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IX

August sagte zu Karolus: Deine Brusttasche wird jetzt zu mächtig, nun müssen wir ernstlich an diesen Gedanken mit der Bank in der Bucht herangehen.

So, antwortete Karolus.

Du kannst doch nicht all das Geld bei dir tragen, du sollst es bei der Sparbank der Bucht einzahlen und Zinsen dafür bekommen.

So, antwortete Karolus wiederum, er begriff nichts. Im Grunde hatte er nichts dagegen, so umherzugehen und sich mit einer dicken Brieftasche sehen zu lassen, Karolus wollte gern Eindruck machen.

Wir werden heute abend bei Joakim eine Bankversammlung haben, erklärte August, und er wußte genau, daß Karolus auf diese Bemerkung hin nicht ausbleiben würde.

August ging weiter, er kündigte die Versammlung an, berief seine Leute ein, füllte seinen Kopf mit Namen, versah einige mit einem Kreuz, strich andere aus. Er hatte schon zu einem früheren Zeitpunkt mit den Schiffern und Netzmannschaften in der Äußeren Bucht gesprochen, jetzt begab er sich zu einem Neubau bei den Schiffshütten, wo Edevart arbeitete, rief ihn vom Gerüst herunter und weihte ihn in die ganze Sache ein.

Ich habe nur etwa fünf- bis sechshundert Kronen, meinte Edevart armselig.

August lachte: Hahaha, du bist ein Einfaltspinsel, Edevart, und warst wirklich nie besonders begabt! Ich habe es ja gar nicht auf deine Kronen abgesehen, heute abend wollen wir uns nur in die Liste eintragen und zehn Kronen von hundert einzahlen, später, in einem Monat, müssen wir alles bezahlen. Aber fünf-, sechshundert Kronen sind ja nichts, das sind ja nur fünf Aktien. Die Bank braucht mindestens zweihundert Aktien, um anfangen zu können.

Ich habe nicht mehr, erklärte Edevart.

Paß einmal auf: die Versammlung findet heute abend um sieben Uhr statt, Joakim, dein Bruder, leitet sie, und wenn er nicht will, so werde ich es selber tun, aber er soll jedenfalls das Protokoll schreiben. Wenn wir anfangen zu zeichnen, so sollst du nicht gerade der erste sein, denn ich habe mir das Prahlen und Übertreiben vollkommen abgewöhnt, wenn aber erst einmal zwei oder drei aus der Äußeren Bucht irgendwelche kleineren Beträge gezeichnet haben, dann kommst du an die Reihe: Fünfzig Aktien! sagst du.

Edevart gibt es einen Ruck: Wieviel macht das aus?

Daran sollst du erst gar nicht denken! beruhigt August ihn, du bekommst das Geld von mir. Hier sind zunächst einmal die fünfhundert Kronen für heute abend.

Na, wenn das so ist! meint Edevart und nimmt die Scheine in Empfang.

Aber das soll nicht bekannt werden, und du wirst es auch niemand erzählen.

Nein.

Nein. Denn ich habe aufgehört zu übertreiben und zuviel zu sagen. Wenn du aber fünfzig Aktien anmeldest, so werden die andern sich schämen, so wenig zu nennen, und auf diese Weise geht die Sache leichter vonstatten.

Edevart nickte. – – –

Um sieben Uhr.

Volles Haus bei Joakim, lauter Aktienzeichner, ja, auch Teodor. Feierliche Stille. Joakim, der es gewohnt war, eine Versammlung zu leiten, weigerte sich jetzt, er verstünde nichts von der vorliegenden Sache und bitte um Befreiung von seinem Amt. Ob er auch das Protokoll nicht schreiben wolle? fragte August. Doch, das selbstverständlich. Vor allem schreiben –

Dann stand August auf. In den Gemeinderatsversammlungen stand keiner zum Reden auf, August aber, dieser Teufelskerl, stand auf. Die Rede floß ihm aus dem Munde, nicht immer so ganz folgerichtig, dafür aber phantasievoll, mit hohen Ziffern »aus der Welt draußen«, mit einem Aufruf an sämtliche Bewohner der Bucht, große wie kleine. Hier seien gute Aussichten, eine strahlende Zukunft, Heringsschwärme von mehreren Millionen, oder, um nicht zu übertreiben, von einer Million. Da es sich gezeigt hätte, daß die Gemeinde nicht bereit sei, eine Anleihe bei einer Bank zu machen, müsse also die private Unternehmungslust herangeholt werden, die Bank sei für jeden einzelnen von Nutzen, für die Bautätigkeit zu Lande, für die Kapitäne in der Äußeren Bucht, für den ganzen Ort, – oh, der Ort, die Stätte seiner Kindheit, er würde sehr bald ein Geschenk nach dem anderen aus den Überschüssen der Bank bekommen! Und es müsse erwähnt werden, daß die Bank ein Haus brauche; es fehle auch das Haus für den Gemeinderat in der Bucht, auch hier müsse genau wie an anderen Orten ein Gebäude für den Gemeinderat errichtet werden, aber um nicht zu übertreiben, so müsse die Bank jedenfalls einen Geldschrank haben, und weshalb sollten sie einen solchen kaufen, ohne daß eine Bank entstand? Er habe sich nun mit unzähligen Bankdirektoren im Ausland besprochen, und sie hätten sich darauf geeinigt, die Aktien zu hundert Kronen das Stück einzusetzen, so daß also auch minderbemittelte Leute eine, fünf oder zehn Aktien zeichnen konnten, je nach ihren Verhältnissen. Und er traue der Sparbank in der Bucht soviel zu, daß sie auf zweihundert Aktien käme, also zwanzigtausend Kronen, das habe er wirklich gedacht, denn diese Aktien würden gute Zinsen abwerfen, vielleicht zehn, wenn nicht gar zwanzig Prozent. Liebe Leute, haben wir nicht etwa eine Heringsbucht, reicher als Eidsfjord und Langnes und Öksnesfjord? Und es ist auch nicht beabsichtigt, daß wir heute abend schon das Geld auf den Tisch legen sollen, heute abend sollen wir uns nur einschreiben und zehn Kronen von hundert bezahlen, in einem Monat aber von heute ab muß das Geld ganz eingezahlt werden, und dann werden die großen und prächtigen Aktienbogen ausgehändigt. Ich habe einige meiner Aktienbogen aus dem Ausland mitgebracht, um sie euch zu zeigen, sagt August und hält zwei stattliche dicke Bogen mit Bildern, goldenem Rand und Stempeln in die Höhe. Als der Wunsch laut wurde, diese Papiere aus der Nähe zu sehen, machten sie die Runde in der Stube, ständig unter Augusts unaufhörlichem Vortrag: Ja ja, das ist ja nun eine fremde Sprache und alles miteinander, aber ihr könnt doch jedenfalls die Art sehen, das hier sind Papiere von einigen Silberminen, die ich in Südamerika habe. Aber gebt mir nun die Aktien wieder und laßt uns außerdem nicht vergessen, zu welchem Zweck wir augenblicklich hier sind, nämlich, um die Aktien für eine Bank zu zeichnen. Hiermit begründen wir also die Sparbank der Bucht, und wir wünschen ihr eine blühende Zukunft! Ich sehe, Großnetzbesitzer Iversen, daß Ihr Euch einschreiben wollt?

Ja, ich möchte fünf Aktien zeichnen, erklärt Iversen.

Joakim schreibt seinen Namen auf. Joakim hat auch während Augusts Rede dann und wann geschrieben und die Hauptpunkte festgehalten, er schreibt jetzt entsprechend den einlaufenden Meldungen.

Ein fein aufgeputzter junger Mann gibt ein Zeichen, und August meldet laut: Kapitän Lyder Milde, Jacht »Rosa«, – wieviel?

Zehn Aktien, antwortet Milde.

Joakim schreibt.

Nun wollen wir sehen, murmelt August, wer der nächste ist.

Teodor, der Narr, meldet: Eine Aktie, – nur um mitzutun.

Unterdrücktes Gelächter in der Stube. Joakim wartet mit dem Schreiben.

Du sollst nicht herkommen und uns zum Narren halten, Teodor, sagt August. Hast du etwa heute in einem Monat neunzig Kronen?

Teodor: Das muß ich eben darauf ankommen lassen!

Hast du heute abend zehn Kronen bei dir?

Nicht gerade bei mir, aber –

Gelächter in der Stube. Teodors Name wurde nicht aufgeschrieben.

Fünfzig Aktien! meldet eine Stimme aus dem Winkel bei der Tür.

Fünfzig? Wer war das?

Edevart.

Wie – Edevart? Wer?

Edevart Andreassen.

Joakim wartete wiederum mit dem Schreiben. Pauline, die ebenfalls anwesend war, gab es einen ganzen Stoß, sie sah erschrocken und fragend von einem zum andern und begriff nichts.

Edevart? fragt Joakim und blickt zu August auf. Ist das blanker Hohn?

August richtet folgende Worte an den dunklen Winkel: Wenn du fünfzig Aktien nimmst, Edevart, so geschieht dies doch wohl deshalb, weil du das größte Zutrauen zu der Sparbank der Bucht hast. Aber denkst du auch daran, daß das fünftausend Kronen sind und daß fünfhundert heute abend eingezahlt werden müssen und der Rest heute in einem Monat?

Ja, erwiderte Edevart ruhig.

So bleibt nichts weiter übrig, als es aufzuschreiben, flüstert August, indem er sich zum Protokoll hinunterbeugt und so tut, als suche er etwas.

Joakim taucht die Feder ein, betrachtet sie eine Weile, taucht sie wiederum ein und schaut sie noch einmal an, ehe er schreibt.

Großes und aufrichtiges Erstaunen in der Stube. Edevart? Ist das nicht der gleiche, der Häuser für die Leute zimmert und seinen Tagelohn verdient, fast nichts redet und niemals lacht? Schaut diesen Heimtücker an, da ist er also doch triefend von Reichtum und Geld aus Amerika heimgekommen und wollte es nur nicht eingestehen! Fünftausend Kronen auf der flachen Hand, und dabei sitzt er genau so bescheiden und ruhig da wie immer! Pauline wurde kalt und blaß vor Rührung über den großen Bruder, sie gönnte ihm diesen Augenblick, es hatte sie gekränkt, daß die Bewohner der Bucht seit seiner Heimkunft etwas auf ihn herabgesehen hatten, jetzt fand er seine Genugtuung. Da war es ja kein Wunder, daß er sein Geschäft und seinen Laden nicht zurücknehmen wollte, sie schämte sich nun, ihm so sehr zugeredet zu haben. Aber sie würde schon noch abrechnen mit ihm, mit diesem Schelm, diesem Spitzbuben, schaut ihn doch an, diesen Fuchs, wie er dasitzt, als hätte er überhaupt nichts Besonderes getan!

Edevart schien die ganze Aktienzeichnung zum Stocken gebracht zu haben, es wurde still. August fragte: Wieviel haben wir jetzt?

Joakim: Fünfundsechzig.

Ein schönes Stück vorwärts! Jetzt du, Ezra, ich sehe dir schon an, daß du die nächsten fünfzig nehmen willst.

Ezra gab keine Antwort, er lächelte nicht einmal über diesen Scherz. Der Großbauer, der Erdknecht, er dachte einzig und allein an seinen Hof und seine Felder, an die Neusiedlung, wie sie immer noch genannt wurde, überlegte, wieviel Tiere er füttern und wieviel Ertrag er aus ihnen gewinnen könnte. Außerhalb dieser Gedanken gab es für ihn nichts; eine Bank in der Bucht, was für Zeug! Gab es hier denn irgendwelches Geld, um es in einer Bank anzulegen? Nein, Ezra antwortete nicht auf diesen Scherz, begriff ihn nicht einmal, er, der einmal solch ein Tollkopf gewesen war und in die Riggen der Jacht »Hermine« geklettert war und hoch über dem Mastknopf gestanden hatte, so daß die Leute unten den Atem angehalten hatten!

Karolus sollte es sein, der die Stille unterbrach. Aus lauter Großtuerei und um hinter niemand zurückzustehen, meldet er: Nein, die nächsten fünfzig werden wohl die meinen sein!

Karolus fünfzig Aktien, diktiert August feierlich.

Joakim nickt: Ja, dich, Karolus, schreibe ich sofort auf! Das darfst du auch getrost tun, sagt Karolus. Und für den Fall, daß ihr das Geld sofort haben wollt –

Nein nein, wehrt August ab, heute abend nur fünfhundert Kronen!

Rolandsen, der auf den Nachbarn mit seinen Verwandten aus dem Kaufmannsstand herabsieht, meldet: Zwanzig Aktien.

August: Wieviel haben wir jetzt?

Hundertfünfunddreißig.

Gut, sagt August. Wir möchten gern, daß so viele wie möglich mittun können, und da nun Edevart und Karolus und jetzt zuletzt auch Rolandsen so großartig gezeichnet haben, mußt du mich nur mit zehn Aktien eintragen, Joakim.

Joakim schreibt.

Mich auch mit zehn, meldet Pauline plötzlich, sie wird rot, sie greift sich hilflos an die Augen. Ach, es ist der große Bruder, der sie zu diesem Schritt veranlaßt hat, sie hätte sonst niemals daran gedacht, Aktien für die Sparbank der Bucht zu zeichnen.

Selbstverständlich schrieb Joakim sie auf, aber er konnte einen freundlichen Scherz nicht zurückhalten: Du wirst in die Direktion gewählt werden, Pauline!

Sie blieb die Antwort nicht schuldig: Wenn du es fertigbringst, fünf Aktien zu zeichnen, kommst du auch mit hinein.

Gut, – so trage ich mich also mit fünf Stück ein! sagte er mit einem etwas langen Gesicht. Er faßte sich aber rasch und bekam sich wieder in die Gewalt: Und nun haben wir – mit meiner Hilfe, versteht ihr – hundertsechzig erreicht.

August hielt Umschau.

Dreißig Aktien, meldet Gabrielsen mit den Verwandten aus dem Kaufmannsstand, er, der Deutsch konnte, der Käufer von Augusts feinstem Haus. August hat auf ihn gewartet, er war sicher gewesen, daß, wenn Nachbar Rolandsen sich mit zwanzig Aktien eintrug, Gabrielsen ihn überbieten würde, denn er war an Großes gewöhnt.

Wir kommen allmählich gefährlich nahe an zweihundert Aktien heran, bemerkt Joakim.

Teodor nennt wiederum seine Aktie und fragt, warum er nicht mittun dürfe. Wenn ich sie nicht bezahlen kann, so wird Roderik das gern tun. Er hat zweihundert Kronen.

August: Roderik ist nicht hier. Schweig still, Teodor! Haben wir nun hundertneunzig?

Ja, antwortet Joakim.

August wendet sich an Ezra und sagt: Willst du für die letzten zehn eingetragen werden?

Spannung in der Stube. Ezra, finster und mißmutig, ungemütlich, er sitzt unter einer ganzen Schar von Menschen, ist jedoch allein. Nein, gibt er zur Antwort.

Rolandsen meldet sich wieder: Gebt mir auch noch die letzten zehn Aktien, dann habe ich dreißig! Oh, Rolandsen war schlau, er wußte, was er tat, nun war ihm sein Nachbar Gabrielsen auch nicht mehr um Haaresbreite voraus, sie hatten beide jeder dreißig Aktien.

August: Hiermit haben wir die Summe voll gezeichnet. Jetzt gilt es, unsere zehn Kronen von hundert einzuzahlen: Großnetzbesitzer Iversen fängt an!

Iversen bezahlt, und Joakim notiert. Einer nach dem andern bezahlt, die meisten saßen schon mit dem Geld in der Hand da. Pauline beobachtete den großen Bruder, – nein, Edevart zierte sich nicht und versuchte sich nicht von seinem Wort zu drücken, im Gegenteil, er hatte das Geld schon hergerichtet, holte es nur aus der Tasche, ging hin und lieferte es ab. Schau einer diesen Geldsack an, diesen Heimlichtuer, wenn er die fünfhundert Kronen schon so aufgezählt bereit hatte, so geschah dies wohl, weil er nicht zeigen wollte, wieviel Geld er sonst noch besaß, wer weiß, vielleicht war es ein ganzer Berg von Geld –

Machte Karolus es ebenso? Drehte er sich zur Wand herum, ehe er das Geld herausholte? Nein nein, er scheute sich nicht, seine geschwollene Brieftasche herauszuholen und so offen darin zu wühlen, daß alle es sahen. Zähle es noch einmal nach, sagte er zu Joakim, und wenn es zuwenig ist, sollst du mehr bekommen!

Nein, Joakim hatte die Summe richtig erhalten und trug sie als bezahlt ein.

Selbst der junge Rolandsen blätterte und blätterte in seinen Scheinen, als sei es wirklich schwierig, ausgerechnet dreihundert Kronen unter ihnen allen zu finden. Der junge Rolandsen hatte übrigens verkrüppelte Fingernägel, und das sah häßlich und unschön aus, unheimlich. Verkrüppelte Fingernägel, – wo hatte er die her? Jedem, der sie sah, mußte es kalt über den Rücken laufen. Im übrigen aber war der Mann wirklich schön, mit weißem Kragen und einer goldenen Kette.

August legte seinen roten Hundertkronenschein mit einem Scherzwort auf den Tisch: Du mußt mir eine Quittung geben, Joakim!

Aber als die Reihe an Pauline kam, hatte sie kein Geld; einen Augenblick saß sie verschüchtert da, dann lief sie zur Tür und kam atemlos zurück, nun ebenfalls mit einem roten Schein, und Joakim sagte: Du hättest weiß Gott nicht in der Gegend herumzulaufen brauchen, Pauline, ich hätte dir das Geld leihen können!

Aber nun geschah es, daß Joakim selber mit fünfzig Kronen herausrücken sollte und sie gar nicht hatte. Die ganze Stube brach in Gelächter aus, und Joakim wurde über und über rot. Plötzlich stand er auf und wollte weglaufen.

Wo willst du hin? fragte August.

In der Gegend herumlaufen, um das Geld zu holen! jubelte Pauline.

August zog ihn wieder auf den Stuhl herunter, schob ihm einen Fünfzigkronenschein hin und sagte: Nimm den einstweilen. Du kannst doch das Protokoll nicht verlassen!

Endlich hatte auch Gabrielsen als letzter Mann bezahlt, das Geld lag auf einem Haufen, ganze zweitausend Kronen.

Was soll ich damit anfangen? fragte Joakim.

August: Kannst du es nicht einstweilen aufbewahren?

Joakim schüttelte immer noch gereizt den Kopf und fauchte: Ich will das Geld nicht anrühren!

Stille.

Dann mußt du so gut sein und das Geld an dich nehmen, Pauline, sagt August.

Pauline weigerte sich.

Jetzt meldete sich Karolus: Wenn er das Geld zu sich nähme, so wären das ja nur zweitausend Kronen mehr in seiner Tasche, also was das anbelange –

Nein, Pauline! erklangen Rufe, Pauline! Sie habe einen verschließbaren Schrank für die Post, sie habe die Versicherung, den Kramladen mit einem Schloß, das Kontor mit einem Schloß –

Pauline mußte nachgeben und das Geld in Verwahrung nehmen. Joakim rief zu ihr hinüber: Nun, wenn du meine fünfzig Kronen aufheben sollst, dann habe ich sie wohl zum letztenmal gesehen!

Nun hielt August eine abschließende Rede: Wir haben unser vorgesetztes Ziel erreicht, heute in einem Monat besitzen wir in der Bucht eine Bank mit zwanzigtausend Kronen. Eine kleine Bank natürlich, eine bescheidene Bank, die durch eine einzige große Anleihe schon erschöpft sein würde, aber es ist doch immerhin kein so schlechter Anfang. Mit der Zeit kann man weitere Einsätze in Erwägung ziehen, und da die Aktien heute abend so mühelos weggingen, kann es sein, daß wir uns einmal für weitere fünfzig- oder gar hunderttausend Kronen eintragen, ich schaue weit voraus. Für heute haben wir nun nichts anderes mehr zu tun, als dies zu unterschreiben.

Joakim: Wer soll unterschreiben?

August überlegte: Alle miteinander, alle Aktionäre, es sind ja nicht so viele. Wir fangen wiederum mit Großnetzbesitzer Iversen an!

Und so unterzeichneten alle Beteiligten das Protokoll, Rolandsen mit seinen verkrüppelten Nägeln mitten unter der Lampe. Auch Teodor drängte sich vor und wollte seinen Namen unterschreiben, wurde jedoch daran gehindert. August blieb auch weiterhin tätig, die Einwanderung in die Bucht nahm zu, und er mußte als leitende Person Bauplätze für die Fremden beschaffen. Karolus hatte nun seine ganzen Felder zerstückelt, beim letzten Verkauf war es einen Augenblick, als schlüge der Jammer über ihm zusammen, sein Herz schluchzte auf, und er sagte: Vielleicht hätten wir das nicht tun sollen, Ane Maria!

Sie: Was hätten wir nicht tun sollen? Was meinst du?

Er schüttelte den Kopf: Ja ja, nun sind alle unsere Äcker fort. Wir haben nur noch Weideland.

Ane Maria war furchtlos und antwortete so, wie sie es eben verstand: Wie war es denn in den letzten Jahren, hast du nicht immer gemurrt darüber, daß du pflügen mußtest? Du brachtest es allein nicht mehr fertig, mußtest fremde Hilfe nehmen. Davon bist du jetzt befreit.

Der friedliche und etwas träge Mann senkte den Kopf.

Ja ja, sagte sie da und tröstete ihn, du bist ja schließlich auch nicht mehr der Jüngste, um schwere Arbeit zu verrichten und in jeder Beziehung so zu sein wie früher.

Darin hatte Ane Maria recht, sie hatte immer recht. Im übrigen sei er wirklich nicht hinfällig, er sei für sein Alter noch durchaus jung genug, sowohl für sie als auch für die Arbeit, sie solle sich nur nicht beklagen! Und außerdem habe er jetzt beide Brusttaschen voller Geld, ob das etwa nichts sei? Wenn die Bank einmal eröffnet sei, wolle er daran denken, seine Taschen zu entlasten. Ane Maria solle jetzt wirklich nicht mehr so mannstoll sein, das schicke sich nicht für ihr Alter ...

Es gab viele, die auf die Eröffnung der Bank warteten, arme Leute, die bauten und auf eine Anleihe hofften, für die sie mit Haus und Grund haften wollten. Und August, als leitende und treibende Persönlichkeit und außerdem als der stets hilfsbereite Mensch, unterstützte diese Hoffnung: Du sollst deine Anleihe bekommen, sagte er, hab keine Angst! Und die minderbemittelten Leute bauten Wohnhäuser und wohnten darin.

Die Sparbank der Bucht wurde eröffnet. Man hatte einen Mann aus der Nachbarbank im Norden herkommen lassen, um die Bewohner der Bucht in die Bankgeschäfte einzuweihen, und es gab viele, die die günstige Gelegenheit ausnützten, in diesem vornehmen Fach unterrichtet zu werden. Dieser Unterricht fand in Joakims Stube statt, der Lehrer ließ die Leute rechnen und schreiben; um ihnen die Sache jedoch zu erleichtern, hatte er auch ein Formularbuch und einige Tabellen über Zinsrechnung mitgebracht, in denen sie nur nachzuschlagen brauchten. Joakim selber wollte nichts zu tun haben mit dem ganzen Bankbetrieb, er weigerte sich sogar, zu schreiben, und saß nur still und schweigsam daneben, als der geringe Aktionär, der er war. So wurde der junge Rolandsen, der sich im Rechnen und in der Buchführung als am weitesten fortgeschritten erwies, vorläufig zum Chef und Hauptleiter der Bank ernannt; da er jedoch fremd in der Gemeinde war, sollte ihm ein Rat von drei Aktionären zur Seite gestellt werden. Der erste Rat wurde Karolus als der große Aktienbesitzer, ferner August als schlechthin unentbehrliche Persönlichkeit, und schließlich Pauline, weil sie das Geld in ihrer Verwahrung hatte.

Eine geradezu fieberhafte Bautätigkeit setzte eigentlich erst mit Eröffnung der Bank ein. Anleihen wurden willig gewährt, die Einwanderung in das Märchenland der Bucht fand in wilden Sprüngen statt, – wo konnte man bauen, wo war ein Bauplatz aufzutreiben? Manche Grundbesitzer konnten nichts abgeben, andere, wie Joakim, der Ortsvorsteher, wollten auch nicht einen Quadratfuß Land veräußern, sei nur still, August! Es gab noch einige kahle Klippen, auch sie wurden besetzt, obgleich man die Häuser dort nicht unterkellern konnte, ohne den Fels zu sprengen. Aber selbst vor dieser Ausgabe schreckten die Leute nicht zurück, auf dem Meer draußen wurden etliche Heringsschwärme eingeschlossen, das machte einen jeden frech und kühn, das Geld ging von Hand zu Hand, es kam ein förmliches Fieber auf.

Und wie die Bucht wuchs! Seht doch alle Häuser an, alle schön und neu, manche bereits gestrichen, ja einige mit einer Flaggenstange, eine Straße, die zu den Schiffshütten hinunterführte, eine Stadt, aus allen Schornsteinen stieg der Rauch, die Bevölkerungszahl nahm zu, es waren fast lauter junge Menschen, jung Verheiratete, es wimmelte von Kindern, frohe Rufe und Gelächter durchschnitten die Luft, – nein nein, August war nicht der Mann, der sich auf den Stuhl setzte und der rasenden Entwicklung zusah, zu der er den Anstoß gegeben hatte, er legte auch mit Hand an, er half nach.


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