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XXI.
Der schwarze Fluß

Das Rasthaus von Billahul-Oya und seine Umgebung. – Opferfackel-Bach. – Bergbäche. – Wunderwerke der Tropenflora. – Riesenlianen. – Brücken über Wasserfälle. – Blutegel. – Fahrt im Ochsenkarren von Pillahul-Oya nach Ratnapura. – Gewitter in der Gebirgsschlucht von Madula. – Die Stadt der Edelsteine. – Bootsfahrt aus dem Kalu-Ganga. – Pracht der Urwälder. – Tierleben. – Stromschnellen. – Ankunft in Caltura.


 

Voll von den herrlichen Eindrücken der Gebirgsreise durch das Hochland von Ceylon nahm ich am »Ende der Welt« von ihm für immer Abschied und stieg am 25. Februar von Nonpareil nach dem ersten Dorfe des Talgrundes, nach Villahul-Oya, hinab. Dasselbe liegt bereits an der »großen Kaffeestraße«, die von den südöstlichen Kaffeedistrikten, aus der Gegend von Badula, den Kaffee westwärts nach Ratnapura führt. Die Straße ist stets mit zahlreichen großen Ochsenkarren bedeckt, welche die Kaffeesäcke abwärts oder umgekehrt die Kulturbedürfnisse der Kaffeepflanzer aufwärts schaffen. Bei Ratnapura wird der Kalu-Ganga, der große »schwarze Fluß« von Ceylon, schiffbar. Hier wird der Kaffee in großen Booten verschifft, die denselben flußabwärts bis zu dessen Mündung bei Caltura führen, und von hier endlich gelang er auf die Eisenbahn nach Colombo.

Ich hatte mit meinem Freunde Trimen beschlossen, für unsre Rückreise nach Colombo diesen Kaffeeweg zu wählen (den er ebenfalls noch nicht kannte) und zunächst von Villahul-Oya mit dem Ochsenkarren nach Ratnapura zu fahren, von dort zu Boot den schwarzen Fluß hinab nach Caltura, und dann mit der Eisenbahn nach Colombo. Die ganze Fahrt erwies sich als höchst lohnend, und sowohl die beiden interessanten Tage im Ochsenkarren, als besonders die wundervolle Flußfahrt bereicherten uns mit einer Reihe der schönsten Bilder, ein würdiger Abschluß der gelungenen Gebirgsreise.

Das kleine Dorf Villa-Hul-Oya (d. h. wörtlich »Opfer-Fackel-Bach«) führt seinen Namen von dem prächtigen Gebirgsbache, der hier in rauschenden Wasserfällen aus einer großartigen Schlucht des südlichen Gebirgsabsturzes hervorbricht und sich mit einem kleineren, vom »Ende der Welt« direkt herabkommenden Bache, sowie mit mehreren andren Bächen vereinigt. Die engen felsigen Betten dieser wilden Bäche sind mit der prachtvollsten Vegetation geschmückt und von steilen, himmelhohen Talwänden überragt, die der ganzen, nach Westen geöffneten Landschaft einen höchst großartigen Charakter verleihen. Schon beim Hinabsteigen von Nonpareil hatte uns dieselbe so entzückt, daß wir ein paar Tage an diesem herrlichen Orte zu bleiben beschlossen. Das Rasthaus des Dorfes liegt sehr schön an der steinernen Brücke, die den Bach überwölbt und ist von einer gewaltigen Tamarinde überschattet; einen großartigen Hintergrund darüber bildet das Felsenamphitheater vom »Ende der Welt«. Die Verpflegung in dem komfortablen Rasthause fanden wir auch verhältnismäßig recht gut; wenigstens kam es uns nach den Entbehrungen in der Steinhütte von Horton Plain's so vor. Wir entließen demzufolge hier den ganzen Troß unsrer Kulis und behielten bloß ein paar Diener bei uns, die uns bis Caltura begleiten sollten. Die Kulis nahmen ihren direkten Rückweg nach Kandy und Nurellia über den Adams-Pik.

Während Dr. Trimen die reiche Flora in der Umgebung von Villahul-Oya untersuchte und durch die Entdeckung mehrerer neuer interessanter Pflanzenarten belohnt wurde, machte ich allein einige Exkursionen in die verschiedenen Täler und bereicherte mein Skizzenbuch mit mehreren Aquarellen. Ich bedauerte nur, daß ich hier nicht mehrere Wochen, statt weniger Tage bleiben konnte. Denn die tropische Vegetation, an deren Reize ich nun doch schon seit mehr als drei Monaten gewöhnt war, schien hier am südlichen Fuße des zentralen Hochlandes ihre höchste Entfaltung zu erreichen. Da die brennende Tropensonne hier ihren mächtigsten Einfluß ausübt und gleichzeitig die Menge der atmosphärischen Niederschläge an der gewaltigen Gebirgsmauer überaus groß ist, so bringt die vereinte Wirkung von größter Hitze und Feuchtigkeit eine Üppigkeit des tropischen Pflanzenwuchses hervor, die vielleicht von keiner andren Stelle der Erde übertroffen wird. Indem ich stundenweit dem Laufe der Bäche folgte und in den steilen Felsenschluchten umherkletterte, stieß ich auf Wunderwerke der Ceylonflora, die alles bisher Gesehene übertrafen. Insbesondere waren es wieder die parasitischen Kletter- und Schlingpflanzen, die meine höchste Bewunderung erregten. Mächtige Baumstämme von mehr als ein Fuß Dicke winden sich hier korkzieherartig um die zylindrischen Säulenstämme von andren Baumriesen, die mehr als hundert Fuß Höhe erreichen; in ähnlicher Weise wie bei uns die zarte Waldrebe oder der wilde Wein mit ihren bindfadendünnen Kletterstengeln sich um den Stamm von schlanken Buchen oder Tannen emporwindet. Von den gewaltigen Kronen hoher Terminalien und Dillenien hängen grüne Mäntel herab, die aus einem förmlichen Flechtwerke von verwachsenen Lianen bestehen, und oft bedecken die goldgelben Blüten der letzteren die Krone der ersteren in solcher Ausdehnung, daß man sie nicht für die Blüten der Schmarotzer, sondern ihrer Wirte hält. Unzweifelhaft der großartigste dieser Parasiten ist jedoch der berühmte »Maha-Pus-Wael«, der »große hohle Kletterer« ( Entada Pursaetha); seine reifen Schoten sind volle fünf Fuß lang und einen halben Fuß breit und enthalten schöne braune Bohnen von solcher Größe, daß die Singhalesen sie aushöhlen und als Trinkbecher benutzen.

siehe Bildunterschrift

VII.
Lianen am schwarzen Flusse.

An den bewaldeten Ufern des Kalu-Ganga oder schwarzen Flusses sind Kletterpflanzen von den seltsamsten phantastischen Formen zu finden: so hier rechts im Bilde ein Gewirr von mächtigen, schlangenartig gewundenen Lianenstämmen, die einen großen, vom Ufersaum aufstrebenden Baum umschlungen und fast erwürgt haben. An dem überhängenden Aste des letzteren (unter dem eine Singhalesenhütte durchschaut) hängen Girlanden von verschiedenen Schlingpflanzen durcheinander. Links sind die hohen Stämme von zwei Bäumen ganz eingehüllt von den dichten (in dieser Kegelform sehr häufigen) Laubmänteln andrer Lianen.

Nicht minder herrlich als dieses Dschungel mit seinen mannigfältigen Parasiten ist auch die niedere Flora, die in üppigster Entwicklung die Felsen der rauschenden Bäche bekleidet. Hier zeichnen sich besonders edle Farne mit zierlichen Fiederblättern von zehn bis zwölf Fuß Länge aus, ferner Balsaminen, Aroideen und Gewürzlilien, die mit den prächtigsten großen Blüten geschmückt sind. Eine besondere Zierde der Bäche ist hier eine kleinere Pandanusart ( P. humilis?), die kleinen Zwergpalmen ähnlich sehen und in Menge auf den Steinen im Bache wachsen. Die Lianen an dem Buschwerke, das die Bachufer überhängend säumt, bilden ein so dichtes und undurchdringliches Gewebe, daß man nur im Bette der Bäche selbst vorwärts kommen kann. Allerdings reicht das Wasser oft bis über den Gürtel: aber bei der Temperatur von 22-24° R erscheint das fortgesetzte Baden in demselben als eine höchst angenehme Erfrischung.

Größere Schwierigkeiten bereitete meinen Exkursionen der Hauptbuch des Tales, der zu den bedeutendsten Zuflüssen des schwarzen Flusses gehört und hier aus dem Zusammenflusse mehrerer kleiner Bäche entsteht. Durch die finden Regengüsse, die an den vorhergehenden Tagen im Hochlande stattgefunden hatten, war derselbe so sehr angeschwollen, daß er eine Reihe von hübschen Wasserfällen bildete und seine Wassermassen unter lautem Brausen schäumend über die gewaltigen Granitblöcke des Flußbettes fortwälzte. Hier war nicht mehr daran zu denken, im Flußbette selbst aufwärts zu klettern, und ich war gezwungen, als Brücken die nackten Baumstämme zu benutzen, die von einem Ufer zum andern gelegt waren. Mit einigem Gruseln erinnere ich mich hier einer solchen Notbrücke, die ungefähr eine Stunde unterhalb Billahul-Oya hoch über einen rauschenden Wasserfall führte. Ich war spät am Abende, aus dem Rückwege von einer weiteren Exkursion gezwungen, dieselbe zu passieren, um noch vor Anbruch der Nacht auf das jenseitige Ufer zu gelangen. Als ich mitten über dem tosenden Wasserfalle war, fing der ziemlich dünne Baumstamm, über den ich langsam und vorsichtig balancierte, dergestalt zu schwanken an, daß ich es für das geratenste hielt, meine aufrechte Stellung aufzugeben, mich langsam auf den Stamm niederzulassen und den Rest des Weges im Reitsitze zu passieren; ich atmete ordentlich auf, als ich mit Aufgebot aller meiner Turnkünste das andre Ufer glücklich erreicht hatte. Allerdings hatte ich nun das Vergnügen, im Dunkeln noch eure halbe Stunde durch überschwemmte Reisfelder zu waten. Als ich schließlich halb mit Schlamm bedeckt im Rasthause anlangte, zeigten mir die langen Blutstreifen an den Beinkleidern deutlich, daß die entsetzlichen Blutegel wieder ihr Werk begonnen hatten; ich las ihrer mehrere Dutzend von den Beinen ab. Diese schreckliche Landplage, die im Hochlande glücklicherweise ganz fehlt, begann hier im heißen feuchten Tieflande sofort wieder ihre Qualen; ich habe an wenigen andren Orten von Ceylon so sehr von den Landblutegeln gelitten, als in den wundervollen Wäldern und Schluchten von Billahul-Oya.

Die Fahrt im Ochsenkarren von Billahul-Oya nach Ratnapura nimmt zwei volle Tage in Anspruch; und da die Ochsen während der heißen Mittagszeit mehrere Stunden rasten müssen, brachen wir schon morgens früh um 4 Uhr auf. Die erfrischende Kühle der reinen Morgenluft und der außerordentliche Glanz der funkelnden Gestirne am tiefblauen Firmamente ist in diesen Tälern ganz wundervoll, und wir gingen mehrere Stunden lang neben den bedächtigen, großen Zebustieren unsres langsam fahrenden zweirädrigen Karrens einher, ehe die zunehmende Hitze der steigenden Sonne uns zwang, unter dessen breitem Dache Schutz zu suchen. Dieses gewölbte Dach aus Palmenmatten bietet genügenden Raum für sechs bis acht Personen, und wir konnten uns auf ausgebreiteten Matten unter demselben ganz bequem lagern, obgleich die Stöße des federlosen Karrens auf die Dauer etwas angreifend wurden.

Die Landschaft ist auf dieser ganzen Strecke voll hoher Schönheit. Der Weg zieht sich anfangs noch lange am Südabhange des Hochlandes hin, dessen gewaltige Gebirgsmauern die Ketten der niedrigeren waldbedeckten Vorberge hoch überragen. Die fruchtbare Talebene an ihrem Fuße erweitert sich allmählich und ist teils mit Reisfeldern, teils mit Pflanzungen von Mais, Kassawen, Bananen und andren Nutzpflanzen bedeckt. Hübsche Waldpartien, mit diesen wechselnd, hier und da ein malerisches Dorf, ein Wasserfall des immer stärker werdenden Baches, bringen Mannigfaltigkeit in das anmutige Bild. Papageien und Affen auf den Bäumen, Büffel und Reiher auf den Wiesen, Eisvögel und Kraniche an den Bächen sorgen für bunte Staffage. Auch die Straße selbst ist sehr belebt, teils durch Singhalesen, teils durch Ochsenkarren.

Nach heißer, achtstündiger Fahrt rasteten wir am ersten Mittage in Madula, einem kleinen Dorfe, das sehr malerisch in einer engen Waldschlucht liegt. Ich erquickte mich alsbald durch ein herrliches Bad in dem nahen Gebirgsbache; sein Genuß wurde nur durch Scharen kleiner Fische (Cyprinodonten?) beeinträchtigt, die in dichten Haufen energische Angriffe auf den seltenen Badegast richteten; leider gelang es nur nicht, einen der kleinen flinken Räuber zu fangen, trotzdem sie unaufhörlich aus ihrem felsigen Verstecke hervorschossen und mit ihren kleinen Mäulchen mutig zu beißen versuchten. Nach dem Mittagsessen kletterte ich in das steinige Bett des Hauptbaches hinab, dessen steile Felsenufer mit dem schönsten Hochwalde geschmückt und mit den üppigsten Schlingpflanzen phantastisch dekoriert waren. Gleich natürlichen Seilbrücken rankten sich mächtige Stämme von wildem Weine ( Vitis indica?) in hohem Bogen von einem Ufer zum andern, und es gewährte ein prächtiges Schauspiel, eine Affenherde, die ich aufgescheucht hatte, eben so geschwind als gewandt über diese Lianenbrücke unter lautem Geschrei hinübervoltigieren zu sehen. Ich kletterte in dem schäumenden Wasser über die glatten Felsen noch eine Strecke weiter, wo ein paar Riesenbäume erster Größe (Terminalien?) wie Säulen zum Himmel emporstrebten, mit mächtigen Lianen wie mit Kränzen und Girlanden geschmückt. Während ich eine Skizze der wilden Szenerie aufnahm, entluden sich die inzwischen gesammelten Wolken in einem heftigen Gewitter. Die gewaltigen Blitze durchzuckten das finstere Waldtal Schlag auf Schlag, und der Widerhall der Donnerschüsse, einem starken Artilleriefeuer gleich, war so heftig, daß ich meinte, die mächtigen Felsenblöcke erzittern zu sehen. Der folgende Regenguß war von solcher Heftigkeit, daß das Wasser in zahllosen Bächen von den Felsenkanten herabstürzte, und ich fürchtete, mein ganzes Malzeug durchnäßt zu sehen. Aber der tausendjährige Feigenbaum, unter dessen ungeheuerer Krone ich Schutz gesucht hatte, trug ein so dichtes Blätterdach, daß nur einzelne Tropfen dann und wann durchschlüpften, und ich mein Aquarell unbehelligt vollenden konnte. Über eine Stunde hielt der gewaltige Regenguß an; als ich nach Aufhören desselben zum Rasthause wieder hinaufkletterte, hätte ich beinahe einen schönen Fang an einer stattlichen, über sechs Fuß langen Schlange gemacht, die von einem überhängenden Baumzweige herabglitt. Sie entschlüpfte jedoch rasch zwischen den angehäuften Blättermassen, ehe ich ihr mit dem Jagdmesser den Garaus machen konnte. Zum Ersatze dafür erbeutete ich hier mehrere riesengroße, stachelige Spinnen ( Acrosoma?), die mit ihren dünnen behaarten Beinen spannenlang waren. Außerdem schoß ich ein paar hübsche grüne Papageien, von denen ein ganzer Schwarm laut schreiend vorüberflog.

Die ersten Nachmittagsstunden, in denen die siegreiche Sonne das frischgewaschene Waldtal mit tausend glitzernden Diamanten schmückte, waren von entzückender Schönheit. Später brach leider der Regen von neuem los und zwang uns, im Ochsenkarren Schutz zu suchen. Wir begegneten vielen Singhalesen, die unverdrossen im strömenden Regen mit stoischem Gleichmute weiter marschierten, aber ein großes Caladiumblatt über dem Haupte hielten, um ihren teuren Zopf und Kamm vor Nässe zu schützen. Erst spät am Abende gelangten wir nach Pelmadula, einem größeren schön gelegenen Dorfe, in dem wir übernachteten.

Von Pelmadula an wird die Gegend offener und flacher. Die gewaltigen Bergmassen des eigentlichen Hochlandes treten mehr zurück, wogegen niedrigere Hügelreihen sich mehr geltend machen. Unter den ersteren ragt dominierend über seine ^Nachbarn der Adams-Pik hervor, obwohl er von dieser südlichen Seite bei weitem nicht so großartig erscheint, als von der östlichen und nördlichen Seite. Die Vegetation nimmt hier schon mehr und mehr den Charakter an, den sie im ganzen südwestlichen Teile der Insel beibehält. Insbesondere erfreuten wir uns wieder an dem Schmucke der herrlichen Palmen, deren Anblick wir im Hochlande ganz entbehrt hatten.

Da wir am 28. Februar sehr frühzeitig von Pelmadula aufgebrochen waren, trafen wir in Ratnapura schon mittags bei guter Zeit ein und konnten noch mehrere Stunden auf den Besuch dieses Ortes und seiner nächsten Umgebung verwenden. Letztere ist sehr schön; das Tal, das sich hier zu einem stattlichen, rings von Bergen umschlossenen Kessel erweitert, ist gut kultiviert und mit der üppigsten Vegetation geschmückt. Dagegen bietet der Ort selbst nur wenig, und wenn man aus seinem stolzen Namen: »Stadt der Edelsteine« etwa auf eine besondere Pracht schließen wollte, so würde man arg enttäuscht sein. Jener Name rührt von den zahlreichen Edelsteinen her, durch deren Reichtum diese Gegend seit Jahrhunderten berühmt ist; sie finden sich sowohl im Gerölle der Flüsse und Bäche, als in dem moorigen Grunde des Talbodens; und noch jetzt gibt es hier berühmte Edelsteingruben, obwohl der Ertrag derselben bei weitem nicht mehr so groß ist, als früher. Im Orte selbst sieht man auch viele Läden, in denen dergleichen verkauft werden, und viele Indo-Araber ( »Moormen«), die sich mit ihrer Bearbeitung und Schleifung beschäftigen. Doch nimmt auch hier schon die Zahl der künstlichen Imitationen neuerdings sehr zu, und wahrscheinlich werden schon jetzt in Ratnapura (ebenso wie in Colombo und Puntogalla) viel mehr geschliffene, aus Europa importierte, bunte Gläser verkauft, als echte, daselbst gefundene Edelsteine. Die Kunst der Nachahmung ist jetzt so vervollkommnet, daß selbst Mineralogen und Juweliere von Fach ohne nähere physikalische und chemische Untersuchung die echten und unechten Produkte oft nicht unterscheiden können.

In der Mitte von Ratnapura, auf dem rechten (nördlichen) Ufer des schwarzen Flusses, steht unter einem prächtigen, uralten Tamarindenbaume ein hübscher Brunnen. Östlich davon erhebt sich auf einem Hügel das alte holländische Fort, dessen weitläufige Bauten jetzt als Gerichts- und Verwaltungslokale der Regierungsbehörden benutzt werden. Am Fuße des Hügels dehnt sich der Basar aus, eine lange Doppelreihe von einstöckigen Hütten, in deren Läden hauptsächlich Lebensmittel, Gewürze und Hausgerät neben den Edelsteinen feilgeboten werden. Einige andre Gruppen von Hütten längs des Flußufers und eine Anzahl von freundlichen Bungalows der englischen Beamten, die, von hübschen Gärten umgeben, in der parkähnlichen Talfläche zerstreut liegen, bilden mit jenem Basar und dem Fort zusammen das, was man die »Stadt der Edelsteine« nennt. –

Am 1. März fuhren wir von Ratnapura den schwarzen Fluß hinab, den Kalu-Ganga, der hier erst schiffbar wird. Nächst dem Mahawelli-Ganga (der ostwärts fließt und bei Trinkomalie mündet) ist er der größte, stattlichste und schönste Fluß von Ceylon, obwohl der bei Colombo mündende Kelany-Ganga ihm fast gleichkommt. In der Nähe des Rasthauses von Ratnapura befindet sich der Hafen des Ortes, d. h. die Stelle, an der die Flußschiffahrt beginnt und eine große Menge Boote vor Anker liegen. Die meisten dieser Kähne sind »Kaffeeboote«, die den aus den östlichen Kaffeedistrikten hierher geschafften Kaffee stromabwärts nach Caltura befördern, und die leer (oder nur schwach mit Importartikeln beladen) den beschwerlichen Rückweg machen. Die Boote sind entweder Doppelkanoes, aus zwei parallelen, hohlen Baumstämmen bestehend, die durch die Querbalken und übergelegte Bretter fest verbunden sind, oder mit einem sehr breiten und ganz flachen Boden ausgestattet, ohne Kiel. Vorder- und Hinterteil sind gleich gebaut. Stets sind sie mit einem ansehnlichen und wasserdichten Dache aus Palmen- oder Pandangmatten versehen, die über Bambusbögen ausgespannt sind. Der saalartige Raum unter diesem Dache, nur vorn und hinten geöffnet, ist so geräumig, daß auf den kleineren Booten 8-10, auf den größeren 20-30 Leute bequem darin lagern können. Auf den größeren Booten ist der Raum oft durch quer gestellte Mattenwände in mehrere Abteilungen getrennt. Wir mieteten ein kleines Doppelkanoe mit vier Ruderern.

Bei hohem Wasserstande und gutem Wetter kann man die ganze Fahrt auf dem schwarzen Flusse, von Ratnapura bis zur Mündung bei Caltura, in einem einzigen Tage zurücklegen, während man bei niederem Wasserstande oder schlechtem Wetter dazu zwei bis vier Tage braucht. Durch die heftigen Regengüsse der letzten Tage waren die Zuflüsse plötzlich so angeschwollen, daß wir den Vorteil eines sehr hohen Wasserstandes genossen und die ganze Fahrt ununterbrochen in achtzehn Stunden zurücklegten. Wir fuhren morgens 6 Uhr von Ratnapura ab und waren um Mitternacht in Caltura. Ich bedauerte diese Schnelligkeit nachher sehr; denn die Szenerie des Flusses erwies sich fast überall so prachtvoll, daß ich gern die doppelte und dreifache Zeit auf ihren Genuß verwendet hätte.

Unsre Stromfahrt war vom schönsten Wetter begünstigt, und ich werde nie die wunderbare Reihe von prachtvollen Bildern vergessen, die hier wie in einer Laterna magica an mir vorüberzog. Ich war neben meinem Freunde Trimen ganz vorn im Boote auf einer Palmenmatte bequem gelagert und durch das vorspringende Dach gegen die Sonne geschützt, während unsre Diener und Schiffsleute den mittleren und hinteren Teil einnahmen. Hier wurden auch unsre frugalen Mahlzeiten bereitet, bestehend aus Tee, Reis und Curry, Bananen und Kokosnüssen; als besondere Würzen dienten ein paar Konservenbüchsen und Schokoladentafeln, die nur bis zuletzt aufgespart hatten.

Die dichten Massen des überhängenden dunkelgrünen Laubes und der schwarze Spiegel, den ihr tiefes Dickicht am Ufer im Wasser hervorruft, haben dem Kalu-Ganga, dem »schwarzen Flusse«, seinen bezeichnenden Namen gegeben. Das Wasser selbst ist bei niederem Wasserstande dunkelgrün oder schwärzlichbraun, bei hohen: Wasserstande gelbbraun bis rotbraun, infolge der großen Mengen gelben oder roten Lehmes, die die Regengüsse hinein führen. Unmittelbar am Ufer liefern schroffe Felsen und mannigfaltige Steingruppen, überhängende Zweige und entwurzelte Baumstämme dem Landschafter den schönsten Vordergrund für seine Skizzen; den erhabensten Hintergrund bilden die schöngeformten Gipfel der Berge, die, in blauen Nebelduft getaucht, weit höher erscheinen, als sie wirklich sind.

Der weitaus größte Teil des Flußufers ist anscheinend von dichten Waldmassen gebildet; Aralien und Terminalien, Dillenien und Bombazeen, Rubiazeen und Urtizeen machen ihren wichtigsten Bestandteil aus. Mit den: ernsten Duukelgrün dieses Waldes wechselt in anmutiger Weise das heitere Lichtgrün der Bambusen, deren orangegelbe, vierzig bis fünfzig Fuß hohe Rohrstämme sich in dichten Büschen erheben und die zierlichen Federkronen gleich den Büscheln riesiger Straußenfedern über das Wasser neigen. Daneben verraten uns Kokos und Areca, Talipot und Kittulpalmen, hier und da auch eine Pflanzung von Bananen und Kassawen, daß hinter dem Ufergebüsche auch Leute hausen, und daß die Flußufer keineswegs so wild und unbewohnt find, wie ihr Waldsaum es vorspiegeln möchte. Seltener stehen einsame singhalesische Hütten einzeln auf einem Felsenvorsprunge des Ufers selbst, und noch seltener bezeichnet die weiße Kuppel einer Dagoba die Nähe eines kleinen Dorfes.

Auch das Tierleben trügt in mannigfaltiger Weise zur Belebung der reizenden Flußlandschaft bei. In der Nähe der singhalesischen Hütten treiben sich zahme, schwarze Schweine am Ufer umher und wühlen an den Wurzeln der Bäume. Große, schwarze Büffel wälzen sich auf Sandbänken oder am seichteren Ufer im Schlamme und lassen nur den Kopf über das Wasser hervorragen. Wo hingegen eine längere Strecke einsamen Waldes folgt, zeigen große Scharen von schwarzen Affen ihre bewunderungswürdigen Turnkünste und springen unter lautem Geschrei von einer Baumkrone zur andern. Hier und da erscheint ein riesiger, uralter Feigenbaum, dessen hohe entblätterte Äste dicht mit Flederfüchsen behangen sind. Auf den überhängenden Zweigen am Ufer sitzen prächtige blaugrüne Königsfischer oder Eisvögel und stürzen sich tauchend auf die vorbeischwimmenden Fische; Schnepfen, Reiher, Wasserläufer und andre Stelzvögel fischen an seichteren Stellen und auf den Sandbänken watend. Die Kronen der Bäume sind von den munteren Scharen der grünen und roten Papageien belebt. Bisweilen zeigt sich auch der schöne »Paradiesvogel von Ceylon« mit seinen beiden langen, weißen Schwanzfedern. Krokodile waren früher im schwarzen Flusse sehr häufig, sind aber jetzt größtenteils durch den zunehmenden Verkehr der Kaffeeboote verdrängt worden. An ihrer Stelle sonnen sich auf den Felsen im Strome die grünen Rieseneidechsen, die »Cabra-Goya«. Ruch an großen Flußschildkröten, die ihre Eier auf den Sandbänken ablegen, fehlt es nicht. Von Fischen sieht man in dem trüben, undurchsichtigen Wasser wenig, obwohl welsartige (Siluroiden) und karpfenartige (Cyprinoiden) sehr häufig sein sollen; hier und da sitzt am Waldesrande ein einsamer Singhalese, der angelt oder mit dem Schöpfnetze fischt. Von Insekten sind namentlich prachtvolle große Schmetterlinge und metallglänzende Wasserjungfern oder Drachenfliegen zu erwähnen; Stechfliegen und Moskitos, die zu andern Jahreszeiten äußerst lästig sein sollen, waren während unsrer Fahrt erträglich.

Die interessanteste Episode unsrer herrlichen Flußfahrt war die Passage der gefürchteteu Stromschnellen oder » Rapids«, die ungefähr Halbwegs zwischen Ratnapura und Caltura der Schiffahrt auf dem schwarzen Flusse ein gefährliches Hindernis bereiten. Der Kalu-Ganga bricht sich hier gewaltsam Bahn durch mehrere Felsenbarren, die das Flußtal gleich queren Riegeln durchsetzen; die hohen Ufer treten enger zusammen, und unter lautem Brausen stürzt bei eingeengte Fluß schäumend zwischen einzelnen Felsen hindurch; das Gefälle ist hier auf kurzen Strecken sehr beträchtlich. Au der gefährlichsten Stelle mußte unser Boot vollständig ausgeladen und alle Sachen einzeln eine Strecke weit am Ufer hinabgetragen werden; wir selbst kletterten über mächtige Granitblöcke an das untere Ende der Stromschnelle. Eine Einzahl Eingeborener sind hier beständig stationiert, um die entleerten Boote über die schäumenden Wasserfälle hinab und herauf zu schaffen. Ein halbes Dutzend derselben, unter ihnen ein riesiger schwarzer Tamil von mehr als sechs Fuß Länge und herkulischem Körperbau, sprangen unter lautem Geschrei mitten in die schäumende Flut und wußten das leere Boot so geschickt durch das enge Tor hindurchzuleiten, daß es ohne alle Beschädigung zwischen den zackigen Klippen hindurchschoß. Einige Stunden unterhalb dieser Stromschnellen erweitert sich das Flußbett bedeutend und geht allmählich in die flache Ebene des westlichen Küstenlandes über. Das Gefälle wird hier bald sehr schwach, und unsre Bootsleute hissten ein großes viereckiges Segel auf, um durch die Hilfe des sausten Abendwindes die Ruderarbeit zu fördern. Bald nach Einbruch der Dunkelheit ergoß der ausgehende, nahezu volle Mond sein sanftes Licht über die weite spiegelnde Wasserfläche und warf glitzernde Strahlen durch die Kronen der Bäume. Der schwarze Fluß erscheint hier im untersten Teil seines Laufes nicht weniger stattlich als der Rhein bei Köln. Nur die glockenähnlichen Stimmen kleiner Laubfrösche und das monotone Plätschern der Ruder unterbrach die lautlose Stille der Nacht, dann und wann der melancholische Schrei einer Eule oder das Grunzen eines Affen. Die ganze Natur schien sanft entschlafen, als wir endlich nach Mitternacht in Caltura landeten.


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