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16

»Wenn der Brief nun wirklich echt ist?«

»Er kann doch nicht echt sein!«

Sie kamen unangefochten an dem Portier vorüber. Der Werkführer war nicht mehr bei ihnen. Sie dachten, daß der Portier sich wundern würde, weil sie so früh fortgingen. Aber er beachtete sie kaum, trug nur mürrisch die Zeit ihres Durchgangs hinter ihre Namen ein. Draußen gingen sie absichtlich langsam über den kleinen Platz, vorbei an dem mageren Fliederbusch, bogen um die Ecke und fanden am Sachsendamm ein Auto.

»So!« atmeten sie auf. »Glaubst du, daß es herauskommen kann?«

Er ging alle Möglichkeiten durch. Wahrscheinlich kehrte Glasberg erst in Wochen nach Hause zurück. Sobald er den Schreibtisch öffnete, mußte er freilich den gewalttätigen Eingriff bemerken. Aber dann würde es so spät sein, daß man den Zeitpunkt des Diebstahls – er sagte Diebstahl, obwohl es vielleicht keiner war – auch nicht annähernd mehr feststellen konnte. Irgendeinen Anhalt gab es nicht. Natürlich kam der Diener in Betracht. Aber die Alarmleitung? Nun, in ihrem Fall hatte ja der Diener sogar vergessen, sie anzustellen, und er würde auf Befragen zugeben müssen, daß er es hin und wieder vergaß. Damit verschwand jede Möglichkeit des Verdachts gegen den Werkführer. Und überhaupt: Ehe es zu Nachforschungen Glasbergs kam, mußte er unschädlich gemacht sein. »Wenn der Brief gefälscht ist!« wiederholte Gitta nochmals.

Es war noch nicht zehn Uhr, als sie in Holtens Wohnung eintraten. Sein erstes war, das Schreiben an die Sekretärin in kleine Stücke zu zerreißen. »Ob man Kunkel anruft?«

Kunkel war einer der größten Schriftsachverständigen. Holten kannte ihn von einigen Prozessen her. Er hob den Hörer auf. Kunkel war zu Hause, zeigte sich interessiert. Er müßte zum Vergleich Briefe der betreffenden Dame – man sagte ihm nicht den Namen – möglichst aus verschiedenen Jahren haben. Holten hatte ein Dutzend Schreiben von Susettes Hand. Dann würde er kommen, rief Kunkel zurück, und in einer halben Stunde da sein.

»Nennen wir ihm den Namen und sagen wir alles?« fragte Gitta. Wolf wollte abwarten. Wenn der Brief unzweifelhaft echt war, brauchte man jedenfalls nichts zu sagen. Sie saßen erschöpft an dem Eßtisch, versuchten noch einmal, Buchstaben und Schriftbild zu vergleichen. Aber sie waren zu müde, merkten erst jetzt die furchtbare Aufregung, die sie hinter sich hatten.

Das Bild! dachte sie. »Ja, das Bild!« antwortete er. Er bestellte bei der Köchin Mokka, stürzte zwei kleine Tassen hinunter. Es erfrischte ihn. »Gitta!« sagte er, sich aufreckend. »Wenn der Brief echt ist – wenn es sich also erweist, daß wir uns geirrt haben – was dann?«

»Glaubst du denn, daß wir uns geirrt haben können?« Er verneinte. »Aber wenn, was dann?«

»Ich weiß nicht, was du meinst?«

»Wenn wir uns also geirrt haben, dann – verzeih – dann heiraten wir auf der Stelle und machen eine große Reise. Es muß dann ein ganz großer Einschnitt in unser Leben kommen. Wir könnten doch nicht hier einfach so weiterleben, wo wir seit einem Jahr oder länger nur den einen Gedanken hatten. Es muß dann alles anders werden.«

»Wenn der Brief echt ist,« sagte sie ernst, »dann kann ich dich nicht mehr sehen, Wolf. Ich könnte es nicht ertragen. Du würdest mich immer an den furchtbarsten Irrtum meines Lebens erinnern und immer wieder Zweifel in mir wecken. Nein, verzeih, ich könnte es nicht.«

»So!« sagte er tonlos.

»Du könntest es ja auch nicht, Wolf!«

»Wieso nicht? Du bist mir wichtiger als Mario und Susette. Tausendmal wichtiger! Obwohl der Gegensatz zu Mario durch mein ganzes Leben hindurchgehen wird. Das weiß ich bestimmt. Als ich Mario zum erstenmal in der Schule sah, wußte ich, daß ich von diesem Menschen niemals loskommen würde. Aber du bist mir doch wichtiger, Gitta, und wenn dir Mario wichtiger ist, so liebst du ihn. Ja, Gitta, du liebst ihn!«

»Du bist wahnsinnig!« lachte sie auf. »Vielleicht ist das Liebe, wenn man einem Menschen auf der Fährte sitzt und ihn nicht mehr loslassen will. Und ich werde ihn nicht loslassen! Wenn sich Susette selbst das Leben genommen hat, dann – trägt er dennoch die Schuld daran. Dann hat er sie eben in etwas hineingezwungen, wofür sie zu schade war. Ich muß dahinterkommen, was es mit ihm und Susette war, und ich werde dahinterkommen! Sage, Wolf, hat Glasberg eine Geliebte?« Sie sah ihn lauernd an.

»Eine?« fragte er höhnisch. »Mehrere! Viele wahrscheinlich!«

»So werde ich alles daran setzen, seine Geliebte zu werden, wenn es nicht anders möglich ist. So, nun weißt du es!«

»Gitta!« schrie er auf.

»Bitte, rege dich nicht auf! Wenn wir Mario zu Fall bringen, wenn es uns gelingt, ihn zu entlarven, dann bin ich frei von ihm, und in demselben Augenblick will ich dir gehören. Aber bis er entlarvt ist – verstehst du das denn nicht? – bis er entlarvt ist, ist er einfach für mich das große Rätsel, der dunkle Schleier, den ich abreißen muß, muß, muß! Denke dir, Wolf, daß Mario das große Erlebnis meiner Mädchenkinderjahre war! Stelle dir vor, daß dieser Mensch jedes Gespräch bei uns durch Jahre erfüllte. Daß er mit meiner angebeteten berühmten Schwester durchging, sie in England heiratete. Daß die beiden dann gesellschaftliche Triumphe ohnegleichen feierten. Wo sie hinkamen, waren sie der Mittelpunkt. Alles sprach von ihnen. Und ich, das kleine dunkle Mädchen im hintersten Winkel, sah dem allem zu. Und nun passierte dieses Furchtbare! Und wenn es zehnmal ein Selbstmord war, es muß doch etwas dahinterstecken!«

Holten sah traurig vor sich hin. Natürlich hatte er sich das alles gedacht. Nicht Susette, Mario war es, den sie enträtseln wollte. Er wußte es lange, aber jetzt, vor der Entscheidung, wurde das alles so überdeutlich. Bisher hatten sie um das eine Ziel gekämpft, und hinter dem Ziel lag ihre Vereinigung. Jetzt standen sie dicht vor dem Ziel oder doch vor einem Abschluß, und alle Bedenken und Vorbehalte, alle Zweifel und Hemmungen brachen hervor. Nicht bei ihm, dem Mann. Der Mann unserer Tage ist völlig Intellekt geworden, empfand Wolf. Für mich ist alles klar und einfach und regelt sich nach dem Verstand. Aber da kommt nun die Frau, und das Leben wird wieder rätselhaft, instinkthaft wie in Urzeiten. Bei uns heutigen Menschen sind ja zwei ganz verschiedene Weltalter übereinandergetürmt: ein abstrakt und logisch gewordenes des Mannes und ein dämonisch und urhaft getriebenes der Frau. Wer weiß, was uns von der befreiten Frau noch alles kommt!

Er hatte das Mädchen hinuntergeschickt, um Herrn Kunkel an der Haustür zu erwarten. Es war weit über eine halbe Stunde vergangen, und Herr Kunkel erschien noch immer nicht. Die Uhr ging auf elf. Sie saßen sich ermüdet und in einer fast feindseligen Gereiztheit gegenüber. Endlich hörten sie das Aufschließen der Entreetür und die Stimmen von Männern. »Das sind doch mehrere!« rief Holten. Er ging zur Tür. Herr Kunkel hatte einen Fremden mitgebracht. Es war Herr Makel, sein Kollege und Rivale.

»Gerade wollte ich aufbrechen,« sprudelte Herr Kunkel lebhaft, »als mich Makel in einer Sache anrief. Da habe ich ihn aufgefordert, gleich mitzukommen. Wenn Herr van Holten etwas hat, ist es immer interessant, und das Gericht hört uns ja beide! Hoffentlich ist es Ihnen recht?« Holten bejahte. Die beiden Kollegen bildeten ein höchst seltsames Paar. Kunkel machte den Eindruck eines verhungerten Lohnschreibers. Alles an ihm war spitz und mager. Auf der scharfen Nase saß eine Nickelbrille. Sein Kopfhaar endete in einem spitzen Schopf, und das Kinn war durch einen faserigen, dünnen Spitzbart verlängert.

Herr Makel hingegen war groß und breit, hatte eine leuchtende Glatze und einen wallenden schwarzen Vollbart. Er bewegte sich wie ein Ringkämpfer. Es ging das Gerücht, daß er mit seinem gewaltigen Brustkasten eine nicht zu dünne Metallkette zerreißen konnte. Holten kannte beide Herren. Er wußte, daß sie Koryphäen waren, Meister angewandter Psychologie, voll reicher Erfahrungen in der Welt des Verbrechens. Nie vergaßen sie eine Handschrift, die sie einmal gesehen hatten. Kunkel, der Dünne, Spitze, arbeitete mehr mit dem Intellekt, während Makel, der Kräftige, Bebartete, oft einen divinatorischen Blick und eine ganz seltsame Fähigkeit der Einfühlung zeigte. Holten wußte, daß niemand besser als diese beiden Männer das Rätsel von Susettes Abschiedsbrief lösen würden. Gitta sah sie mit großen Augen an.

Kunkel und Makel ließen sich umständlich vorstellen, nahmen Platz, gossen sich Kaffee ein und legten die Lupen feierlich vor sich hin. Zuerst wollten sie die unzweifelhaft echten Briefe sehen. Sie wendeten die Blätter hin und her, hoben sie gegen das Licht, besahen sie ohne Brillen und durch die Gläser.

»Ei, ei, eine Dame Ihres Bekanntenkreises!« sagte Kunkel. »Sie weiß, was sie will,« fuhr er fort. »Eine zähe, ehrgeizige Natur. Nicht sehr leidenschaftlich. Eher kalt. Ist sie sehr schön?« Holten meinte, daß das nichts zur Sache täte. Er legte den Abschiedsbrief vor. Ihm und Gitta blieb das Herz vor Spannung stehen. Die nächsten Sekunden mußten entscheiden. »Ist das der – der fragliche Brief?«

»Nein,« sagte Gitta überraschend, »den habe ich noch hier.«

»Ei, ei,« sagte Kunkel. »Diese Schrift ist aber auch gefälscht!«

Es war den beiden, als bräche der Raum ein. »Es ist der fragliche Brief!« gestand Gitta.

»Ein kleines Scherzchen?« kicherte Kunkel. »Ein allerliebstes kleines Scherzchen? Aber sehr amüsant. Der Brief ist gefälscht!« Er vertiefte sich nichtsdestoweniger weiter in ihn, hielt die Lupe bald vor das eine, bald vor das andere Auge. Herr Makel hatte noch kein Wort gesagt. »Ich weiß doch nicht,« fuhr Herr Kunkel nach einer Weile fort, »es ist dieselbe Schrift – und doch wieder nicht.«

Nun polterte Herr Makel los, daß der Brief durchaus echt wäre. »Nur nicht so flüchtig hingeschrieben wie die anderen. Gesammelter, beschaulicher, überlegter.«

»Ja,« unterbrach Holten. »In allergrößter Gemütsruhe anscheinend. Die Schreiberin nahm sich nämlich unmittelbar nach diesem Brief das Leben!«

Herr Makel brummte, las dann den Inhalt des Briefes. »Hm,« machte er. »Da stimmt etwas nicht.« Er nahm noch einmal einen anderen Brief zum Vergleich in die Hand. »Nehmen wir an,« sagte er dann langsam, »daß es einen anderen Menschen gibt, der diese Handschrift in allen ihren Besonderheiten seit Jahren erfühlt hat, vielleicht sogar mühelos diese Schrift kopiert – man kann es dahin bringen! – dann ließe sich eine Fälschung nur durch die Diskrepanz zwischen dem Inhalt des Briefes und dem Gemütszustand der Schrift erweisen. Wir haben hier einen der ganz seltenen Fälle vor uns, daß tatsächlich ein zweiter Mensch diese Schrift vollkommen täuschend nachzumachen versteht. Aber dieser Mensch hat vergessen, den Gemütszustand, in dem ein solcher Abschiedsbrief geschrieben wird, zu berücksichtigen. Passen Sie auf! In der großen Erregung würde diese Frau, die Besitzerin der Handschrift, etwa so geschrieben haben!« Er bedeckte ein Blatt Papier mit Schriftzeichen. Es war vollkommen die Schrift Susettes, nur ins Erregte, Leidenschaftliche gesteigert. Holten und Gitta sahen verwundert auf die Schriftzüge, die aus der fremden Hand so vertraut herausflossen. »Diese Schrift ist übrigens sehr leicht nachzumachen,« beschwichtigte Herr Makel ihr Erstaunen. »Sehen Sie! Der fragliche Brief ist in vollkommener Ruhe und Sammlung geschrieben. Das ist der einzige Fehler; sonst ist die Nachahmung vollkommen geglückt.« Er zeigte an den echten Briefen, wie die i-Punkte, je flüchtiger der Brief war, desto mehr von ihrem Buchstaben fort nach rechts abwanderten. In dem Abschiedsbrief standen sie hingegen fast genau über dem i.

Herr Kunkel hatte bereits eine ganze Weile gelächelt. Er wartete auf den Augenblick, das Wort an sich zu nehmen, rückte unruhig auf dem Stuhl hin und her. »Sehr scharfsinnig, sehr scharfsinnig,« sprach er jetzt mit seiner Fistelstimme dazwischen. »Aber natürlich vollkommen falsch, nicht wahr? Alle diese von meinem großen Kollegen geäußerten Momente brachten mich im ersten Augenblick ebenfalls darauf, eine Fälschung anzunehmen. Aber, meine Herren, es ist ja ganz anders! Wenn man sich das Leben nimmt, ist man kurz vorher natürlich erregt. Aber in dem Augenblick, da man zu dem großen Entschluß kommt, da man das Fazit des Lebens zieht, kann man durchaus ruhig, gesammelt, überlegt sein. Es ist vielleicht ein Augenblick unerhörter Klarheit!« Er sah sich triumphierend um. »In einer solchen Stimmung, wo das Leben unter uns und hinter uns liegt, ist dieser Brief geschrieben. Die Erregung kam dann wahrscheinlich nachher, als man zur Tat schritt.«

»Was, was!« polterte Herr Makel dazwischen. »Sehen Sie denn nicht diese verkürzten Anstriche?«

»Natürlich sehe ich sie, habe sie schon längst gesehen, Herr Kollege. Und die zunehmende Neigung der Abstriche! – Aber der Brief ist auf dem Bettrand geschrieben, nicht wahr? Und die Nachttischlampe stand rechts. Man ist gewohnt, daß das Licht von links fällt. Hier fiel es aber von rechts. Die Frau schläft im rechten Bett, der Mann im linken, nicht wahr?« Er blitzte Gitta an. »Es ist doch so?«

»Ich bleibe bei meiner Ansicht,« brummte Herr Makel, »so sehr ich die Ansicht meines Herrn Kollegen begreife. Der Brief ist gefälscht!«

»Er ist nicht gefälscht!« fistelte Herr Kunkel.

»Glauben Sie,« begann Holten, »daß ein längeres Studium des Briefes Ihre Ansichten umstoßen könnte?« Die beiden schüttelten die Köpfe. »So stehen hier zwei Ansichten gegenüber: Herr Makel behauptet, daß der Brief falsch ist. Er stützt seine Meinung darauf, daß ein solcher Brief die Spuren höchster Erregung aufweisen müßte, während er im Gegenteil alle Merkmale einer ruhigen, gesammelten, aufmerksamen Stimmung zeigt. Herr Kunkel hält den Brief für echt und stützt sich auf die Annahme, daß dieser Brief in einem Augenblick überlegener Reife zu Papier gebracht sei. Ihre Meinungen, meine Herren, weichen im Grunde sehr wenig voneinander ab, nur herrscht leider eben über den Hauptpunkt keine Klarheit: Ist er gefälscht oder echt? Ich erinnere, daß Sie über diesen Punkt früher anderer Ansicht waren wie jetzt. Was meinst du, Gitta?«

»Es ist genau die alte Frage, über die wir nicht hinauskommen,« sagte sie. »Was war mit Susette? Wir wissen es noch immer nicht?« Sie nahm den Abschiedsbrief an sich und legte ihn vor sich hin. »Wenn ich nur wüßte, wie er geschrieben wurde!«

»Kommt's zum Prozeß?« fragte Herr Kunkel. Holten zuckte die Achseln. Wenige Minuten später brachte er die Herren hinunter. Als er zurückkam, starrte Gitta noch immer auf den Brief. Sie blieb noch einige schweigende Minuten. Als er sie hinausbegleitete, warf sie sich plötzlich an seine Brust. »Wie sind wir unglücklich, Wolf!« weinte sie. »Es ist alles rätselhaft: der Brief, das Bild, Mario, Susette. Wenn man doch einmal klarsehen könnte!«

Am nächsten Tag rief er sie in der Lietzenburger Straße an und las ihr den soeben eingetroffenen Brief des Malers Margis vor. »Was sagst du nun?«

»Dort oben ist er? Ich werde hinfahren!« entschloß sie sich im Augenblick. Er suchte es ihr auszureden. Er wußte, daß nur Marios Nähe sie anzog. Was sollte diese Reise für einen Zweck haben! Aber am nächsten Morgen saß sie doch im Zug nach Königsberg und stieg abends im Hotel ab. Sie ging durch die schmalen Straßen, in denen die aufgespeicherte Sonne aus den Steinen quoll, stand am Schloßteich und sah die fernen Bäume wie Rauch gegen den Himmel gelagert, spürte die Meeresluft in ihren Lungen, ging zum Hafen hinunter und blickte in das Gewirr der alten Speichergassen.

Als sie, ziemlich spät, in ihr Hotel zurückkehrte, hörte sie, wie der Portier einem Herrn nachrief: »Sehr wohl, Herr Glasberg!« Sie sah zwei Füße in breiten gelben Stiefeln und Ledergamaschen, die etwas dunkler waren, auf der Treppe oben verschwinden. Gerade hatte ihr Blick noch die Bewegung der Gelenke erfaßt. Ihr Herz schlug bei dem Gedanken, mit ihm unter demselben Dach zu wohnen.

»Ist denn Herr Glasberg hier?« fragte sie den Portier.

»Jawohl, gnädiges Fräulein.« Er wies auf die Gästetafel. »Dr. Mario Glasberg«, stand neben der Zimmernummer. Sie ging ganz langsam hinauf, blieb ein wenig vor seinem Zimmer stehen. »Dr. Mario Glasberg!« sagte sie leise vor sich hin. Nahm sich vor, morgen frühzeitig aufzustehen und ihn auf jeden Fall im Frühstückszimmer abzuwarten.

Sie schlief in der Nacht nur wenig. Das opalene Licht der nordischen Dämmerung winkte vom Fenster wie mit Geistertüchern. Die Linden dufteten zu ihr herein. Wie in einer anderen fremden Welt fühlte sie sich.

Morgens um acht ging sie hinunter, fragte den Portier, ob Herr Dr. Glasberg schon gefrühstückt habe.

»Herr Dr. Glasberg ist um sechs mit dem Auto abgefahren,« sagte der Mann. »Danke,« sagte sie und wandte sich ab.


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