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XV.
Matura und Dondera

Das Sternfort in Matura. – Das Donnerkap. – Ruinen des Riesentempels von Dondera-Head. – Südspitze von Ceylon. – Segelfahrt gen Süden. – Reicher pelagischer Fischzug. – Mündung des blauen Sandflusses. – Abschied von Belligemma.


 

Der weiteste Ausflug, den ich von Belligemma aus unternahm, am Schlusse meines dortigen Aufenthaltes, führte mich nach der Südspitze von Ceylon, nach dem altberühmten Donner-Kap, Dondera-Head. In der Nähe desselben, nur ein paar Meilen westlich davon, liegt die Stadt Matura am Ufer des »blauen Sandflusses« ( Nilwella-Ganga). Der Weg von Belligemma nach Matura, den ich in einer leichten Kutsche am 18. Januar morgens in drei Stunden zurücklegte, ist die Fortsetzung der herrlichsten Palmenstraße von Gaba nach Belligemma und bietet denselben Reichtum der üppigsten, anmutig wechselnden Szenerie.

Die Stadt Matura, die südlichste von allen Städten Ceylons, war unter der Herrschaft der Holländer im siebzehnten Jahrhundert ein reicher und wichtiger Handelsplatz; insbesondere der Hauptsitz des Zimthandels der Südprovinz. Die meisten und ansehnlichsten Gebäude der Stadt sind noch jetzt holländischen Ursprungs, so auch das ausgedehnte »Fort«, das nahe der Flußmündung auf dessen linkem (östlichem) Ufer liegt. Der stattliche Fluß ist hier ungefähr so breit wie die Elbe bei Dresden; eine hübsche, neue, eiserne Gitterbrücke verbindet beide Ufer. Am westlichen Ende derselben, auf dem rechten Ufer, liegt die alte holländische Sternschanze (» Star-Fort«). In den winkeligen Kasematten derselben nahm ich, der freundlichen Einladung einiger englischer Beamten folgend, für einige Tage Wohnung. Die drei munteren Junggesellen hatten es sich in den niederen vieleckigen Räumen des alten Forts, dessen mächtige Steinmauern die angenehmste Kühlung bewahrten, recht behaglich gemacht und ihre Wände teils mit Holzschnitten aus illustrierten europäischen Zeitungen, teils mit singhalesischen Waffen, Gerätschaften und Tierfellen recht malerisch ausstaffiert. Durch den alten holländischen Torweg, über dessen Bogen noch die Inschrift » Redoute van Eck« prangte, tritt man in einen niedlichen Blumengarten; die einschließenden Innenseiten der Kasematten sind mit den schönsten Schlingpflanzen reich dekoriert, ebenso der Ziehbrunnen in der Mitte des Gartens. Ein paar zahme Affen und ein sehr komischer alter Pelikan, sowie mehrere kleine Vögel sorgten beständig für Unterhaltung.

Ein erquickendes kühles Bad und ein vortreffliches englisches Frühstück bei meinen freundlichen Wirten, das mir nach der Vegetarianerkost von Belligemma doppelt mundete, hatten mich schon in ein paar Stunden nach meiner Ankunft so restauriert, daß ich beschloß, noch denselben Tag zu einer Exkursion nach Dondera zu benutzen. Ich unternahm dieselbe im Wagen und in Begleitung des Häuptlings Ilangakuhn, der vornehmsten singhalesischem Persönlichkeit, welche die Insel gegenwärtig noch besitzt. Er ist nämlich der letzte männliche Sprosse aus dem erlauchten Geschlechte der alten Kandykönige und hat seine Residenz in einem hübschen, verhältnismäßig sogar prächtigen Palaste in Matura, nahe der Flußmündung aufgeschlagen. Schon eine Woche zuvor hatte er mich in Belligemma aufgesucht, mit mehreren seltenen und schönen Vögeln beschenkt und eingeladen, ihn in Matura zu besuchen. Die Aufnahme, die ich hier bei ihm fand, war ebenso liebenswürdig als glänzend. Er ließ es sich nicht nehmen, mich selbst nach Dondera zu führen. Seine Equipage, ein zierlicher Phaeton aus England, wurde von zwei schönen australischen Hengsten gezogen. Voraus lief als schneller Vorläufer und Ausrufer ein stattlicher schwarzer Tamil in silbergestickter Uniform mit rotem Turban.

Der reizende Weg von Matura und dem fünf Meilen entfernten Dondera-Kap führt ostwärts zunächst eine Strecke am linken Ufer des Nilwellaflusses hin, durch die Pettah oder die malerische »schwarze Stadt«, die sich hier östlich vom Fort hinzieht. Die bewaldeten Hügel zwischen Fluß und Seeufer sind mit den blühendsten Gärten und mit Villen geschmückt, die teils vornehmen Singhalesen, teils englischen Beamten angehören. Weiterhin fuhren wir wieder längs des Seeufers hin, abwechselnd durch Dschungel und durch Kokoswald. Der letztere erreicht hier bald seine östliche Grenze. Denn wenige Meilen weiter beginnen die öden, heißen und dürren Küstenstriche mit Salzsümpfen, die sich über Hambangtotte längs der Ostküste bis gegen Batticaloa hinziehen.

Dondera-Head, oder das Donner-Kap, erblickt man als weit vorspringende blaue Landzunge, mit Kokoswald geschmückt, schon lange, ehe man dasselbe erreicht. Es ist der südlichste Punkt von Ceylon und liegt unter 5° 56' nördlicher Breite. Seit mehr als zweitausend Jahren sind die Tempel, welche diese südlichste Landmarke zieren, ein vielbesuchter Wallfahrtsort gewesen, der berühmteste nächst dem Adams-Pik. Tausende von Pilgern bezeigen ihm alljährlich ihre Andacht. Abwechselnd, je nachdem die einheimischen Singhalesen oder die malabarischen Eroberer die Herrschaft behaupteten, waren die Tempel dem Buddha oder dem Wischnu geweiht. Noch vor dreihundert Jahren war der Haupttempel ein irdischer Prachtbau ersten Ranges, so groß, daß er vom Meere aus gesehen, wie eine ansehnliche Stadt erschien, mit Tausenden von Säulen und Statuen geschmückt, mit Gold und Edelsteinen aller Art reich verziert. Im Jahre 1587 wurde all diese Herrlichkeit voll den portugiesischen Barbaren zerstört, die unermeßliche Beute davon nach Hause schleppten. Noch jetzt läßt sich an den zahlreichen Säulenresten, die aus dem Boden der Ruinen hervorragen, der ungeheure Umfang des früheren Riesentempels ermessen. In einer Ecke desselben steht noch jetzt eine sehr große Dagoba, und in deren Nähe mehrere uralte kolossale Bogaha oder heilige Feigenbäume.

Überreste eines kleineren Tempels finden sich auf der Spitze der schmalen Landzunge, die den äußersten südlichen Vorsprung des Dondera-Kaps bildet. Es sind achteckige rote Porphyrsäulen, die einsam und verlassen auf den nackten Granitfelsen sich erheben, umtost von der Brandung, die mit gewaltigem Wogenschwalle ringsum schäumt. In den natürlichen Bassins zwischen diesen Felsen sammelte ich während der Ebbe viele hübsche Seetiere; allenthalben liegen schöne Korallen umher. Westwärts streift der Blick von dieser isolierten Felsenwarte aus längs des kokosgesäumten Strandes bis in die Nähe von Matura, ostwärts gegen Tangalla hin; im Norden wird er durch dichte grüne Waldmassen gehemmt; im Süden hingegen schweift er frei und ungehindert über ungeheure Meeresräume. Das Phantasieschiffchen, das wir von hier aus mit vollen Segeln nach dem Südpol entsenden, stößt nirgends auf bekanntes Land, und es hat einen weiten, weiten Weg zu machen, ehe es jenseits desselben überhaupt wieder Land sieht. Es würde ungehemmt um die ganze südliche Halbkugel der Erde herumfahren, wenn nicht die ungeheuren Eismassen des Südpols ihm den Weg verlegten, und erst auf der nördlichen Halbkugel, in der Nähe von Acapulco in Mexiko, würde es den ersten Hafen wieder erreichen. Lange saß ich in Gedanken versunken auf dieser äußersten Südspitze von Ceylon, zugleich auf dem südlichsten Landpunkte, den ich jemals in meinem Leben erreicht habe. Ich wurde aus meinen Träumen erst wieder durch eine Schar von Buddhapriestern in gelber Toga geweckt, die kamen, um den Häuptling und mich zum Besuche des festlich geschmückten Tempels einzuladen. Nachher besuchten wir noch eine seltsame uralte Ruine, die weiter oben mitten im Walde liegt, zyklopisch aus gewaltigen Quadern gefügt. Erst spät am Abende fuhren wir wieder nach Matura zurück.

Der folgende Tag (der 19. Januar) wurde durch eine weite marine Exkursion ausgefüllt. Der Häuptling Ilangakuhn hatte mir ein tüchtiges großes Segelboot mit acht Ruderern gestellt, und mit diesem fuhr ich ein gut Stück gen Süden, weit über das Donner-Kap hinaus. Es war herrliches Sommerwetter, und der kräftige Nordostmonsun blähte das große viereckige Segel des Bootes so gewaltig, daß ein paar Bootsleute außerhalb auf dem Auslegerstamm hocken mußten, um das Umschlagen des Kanoes zu verhindern. Die Geschwindigkeit, mit der wir südwärts steuerten, kam derjenigen eines schnell laufenden Dampfschiffes gleich; ich schätzte sie auf 10–12 Seemeilen in der Stunde. Die Leichtigkeit, mit der diese schmalen singhalesischen Kanoes die Wellen durchschneiden, oder vielmehr über deren Kämme hinweggleiten, zeigte sich jetzt in glänzendem Lichte. Je weiter wir uns von der Insel entfernten, desto schöner traten die blauen Bergmassen des Hochlandes über den Kokoswäldern des flachen Küstenlandes hervor, alle wiederum überragend der stolze Adams-Pik.

Pfeilschnell über die schäumenden Wogen hinwegschießend mochten wir nach vierstündiger Fahrt ungefähr 40–50 Seemeilen vom Südkap Ceylons entfernt sein, als mitten im Ozeane ein breiter, glatter Streifen sichtbar wurde, der sich ungefähr in der Richtung des Monsuns von Nordost nach Südwest meilenweit hinzog. Ich hielt denselben für einen pelagischen Strom oder Korrente, eine jener glatten, schmalen Wasserstraßen, die im Mittelmeere wie im Ozeane häufig mitten durch den bewegten Wasserspiegel hindurchziehen und der geselligen Anhäufung ungeheurer Seetierschwärme ihren Ursprung verdanken. Als das Kanoe sich demselben näherte, bestätigte sich diese Vermutung, und ich wurde durch einen außerordentlich reichen und interessanten Fang belohnt. Eine dichte Masse der schönsten pelagischen Tiere, Medusen und Siphonophoren, Ktenophoren und Salpen, Sagitten und Pteropoden, außerdem unzählige Larven von Würmern, Sterntieren, Krebsen, Mollusken usw. schwammen da in dichtem Gewimmel durcheinander und füllten in kurzer Zeit alle mitgenommenen Glasgefäße vollständig aus. Ich bedauerte nur, deren nicht mehr mit zu haben, um alle diese zoologischen Schätze (– darunter viele neue bisher noch nicht beschriebene Tierformen –) in genügender Menge einpacken zu können.

Reich beladen mit diesem wundervollen Fang, der mir interessante Arbeit auf Jahre hinaus versprach, kehrte ich erst gegen Abend nach Matura zurück. Es war ein schönes Andenken an den fünften Grad nördlicher Breite. Meine Singhalesen wußten den günstigen Nordostmonsun so geschickt zu benutzen, daß wir fast eben so rasch zurückgelangten und an der Mündung des Nilwellaflusses landeten. Der Anblick dieser Mündung von der See aus ist sehr malerisch, da derselben unmittelbar eine Felseninsel vorgelagert ist, auf der sich zwei einzelne Kokospalmen erheben, die eine senkrecht, die andre weit übergeneigt. Die beiderseitigen Ufer des Flusses sind dicht mit Wald bedeckt. Am folgenden Tage unternahm ich noch eine Bootsfahrt auf demselben, auf der ich die unvergleichliche Üppigkeit dieser Urwaldmassen aufs neue bewunderte.

Nach Belligemma zurückgekehrt, stand mir noch eine der schwersten Aufgaben bevor, die ich während meines Aufenthaltes auf Ceylon zu lösen hatte: der Abschied von diesem reizenden Erdenflecke, auf dem ich sechs der interessantesten und glücklichsten Wochen meines Lebens zugebracht hatte. Noch jetzt wiegt in der Nacherinnerung der Gedanke daran so schwer, als ob ich von neuem scheiden müßte. Der traute Raum, der mir während dieser Zeit als Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer, als Laboratorium, Museum und Maleratelier gedient hatte, in dem ich eine Fülle der schönsten und wunderbarsten Eindrücke gesammelt hatte, war öde und leer. Vorn im Garten unter dem riesigen Tiekbaume standen schwer und vollbeladen die beiden mächtigen Ochsenkarren, die meine dreißig Kisten mit Sammlungen nach Punto-Galla bringen sollten. Draußen vor dem Tore harrte wieder dicht gedrängt die braune Bevölkerung des Dorfes, für die ich während dieser vierzig Tage ein Gegenstand stets wachsender Neugier und Bewunderung geblieben war. Von allen angesehenen Bewohnern des Dorfes, an ihrer Spitze den beiden Häuptlingen, mußte ich persönlich Abschied nehmen. Mit betrübter Miene brachte mir der gute Sokrates zum letzten Male die besten seiner Bananen und Mango, Ananas und Kadschunüsse. Zum letztem Male kletterte Babua auf meine Lieblingspalme, um mir noch einmal die süße Kokos herabzuholen. Am schwersten aber wurde mir der Abschied von dem treuen Ganymedes. Der gute Junge weinte bitterlich und bat mich, ich solle ihn mit nach Europa nehmen. Vergebens hatte ich ihm schon vorher diesen Wunsch mehrmals abgeschlagen und ihm von dem eisigen Klima und dem grauen Himmel unsres öden Nordens erzählt. Er hielt meine Kniee fest umschlungen und versicherte mir, daß er mir überallhin ohne Wanken folgen wolle. Fast mit Gewalt mußte ich mich endlich losreißen und den harrenden Wagen besteigen, und als ich den lieben braunen Freunden den letzten Abschied mit dem Taschentuch zuwinkte, hatte ich fast das Gefühl des verlorenen Paradieses: »Schöner Edelstein! Bella Gemma


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