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Der Felsensee. – Kokosinseln. – Buddhatempel. – Der Kiesel-See. – Naturwunder von Tena-Pitya. – Kolossaler Benyanenbaum. – Riesenschlange. – Kannenpflanzen. – Schlingpflanzen des Urwaldes. – Der Waldgarten des Aretschi. – Spiele der Singhalesenkinder.
Unter den weiteren Ausflügen, die ich von Belligemma in dessen entferntere Umgegend unternahm, sind namentlich diejenigen von Kogalla und Boralu mir in der angenehmsten Erinnerung geblieben und wohl wert, daß ich ihrer hier kurz gedenke. Kogalla-Wewa, der »Felsen-See«, zeichnet sich durch besondere Größe und Schönheit unter den vielen ausgedehnten Lagunen aus, die zwischen Colombo und Matura sich längs der Südwestküste von Ceylon hinziehen und viele der hier mündenden Küstenflüsse in Verbindung setzen. Der See liegt halbwegs zwischen Punto-Galla und Belligemma und erreicht eine beträchtliche Ausdehnung, da er viele Arme nach verschiedenen Seiten hin ausschickt. Die Ufer bilden allenthalben dicht bewaldete Hügel, über denen die Kronen zahlloser Kokospalmen sich wiegen. Viele kleine Inseln, teils nackte Felsen, teils mit Palmenpflanzung oder Buschwerk bedeckt, verleihen der mannigfaltigen Szenerie besonderen Reiz, ebenso wie die idyllischen Hütten der Singhalesen, die in großer Zahl, aber einzeln zerstreut, aus dem grünen Dickicht hervorschauen. Die Vegetation ist überall von einer Frische und Pracht, die nicht übertroffen werden kann.
Es war ein herrlicher Sonntagmorgen (am 18. Dezember), als ich schon vor Sonnenaufgang von Belligemma aufbrach, um recht frühzeitig Kogalla zu erreichen. Mein lieber Gastfreund von Punto-Galla, Mr. Scott, mit dem ich dort zusammentreffen wollte, hatte mir schon tags zuvor seinen leichten Einspänner mit dem munteren Pony und einen seiner Diener geschickt. Rasch rollten wir durch die idyllischen Dörfer an der Gallastraße, deren Bewohner sich soeben von ihrem Lager erhoben und das übliche Morgenbad an der Straße verrichteten. Sobald die jungen Sonnenstrahlen den taublinkenden Palmenwald durchdrangen, fing es darin an lebendig zu werden, und ich genoß von neuem dieses reizend frische Morgenleben der Tropen, das mich schon so oft entzückt hatte. Da ich eine Stunde früher, als verabredet war, an dem Orte unsrer Zusammenkunft eintraf, hatte ich noch Zeit genug, den herrlichen Wald mit Muße zu durchstreichen.
In Begleitung von Mr. Scott kam auch noch ein deutscher Landsmann mit, ein Hamburger, gegenwärtig in Singapur ansässiger Kaufmann, Herr Reimers. Er hatte zur Erholung einen Ausflug nach Ceylon und Bombay unternommen, und es traf sich recht hübsch, daß er noch am Tage vor seiner Rückreise uns Gesellschaft leisten konnte. Zu Dreien fuhren wir noch eine kurze Strecke durch Palmengärten und hielten dann vor einer Hütte am Ufer des Kogallasees. Hier erwartete uns bereits ein Doppelkanoe, das die singhalesische Bemannung auf das zierlichste mit Blumengirlanden und Arkaden aus Kokosgeflecht dekoriert hatte. Diese Doppelkanoes, die auf den Landseen sowohl als auf den größeren Flüssen von Ceylon sehr beliebt sind, bestehen aus zwei ausgehöhlten parallelen Baumstämmen von 16–20 Fuß Länge, die 4–6 Fuß auseinander stehen und durch Querhaken fest verbunden sind. Über letztere sind Bretter gelegt. Rechts und links erheben sich die schlanken Stämmchen von einem halben Dutzend junger Arekapalmen, die oben ein breites Schattendach aus Pandangmatten tragen. In den Zwischenräumen zwischen den Stämmchen bilden ausgespannte Blätter der Fächerpalme (Borassus) ein zierliches Gerüst. Die Bänke, die in diesem kleinen schwimmenden Gartenhäuschen beiderseits stehen, gewähren den angenehmsten schattigen Sitz, von dem aus man frei nach allen Seiten sieht. Sechs oder acht kräftige Ruderer finden entweder in dem vorderen oder in dem hinteren Teil der hohlen Baumstämme, der beiderseits frei vorragt, ihren Platz.
Der schmale Arm des Sees, von dem wir ausfuhren, öffnet sich in das weitere Hauptbecken durch ein Tor, das durch drei mächtige nackte Felsblöcke halb gesperrt erscheint. Diese Granitblöcke heißen »die drei Brüder« ( Tunamalaja) und sind der Lieblingsaufenthalt zahlreicher großer Krokodile, die sich hier mit weit aufgesperrtem Rachen sonnen. Kein Schwimmer würde ungestraft zwischen diesen furchtbaren Torwächtern hindurch kommen. Das Hauptbecken des Sees ist ringsum von dichten Waldmassen eingerahmt, über denen sich freundliche Hügel mit Palmen erheben. Einen besonderen Reiz desselben aber bilden die niedlichen Inseln, die zum großen Teil ebenfalls mit Kokospark geziert sind. Die edlen Palmen bilden gewöhnlich auf jeder solchen kleinen Insel ein prachtvolles Riesenbukett, da ihre gewaltigen Fiederkronen möglichst viel Licht und Sonne zu gewinnen trachten. Die schlanken und zierlich gebogenen weißen Stämme streben daher nach allen Richtungen auseinander, so daß die außen stehenden fast horizontal sich über den Wasserspiegel neigen, während die mittleren vertikal zum blauen Himmel emporragen. Ein wahres Muster einer solchen Kokosstraußinsel war das reizende kleine Gan-Duwa, das unmittelbar vor dem Rasthause von Belligemma die größte Zierde in dessen nächster Umgebung bildete.
Wir landeten an einer solchen kleinen Kokosinsel, um der glücklichen Familie, die mitten im Palmenbukett ihre einsame Hütte aufgeschlagen hatte, einen Besuch abzustatten. Drei kleine nackte Kinder, die munter zwischen den Felsen des Strandes mit Muscheln gespielt hatten, flohen bei unsrer Annäherung erschreckt unter lautem Geschrei zu ihrer Mutter. Diese, ein hübsches junges Weib, mit einem vierten Kinde an der Brust, schien ebenfalls über den seltenen Besuch bestürzt und lief eilends mit ihren Kleinen zur Bambushütte. Hinter dieser trat jetzt ihr Mann hervor, der eben im Garten süße Pataten ausgegraben hatte: ein kräftiger junger Singhalese, ganz nackt, und nur mit einem schmalen Schurz um die Hüften. Mit natürlichem Anstande begrüßte er uns und fragte, ob er uns nicht mit einigen Kurumba (jungen Kokosnüssen) erfrischen könne. Als wir diese Frage dankend bejahten, kletterte er sofort auf einen der größten Stämme hinauf und warf uns ein halbes Dutzend der schönsten goldgelben Früchte herunter, von jener feinen Spielart, die hier »Königs-Kokosnuß« heißt. Der kühle, limonadenartige Trank wirkte bei der brennenden Sonnenglut wunderbar erfrischend. Dann präsentierte er uns auf einem großen Caladiumblatt eine Traube von herrlichen süßen Bananen und führte uns in seinen kleinen Garten, in dem eine Auswahl der edelsten Tropengewächse kultiviert war. Auf unsre Frage, ob diese zum Unterhalte seiner Familie für das ganze Jahr ausreiche, erwiderte er, daß er außerdem auch noch Fische und Krebse aus dem See fange; und daß er von diesen und von dem Überschuß der Früchte noch eine hübsche Summe Geldes einlöse, für die er Reis kaufe und einige Hausgeräte für seine Familie; mehr aber habe er niemals nötig. Beneidenswerte Familie! Auf Eurer kleinen Kokosinsel lebt Ihr wirklich im Paradiese, und kein feindlicher Nachbar stört Euch in Eurem stillen, friedlichen Glück!
Wir ruderten nun noch weiter in den See hinaus und auf einen vorspringenden Felsen zu, über dem die weiße Dagobakuppel eines Buddhatempels aus dem dichten Gebüsch hervorragte. Eine steinerne Treppe führte durch letzteres zu dem Tempel hinauf, auf dessen Altar fromme Hände Jasmin und andre duftige Blumen geopfert hatten. Die rohe Malerei an den Tempelwänden und die große ruhende Buddhastatue in gelbem Gewande unterschied sich nicht von der gewöhnlichen Form. Die Wohnungen der Priester hinter dem Tempel lagen ganz idyllisch unter dem Schatten eines gewaltigen Boga und genossen den schönsten Blick auf den See; der senkrecht abfallende rote Felsen bildet eine natürliche Terrasse. Ein paar große Kittulpalmen ( Caryota) sowie eine schöne Gruppe von Areka- und Talipotpalmen dienten nicht minder zum Schmucke des anmutigen Bildes, als die dichten Gehänge von Schlingpflanzen aller Art, die von den Kronen einiger mächtiger Kadschubäume ( Anacardium) herabflossen.
Es war glühend heiß geworden, als wir gegen Mittag zur Hütte des Häuptlings von Kogalla zurückruderten, und der unbewegliche Seespiegel warf die senkrechten Sonnenstrahlen wie eine polierte Metallplatte zurück. Wir wurden daher auf das angenehmste durch die Kühle überrascht, die wir in dem dämmerigen Raume der dichtbeschatteten Hütte vorfanden; und das opulente Diner, das der gütige Mr. Scott inzwischen durch seinen Diener hatte herrichten lassen, mundete uns unvergleichlich. Nach demselben unternahm ich, während meine Freunde eine Siesta hielten, noch allein eine Exkursion nach der andren Seite des Sees. Ich besuchte dort einen zweiten größeren Buddhatempel und sammelte einige von den prächtigen Erdorchideen und Gewürzlilien (Marantazeen), mit denen die Ufer hier geschmückt waren. Auch diese Seite des Sees bereicherte mein Skizzenbuch mit einigen reizenden Motiven. Leider mußte ich diesen Genuß wieder mit meinem Blute bezahlen, da die lästigen Blutegel im Grase des Seeufers überaus häufig waren.
Nicht minder prächtig, wenn auch weniger großartig als dieser Felsensee, der »Kogalla-Wewa«, war ein andrer See, den ich von Belligemma aus mehrmals besuchte, der » Kieselsee«, Boralu-Wewa. Ich verdanke die herrlichen Tage, die ich dort verlebte, dem zweiten Häuptling von Belligemma, dem trefflichen Aretschi. Derselbe besaß in der Nähe des Sees ein ausgedehntes Stück Feldland, das er teilweise mit verschiedenen Früchten, teilweise mit Limongras bepflanzt hatte, und auf dem er 30–40 Arbeiter beschäftigte. Der Weg dahin führt von Belligemma nach Osten tief in das üppige Hügelland hinein, das sich viele Meilen weit bis zum Fuße des Gebirges hinzieht.
Das erste Naturwunder, das man auf diesem Wege findet, ist eine gewaltige Kokospalme, eine Meile von Belligemma entfernt, deren Stamm oben gabelförmig in drei Äste gespalten ist und somit drei Kronen trägt – eine sehr seltene Abnormität. Das zweite Wunder findet sich eine Meile weiter, am Polwattaflusse. Diesseits der Brücke, die über denselben führt, steht neben einem Buddhatempel ein prächtiger alter Banyanenbaum ( Ficus indica) mit Lianengirlanden phantastisch behangen; jenseits der Brücke aber, vor dem kleinen Dorfe Dena-Pitya (d. h. Rinderfeld) erhebt sich noch ein weit größerer Baum derselben Art, ein wahrer Riese seines Geschlechts, ja vielleicht einer der größten dieser Wunderbäume, die überhaupt existieren. Seine ungeheure Krone, unter der ein ganzes Dorf mit mehr als hundert Hütten Platz und Schatten finden würde, stützt sich auf zahlreiche starke Stämme, von denen jeder einzelne für sich allein als mächtiger Baum Bewunderung verdient. Alle diese riesigen säulengleichen Stämme sind nichts als Luftwurzeln, herabgesenkt von horizontalen Seitenästen des mittleren Hauptstammes. Zwischen ihnen hängen viele kleinere Luftwurzeln herab, die noch nicht den Boden erreicht haben und die Entstehung des vielstämmigen Baumriesen erläutern. Tiefe Dämmerung herrscht beständig unter dem Schattendache der ungeheuren Krone, deren dichte Blättermassen keinen Lichtstrahl durchfallen lassen; es ist begreiflich, daß die buddhistischer Dorfbewohner nur mit scheuer Ehrfurcht sich dem heiligen Baume nahen.
Ein Naturwunder ganz andrer Art besitzt das Dorf Dena-Pitya in einer Frau von ungefähr 50 Jahren, der die Oberschenkel vollständig fehlen. Der Oberkörper ist kräftig und wohlgebildet; er ruht aber unmittelbar auf den Unterschenkeln, die am Hüftgelenke eingefügt sind. Diese seltene Mißbildung ist um so merkwürdiger, als die Frau drei wohlgebildete Kinder besitzt, die gleich der Mutter an jedem Fuße nur vier Zehen haben. Leider wurde eine nähere Untersuchung nicht gestattet.
Wenn man die Straße von Dena-Pitya weiter ostwärts verfolgt, gelangt man nach ein paar Meilen zu einer der berühmten Edelsteingruben, die im vorigen Jahrhundert noch sehr ergiebig gewesen sein sollen. Jetzt scheinen sie ziemlich erschöpft zu sein. Doch wurde während meiner Anwesenheit daselbst ein Diamant gefunden, den der glückliche Finder nachher für 400 L (= 8000 M.) verkaufte. Infolgedessen strömten zahlreiche neue Arbeiter in diese »Gem-Pits«. Als ich dieselben besuchte, waren etwa 160–180 Arbeiter in 30–40 tiefen Gruben mit Schlämmen und Sieben der Erde beschäftigt.
Der Weg nach Boralu führt schon vor Dena-Pitya ab, in nordöstlicher Richtung; bald durch den schönsten Palmenwald, bald durch üppiges Dschungel, bald über hellgrüne Paddyfelder oder über Sumpfwiesen, auf denen schwarze Büffel im Schlamme liegen, bedeckt mit zierlich weißen Reihern. Nach einigen Meilen kommt man an den reizenden Boralusee, dessen Ufer der Weg teils in weitem Bogen umzieht, teils unmittelbar verfolgt. Die Ufer sind ringsum mit der üppigsten Vegetation geschmückt; dahinter erheben sich allenthalben dichtbewaldete Hügel. Eine kleine Insel, ebenfalls völlig mit Wald bedeckt, liegt einsam mitten im See. Die mannigfachen Landzungen, die vom Ufer in den See vorspringen, verleihen ihm besondere Anmut. Sein größter Reiz aber liegt in der vollkommenen Waldeinsamkeit und in der Abwesenheit aller menschlichen Kultur. Selbst der Fahrweg am Ufer verrät letztere nicht, da er ganz von hohem Gebüsch eingeschlossen wird.
Sowohl der See selbst, als seine Umgebung ist reich an Tieren. So oft ich ihn besuchte, traf ich am Ufer gesonnt die großen grünen Rieseneidechsen von 6–7 Fuß Länge ( Hydrosaurus salvator). Einmal wurde ich auch durch eine Riesenschlange von ungefähr 20 Fuß Länge überrascht ( Python molurus). Leider flüchtete das Ungeheuer sofort vom Felsen herabgleitend in das Wasser, ehe ich noch mein Gewehr darauf richten konnte. Um so interessanter war die Jagd auf Affen, deren grunzende Stimme man überall hört. Sowohl von dem gelbbraunen »Rilawa« ( Macacus sinicus), als von dem großen schwarzen »Wanderu« ( Presbytis cephalopterus) schoß ich hier mehrere schöne Exemplare. Am ergiebigsten war jedoch die Jagd auf Schwimmvögel; besonders verschiedene Arten von Wasserhühnern, Reihern, Ibis, Flamingos, Pelikane usw. Diese kommen abends bei Sonnenuntergang in großen Schwärmen über den See geflogen, um ihre Nachtquartiere aufzusuchen; ich erlegte einmal in einer Viertelstunde ein halbes Dutzend. Auch das Ufergebüsch mit den prächtigen goldgelben Blütenkolben der Kassia und den purpurnen Rosen der Melastoma üppig geschmückt, ist reich an kleineren Vögeln.
Nicht weit vom nördlichen Ende des Sees entfernt, durch ein paar bewaldete Hügel getrennt, liegt der Waldgarten des Aretschi, ein ganz reizender Ort, an dem ich vier Tage zubrachte. Die einfache Rohrhütte, in der ich mich aufhielt, ist von der üppigsten Bananenpflanzung versteckt und liegt am Abhange eines steilen Hügels, der die herrlichste Aussicht über die grünen Wiesen, die dunkeln Waldmassen und die blauen Gewässer der umgebenden Hügellandschaft gewährt; den entfernten Hintergrund der letzteren bilden die blauen Bergketten des Hochlandes. Von den einzelnen Hütten der Waldbewohner, die allenthalben zerstreut liegen, ist nichts zu sehen, und der berauschende Eindruck der absoluten Waldeinsamkeit wird dadurch noch gesteigert, daß das Tierleben des Waldes in dieser abgelegenen Gegend sehr reich entwickelt ist. Ich schoß hier zahlreiche schöne Vögel, Affen, Flederfüchse, Rieseneidechsen usw., einmal auch ein großes Stachelschwein von mehr als 3 Fuß Länge ( Hystrix leucura). Auch an prächtigen Schmetterlingen und Käfern war kein Mangel. Die sumpfigen Wiesenflecken in der Nähe des Sees sind oft ganz bedeckt mit Riesenexemplaren der merkwürdigen insektenfressenden Kannenpflanze ( Nepenthes distillatoria). Die zierlichen, 6 Zoll langen Kannen, die an den Enden der Blätter hängen und durch einen niedlichen Deckel geschlossen werden, fand ich oft mit zahlreichen gefangenen Insekten gefüllt. Glänzende Prachtvögel ( Ampelidae) und reizende Honigvögel ( Nectariniae) spielen gleich den ähnlichen Kolibris in Menge um die Blumenkelche.
Den Wald selbst fand ich in keinem von mir besuchten Teile des Tieflandes von Ceylon so prachtvoll, großartig und mannigfaltig entwickelt, wie in der Umgegend von Boralu. Eine Wanderung rings um den blanken Kieselsee führt durch den schönsten Teil derselben. An einigen Stellen bildet der Urwald ein so undurchdringliches Gewirr von Schlingpflanzen, welche die modernen, übereinander gehäuften Riesenstämme umschlingen und umspinnen, daß man selbst mit Hilfe der Axt keinen Schritt weit in dieses vegetabilische Chaos vordringen kann. Aristolochien, Piperazeen, wilde Wein- und Pfefferreben, Bauhinien und Bignonien schlingen sich überall zwischen dem Astwerke der Bäume so durcheinander, daß nur einzelne gebrochene Lichtstrahlen zwischen ihnen zum Boden gelangen. Die Stämme selbst sind mit parasitischen Farnen, Orchideen usw. dicht bedeckt. Ich saß hier oft glückliche Stunden lang ganz allein mit meinem Skizzenbuche, in der Absicht, eins dieser Waldbilder zu fixieren; gewöhnlich aber kam ich zu keinem Resultate, weil ich nicht wußte, wo ich anfangen sollte; oder wenn ich angefangen hatte, nicht wie ich die Zauberpracht annähernd wiedergeben sollte. Auch die photographische Kamera half hier nicht. Denn die grünen Massen der verschlungenen und umsponnenen Baumgeflechte sind so undurchdringlich, daß sie in der Photographie nur ein unauflösliches Wirrwarr von Ästen, Luftwurzeln, Blattmassen usw. zeigen, während ihr unmittelbarer Anblick das Auge unendlich erfreut.
Auf den abgerundeten Hügeln, die unmittelbar seinen Garten umgeben, hatte der Aretschi Limongras kultiviert, ein sehr trockenes Gras, aus dem er durch einfache Destillation das duftende Limonöl gewann, ein sehr geschätztes Parfüm. Der zitronenartige Duft erfüllte die ganze Umgebung. Die Arbeiter, die mit der Destillation und mit der Besorgung der schönen Bananenpflanzung beschäftigt waren, wohnten in einem Dutzend zerstreuter Hütten, die in tiefem Waldschatten, unter dem schützenden Dache mächtiger Brotfrucht- und Jackbäume ganz idyllisch gelegen sind; Gruppen von schlanken Areca- und Kokospalmen, hier und da auch Kittul- und Talipotpalmen, deren Fiederkronen hoch über die Laubmasse des Waldes sich erheben, verraten die Lage der ganz versteckten Bambushütten. Die Besuche in den letzteren und der Verkehr mit ihren harmlosen Bewohnern lehrte mich die glückliche Existenz dieser einfachen guten und genügsamen Naturmenschen beinahe beneiden. Alle waren reine Singhalesen, von schön zimtbrauner Hautfarbe und zartem Gliederbau; die Kleidung beschränkte sich auf einen schmalen, weißen Lendenschurz. Die munteren hübschen Knaben waren mir beim Sammeln der Pflanzen und Insekten eifrig behilflich, während die schwarzäugigen, zierlichen Mädchen Blumenkränze flochten und meinen kleinen Ochsenkarren mit den schönsten Girlanden schmückten. Wurde dann spät abends der schnellfüßige Laufochse eingespannt, und setzte sich der zweiräderige Karren, in dem ich neben dem Aretschi kaum Platz hatte, in rasche Bewegung, so machte es den munteren Kindern besonders Vergnügen, uns noch eine Strecke weit zu begleiten. Während wir an den reizenden Ufern des Boralusees hinrollten, folgte oft ein Schwarm von 20–30 dieser anmutigen Gestalten, unermüdlich, laut rufend und Palmenblätter schwingend. Ich konnte die Ausdauer und Schnelligkeit ihres Laufes nicht genug bewundern.
Traten wir dann in den dunkeln Wald ein, so zündeten die Knaben Palmfackeln an, mit denen sie dem Wagen vorausliefen und den Weg erleuchteten. Bei einer plötzlichen Biegung des Weges wurden wir bisweilen von einem duftenden Blumenregen überschüttet, und ein helles Kichern aus dem dichten Gebüsche verriet uns die Neckerei der kleinen Dryaden, die sich dahinter versteckt hatten. Unter den letzteren war ein Mädchen von ungefähr 16 Jahren, eine Nichte des Aretschi, deren vollendet schöne Körperform jedem Bildhauer hätte als Modell dienen können. Von den Knaben konnten mehrere mit Ganymed an Schönheit wetteifern. Einer von diesen schwang sich immer während des Fahrens auf die Deichsel des Karrens und sprang dann gewandt über den Zebu hinweg. Mit diesen und andren Spielen begleiteten uns die munteren Kinder noch eine lange Strecke, bis eins nach dem andren im Dunkel der Nacht verschwand. An die Stelle der Fackeln traten jetzt unzählige prachtvolle Leuchtkäfer und Feuerfliegen; der herrliche Palmenwald erschien vollständig illuminiert, während ich mit dem Aretschi, voll der angenehmsten Erinnerungen, dem stillen Rasthause von Belligemma zueilte.