goldstrom glüht über den Dächern, im Kreuzgang aber dunkelt es schon stark, und da und dort in den Winkeln der Abtei regt sich das Nachtgevögel.
»Gott, die erschlagenen Ritter!« Sigunde erschauert. »Bitte, Herr Pfarrer, begleiten Sie mich bis zum Gang gegen die Mühle! Ich fürchte mich.«
Sie hält sich mit ihrer blühenden Gestalt dicht an ihn, und zum erstenmal spürt er den süßen Zauber, der Schirmer eines zagenden Mädchens zu sein, eines so feinen Mädchens wie Sigunde Fürst, deren schlanke und doch volle Gestalt auch in der Nonnentracht zur Geltung kommt.
Sie stehen unter der schmalen Pforte gegen die Mühle, lassen die Hände ineinander ruhen und mögen nicht auseinandergehen.
Eine Weile später aber schreitet Felix Notvest allein und verträumt durch den Kreuzgang.
Als ein schlankes Horn hängt der Mond am blauen, tiefen Himmel der Nacht, und die Abtei wirft ihre Schatten auf den bleichen Glanz des Rosengartens.
Sigunde ist wohl seltsam in ihren Einfällen, und die Gänge ihrer Seele sind sonderbar: »So sind wir Glücksucherinnen.« Was für ein fremdes Wort.
Und doch wünscht Felix Notvest, das Abenteuer möchte sich wiederholen, sie möchte wieder als Dominikanerin, die Schrift in der schlanken Hand, auf dem eingesunkenen Grabstein sitzen.
Eine weite Sehnsucht nach der eben Entschwundenen füllt seine Brust.
Es ist kein Fleck Erde so arm, er will einmal blühen. Selbst das alte Kloster, das nur die Entsagung der frommen Seelen, die Kasteiungen der Nonnen gesehen hat, will nicht untergehen, ehe es die Liebe grüßt.
Ein junger Pfarrer, der in vergangenen Jahrhunderten träumt, ein lebenslustiges, romantisches Fräulein, das sich im Gewand einer Dominikanerin gefällt, schwärmen, er als Gebender, sie als Empfangende, durch das zauberisch verklärte Reich, in dem die Rosen duften, die alten Grabmäler schimmern und die farbenreichen Bilder aus hohen Fenstern leuchten.
Durch die Abtei schwebt das Glück, zieht singend und klingend die Liebe.
Ursula Demut – anders nennt sich Sigunde nicht mehr – kommt wieder und wieder. Sie lächelt dann und wann verstohlen und schalkhaft über ihren Lehrer, der ihr die Kunstgeschichte warm und beredt entwickelt. Mag er sich auch in seiner Blödigkeit die Art eines nur für seine Wissenschaft begeisterten Professors geben, sie spürt es doch, wie ihm unter seinem Pfarrkleide das Herz fast vor Liebe springt.
Sie weiß, wie gut ihr das einfache weiße Gewand der Dominikanerin steht. Sie vergißt nie, ein paar Rosenknospen an den Schleier zu heften, der ihr blondes Haar umwindet, und am Kleid hängt immer auch irgend eine Blume, wie wenn sie der Zufall hingeweht hatte. – – –
Wie das Frühlingsmärchen schreitet sie leicht und frei in ihren Sandalen neben Felix Notvest.
»Ein toller Einfall!« spricht sie lächelnd. »Ich habe mir heute morgen von meinem Bruder den Grabstein der Königin Agnes schenken lassen. Die Inschrift darauf ist tiefsinnig. Vielleicht gehe ich selber einmal in ein Kloster, obgleich ich nicht weiß, wie man des schönen Lebens satt werden soll –«
Wie aus Versehen berührt ihre Hand die seine, da geht eine Blutwelle über sein geistvolles Gesicht, das ein so regsamer Spiegel seines Fühlens wie selten bei einem Menschen ist.
»Das schöne Leben!« wiederholt sie traumvoll. Da überwältigt es Felix Notvest.
»Sigunde!« Mitten unter Rosen kniet der Pfarrer vor ihr.
»Felix!« – Sie halten sich umschlungen, und er küßt den schwellenden Mund, von dem er geglaubt hat, daß ihn kein Sterblicher je küssen dürfe, und er schlürft die selige Stunde.
Die Liebenden flüstern Kluges und Thörichtes.
»Aber ich kann ja gar nicht wohl Pfarrerin von Reifenwerd werden,« stammelt Sigunde, die vor Glück kaum weiß, was sie spricht. »Ich habe zu viel lose Streiche gemacht.«
Felix Notvest zeigt ihr einen Brief seines Vaters und lächelt: »Sigunde!«
In schönen, herzlichen Worten billigt der Antistes die Plane des Sohnes, neugierig überfliegt Sigunde den Brief und bricht in einen Jubelruf aus: »Du willst nicht Pfarrer in Reifenwerd bleiben, sondern Professor in der Stadt werden?« Mit sonnenhaftem Blick reicht sie ihm beide Hände: »Herr Professor Notvest!« und zieht ihn freudvoll durch die Wildnis gegen das Pförtchen der Mühle.
Da unterbricht ein Geräusch wie ferne Rede die Einsamkeit. Das Paar späht und hört die Worte: »Suche nur, Christli, der Herr Pfarrer zeichnet irgendwo in dieser Gegend.« Das Häubchen der Dekanin taucht auf, es verschwindet im Innern der Abtei und die Augen Christlis irren im Kreuzgang wie die einer verlorenen Seele hin und her. Felix Notvest geht dem Mädchen entgegen.
»Guten Abend, Herr Pfarrer!« bebt die Stimme des Kindes wie ein Glöckchen. Schüchtern und steif steht das Christli an einer Säule, zerrt mit der Hand verlegen am blauen Schürzchen und senkt das von dunklen Locken umspielte Köpfchen mit einer Bescheidenheit und Anmut, daß es nichts Lieblicheres giebt.
Aufmunternd sagt Felix Notvest: »Nun, Christli?«
»Herr Pfarrer,« bebt die glockenfeine Stimme, »soll ich zu Herrn Rudolf Fürst in die Fabrik gehen?«
»Hat dich deine Mutter zu mir geschickt?« forscht Felix Notvest.
Das Kind wendet sich, eine dunkle Glut steigt ihm in die schmalen Wangen, um den Mund zuckt es ihm weinerlich: »Nein, die Mutter möchte, daß ich in die Fabrik gehe, aber ich fürchte die Spinnerei!«
»Du kommst also aus dir selbst?«
»Ja!« haucht das Kind. Die Schürze vor das Gesicht hebend, beginnt es krampfhaft zu schluchzen, und herzzerschneidender Jammer schüttelt und rüttelt die schmalschulterige Gestalt.
Der Pfarrer möchte zu seiner Lieblingsschülerin sprechen: »Christli, wenn du es wünschest, suche ich dir eine leichte Stelle in einem guten Hause der Stadt.«
Er hat aber das Wort erst auf der Zunge, da sieht er hinter dem Kind die übermütigen Augen Sigundens wie in leichtem Spott auf sich gerichtet, und unter dem Zwang ihres Blickes verdrehen sich ihm Gedanke und Wort.
Verlegen sagt er: »Sei nicht so hochmütig, Christli, und gehorsam gegen die Mutter! Wenn sie es will, so mußt du ihr folgen.«
Im gleichen Augenblick tritt Sigunde etwas vor und bricht, Christli anblickend, in ein helles Gelächter aus: »Ach, die kleine nächtliche Geigenspielerin unter den Linden!«
Wie angewurzelt steht Christli, keinen Tropfen Blut in den Wangen, gelahmt von Enttäuschung, Scham und Hilflosigkeit – erst wie es spürt, daß die Erde es und seine Schande nicht verschlingt, schießt es mit einem klagenden Schrei davon.
Sigunde lacht und lacht.
Der junge Pfarrer ist verstimmt. »Die kleine nächtliche Geigenspielerin unter den Linden?« wiederholt er tonlos.
»Ja,« sagt Sigunde, sich beruhigend, »angelockt von ihrem Spiel, habe ich sie beschlichen, da war sie auch so komisch. Du fragtest mich, wer dort gespielt habe. – Sie!«
Wortlos steht Felix Notvest.
Eine Stimme in ihm ruft: Du bist ein Feigling, ein schmachvoller Feigling! Dieses Kind glaubte aus unschuldigem Herzen an dich und suchte deinen Rat. Du aber hast es wider besseres Wissen und Gewissen, aus einer thörichten Scham vor Sigunde enttäuscht!
Seine fröhliche Braut zieht ihn mit sich in die Mühle. Und in die sinkenden Tage eines alten Mannes bringt die Verlobung im Klostergarten einen letzten Schein des Glücks.
In die Tage des Großrates David Fürst.