J. C. Heer
Felix Notvest
J. C. Heer

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III.

Die Abtei Reifenwerd eine Fabrik! – Wie ein Blitz aus heiterem Himmel ist die Kunde in das stille, friedliche Bauerndorf gefallen und erregt die Gemüter zwiespältig.

»Ich habe Karl Wehrli immer für einen Ehrenmann gehalten, jetzt ist er wegen einer geringen Werkführerstelle der Anschicksmann des Leutnants Fürst geworden!«

Während die Abendsonne durch das Spalier in die Stube äugelt, brummt es der Kommandant, die Arme auf den Tisch gestemmt, in heißem Verdruß.

»Aber warum machst du die Faust nur im Sack, Hans Ulrich?« erwidert die Kommandantin mit mahnendem Lachen. »Denke doch dran, wie du auf die ungerechteste Weise vom Bataillon weggekommen bist! Jetzt zeige Ruedi Fürst, daß er die Rechnung ohne dich gemacht hat – nichts soll er haben, gar nichts, weder die Abtei, noch die Großratsstelle!«

Lachen und Reden der Kommandantin, die ihre Hand auf den Arm ihres Mannes gelegt hat, klingen hell und gewinnend, bittend und überredend. Sie ist die selbstbewußte Herrenbäuerin, obwohl sie den Fünfzigern nahe steht, eine frische, lebhafte Frau. Doch hat der Blick des dunklen Augenpaares etwas Brennendes, und Mund und Kinn sind von einer Härte, die trotz der sanften Bildung der immer noch von einer zarten Röte überhauchten Wangen nicht ganz übersehen werden kann.

»Ihr Weiber seid doch immer am leidenschaftlichsten und könnt nicht warten,« knurrt der Kommandant, »ich werde mit meinem Geschütz schon auffahren, wenn es Zeit dazu ist!«

Er trommelt mit den dicken Bauernfingern nachdenklich auf den Tisch.

»Der Leutnant ist ja nur ein Quatschquatsch und gehört schon deswegen nicht in den Großen Rat!«

Judith, die jüngere der Töchter, sagt es, indem sie die Sprechweise des aus England heimgekehrten Fabrikanten nachahmt und die Worte quetscht. Sie ist eine bewegliche, schlanke Sechzehnjährige, welche die übliche Landestracht, über der Büste das blühweiße, mit Röschen besteckte Hemdchen, um die Brust das rote Mieder, trägt und am Fenster bei einer Nähterei sitzt.

Ihre Sprache klingt etwas scharf, doch gerade das Vorlaute in Wort und Wesen steht dem Mädchen, das auffallend seiner Mutter gleicht, reizvoll.

»Ich denke, Vater,« sprudelt sie lachend hervor, »wenn du Großrat würdest, so käme ich etwas häufiger in die Stadt!«

»Wer aber schafft dann auf den Aeckern?« erwidert der Kommandant brummig, »das ist die Frage!«

»Ich!« tönt eine frohmütige Stimme aus der Thüre. Es ist Lony, welche, den breiten Schattenhut am braunen Arm, von der Feldarbeit heimkehrend, in die Stube tritt. »Meinetwegen braucht der Vater nicht Großrat zu werden,« sagt sie gelassen, »ich bin gern auf dem Dorf und habe keine Lust nach der Stadt.«

»Die Lony findet doch immer das rechte Wort,« versetzt der Kommandant. »Ich gehe jetzt in den,Hirschen´ einen Schoppen trinken, ich komme aber bald wieder heim.« Er lockt Barry.

Kaum hat er der Stube den Rücken gewendet, so bricht das spitze Zünglein Judiths gegen Lony los: »Du bist natürlich auf dem Heimweg noch bei der alten Schulmeisterin gewesen, ihr habt ja seit dem letzten Winter eine mächtige Freundschaft, aber es ist dort eben jemand, der macht so!«

Mit flinken Fingern ahmt Judith über dem verächtlich geschürzten Mündchen die Bewegung des Schnurrbartdrehens nach.

»Du bist eine Närrin!« lacht Lony verlegen. Eine verräterische Röte steigt in ihre Wangen und sie flüchtet sich in die Küche.

Es ist wahr, zwischen ihr und Karl Wehrli besteht seit dem letzten Winter eine heimliche Liebe, viel inniger und heißer, als irgend jemand ahnt. Als sie damals an den langen Abenden bei der Schulmeisterswitwe die weiblichen Handarbeiten erlernte und mit den anderen Mädchen ihre Lieder sang, sah sie den Fleiß des willensstarken jungen Mannes, der sich nach schwerem Tagewerk noch über das Reißbrett beugte und Maschinen zeichnete oder aus Büchern voll Zahlen, die er Logarithmen nannte, allerlei mechanische Dinge errechnete, zuweilen aber den Mädchen auch die Lebensbeschreibung berühmter Männer, besonders der großen Erfinder vorlas und einmal zu Beginn einer solchen laut und andächtig folgende Stelle wiedergab:

»Es ist zu Berg oder Thal keine Hütte so schlecht, keine Wiege so gering, daß daraus nicht ein Mann hervorgehen könne, der den Geistern in Arbeit oder Kunst neue Wege, höhere Ziele weist, die Sache der Menschheit und Menschlichkeit in seinem Volke fördert und dessen Name von Geschlecht zu Geschlecht ein Segen bleibt!«

Bei diesem Satz begegneten sich ihre Augen, ihr war's, als sähe sie Karl zu tiefst in sein verschwiegenes, doch mutiges und tapferes Herz, das selber von einem hohen, fernen Ziele träumt. Mitten in einer weißen Schneenacht gestanden sie sich ihre Liebe.

Und komme, was wolle –

»Wem Gott ein treues Lieb beschert, Der soll von ihm nit lassen!«

Das Lied klingt durch die geräumige, saubere Bauernküche, in der die Zinngeschirre funkeln.

Bedächtig schreitet der Kommandant durchs Dorf.

Er denkt an seine Frau, wie furchtbar ehrgeizig und leidenschaftlich sie ist. Es ist gegangen, wie es immer geht, wenn man die Armut aufs Pferd setzt.

Sie reitet am hochmütigsten! In ihren jungen Jahren war Frau Susanne als Tochter eines Geißenbauers auf schlechtem Hof Seidenweberin und ihr ganzer Reichtum das sammetfeine Gesicht mit den heidelbeerschwarzen Augen gewesen. Um dieser willen hatte er sie zur Bäuerin gemacht. Dann wurde sie Kommandantin. Jetzt will sie auch noch Frau Großrätin werden!

Das summt ihm im Kopf.

Aber das freundliche Grüßen der Leute, die vor den Häusern Abendrast halten, bringt ihn auf anderes Sinnen. Er denkt: Es ist doch schön in Reifenwerd, und ein behaglicher Heimatstolz erfüllt seine Brust.

Gewiß, es ist schön in Reifenwerd!

Als ein sauberes, heimeliges Bauerndorf dehnt es sich an der breiten Landstraße, die wie ein weißes Band von der Brücke bis zum fernen Bürgerwalde zieht, wo die Steige nach der Stadt einsetzt. Die wohlgebauten Häuser, unter deren großen Dächern Wohnung, Stall und Scheune gemeinsam ruhen, stehen so weit von der Straße zurück, daß dazwischen Raum genug für eine dörfliche Entwickelung ist, die Reifenwerd das besondere Gepräge giebt. Vor jeder Wohnung nämlich blüht, von Buchs, Weißdorn oder einem Lattenzaun eingefriedet, ein Blumengarten mit Moos- und Monatsrosen und Levkojen, vor jedem Stall liegt ein braungolden glänzender, sorgfältig umflochtener Dungstock, und vor jeder Scheune dehnt sich ein Vorplatz, wo bei schönem Wetter die Wagen ruhen. Blumengarten, Dungstock, Vorplatz – eine andere Anordnung der Welt giebt es an der Straße von Reifenwerd nicht, wer aber am mittleren der drei Dinge Anstoß nimmt, mag bedenken, daß ein stattlicher Düngerhaufen der Stolz und die Ehre des Bauers ist, oder den Blick zu den stattlichen Häusern aus Fachwerk heben, in deren eng aneinander gereihten, blumenumschmückten Fenstern die Sonne blitzt, lieber diesen stehen in Reih' und Glied die Fallläden, oft braun und sonnversengt, oft hellgrün oder hellblau bemalt und mit steifen Blumenstücken verziert. Etwas höher tritt das Mauerwerk frei zu Tage, daraus leuchtet in Dreiecken und Trapezen das bemalte Fachwerk, in das die Fenster des höheren Stockwerks eingefügt sind, und unter dem breit vorspringenden Dache zieht sich ein Balken dahin, worein der Name des Erbauers und seiner Ehefrau und ein Spruch geschnitten ist, der das Haus in den Schirm Gottes stellt.

Das ist Reifenwerd. Es ist, obwohl es noch eine Hintergasse hat, das sogenannte »Städtlein«, wo die Häuser mit grün übermoostem Stroh bedeckt sind, das Leben etwas ärmlich geht, doch einer der wohlhabendsten Orte in der weiten Runde.

Dazu ist das Dorf kurzweilig, seine Straße von Fracht- und Reisewagen, die nach der Stadt fahren, belebt, und manche seiner Bauern, besonders der reiche Hirschenwirt, ziehen aus den Vorspanndiensten an der Steige ein hübsches Stück baren Geldes.

In dieses schöne Dorf fallen nun die Pläne Rudolf Fürsts. Und was bringen sie der Gemeinde Gutes?

Mißmutig überlegt es der Kommandant. Seines Sohnes wegen also hat der Großrat Fürst vom Lehrerseminar nichts wissen wollen!

Und unter den Reifenwerdern giebt es kurzsichtige Köpfe genug, die nicht weiter rechnen, als wie sie, wenn die geplante Fabrik fremdes Volk in die Gegend zieht, Milch und Fleisch, Korn und Holz teurer als bisher absetzen können.

Er tritt in den »Hirschen«, unter dessen niederer Thüre sich der hochgewachsene Mann leicht beugen muß.

An die zehn Bauern und ein halb Dutzend Arbeiter aus den Werkstätten, die David Fürst schon vor Jahren in dem Steinhaus mit den hohen Treppengiebeln eingerichtet hat, sitzen beim Abendschoppen, eine so stattliche Zahl, daß man daraus wohl die Unruhe spürt, die im Dorfe über den Absichten Rudolf Fürsts erwacht ist.

Die Bauern und Arbeiter sprechen davon, wie der Leutnant die Rechte, welche die Gemeinde auf die Abtei hat, die Benutzung der Kirche, des Kirchhofes und des Geläutes, abzulösen gedenke.

Abseits von den Plaudernden, an der Wand, wo die Uhr im Gehäuse tickt, lehnt fast im Halbdunkel der einzige fremde Gast des Abends, ein komisches Männchen mit gelbem, ausgemergeltem Gesicht. Er hat einen Ballen Tuchwaren neben sich und läßt sich einen räßen Käse als Nachtbrot munden; doch ist eine quecksilberne Unruhe in dem kleinen Hausierer, er späht aufmerksam nach Karl Wehrli, der bescheiden in der etwas lauten Gesellschaft sitzt.

»Unser junger Pfarrer,« sagt der Bauer Hans Hegner, »der Sohn des Antistes, hängt an der alten Kirche – die Fenster mit den gemalten Scheiben besonders seien Kostbarkeiten, ein Kleinod sei die ganze Abtei!«

Der Händler am anderen Tische spitzt die Ohren.

»Nu, nu,« lacht Ludi Immergrün, der seinen Kopf voll Ringellocken auf die linke Seite neigt, »es muß doch eine verdorbene Zeit gewesen sein, wo man so weltliche Bilder in die Kirchenfenster setzte. Denkt nur an den Ritter oder Landsknecht im roten Mantel, der die Wirtsmagd auf den Knieen hält. An solche Bilder gucken die Buben und Mädchen hinauf, lachen heimlich und denken statt an göttliche Dinge an allerlei Spusen. Darum hat der alte Dekan die Gemeinde mehreremal ernstlich darum angegangen, daß man die Butzenscheiben durch reines Glas ersetze, und man hat es nur der Kosten wegen nicht gethan. Was ist aber Felix Notvest für ein Pfarrer, daß er Vergnügen an den gottlosen Bildern findet!«

»Um seine Meinung fragen wir nicht,« erwidert der alte Schleifer Keller mit dem struppigen Bart und der bläulichen Weinnase, »er ist ein Städter, er meint, er sei gescheiter als wir.«

Mehrere Bauern nicken zustimmend, Karl Wehrli aber erwidert: »Ich lasse unserem Verweser Notvest nichts geschehen, obwohl ich wünsche, daß die große Fabrik zu stande kommt.«

Der Säckelmeister ächzt: »Ich bin immer gern in die Klosterkirche gegangen und hätte auch gern einmal unter den Linden geschlafen, wo die Eltern und Vorfahren ruhen.« Ein gedankenvolles Stöhnen begleitet sein Wort.

Der Kommandant, der aufmerksam, doch stumm dasitzt und den Kopf seines prächtigen Bernhardiners Barry streichelt, fragt den Hirschenwirt halblaut: »Wer ist denn der Jude dort? Ich sah ihn schon bei meinem Weibervolk.«

Mißtrauisch blickt er nach dem Hausierer am anderen Tisch.

»Es ist der Foulardhändler Joseph Lombardi, kennt Ihr ihn nicht?« flüstert der Wirt. »Er streicht schon seit mehr als zehn Jahren durch die Gegend. Wiewohl er das Deutsche verkauderwelscht, so schwatzt er doch allen Weibern seine Seidentücher auf und nimmt altes beblümtes Geschirr und Zinnzeug an Zahlungsstatt. Auf jedes blumige Täßchen jagt er wie der Teufel auf eine Seele und trägt auch die Bilderkacheln alter Oefen fort. Sein Haus in Rheinsee ist voll alten Gerümpels.«

Der Kommandant horcht wieder dem Gespräch der übrigen zu. Eben nimmt Karl Wehrli das Wort:

»Woran erinnert uns die Abtei? – An jahrhundertelange, blutige Abhängigkeit der Landschaft von der Stadt, an die bittere Demütigung der Reifenwerder zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Von der Reformation an bis zum Jahre 1798 sind im Kloster die Amtmänner der Stadt gesessen und haben die Bauern mit jenen Zehnten und Zinsen ausgesogen, die unsere Zeit jetzt langsam löst. Als dann der Drang nach der Freiheit kam, als die Reifenwerder mit den anderen Bauern die Vorrechte der Stadt zu brechen suchten, da mußte die Gemeinde, nachdem der Putsch verunglückt war, die berühmte große Buße zahlen, der Anführer der Bauern, Hans Ulrich Stockar, niederknien und entblößten Hauptes vor den gnädigen Herren aus der Stadt Abbitte leisten. Und über seinem Haupte schwang der Henker das Schwert.«

»Ja, so war's,« bestätigen die alten Bauern, »als kleine Buben haben wir es selbst miterlebt.«

Karl Wehrli schaut mit Spannung nach dem Kommandanten. Gerade von ihm erwartet er ein zustimmendes Wort, denn jener Bauernführer Stockar, über den der Henker das Schwert geschwungen hat, ist der Großvater des Kommandanten. Der stolze Bauer aber streicht sich nur gedankenvoll den Schnurrbart und tätschelt wie aus einer gewissen Verächtlichkeit gegen die anderen den schönen Kopf, den Barry auf seine Kniee gelegt hat.

Darüber erregt sich der junge Werkführer. Er beißt sich verlegen die Lippe, er würde zu gern wissen, was Lonys Vater über die Pläne Rudolf Fürsts denkt.

Die anderen fragen Karl Wehrli eine Menge Dinge. Als Angestellter der Werkstätten steht er doch Rudolf Fürst und seinen Plänen am nächsten. Und er giebt Antwort, wie der Fabrikant der Gemeinde als Ersatz für die Rechte, die sie an der Abtei besitzt, ein neues hübsches Gotteshaus und ein Pfarrhaus gleich oberhalb des Dorfes an den Rebberg bauen und ihr dazu ein vierstimmiges Geläute stiften wolle.

Auf der Stirne des Kommandanten aber schwillt die Zornader, er schleudert einen wilden Blick nach Karl Wehrli.

»Jetzt will ich euch auch meine Meinung sagen,« knurrt er, »zuerst Euch, Wehrli! Ich habe bisher geglaubt, daß Ihr wie Euer Vater ein Ehrenmann seid. Ihr seid aber keiner, sondern aus geringem Vorteil seid Ihr der Anschicksmann [R1 Heimlicher Agent]und Spion Eures Brotherrn geworden – ich hätte Besseres von Euch erwartet!«

Streng und böse spricht es der Kommandant und trinkt erhitzt sein Glas aus.

Der unerwartete Ueberfall lähmt den jungen Werksführer, einen Augenblick sitzt er totenblaß, wie vom Blitz zerschmettert, und der Gedanke: Es ist Lonys Vater! lähmt ihm die Zunge.

Der Säckelmeister wendet sich in schwerfälligem Zorn gegen den Kommandanten: »Seid Ihr betrunken, daß Ihr so grob seid? Darf in Reifenwerd nicht jeder frei seine Meinung sagen?«

»Ich bin vielleicht der nüchternste von euch allen,« erwidert der Kommandant mit einem Zug des Spottes, aber auch des überlegenen Mitleides in dem geröteten Gesicht, »wenn ihr aber redet wie Thoren, so übermannt es mich. Ich will euch einen Rat geben. Macht aus der Abtei ein Narrenhaus, das ist besser als eine Fabrik, ein Narrenhaus für euch alle von Reifenwerd, die ihr das blühende Dorf zu Grunde richten wollt.«

»So darf uns keiner kommen, das lassen wir uns nicht bieten!« Erregt stehen die Gäste auf, der Kommandant schnauft schwer, aber die finsteren Gesichter, die drohend geballten Fäuste schüchtern ihn nicht ein, auch er erhebt sich, gegen die Bauern gewendet, spricht er:

»Laßt die Fabrik kommen, die euch so begehrenswert erscheint, verkauft die Milch, die Brotfrucht, alles verkauft teurer als jetzt! Die Fabrik wird doch den Stand der Landwirte fressen, und ihr werdet zuletzt arme Teufel sein. Kennt ihr die Baumwolle? – Sie ist ein Flöckchen, weiß und unschuldig wie Schnee. Der Fluch der Sklaven aber, die sie in heißen Ländern bauen, steckt darin. Wo das Flöckchen hinfliegt, da fallen Hanf und Flachs dem Bauern wie Zunder vom Leib, und was reich und frei gewesen ist, das wird arm und muß spinnen helfen. Laßt die Fabrik kommen! Eure Aecker vergehen, euer Haus gehört nicht mehr euch. Frühwelk wanken eure Kinder, eure Enkel in die Fabrik, ja ihr selbst werdet euch noch an die Spinnstühle stellen müssen. Als abgemergelte Greise werdet ihr auf den Baumwollsäcken sitzen, und auf euer Vesperbrot werden die Thränen herunterlaufen. Dann schwatzt ihr wohl:,Gs gab einmal eine andere Zeit in Reifenwerd!´ Wollt ihr aber davon erzählen, so kommt einer und schreit:,Auf zur Arbeit, auf, ihr alten Knaben!´ – Und zuletzt wird man euch in einem Fetzen zur Grube tragen!«

Ein grimmiger Blick der grauen, glanzvollen Augen über die Gesellschaft, ein kurzes »Guten Abend!« und hochaufgerichtet geht der Kommandant mit Barry aus der Stube.

Er läßt eine große Stille und Bedrückung hinter sich, erschrocken und stumm sehen sich die Männer an; die Rede des angesehenen Mannes, aus welcher tiefste, leidenschaftlichste Ueberzeugung spricht, hat sich jedem in die Seele gebohrt.

Karl Wehrli aber, dem Gekränkten, der doch gewiß kein Weichling ist, rollt eine heiße Thräne über das Gesicht. Die anderen wollen ihn trösten, aber er geht, hinter ihm der kleine fremdländische Händler.

Im »Hirschen« ist heute frühes Lichterlöschen!


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