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Nicht so freundlich, wie Don Larioz, nahm der Schlaf das unglückliche Windspiel in seine Arme. Dieser fühlte recht die Wahrheit des Spruches, den er in seiner Kindheit gelernt, daß nämlich ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen ist. Ach, er hatte kein gutes Gewissen, und wenn er sich auch zuweilen überreden wollte, er habe vielleicht Niemand mit seiner Mistgabel verletzt, so mußte er sich doch gleich darauf sagen: »Doch, doch, ich habe zu mörderisch zugestoßen, ich habe Blut vergossen, ich bin ein niederträchtiger Todtschläger!« In solchen Augenblicken war ihm das Weinen recht nahe, und da ihn hier im Polizei-Arrestlokal Niemand sah, so ließ er endlich seinen Thränen freien Lauf.
Da dies aber ein gutes Mittel ist, um gewaltigen Schmerz zu dämpfen, ja, unsere Nerven zu beruhigen, so fühlte sich auch Windspiel hiedurch so erleichtert, daß er seine brennenden Augen schließen konnte, worauf denn auch ihn der langersehnte Schlaf überfiel. Aber es war nicht der Schlaf des Gerechten, der Leib und Seele erquickt, es war ein unruhiger, oft unterbrochener Schlummer, voll schrecklicher Träume und blutiger Bilder. Mehrmals sah er den Teufel in leibhaftiger Gestalt vor sich herum tanzen, die verhängnißvolle Mistgabel in der Hand, von deren Zinken aber – o Schauder! die Fetzen eines blutbefleckten schwarzen Seidenkleides herab hingen. Ein ander Mal ging ein noch viel fürchterlicheres Gebild durch seine Seele: er war in einen Stier verwandelt, hatte statt der Hörner große eiserne Zinken auf dem Kopfe und verfolgte wüthend eine arme schwarze Kuh, die ihm irgend ein Leides gethan und die er zu ermorden trachtete. Wenn er sie aber fast erreicht hatte, so fuhr aus dem Boden herauf eine ungeheure Riesenfaust, hielt ihn zurück, und dazu hörte er eine feine Kinderstimme sagen – es war aber die Stimme seines Schutzgeistes –:
Quäle nie ein Thier zum Scherz,
Denn es fühlt wie du den Schmerz.
Es war eine furchtbare Nacht, und das unglückliche Windspiel wälzte sich stöhnend, müde und fröstelnd auf der harten Pritsche umher.
Endlich dämmerte der mitleidige Tag herauf, drang aber erst mit ungewissem Schein durch die stark vergitterten Fenster des Arrestlokals zu den armen Gefangenen, nachdem sich draußen die freien Menschen schon lange seines süßen Lichtes erfreut.
Auch der Spanier hatte geträumt, und es war ein Traum, der ihn sanft erquickte. Nachdem er mit Leichtigkeit, natürlich im Traum, eine Menge Drachen und Riesen überwunden, that sich ein Saal vor ihm auf, dessen Decke von weißen, mit Rosenkränzen umwundenen Säulen getragen war. Im Hintergründe ertönten zwei Flöten, ausnahmsweise nicht langweilig, und ein rothes bengalisches Feuer beleuchtete die schöne Dolores, die im reichen spanischen Costüm vor einem doppelten Throne stand und mit zauberhaft süß klingendem Stimme sagte: »Die Zeit der Prüfung ist vorüber, komm an meine Seite, Geliebter, zu theilen mit mir das gewaltige Reich, welches mir mein Vater, der große Sparafandeleros, hinterlassen, und sieh hier deinen ersten Minister, den berühmten maurischen Weisen Carabanzeros, der dir mit seinem Verstände helfen wird, wo der deinige nicht mehr ausreichen sollte.«
Hierauf trat er wonneschauernd näher, umarmte die göttliche Dolores und blickte dabei gerührt in die Höhe zum ersten Minister und maurischen Weisen Carabanzeros, der, hinter dem Throne auf einer Estrade stehend, die Hände ausstreckte und sprach: »Trau, treue Trine, trügerisch trüben Träumen nicht.«
Ja, der Spanier hatte ihn gehört, den verhängnißvollen Spruch, jede Sylbe laut und deutlich. Darauf war freilich das Traumbild zerronnen, und als er gleich darauf aufwachte und ängstlich nach den eben gehörten Worten haschte, waren sie ihm wieder davon geflattert in alle Weiten. Er schüttelte sein Haupt, und es betrübte ihn das eigentlich; denn da er etwas auf Träume hielt, so war er mehr als je überzeugt, daß der Spruch des großen maurischen Weisen Carabanzeros zur glücklichen Errettung und Befreiung der unglücklichen Dolores das Meiste beitragen müßte.
Glücklicher Weise entriß ihn das Klirren der Riegel seinen finsteren Gedanken, denen er nachzuhängen im Begriffe war. Es trat ein Polizeisoldat in das Gefängniß und weckte den Schläfer in der Ecke, der gestern Abends so lustig gesungen und darauf ruhig fortgeschnarcht hatte. Er rüttelte den Menschen nun heftig an der Schulter und sagte: »Er kann jetzt nach Hause gehen, aber ich rathe Ihm, such' Er bei allen Wirthshäusern vorbei zu kommen und geh' Er direkt zu seinem Meister in die Boudique. Ich werde in einer Stunde kommen und nach Ihm sehen. Merke Er sich auch für die Zukunft, daß es Ihm jedes Mal eine Nacht auf der Wache einträgt, wenn Er sich am Abend besauft und dann ruhige Leute mit seinem Gebrüll aus dem Schlafe weckt. Jetzt geh' Er – aber direkt nach Hause.«
Der Angeredete erhob sich schwerfällig von der Pritsche, streckte seine Glieder, kratzte sich im Haar und schien sich zu besinnen, was denn eigentlich zwischen gestern und heute mit ihm vorgefallen sei. Als aber der Schließer auf die eben beschriebene Art seinem Gedächtnisse nachgeholfen, zog er ein langes Gesicht, strich sich am Kinn und sprach mit einer rauhen, übernächtigen Stimme: »Ich werde es mir merken, Herr Polizei, werde auch direkt zum Meister Schwörer gehen; doch wird die Staatsbehörde nichts entgegen haben, wenn ich mir unterwegs einen Frühstückstrunk kaufe; es war hier sehr kalt und trocken.«
»Thu' Er, was Er will,« lautete die Antwort, »aber in einer Stunde sehe ich nach Ihm, und wenn Er nicht fleißig bei der Nadel ist, sondern einen Blauen macht, so wird Er ausgewiesen. Verstanden?«
Auch Windspiel war bei dem Klirren der eisernen Riegel aus seinem unruhigen Schlummer aufgeschreckt worden; er griff mit den Händen um sich her, und als er die hölzerne Pritsche mit den Fingern berührte, trat die ganze schreckliche Gegenwart wieder vor seine bekümmerte Seele. Er blickte trostlos in den falben Lichtstrahl, der von außen hereindrang, und sprach seufzend vor sich hin: »Der Tag des Gerichtes!«
Als der lustige Schneider das Lokal verlassen, wandte sich der Polizeisoldat an den armen Familienvater, der anscheinend fest schlief, und sagte: »Er, Sträuber, kommt mit hinauf zum Herrn Polizeicommissär. – Ich fürchte fast, wir werden eine längere Bekanntschaft zusammen machen; bei Ihm trifft das Sprüchwort ein: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. – Nun, nach Wasser ist Er gerade nicht gegangen, aber –«
»Hier bin ich, Herr Polizeiwachtmeister,« erwiderte der Mann mit den baumwollenen Handschuhen, indem er aus dem tiefen Schlafe merkwürdiger Weise sogleich zum vollen Bewußtsein erwachte, auf seine Beine sprang, den Rock in die Taille zog und dann that, als betrachte er aufmerksam seine Handschuhe; in Wahrheit aber schielte er zu seinem Nachbar hinüber und schritt zu gleicher Zeit der Thür zu, wobei er einen alten Hut, der dort an einem Nagel hing, hastig herab langte, mit der Handfläche, wie um ihn zu säubern, darüber hin fuhr und dann mit einer tiefen Verbeugung zu den Zurückbleibenden sagte: »Meine Herren, ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.«
»Ich habe schon oft davon gelesen,« sprach nach einem sorgenvollen Stillschweigen der kleine Kellner, »welch schreckliches Gefühl es sein muß, und wie entsetzlich es da den Letzten ist, wenn sie einen nach dem anderen ihrer Unglücksgefährten verschwinden sehen, um dann endlich schaudernd allein zurückzubleiben. Ist mir doch jetzt fast ebenso zu Muthe, und ich kann den Gedanken nicht unterdrücken, für wie glücklich ich mich halten würde, wenn ich jener versoffene Mann wäre, den man zuerst entließ, ja selbst, wenn ich mich an die Stelle des unglücklichen Familienvaters mit sechs hungrigen Kindern versetzen könnte. O, das Warten in der Angst möchte einen zur Verzweiflung bringen!«
Don Larioz hatte sich auf die Pritsche gesetzt und war damit beschäftigt, sein buntes Taschentuch vom Kopfe loszuknüpfen, als er zur Antwort gab: »Es mag sein, daß es ein unangenehmes Gefühl hervorruft, als der Letzte auf einem Richtplatze übrig zu bleiben. Anderntheils aber behält man auch hierdurch die Hoffnung auf irgend ein glückliches Ereigniß, das uns die Freiheit wieder geben kann. Die Richter können in dem Prozesse etwas gefunden haben, das uns der Gnade empfiehlt, und während wir langsam dem Schaffot entgegen gehen, während wir zögernd hinauf schreiten – dort blickt schon das Richtschwert –«
»O mein Gott ja! entsetzlich!« jammerte Windspiel und verbarg den Kopf abermals in beide Hände.
»Blicken wir nach allen Seiten,« fuhr der Spanier fort, »und gewahren auf einmal in der Ferne ein weißes Tuch. Gnade! Gnade! – Ein Reiter auf schaumbedecktem Rosse – der Gaul ist in solchen Fällen immer schaumbedeckt – sprengt heran, um, wie das nie anders vorkommt, am Fuße des Gerüstes niederzustürzen. Der Erschöpfte schwingt noch einmal sein Tuch und fällt dann ohnmächtig in die Arme von einem halben Dutzend Umherstehender, und – Sie sind gerettet.«
Der Spanier schob sein Tuch langsam in die Tasche, strich dann durch sein heute sehr struppiges Haar, machte den Versuch, die Spitzen seines Schnurrbartes in die Höhe zu drehen, und fuhr darauf mit einem sanften Lächeln fort:
»Es kann auch bei ähnlichen Gelegenheiten vorkommen, daß sich gerade in dem Moment, wo man Ihnen die Binde um die Augen legt, eine eigenthümliche Bewegung in dem unermeßlichen Volksgedränge kund gibt. Kommt Gnade? fragen Einige. – Nein, antworten Andere mit besorgten Mienen, aber man hört Schwerter klirren und sieht Hellebarden blitzen. Es sind die Freunde des unglücklichen Ritters. Ihr lauter Schlachtruf ertönt, Sie reißen dem Henker die Binde aus den Händen, Sie schreien: Noch ist es Zeit, hier bin ich! und ein schwer geharnischter Ritter auf kohlschwarzem Schlachtroß macht sich mit wüthenden Streichen Bahn, und als er, noch auf zwanzig bis dreißig Pferdelängen entfernt, bemerkt, daß der Henker abermals nach Ihnen greift, schwirrt seine gewaltige Streitaxt durch die Luft, und jener sinkt blutend zu Ihren Füßen. – Sehen Sie, lieber Freund, das ist der Vortheil, wenn man bis zuletzt wartet, und ich rathe Jedem, in einem ähnlichen Falle meine Worte zu beachten.«
»Ja, mein Gott!« seufzte der kleine Kellner, »um so gerettet zu werden, bedarf es guter und mächtiger Freunde, und die habe ich nicht.«
»O ja, die haben Sie auch,« erwiderte der lange Schreiber mit Wärme. »Und sollten Sie je in einen solchen Fall kommen, so glauben Sie, bei San Jago! daß ich meine Freunde nicht im Stiche lasse. – Es wäre eigentlich interessant,« meinte er nach einer kleinen Pause, »wenn ich in den Fall käme, Ihre Ketten und Bande zu brechen, natürlicher Weise, nachdem die schöne Dolores befreit ist. Wie Sie wissen, gebietet die Galanterie, die Damen vor uns gehen zu lassen.«
In diesem Augenblicke klirrten die Riegel abermals, und derselbe Polizeisoldat trat herein, wandte sich an unsere beiden Abenteurer und sagte: »Jetzt kommt die Reihe an euch. Wenn ich euch einen guten Rath geben soll, so macht eure Sache durch Läugnen nicht schlimmer, sprecht frisch von der Leber weg, ihr wäret ein bischen betrunken gewesen, dann in das verdächtige Haus der Entenpforte Numero vier gerathen –«
»Um Vergebung, mein Freund,« unterbrach ihn der Spanier, »Numero vier in der Entenpforte ist durchaus kein verdächtiges Haus: es wohnen dort sehr anständige Leute, die mir befreundet sind.«
»J-a so-o!« versetzte der Polizeisoldat mit einem sonderbaren Blicke und einem leichten Achselzucken. »So paßt also auf euch das Sprichwort: Pack verträgt sich, Pack schlägt sich. Na, mir kann's schon recht sein, kommt nur mit hinauf.«
Und die Beiden folgten, nachdem der Spanier seinen Mantel und Windspiel sein Mäntelchen auf den Arm genommen und beide ihre Hüte aufgesetzt hatten. Was das spanische Rohr anbelangt, so war es gestern Abend confiszirt worden.
Sie schritten über den Hof nach dem Thorbogen, der sich ihnen gestern so gastlich geöffnet und unter welchem eine Treppe mündete, die sie jetzt hinaufstiegen in den ersten Stock und dann in einen Corridor gelangten, wo Polizeisoldaten auf hölzernen Bänken saßen und verdächtige Individuen beiderlei Geschlechts umher standen.
Windspiel schauderte, als er das Klirren von Ketten vernahm und zwei Gensd'armen bemerkte, die einem Manne die Eisen angelegt hatten und mit ihm fortgingen, wahrscheinlich dem Zuchthause zu. Dabei warf der unglückliche Kellner einen Blick auf den Hof, wo der freundliche Strahl der Morgensonne aus den oberen Fenstern eines hohen Giebels funkelte, und dachte dabei: Wer weiß, ob ich nicht in einer halben Stunde auch so zusammengeschlossen von zwei Gensd'armen fortgeführt werde!
Unterdessen hatte der Polizeisoldat, der sie heraufgebracht, eine Thür geöffnet und ließ sie in ein Zimmer eintreten, wo sie einen Herren fanden, der sich vor einem Stehpulte befand und in einem großen Buche blätterte.
»Nummer drei und vier aus dem Arrestlokal B,« meldete der Polizeidiener, worauf der Herr an dem Stehpulte seine Brille etwas näher an die Augen rückte, die Beiden scharf betrachtete und dann Nummer drei zu sich befahl.
Auf einen Wink des Begleiters trat der lange Schreiber vor, mußte Namen, Stand und Wohnort angeben, worauf Windspiel vorgerufen und von ihm das Gleiche verlangt wurde.
Die Angaben schrieb der Herr am Stehpulte auf einen Zettel, welchen der Polizeidiener in das Nebenzimmer trug. Da er hierbei die Thür zu diesem Nebenzimmer offen stehen ließ, so vernahmen die Beiden Stimmen von Personen, welche mit einander sprachen. Eine ernste und sehr laute Stimme sagte: »Ich habe Ihn schon oft gewarnt, Sträuber, aber es scheint da keine Ermahnung zu fruchten. Es muß wahrhaftig in der Familie liegen, und statt Euch ein Beispiel an Eurem Bruder zu nehmen, der wohl Zeit seines Lebens keine Veranlassung mehr haben wird, schlechte Streiche zu machen, bemüht Ihr Euch, in seine Fußstapfen zu treten. Und dabei seid Ihr ein eben so feiger Gesell, wie es Euer Bruder gewesen. Erwiesen wäre also, daß Ihr dem kleinen zehnjährigen Buben mit Gewalt die Geldstücke abgenommen habt.«
»Wenn das also erwiesen ist, Herr Ober-Polizeicommissär,« entgegnete eine andere Stimme in sehr demüthigem Tone, »so kann ich nichts thun, als mich in Geduld fügen. Ich behaupte, daß der kleine junge Mensch lügt, daß er gestolpert ist, und seine Geldstücke verloren hat, die ich alsdann zufällig gefunden.«
Der Ton dieser Stimme erregte im höchsten Grade die Aufmerksamkeit des Spaniers. Ja, er konnte sich nicht irren, der, welcher dort sprach, war der unglückliche Familienvater, der ihm erzählt, er sei in dem Augenblicke ergriffen worden, wo er für seine hungernden Kinder ein Brod habe nehmen wollen.
»O Welt, o Welt!« seufzte Don Larioz, »stößt man denn bei dir auf Schritt und Tritt auf Heuchelei und Lüge?«
»Es ist gut so,« hörte man die Stimme des Polizeicommissärs. Und dann schien er abzulesen: »Verhandelt den und den, Jonathan Sträuber, vierundzwanzig Jahre alt, ledig, Schustergeselle.«
»Ledig!« wiederholte der lange Schreiber mit Schrecken.
»Schon vier Mal wegen Diebstahls bestraft, wurde gestern Abends eingeliefert.« – Hier las der Beamte schneller, so daß seine Worte für Larioz gänzlich unverständlich blieben.
Darauf dauerte es noch einige Minuten, und aus dem Nebenzimmer trat der angebliche Familienvater Jonathan Sträuber heraus mit einem verächtlichen Lächeln auf seinen Lippen. Als er die Beiden im Vorzimmer stehen sah, machte er ihnen eine höfliche Verbeugung und verließ darauf so schnell wie möglich die Stube.
Don Larioz wandte sich ab, und wenn ihn auch das reichliche Almosen, welches er Jenem gegeben, seines Werthes halber nicht schmerzte, so fühlte er sich doch tief verletzt, und es bekümmerte ihn, in einer Welt leben zu müssen, wo so wenig Wahrheit zu finden. Dabei griff er mechanisch an seine Tasche, wo er gewöhnlich seine Börse verwahrt trug – dieselbe war verschwunden und fand sich auch trotz emsigen Suchens in keinem Theile seiner Kleidungsstücke. Schon war er Willens, mit dem Herrn am Stehpulte über diese Angelegenheit zu sprechen, als im Nebenzimmer abermals eine Stimme laut wurde, die seine Aufmerksamkeit in weit höherem Grade in Anspruch nahm, als ein Dutzend Sträuber mit ebenso vielen gestohlenen Börsen vermocht hätten.
Der Polizeicommissär hatte nämlich die Frage gestellt: »Und Sie haben sich an Ort und Stelle von dem Thatbestand überzeugt und die Verwundung genau untersucht?«
»Aufs allergenaueste,« gab die für den Spanier so bemerkenswerthe Stimme zur Antwort. »Sie werden mir zugeben, wenn ich einmal als Arzt zu einer Legalinspection beordert werde, daß es meine Pflicht und Schuldigkeit ist, dieselbe gründlich vorzunehmen. Sie können sich darauf verlassen, daß das geschehen; denn die Verwundung ist da und höchst gefährlich.«
»Die Verwundung ist da und höchst gefährlich,« flüsterte Windspiel, indem er seine Hände faltete.
»Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen bemerke,« fuhr die Stimme im Nebenzimmer fort, »wie der Stoß von einer rabiaten Person mit großer Kraft von oben nach unten geführt worden sein muß.«
Des Spaniers Gesicht hatte sich einiger Maßen verlängert, als er das hörte, und er konnte sich nicht enthalten, seinen Gefährten scheu von der Seite anzublicken.
»Und die Verwundung ist gefährlich?« horte man den Polizeicommissär fragen.
»Ah, mein Bester!« versetzte die andere Stimme, »Sie werden mir zugeben, wenn man Jemand mit voller Kraft ein blankes Eisen wiederholt in den Leib stößt, daß da wohl von Gefahr die Rede sein kann.«
»Glauben Sie, daß es ein Messer gewesen ist?«
Windspiel konnte sich kaum auf den Beinen halten, er blickte gegen oben und sprach kläglich zu sich selber: »Es war kein Messer, o, mein Gott! es war ja eine Mistgabel! Der Stöpsel ist bedeutend verletzt, ich bin also jedenfalls ein – Mörder – ein Mörder – ein Mörder!«
Jetzt öffnete der Polizeidiener abermals die Thür, winkte den Beiden mit sehr ernster Miene und sagte nur ein einziges Wort, welches aber dem armen Kellner tief in die Seele schnitt: – »Eintreten!«
»Ja eintreten!« seufzte dieser, »um als kettenbeladener Verbrecher wieder hinaus zu gehen! O, Herr Don Larioz, ich bin sehr unglücklich.«
»Fassung, mein Freund!« gab der edle Spanier zur Antwort, indem er voranschritt; »Fassung! Sie haben mich an Ihrer Seite. Sammeln Sie sich, es ist gefährlich, dem Gerichte zerstreut oder niedergeschlagen gegenüber zu treten.«
Damit gingen Beide in das Bureau des Polizeicommissärs und sahen diesen würdigen Beamten jenes Papier in der Hand halten, welches der Herr am Stehpulte geschrieben und hinein gesandt hatte.
Neben dem Polizeicommissär aber befand sich jemand Anderes, Jemand, dessen Stimme vorhin den langen Schreiber so sehr überrascht, Jemand, den auch der geneigte Leser genau kennt, Jemand, der nun vor Verwunderung die Hände zusammenschlug und trotz des ernsten Ortes, wo sie sich befanden, in ein lautes Gelächter ausbrach.
Auch um die Mundwinkel des Commissärs zuckte etwas wie der Glanz einer stillen Freude, und selbst der alte Schreiber am Tische riß den Mund auf und vergaß, wie er thun wollte, die Fahne der Feder hinein zu schieben.
Die beiden Eintretenden hatten aber auch in der That ein außergewöhnliches Aussehen. Wenn sich auch das würdevolle Auftreten des Spaniers gleichgeblieben war, so contrastirte es doch gar zu komisch mit seinem beschmutzten und zerzausten Anzuge. Er hatte es in seinem dunklen Kerker nicht bemerkt, daß der rechte Aermel seines Rockes nur noch durch ein paar schwache Fäden mit der Schulter verbunden war, daß die Beinkleider mit Stroh und Mist beklebt waren; vor allen Dingen aber hatte er keine Ahnung davon, daß sein emporgedrehter Schnurrbart, der in sonstigen Zeiten seinem ernsten Gesichte wirklich etwas Imposantes verlieh, jetzt äußerst komisch aussah unter einer Nase, die zur Dicke einer mäßigen Birne angeschwollen war und einzelne Stellen von traurig grüner Färbung zeigte. Dabei waren seine Wangen, sein Kinn, sowie sein gestern sehr rein gewesenes Hemd mit dunkeln Blutflecken besprengt.
Kläglich war neben ihm die Erscheinung Windspiels zu nennen. Dieser hüpfte nicht mehr, wie er sonst wohl zu thun pflegte, er schlich matt in das Zimmer, wie eine halbtodte Fliege; er schaute scheu um sich, und seine wirren Blicke nahmen sich fast unheimlich aus auf seinem Gesichte mit den blutigen Nägelmalen, welches überdies durch die Thränen, die darauf geflossen und die er mit den Händen überall hingewischt, ein blaßröthliches, sehr streifiges Colorit angenommen hatte.
»Herr Polizeicommissär,« rief Doktor Flecker lustig, »Sie werden mir zu Gnaden halten, daß ich so unanständig gelacht habe, müssen mir aber zugeben, daß, wenn man einen verehrten Freund und Gönner, den man ehrbar an seinem Schreibpulte glaubt, in diesem Aufzuge auf der Polizei findet, man von Stein sein müßte, um nicht in ein homerisches Gelächter auszubrechen. – Was um des Himmels willen hat Sie hieher geführt?«
»Das wollen wir gleich erfahren,« nahm der Polizeicommissär, der seinen vollständigen Ernst wieder gefunden hatte, das Wort, indem er ein anderes Papier von dem Tische nahm, an dem er stand, und von demselben ablas: »Larioz, Schreiber bei dem Rechtsconsulenten Doktor Plager. – Das sind Sie?«
Der lange Mann neigte würdevoll sein Haupt.
»Und Joseph Käser,« fuhr der Beamte fort, »Kellner im Wirthshaus zum Reibstein. Das ist wohl der Andere?«
»Ja, ich bin's,« hauchte Windspiel.
»Die Sache ist einfach,« sprach der Beamte achselzuckend, nachdem er sein Papier durchflogen. »Die Beiden wurden ergriffen Entenpforte Numero vier.«
»Oh – oh!« machte der Armenarzt, worauf er mühsam ein abermaliges Lachen unterdrückte. »Den Teufel auch, Freund! wie kommen Sie in die Entenpforte?«
»Sie wurden ergriffen,« las der Polizeicommissär weiter, »in dem Augenblicke, wo sie mit Stöcken und gefährlichen Instrumenten die Wirthin des Hauses, ein paar junge Frauenzimmer und einen anwesenden Herrn bedrohten und mißhandelten.«
»Ist das möglich?« fragte Doktor Flecker, indem er die Hände zusammen schlug. »Sie werden mir erlauben, Herr Polizeicommissär, daß ich darüber meine Verwunderung an den Tag lege.«
»Es kommt noch ärger,« fuhr streng der Beamte fort. »Diese Bedrohungen und Mißhandlungen entstanden nicht aus einem Streit oder dergleichen, sondern diese beiden Leute überfielen aus unbekannter Ursache die harmlos da Sitzenden, indem sie in das Zimmer drangen, bewaffnet mit einem Stock und einer Mistgabel.«
Windspiel fühlte seine Kniee einknicken, es wurde ihm dunkel vor den Augen.
»Mit dieser Mistgabel nun,« sprach der unerbittliche Mann des Gesetzes, »hat der Eine von ihnen eine gewaltige Verheerung angerichtet.«
Bei diesen Worten richtete der Beamte seinen Blick über das Papier hinweg auf die Beiden, und schon wollte der unerschrockene Spanier, von Edelmuth bewegt, sich für seinen Freund opfern, als Windspiel mit schwankenden Schritten, aber hastig vortrat, um der furchtbar quälenden Ungewißheit endlich einmal entledigt zu sein; er patschte mit der rechten Hand auf die Stelle, wo er sein Herz vermuthete, er räusperte sich, er schluckte wiederholt und heftig, er verdrehte gelinde die Augen, während er mehrere Athemzüge that. Dann sagte er mit einer Stimme, die ihm häufig umschlug, und während er bedeutende Pausen machte: »Ja – es ist wahr – da hilft kein Läugnen – wir sind gegangen – gestern Abends in die – Entenpforte – Numero vier – um die Eine – wegen der Anderen – zu sprechen.«
»Mein Freund!« bat Don Larioz mit ernster Stimme.
»Die Eine wegen der Anderen; mehr sag' ich nicht – und wenn man mich gleich – in Ketten legt. Wir haben sie auch gesprochen – vielmehr der Herr Don Larioz – während mich der Stöpsel – in ein – anderes – Zimmer führte.«
»Halten Sie einen Augenblick,« sagte der Polizeicommissär zu dem sehr aufgeregten jungen Menschen. Doch schien er sich auf ein leichtes Kopfnicken seines Schreibers eines Anderen zu besinnen und sprach demnach: »Fahren Sie nur fort.«
»Ja, der Stöpsel,« sprach Windspiel, nachdem er ein paar Mal wieder heftig geschluckt hatte. »Darauf wollten sie mich hinaus lassen – aber nicht vorn – sondern hinten – aber statt daß sie mich wirklich hinaus ließen – sperrten sie mich – in – den Schweinestall.«
»Bedenken Sie, mein Freund« – unterbrach ihn hier abermals der Spanier.
Aber der Andere warf ihm einen rührenden Blick zu und versetzte: »O, lassen Sie mich nur reden, Herr Don Larioz. – Was thut's, wenn ich Armer, Unglücklicher, der auf dieser Welt – nicht viel mehr – zu suchen hat – auch im – Schweinestall gesessen habe! – Sie waren ja – nicht darin, – nein, Sie waren gewiß nicht darin – darauf können sich die Herren verlassen. – Aber nachdem Sie mit der Anderen über – die Andere gesprochen hatten, suchten Sie mich, – fanden mich – ließen mich heraus, und dann nahmen Sie einen Stock und ich die – Mistgabel. – O, Herr Polizeicommissär,« fuhr er nach einer Pause mit lautem Schluchzen fort, »wenn Sie – in einen Schweinestall gesperrt worden wären – und darauf eine – Mistgabel gefunden hätten – so hätten Sie auch – zugestoßen – und ich habe – zugestoßen – ich kann und will es nicht läugnen, aber erst – nachdem man mich gekratzt – wie Sie – hier sehen können – und das ist – Alles – Gott sei mir gnädig!«
Während der kleine Kellner so sprach und die Feder des Schreibers über das Papier hinflog, hatte Doktor Flecker mit dem Beamten eifrig geflüstert, dessen Mienen nach und nach von ihrer Strenge verloren, ja, fast wohlwollend – wurden und der dann einige Male mit dem Kopfe nickte, ehe er sagte: »Die Sache scheint mir ziemlich klar zu sein. Das Volk in der Entenpforte wird wohl auch seine dummen Streiche gemacht haben; man muß denen scharf auf die Finger sehen. – Notiren Sie mir einmal die Alte,« wandte er sich an seinen Schreiber, »und citiren mir auch gelegentlich die Schneller sowie den Stöpsel. Das sind ein paar durch und durch nichtsnutzige Frauenzimmer.«
Als der edle Spanier diese Worte vernahm, räusperte er sich gelinde, trat einen halben Schritt vor und sagte mit seiner gewöhnlichen ernsten Stimme: »Erlauben Sie mir, Herr Polizeicommissär, eine der eben genannten Damen habe ich die Ehre, genau zu kennen. Ich glaube dafür bürgen zu können, daß dieselbe keiner nichtsnutzigen Handlung fähig ist. Dabei muß ich noch sagen, daß in der Erzählung meines Begleiters einige Lücken auszufüllen sind.«
Der Beamte hatte bei dem ersten Satze, den der lange Mann sprach, verwundert auf den Armenarzt geblickt, der die Oberlippe aufwarf und den Sprecher unterbrach, indem er bemerkte: »Lassen Sie ums Himmels willen das jetzt auf sich, beruhen! Sie werden mir erlauben, Ihnen zu bemerken, daß der Herr Polizeicommissär gewiß seine Leute kennt, item, schweigen Sie einen Augenblick still, damit jener würdige junge Mann, der noch sprechen will, endlich auch fertig wird.«
»Das ist auch meine Ansicht,« meinte der Beamte, worauf er sich an den kleinen Kellner wandte und ihn fragte: »Also die Mistgabel hatten Sie?«
»Ich hatte sie, Herr Polizeicommissär,« antwortete Jener mit einem heftigen Schluchzen, während er seine Thränen vergebens zurückzuhalten versuchte. »Ich hatte sie, und nachdem ich gekratzt worden – war ich ganz wüthend – und stieß vor mich hin – o mein Gott! – ohne zu wissen, worauf ich stieß. – – Daß aber das – Eisen tief eindrang fühlte ich wohl,« setzte er schaudernd hinzu.
»Haben Sie alles das ausgeschrieben?« fragte der Commissär seinen Schreiber mit einer entsetzlichen Ruhe. »So können es die Beiden unterzeichnen und wären fertig.«
Windspiel hatte seine Hände gefaltet und erhob sie flehend zu dem Beamten. »Wollen Sie nicht auch,« bat er in kläglich rührenden Tönen, »noch besonders anführen lassen, wie sehr ich gereizt worden – daß man mich in einen – Schweinestall gesperrt« – hier schlug ihm die Stimme abermals um – »daß man mich gekratzt – daß das wohl mildernde Umstände wären?«
Der Commissär zuckte die Achseln, dann sagte er: »Da Sie einmal geständig sind, so ist da nicht viel zu machen. Wir wollen das Gesetz so gnädig wie möglich anwenden, aber den Sophaüberzug müssen Sie wahrscheinlich bezahlen.«
»Und dann?« fragte der kleine Kellner in namenloser Angst.
»Wollen wir Ihnen Beiden die Nacht im Arrestlokal als Strafe anrechnen.«
»Zur ganzen Strafe?« rief Windspiel, »zur ganzen Strafe? – Und ich käme nicht in's Zuchthaus? – o mein Gott! wache oder träume ich? – So hätte ich den Stöpsel nicht lebensgefährlich verletzt?«
Jetzt konnte sich der Polizeicommissär nicht enthalten, mit dem Doktor zu lachen, und selbst auf dem grämlichen Gesichte des Schreibers wetterleuchtete es ein wenig.
Don Larioz legte dem kleinen Manne die Hand auf die Schulter und schaute ihn mit einem unbeschreiblichen Blicke an. Windspiel aber hüpfte auf den Polizeicommissär zu und rief freudig aus, indem er dessen Hand zu fassen suchte:
»So werde ich also nicht da behalten? – So bin ich kein Verbrecher? – kein Mörder? – so habe ich den Stöpsel wirklich nicht verletzt?«
Während sich der Beamte heftig die Nase schnäuzte, um sein eigentlich unziemliches Lachen zu unterbrechen, rief der Doktor, der sich weniger genirte, launig aus:
»Sie werden mir erlauben, zu bemerken, Herr Commissär, daß der junge Mann in einem großen Irrthum befangen zu sein scheint. – Was den Stöpsel anbelangt,« wandte er sich an den vor Freude Strahlenden, »so ist von einer Verletzung desselben, welche vor die Gerichte gehörte, hierorts durchaus nichts bekannt. Der Stöpsel hat nicht geklagt, und müssen Sie, was demselben allenfalls geschehen sein könnte, mit Ihrem eigenen Gewissen abmachen. – Der Herr Commissär ist so freundlich, meine Bürgschaft für die beiden Herren anzunehmen, und so wollen wir uns denn mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung nach Hause begeben, wo ich nach Erfund der Umstände Umschläge, vielleicht auch einen Aderlaß anordnen werde.«
Dabei kniff er sein rechtes Auge gegen den Beamten zu, schüttelte ihm die Hand und verließ mit den beiden Verbrechern das Zimmer, nachdem er vorher noch dem alten Schreiber auf die Schulter geklopft und ihn ermahnt, sich möglichst viel Bewegung in freier Luft zu machen.
Draußen erhielt Don Larioz sein spanisches Rohr wieder eingehändigt, und nachdem er mit seiner dicken blauen Nase aufrecht und würdevoll wie immer an der Seite des Doktors vorüber geschritten war, sagte der Polizeisoldat, der die Beiden gestern Abends eingeliefert, zu einem anderen, der neben ihm stand, indem er mit dem Finger auf die Stirn tippte:
»Der muß schwach auf der Brust sein, sonst hätten sie ihn diesmal fest gehalten. Ich habe ihn schon einmal erwischt, da wollte er ein Haus anzünden; es ist eigentlich gefährlich, solche Leute allein herumgehen zu lassen.«
Edler Don Larioz, hättest du diese Aeußerung gehört, du würdest deinem großen Herzen gemäß keinen Zorn gefühlt haben; du hättest nur mitleidig gelächelt über eine Welt, die dich nicht zu begreifen im Stande ist, die deine uneigennützigen Bemühungen für das Wohl dieser undankbaren Menschen für Beweise von Narrheit erklärt.
Windspiel hüpfte selig die Treppen hinab; er sprach zu sich selber, als ihm ein Gensd'arme begegnete: »Du wirst allein gehen, lieber Freund, ich bin frei!« Er blickte abermals den Sonnenstrahl im Hofe an und flüsterte: »Ich bin kein Mörder, ich habe den Stöpsel nicht verwundet. Frei bin ich!«
Unten vor der Thür winkte der Armenarzt einen Fiaker herbei, um den langen Schreiber, der gar zu sonderbar aussah, nach Hause zu fahren. Windspiel aber, in der tollen Freude seines Herzens, verschmähte das Fuhrwerk, und nachdem er sich herzlich bei Don Larioz verabschiedet, auch dem Doktor bestens gedankt, flog er, diesmal seines Beinamens vollkommen würdig, in so großen Sätzen dem Reibsteine zu, daß das Mäntelchen im Winde flatterte und die Leute ihm erstaunt nachblickten.
Als Don Larioz mit dem Doktor zu Hause und auf seinem Zimmer angekommen war, sagte Letzterer: »Sie werden mir zugeben, mein verehrter Herr, daß es von mir das Klügste ist, wenn ich Sie jetzt Ihrem Schicksale überlasse. Heute Abends werden Sie mir, hoffe ich, Ihre Fahrten erzählen. Nehmen Sie jetzt ein Brausepulver, machen Sie kalte Umschläge um Ihre dicke Nase und ruhen alsdann auf dem Bette aus.« – Damit eilte er hinweg, wandte sich aber unter der Thür nochmals um und rief zurück: »Apropos, ehe ich's vergesse, Seine Erlaucht der Graf Helfenberg will Sie sprechen. Gehen Sie zu ihm, sobald Sie wieder menschlich aussehen. – Adieu!«
Don Larioz, einigermaßen betäubt von den Vorfällen des gestrigen Abends und des heutigen Morgens, nicke schweigend mit dem Kopfe, dann trat er vor den Spiegel, that beim Anblick seines entstellten Gesichtes einen tiefen Athemzug und murmelte: »Ich sehe in der That kaum menschlich aus. – O, ich habe bedeutend gelitten, und fast möchte es mich bedünken, als müsse ich mit Trauer auf jene Ereignisse in dem Hause der Entenpforte blicken. – – Und doch – was ist eine blaue Nase, wenn ich sie dem Bewußtsein gegenüber stelle, dieselbe für dich empfangen zu haben, für dich, Dolores, die du wohl das unglücklichste, aber auch das schönste Weib auf Erden bist!«