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XVI.
Die Kaffee-Distrikte des Hochlandes

Ausdehnung und Höhe des Gebirgslandes. – Ausrottung der Urwälder. – Ausbreitung der Kaffeekultur. – Elefanten-Korral. – Adams-Pik. – Wanderungen durch die Kaffeepflanzungen. – Tamil-Kulis. – Dravidarasse. – Wallaha. – Gastfreundschaft der englischen Kaffeepflanzer.


 

Den letzten Monat meines Aufenthaltes auf Ceylon hatte ich beschlossen, einem Besuche des Hochlandes zu widmen. Die Flora und Fauna desselben, wie sein Klima und sein gesamter Naturcharakter ist von demjenigen des Tieflandes so verschieden, daß beide zwei weit entfernten Weltteilen angehören könnten. Wenn man in einer einzigen Tagereise die sechstausend Fuß aus den Palmengärten des Unterlandes zu den Urwäldern des Oberlandes emporsteigt, so ist der Unterschied im Klima und in der Szenerie nicht geringer, als wenn man plötzlich aus den Urwäldern Brasiliens auf die Hochebenen von Peru, oder aus den Dattelhainen Ägyptens auf die blumenreichen Matten unsrer Alpen versetzt würde.

Das Hochland von Ceylon nimmt ungefähr den vierten Teil seines gesamten Flächeninhalts ein und hat eine durchschnittliche Höhe von 4–6000 Fuß über dem Meeresspiegel; nur die höchsten Erhebungen steigen bis 7000 und 8000 Fuß empor. Die nördliche Hälfte der Insel ist ganz flach. In der südlichen Hälfte erhebt sich das Oberland ziemlich steil und abgeschlossen als ein zusammenhängendes Bollwerk von Urgebirge, dessen östliche und südliche Gehänge weit schroffer sind als die westlichen und nördlichen. Der flache Ring des Unterlandes, der dasselbe umgibt und vom Meere trennt, ist auf der östlichen Seite doppelt so breit als auf der westlichen. Eine Senkung der Insel um wenige hundert Fuß würde genügen, drei Viertel derselben unter Wasser zu setzen; das Hochland allein würde als letztes Viertel steil aus dem Spiegel des Ozeans sich erheben. Der gewaltige Felsenleib desselben besteht fast ausschließlich aus kristallinischen Gesteinen, ganz vorwiegend Gneis. An einzelnen Stellen ist dieser von Granit, an andren von Trachyt und Basalt durchbrochen.

Noch im Anfange unsres Jahrhunderts war das Hochland von Ceylon zum größten Teile ganz unbekannt. Auf der Karte, die 1813 der Regierungsingenieur Schneider veröffentlichte, sind nicht weniger als zwei Drittel vom ganzen Königreiche Kandy durch einen weißen Fleck bezeichnet. Als im Jahre 1817 Doktor Davy (der Bruder des berühmten Physikers) die erste gründliche Durchforschung desselben unternahm, stieß er auf unsägliche Schwierigkeiten. Der größte Teil des Gebirges war noch ganz unwegsam, mit einem zusammenhängenden und undurchdringlichen Mantel von ungeheuren Urwäldern bedeckt, die noch keines Europäers Fuß betreten hatte. Scharen von Elefanten, Bären, Leoparden, Wildschweinen, Hirschen usw. waren die Beherrscher dieser Wälder; die Spuren menschlicher Existenz beschränkten sich auf die wilden Horden der Veddhas, die gegenwärtig ihrem Aussterben entgegengehen. Keinerlei gebahnte Wege führten durch diese Urwälder hindurch; keine Brücken überwölbten die wilden Bäche und Ströme, die in den unzugänglichen Schluchten des Gebirges zahllose Wasserfälle bildeten.

In verhältnismäßig kurzer Zeit, im Verlaufe von weniger als fünfzig Jahren, hat sich dieser Charakter des Hochlandes völlig verändert. Im Jahre 1825 legte der verdienstvolle Gouverneur Sir Edward Barnes die erste Kaffeepflanzung im Hochlande in der Nähe von Peradenia an und wies nach, daß Boden und Klima daselbst für die Kaffeekultur außerordentlich günstig seien. Ermuntert durch sein Beispiel, angespornt teils durch die lockende Aussicht auf hohen Gewinn, teils durch die eigentümliche Romantik des Hochlandlebens drang jetzt ein ganzes Invasionsheer von Kaffeepflanzern in die Urwälder des Gebirges ein und verwandelte in weniger als zwanzig Jahren mit Hilfe von Axt und Feuer den größten Teil derselben in einträgliche Kaffeepflanzungen. An den steilen Abhängen der Berge wurden ganze Wälder dadurch niedergelegt, daß die obersten Reihen der uralten Baumriesen mit der Axt gefällt und auf die darunter stehenden an einer Seite eingeschnittenen Bäume gestürzt wurden. Der ungeheure Druck jener gewaltigen, durch Schlingpflanzen dicht verketteten Baummassen brachte auch diese letzteren zu Fall, und so setzte sich lawinenartig der Zusammensturz von oben nach unten bis zur Talsohle fort. Dann wurde der ganze niedergelegte Urwald angezündet und so der fruchtbarste Boden für die neuen Kaffeepflanzungen gewonnen. Der Ertrag derselben war so reichlich, und die ganze Kaffeekultur wurde durch zufälliges Zusammentreffen von glücklichen handels-politischen und kommierziellen Verhältnissen so ausnehmend begünstigt, daß schon zwanzig Jahre nach dem ersten Anfang, 1845, die Kaffeespekulationen eine schwindelhafte Höhe erstiegen hatten.

Natürlich blieben die Rückschläge, die stets auf solche übertriebenen Spekulationen folgen, nicht aus. Wie bei den australischen und kalifornischen Goldminen, oder bei den Diamantenfeldern von Südafrika, verlockten die glänzenden Erfolge einzelner Glücklicher auch eine große Anzahl von Unternehmern, die weder Kapital noch Verstand und Kenntnisse genug hatten. Und so sollen in den fünf Jahren zwischen 1845 und 1850 mehr als fünf Millionen Pfund Sterling an Privatvermögen durch verunglückte Kaffeeunternehmungen verloren worden sein. Auch machten sich, wie es bei allen Kulturpflanzen früher oder später geschieht, bald zahlreiche und gefährliche Feinde geltend, die den Kaffeepflanzungen großen Schaden brachten, teils Tiere, teils Pflanzen und Protisten: so namentlich die gefräßigen Golundaratten ( Golunda Elliotti) und die gefährlichen Kaffeeschildläuse ( Lecanium Coffeae), ferner verschiedene vegetabilische Parasiten. In den letzten zehn Jahren wuchsen zunehmend die Verwüstungen durch den weitaus gefährlichsten Feind, einen mikroskopischen Pilz, die Hemileja vastatrix; die durch ihn bewirkte Krankheit der Kaffeeblätter hatte gegenwärtig solche Dimensionen angenommen und hatte sich als so unheilbar erwiesen, daß in vielen Pflanzungen die Kaffeekultur ganz aufgegeben worden war; der Teestrauch und der Chininbaum ( Cinchona) waren jetzt an die Stelle des Kaffeebaumes getreten und zwar mit ausgezeichnetem Erfolge.

Mag nun in Zukunft mehr der Kaffee oder mehr der Tee oder mehr die Cinchona das Hauptobjekt der Pflanzungen in diesen sogenannten » Kaffeedistrikten« der Insel bilden, so kann doch darüber kein Zweifel mehr bestehen, daß die klimatischen und Bodenverhältnisse des Hochlandes von Ceylon für die Kultur der genannten und vielleicht auch noch andrer höchst wertvoller Nutzpflanzen überaus günstig sind. Nicht lange mehr wird es dauern, und das ganze Hochland mit Ausnahme sehr weniger Stellen wird ein Kulturland ersten Ranges sein. Schon jetzt dehnt sich das Netz der Kaffeedistrikte alljährlich mehr bis in die entlegensten Teile des Gebirges aus, und ich mußte schon ziemlich weit wandern, um noch ein größeres Stück desselben in seiner ursprünglichen jungfräulichen Beschaffenheit kennen zu lernen. Aber selbst dort begegnete ich fast allenthalben in nächster Nachbarschaft der unberührten Urwälder jungen Rodungen, die soeben mit Feuer und Axt urbar gemacht wurden.

Daß mein sehnlichster Wunsch, einen der wildesten und ursprünglichsten Teile des Hochlandes zu besuchen, in Erfüllung ging, verdanke ich hauptsächlich der freundschaftlichen Unterstützung von Dr. Trimen, des Direktors des botanischen Gartens von Peradenia. Bei meiner Anwesenheit daselbst verabredeten wir uns, Mitte Februar in Nurellia, der berühmten »Sommerfrische« des Hochlandes, zusammen zu treffen und von da aus gemeinschaftlich einen Ausflug nach Horton-Plains zu unternehmen. Es ist dies der wilde und selten besuchte südöstliche Teil des Plateaus, von dem dasselbe am sogenannten »Ende der Welt« überaus steil, fast 5000 Fuß hinabstürzt; hier wollten wir in das Hügelland von Villahuloya hinuntersteigen, von da westwärts nach Ratnapura, der »Stadt der Edelsteine« wandern und endlich von hier aus dem malerischen »schwarzen Flusse«, dem Kalu-Ganga, bis zu dessen Mündung an der Westküste, bis Caltura, zu Boot fahren. Mein Freund Trimen übernahm es gütigst, alle nötigen Vorbereitungen zu dieser Expedition zu treffen. Da wir über eine Woche in völlig menschenleeren Gegenden zu kampieren hatten, und zwar in dem kältesten und wildesten Teile des Hochgebirges, so mußte zum Tragen der Lebensmittel, Decken, Betten, Zelte usw. ein Transport von mindestens zwanzig Kulis eingerichtet werden. Ich selbst beschloß inzwischen, die erste Hälfte des Februar für den Besuch des westlichen Gebirgsteiles und insbesondere des weltberühmten Adams-Pik zu verwenden.

Nachdem ich Ende Januar von Punto-Galla nach Colombo zurückgekehrt war, traf ich in Whist-Bungalow die nötigen Vorbereitungen für diese Unternehmung. Indessen wurde fast die ganze erste Woche des Februar durch die Teilnahme an einem seltenen und höchst merkwürdigen Schauspiele weggenommen, das man gegenwärtig wohl nur noch in Ceylon – und auch da nur noch sehr selten – sehen kann, durch einen » Elefantenkorral«. Man versteht darunter den Fang und die Zähmung einer ganzen Herde wilder Elefanten, die durch gezähmte Elefanten betört und gefesselt werden. Früher, als die wilden Elefantenherden in Ceylon noch sehr zahlreich und lästig waren, und als die zahmen Elefanten noch vielfach zum Wegebau und zu andern Arbeiten verwendet wurden, fanden solche Korrals ziemlich häufig statt. Gegenwärtig hat ihre Zahl und Bedeutung sehr stark abgenommen; und da jetzt ein solcher Korral nur mit großen Kosten und Schwierigkeiten herzustellen ist, kommt er nur noch selten, bei besonders feierlichen Gelegenheiten zustande. Diesmal wurde die Veranlassung dazu durch den Besuch der beiden Söhne des Prinzen von Wales gegeben, die gelegentlich der Rückkehr von ihrer Weltumsegelung ein paar Wochen in Ceylon zubrachten. Nicht weniger als 3000 Treiber waren volle drei Monate hindurch beschäftigt, die wilden Elefanten aus den Urwäldern zusammenzutreiben und nach dem Korral von Lambugama hinzutreiben; hier war ein besonderes Dorf aus Blockhäusern, ein » Korraltown«, für die zahlreichen Gäste dieses interessanten Schauspiels erbaut worden; in den ersten drei Tagen des Februar fand der merkwürdige Fang und die Fesselung der wilden Elefanten statt. Ich verspare jedoch die Beschreibung desselben auf eine spätere Gelegenheit, da sie mich hier zu weit von meinem eigentlichen Gegenstande hinwegführen würde.

Aus demselben Grunde übergehe ich hier auch den ersten Teil meiner Hochlandsreise, von Peradenia über Gampola und Nawala-Pitya nach Dickoya. Ich wanderte von Dickoya über Blair-Athol, wo ich bei Mr. Lane gastfreundliche Aufnahme fand, nach St. Andrews, der höchst gelegenen Kaffeepflanzung in der südwestlichen Ecke des Hochlandes, unmittelbar am Fuße des Adams-Pik. Die gelungene Besteigung dieses merkwürdigsten Berggipfels der Insel werde ich im nächsten Kapitel schildern.

In St. Andrews verlebte ich ein paar sehr interessante Tage bei dem freundlichen Besitzer dieser schönen Pflanzung, Mr. Christie, und lernte durch ihn die schwierigen Verhältnisse der Cinchona- und Kaffeekultur kennen. Von hier wendete ich mich in nordöstlicher Richtung gegen den Mittelpunkt des Hochlandes, um einige Tage in Nurellia zuzubringen, dem beliebten und vielbesuchten Sanatorium der Engländer. Der Weg von St. Andrews bis Nurellia beträgt 45–50 englische Meilen. Noch vor wenigen Jahren führte der größere Teil desselben durch dichte Wälder; jetzt sind dagegen meistens Kaffee- und Cinchonapflanzungen an deren Stelle getreten. Ich legte diesen Weg, von schönem und nicht allzuheißem Wetter begünstigt, in zwei starken Tagemärschen zurück, nur von zwei schwarzen Tamil-Kulis begleitet, die mein Gepäck trugen. Am ersten Tage (am 13. Februar) wanderte ich 24 englische Meilen, von morgens sechs bis abends acht Uhr; am zweiten Tage 20 Meilen. Da die genannte Jahreszeit in diesem Teile der Insel die kühlste ist, und die Temperatur mittags im Schatten nur 24–26° R betrug, konnte ich auch die Mittagsstunden mit Unterbrechung durch eine einstündige Rast, zum Marschieren benutzen. Als bestes Erfrischungsmittel benutzte ich dabei wieder nasse Tücher, die ich unter dem breitkrempigen Solahut über Kopf und Nacken trug und in den allenthalben reichlich fließenden Bächen jede Viertelstunde auffrischte.

Da ausgedehnte Pflanzungen, die nur aus Massen einer einzigen Kulturpflanze bestehen, meistens in den Tropen kaum weniger langweilig sind als unsre einförmigen Kornfelder und Weinberge, so hatte ich mich vor dieser tagelangen Wanderung durch die Kaffeeplantagen etwas gefürchtet. Indessen erwies sich dieselbe weit unterhaltender, als ich gedacht hatte. Das Terrain des Hochplateaus wird vielfach von tiefen Schluchten eingeschnitten, in denen schäumende Bäche, oft in schönen Wasserfällen und von prächtigster Farn- und Dschungel-Vegetation bekränzt, herabstürzen. Viele dieser Schluchten sind bereits von guten neuen Brücken überwölbt. An andren hingegen wird deren Stelle einfach durch einem Baumstamm vertreten, der von einem Ufer zum andern hinübergelegt ist. Bisweilen ist daneben eine Liane seilartig ausgespannt, die als Geländer zum Festhalten dient. Bisweilen ist man gezwungen, ganz frei über den hochschwebenden Baumstamm hinüber zu balancieren, wobei man allerdings nicht an Schwindel leiden und sich nicht durch das Toben des wilden Bergbaches irre machen lassen darf, der tief unten schäumend über zackige Felsen dahin strömt. Alte Turnkünste, seit vielen Jahren nicht geübt, wurden bei dieser Gelegenheit wieder aufgefrischt und kamen mir sehr zu statten.

Dann und wann wird auch unser Weg, der wechselnd bergauf, bergab geht, durch ein größeres tiefes Tal geschnitten, an dessen steilen, unzugänglichen Felswänden noch ein Rest des alten Urwaldes stehen geblieben ist. Der Anblick seiner mächtigen Riesenstämme, die säulengleich hoch emporsteigen und vor deren breiten Schirmkronen gewaltige Lianenmassen dicht verschlungen herabhängen, läßt uns die unvergleichliche Vegetationspracht ahnen, die hier dem unaufhaltsamen Fortschritte der menschlichen Kultur zum Opfer gefallen ist. Auf kurze Strecken ist auch unser Pfad mit der Axt mühsam mitten durch das Dickicht selbst gehauen, und wir können die mannigfaltigen Baumformen näher betrachten, die dasselbe zusammensetzen, hauptsächlich verschiedene Lorbeer- und Myrtenarten, Rubiazeen usw. Meist sind die Blätter dieser Gebirgsbäume von einem dunkeln, bräunlichen oder schwärzlichen Grün, trocken und lederartig. Die schönsten Girlanden verschiedenartiger Kletterpflanzen schlingen sich von Stamm zu Stamm, während die Stämme selbst mit den seltsamen Blüten zahlreicher Orchideen und Bromelien auf das prächtigste geschmückt sind. Unter den Lianen zeichnet sich besonders der kletternde Pandang aus ( Freycinetia), aus dessen schraubenförmig gewundenen Blätterbüscheln glühend feuerrote Blütenähren hervorragen. Von den schönen Palmen des Tieflandes ist hier nichts mehr zu sehen; aber ihre Stelle wird ersetzt durch die wundervollen Baumfarne, eines der zierlichsten und anmutigsten Produkte der Tropenflora. Im Grunde der schattigen Schluchten ragen armsdick kohlschwarze Stämme solcher Farnbäume ( Alsophila) 20–30 Fuß, bisweilen noch höher empor, während ihre flach ausgebreitete Fiederkrone aus vielfach eingeschnittenen Wedeln von 8–12 Fuß Länge sich zusammensetzt. Eine Masse der verschiedensten kleineren Farnkräuter und ihrer zierlichen Cousinen, der feinen Selaginella, wuchert daneben allenthalben über den Klippen in reicher Fülle.

Während diese anmutigen Waldschluchten den verschlungenen Fußpfad durch die Hügellandschaft der Kaffeedistrikte vielfach unterbrechen und ihre üppige Felsenvegetation häufig den schönsten Vordergrund für ein Landschaftsbild liefert, ist auch der Blick auf den entfernten Hintergrund durch die blauen Gebirgsketten oft nicht wenig gehoben, und namentlich ragt der schlanke Kegel des Adams-Pik weit über seine Nachbarn hervor. Besonders im Hügellande von Maskilia, dessen Bach reich an schönen Wasserfällen ist, bildet der Pik darüber einen sehr stattlichen Hintergrund.

Übrigens ist auch der Anblick der Kaffeepflanzungen selbst ganz hübsch. Während die Kaffeebäume im Tieflande, wo die Singhalesen sie einzeln neben ihren Hütten kultivieren, zu schlanken Stämmen von 20-30 Fuß Höhe emporwachsen, werden sie dagegen in den Plantagen des Hochlandes jetzt meistens des reicheren Ertrages wegen stark verschnitten und in Gestalt flacher Sträucher, nur 3-4 Fuß hoch, gezogen. Die schönen, dunkelgrünen, glänzenden Blätter bilden ein dichtes Dach, auf dem die Büschel der duftenden weißen Blüten und der dunkelroten kirschenähnlichen Beeren anmutig zerstreut sind. Auf ausgedehnten Strecken findet man jetzt, mit dem ursprünglich herrschenden Kaffee abwechselnd, den duftigen Teestrauch und den schlanken Cinchonabaum, beide ebenfalls mit zierlichen weißen Blüten geschmückt. Die großen Blätter der Chinarindenbäume sind in der Jugend prächtig rot gefärbt; ihre geraden Stämmchen zeichnen sich durch sehr festes und zähes Holz aus, und ein solches Stämmchen, das ich mir am Adams-Pik selbst ausgegraben hatte, lieferte mir für meine ganze Gebirgsreise den besten Wanderstab.

Die unterhaltendste Staffage in den Hochlandsplantagen bilden die schwarzbraunen Arbeiter derselben, die sogenannten Tamil-Kulis. Dieselben gehören zu der echten Rasse der Dravida, die früher noch mit der arisch-indischen Bevölkerung vereinigt, neuerdings aber mit Recht ganz davon abgetrennt worden sind. Von den eigentlichen Singhalesen sind sie ganz verschieden und halten sich auch völlig von ihnen getrennt. Ihre Tamilsprache hat gar nichts mit dem Pali der letzteren gemein, so daß die neueren Linguisten überhaupt keine Verwandtschaft zwischen beiden herausfinden können. Die meisten Anthropologen halten die Tamils oder »Malabaren« für die Reste der Urbevölkerung Vorder-Indiens, die erst durch die von Norden kommenden Arier mehr und mehr verdrängt wurde. In Ceylon hingegen traten die ersteren nachweislich als Eroberer auf, welche die arischen, früher eingedrungenen Singhalesen zunehmend verdrängt haben. Gegenwärtig ist nicht allein der ganze Norden der Insel und ein großer Teil des Ostens vorwiegend von Tamils bewohnt, sondern auch im zentralen Hochlande haben sie sich auf Kosten der trägen und weichlichen Singhalesen überall ausgebreitet, dank ihrer größeren Tüchtigkeit und Arbeitsfähigkeit. Eine sehr große Anzahl von Tamilen oder sogenannten Malabaren (schon vor 30 Jahren 50 000, jetzt wohl weit über 200 000) kommt alljährlich während der Winterszeit über die Adamsbrücke von der Koromandelküste nach Ceylon auf sechs bis acht Monate herüber, um in den Pflanzungen zu arbeiten, und kehrt für den Rest des Jahres mit ihren Ersparnissen in die festländische Heimat zurück.

Die Tamilen sind in Hinsicht auf Körperbau, Gesichtsbildung, Hautfarbe und Charakter von den eigentlichen Singhalesen nicht weniger verschieden als bezüglich ihrer Sprache, ihres Kultus, ihrer Sitten und Gewohnheiten. Während die letzteren größtenteils an Buddha glauben, sind die ersteren hingegen meistens Anhänger des Sivakultus. Die Hautfarbe der Tamilen ist stets viel dunkler, kaffeebraun bis schwarzbraun, diejenige der Singhalesen hingegen zimtbraun bis hell gelblichbraun. Das lange Haar ist in beiden Rassen durchgängig schwarz und schlicht oder schwachlockig (niemals wollig). Der Bart ist hingegen bei den Tamilen weit schwächer entwickelt als bei den Singhalesen; die Gesichtsbildung weicht viel bedeutender von der mediterran-europäischen ab, als bei den letzteren. Die Stirn ist niedriger, die Nasenflügel sind breiter, die Lippen dicker und aufgeworfener, das Kinn stärker. Der Blick ist ernst und finster. Selten sah ich Tamilen lachen und niemals so heiter, als es oft die Singhalesen sind. Der Skelettbau der Tamilen ist schlanker und kräftiger als der der Singhalesen. Das Muskelsystem der ersteren ist weit besser entwickelt als das der letzteren: wie sie denn auch mit Leichtigkeit und Ausdauer die schweren Arbeiten verrichten, zu denen diese nicht zu gebrauchen sind. Der auffallend weiche und oft weibische Typus der Körperbildung, der besonders bei den männlichen älteren Singhalesen sich geltend macht, fehlt den Tamilen ganz, und selbst das weibliche Geschlecht erscheint hier weit kräftiger und nerviger. Dabei ist übrigens der Körperbau der Tamilen keineswegs besonders robust und starkknochig; vielmehr schlank und zierlich. Die Proportionen des Körpers entsprechen durchschnittlich so sehr den künstlerischen Anforderungen der Schönheit, daß man die Dravida in dieser Hinsicht keineswegs zu den niederen Menschenrassen zählen darf. Vielmehr nähern sich viele auffallend dem griechischen Ideale. Da die Kleidung derselben in den Pflanzungen sich beim männlichen Geschlechte auf einen leichten Turban und einen schmalen Lendenschurz (gleich einer Schwimmhose) beschränkt, beim weiblichen Geschlechte auf eine kurze Schürze und ein locker umgeschlungenes Busentuch oder ein kurzes, weißes Jäckchen (– überdies während der heißen Arbeit oft entfernt –), so hat man bei der Wanderung durch die Pflanzungen stets Gelegenheit, die Schönheit ihres Körperbaues zu bewundern. Dazu kommt noch, daß ihre Bewegungen durch eine gewisse natürliche Anmut ausgezeichnet sind und daß die mannigfache schwere Arbeit in den Plantagen sie in den verschiedensten Stellungen zur Anschauung bringt. Wieviel mehr könnte hier an diesen natürlichen und ungefälschten Modellen ein Bildhauer für das Verständnis der Schönheit und des Ebenmaßes der menschlichen Figur gewinnen, als in den Aktsälen unsrer Kunstakademien, wo die mühsam ausgesuchten Modelle des verkümmerten Kulturmenschen in künstlich erzwungenen Stellungen nur ein dürftiges Surrogat liefern!

Der freundlichen Einladung eines der angesehensten Pflanzer des Hochlandes, Mr. Talbot, folgend, übernachtete ich am 13. Februar in Wallaha. Da im Gebirgslande von Ceylon (mit Ausnahme einzelner vielbesuchter Punkte) weder Hotels noch Rasthäuser existieren, so ist der Reisende fast ausschließlich auf die Gastfreundschaft der englischen Pflanzer angewiesen, und diese wird auch allenthalben mit einer unbegrenzten Freigebigkeit gewährt, als ob sie selbstverständlich wäre. Allerdings liegt auch die große Mehrzahl der Pflanzungen so isoliert inmitten einsamster Wildnis, daß jeder Besuch willkommen ist; ein fremder Gast aber, der unmittelbar aus Europa kommt und frische Neuigkeiten aus dem geliebten Mutterlande erzählen kann, wird zu den erfreulichsten Überraschungen gerechnet. Ich zähle die gastfreundliche und herzliche Aufnahme, die ich hier allenthalben fand, zu meinen angenehmsten Reiseerinnerungen. Nichts ist wohltuender, als der unvergleichliche britische Komfort: ein kühles Bad, ein vortreffliches Abendessen, ein anregendes Gespräch bei einem guten Glase Wein, und endlich ein weiches Bett, nachdem man zehn bis zwölf Stunden bergauf, bergab durch die steinigen und sonnigen Fußpfade der Kaffeepflanzungen gewandert ist, dabei vier bis sechs Stunden in einer Hitze, welche diejenige unsrer schlimmsten »Hundstage« übertrifft. Nur bisweilen wird dieser Genuß etwas getrübt durch die Strenge der britischen Gesellschafts-Etikette, die einzelne wohlerzogene Pflanzer selbst mitten in der Wildnis des tropischen Hochlandes nicht verleugnen können. So gedenke ich noch mit Schrecken eines Abends, als ich höchst ermüdet nach Sonnenuntergang in eine ganz einsame Pflanzung kam und der gastfreie Hausherr nur deutlich zu verstehen gab, daß er mich bei dem bald beginnenden Diner in schwarzem Frack und weißer Krawatte zu sehen erwarte. Meine aufrichtige Beteuerung, daß ich dieses » black evening dress« unmöglich in meinem kleinen Tornister auf dieser wilden Hochgebirgstour mit mir führen könne, vermochte nicht zu hindern, daß mein Wirt selbst mir zu Ehren dieselbe anlegte, und daß auch die Frau Gemahlin, die dritte und letzte Person an unsrem Gesellschaftstische, in feierlichem Dinerkostüm erschien.

Abgesehen von diesen und einigen andren steifen Formalitäten, die uns zwanglosen Deutschen sehr sonderbar vorkommen, habe ich von meinem Aufenthalte bei den britischen Pflanzern im Hochlande von Ceylon nur die angenehmsten Eindrücke bewahrt. Das einsame Leben dieser Leute ist voll harter Arbeit und vieler Entbehrungen, und man würde gar sehr irren, wenn man sie etwa mit den Sklavenbaronen des tropischen Amerika vergleichen und annehmen wollte, daß sie mühelos durch die Arbeit ihrer Hunderte von schwarzen Tamils ein reiches Vermögen erwürben. Hier heißt es vielmehr: tätig sein, denken und aufpassen vom frühen Morgen bis zum späten Abend, überall fand ich die Pflanzer schon mit Tagesanbruch bei der Arbeit; ein großer Teil des Tages wird durch den Besuch des weit ausgedehnten Kulturlandes weggenommen, durch die Instruktion der vielen Diener und Aufseher, durch Berechnungen, Korrespondenz usw. Denn ein großer Teil des guten Erfolges hängt von umsichtiger Berechnung ab, wenn auch die Glücksverhältnisse der Lage, des Wetters usw. dabei eine große Rolle spielen. Da in der Regel die Pflanzungen durch weite Entfernungen voneinander getrennt sind, ist der nachbarliche Verkehr sehr beschränkt, und besonders die Frauen sind meistens auf sich selbst angewiesen. Viele werden für diese Entbehrungen nur teilweise durch die ungebundene Freiheit entschädigt, deren sie sich auf ihrem ausgedehnten Besitze erfreuen, und durch den unmittelbaren Verkehr mit der großartigen Natur, die allerdings einem dafür empfänglichen Gemüte hier hohe Genüsse darbietet.

siehe Bildunterschrift

XIX.
Tamil-Mädchen (Dravida)

Dunkelbraune Dravidarasse.

Das »Bungalow« oder das eigentliche Wohnhaus des Pflanzers ist in der Regel ein einstöckiges, steinernes Gebäude mit breitem Schattendache und freundlicher Veranda, von einem hübschen Garten umgeben und innen mit all dem britischen Komfort ausgerüstet, den die Umstände nur irgend gestatten. In nächster Umgebung stehen gewöhnlich (ebenso auch in der Pflanzung streckenweise verteilt) kleine Gebüsche von australischem Eucalyptus globulus, der seiner austrocknenden und gesunden Nachbarschaft wegen besonders geschätzt wird. Um das zierliche Bambusgitter der Veranda ranken sich schöngeformte violette Passionsblumen, prächtige rosenrote Bougainvillien, bunte insektenförmige Orchideen und andre blumengeschmückte Kletterpflanzen.

Die Wohnhütten der Tamilen, die oft ein kleines Dorf zusammen bilden, stehen gewöhnlich in weiterer Entfernung, in der Nähe der Kaffeemagazine. Neuerdings ist viel für Anlage guter Wege geschehen, und bei der zunehmenden Ausdehnung der Pflanzungen wird bald der größte Teil des Hochlandes von solchen durchschnitten und für Wagen zugänglich sein.


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