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Fünftes Capitel.

Der Dieb.

Wohlan! sagte der Gefangene nachdenklich, stützte das Haupt auf und sah trübsinnig durch das enge Fenster in die schöne, sonnenhelle Gegend. Vernehmen Sie, Wildungen, ich bin hier geboren, bin hier erzogen. Da am Rande jener Berge hab' ich kletternd die erste jugendliche Kraft erprobt. Viel ist schon hinweggezogen von neuen Erfahrungen und neuen Eindrücken über die erste Kinderzeit, aber noch taucht aus ihr in strahlendem Glanze auf.... da das Schloß mit seinem alten geschnörkelten Baustil... der Hohenberg selbst, an den sich die ältesten Erinnerungen unserer Familie knüpfen. Wissen Sie, früher stand auf dem Hohenberg eine Burg, zu der dieser Thurm, der jetzt hier den letzten Sprossen dieses Hauses gefangen hält, als ein äußeres Bollwerk, eine Art Warte, gehörte. Ich habe in der Beschäftigung mit ernsten und nüchternen Lebensaufgaben doch längst abzustreifen gesucht das dämmernde, träumerische Gefühl der Wehmuth, das uns nur einlullt zum süßen Nichtsthun und zur Beschönigung unserer rathlosen Thatkraft... Aber wie ich da wieder im Walde die alten Wipfel rauschen hörte, wie ich am Jägerhause stand, wo ich auf einer grünen Wiese von einem früheren Soldaten, Namens Marzahn, die Büchse spannen lernte und manchmal das an einen Eichbaum gesteckte bunte Ziel traf, wie ich wieder die Mühle rauschen hörte, die ein Ullaarm, aus dem Gebirge niederströmend, in Bewegung setzt und mich an die Regenbogen erinnerte, die die Sonne auf dem gespritzten Wasserstaube malt... ein Anblick, der mich beim majestätischen Rheinfall in Schaffhausen ausrufen ließ: Rühmt mir nichts von Dem, was ich am Mühlbach auf dem Schlosse meiner Väter fast ebenso schön, fast schöner, kindlich glücklicher, schon gesehen habe!... wie ich so wieder gedachte des Heimwehs der Kindheit und der Sehnsucht nach einem Lande des Glücks, das – ach! es ist nur zu wahr! – niemals vor uns, immer nur hinter uns liegt!... da, Freund... nein, nein, Sie zweifeln ja! Sie verstehen ja meine Empfindungen noch nicht!

Bei diesem gemüthvollen Ausrufe mußten Dankmar's Bedenklichkeiten schwinden.

Prinz, sagte er, tief erschüttert und innigst überzeugt, die Augenblicke sind gezählt; sie sind kostbar, wenn man an die Erlösung von diesem jammervollen Zustande denkt... Was beginnen wir zu Ihrer Befreiung?

Ich denke nun nicht mehr daran, sagte der Gefangene mit feiner Ironie, in die sich fast ein leiser, artiger Vorwurf mischte. Erst haben Sie Aufklärung begehrt, nun fühle ich nicht einmal so lebhaft mehr das Bedürfniß, frei zu sein. Jetzt will ich gefangen sein, um reden, mich aussprechen, mich erinnern zu können. Ja, ja! So ist der Mensch! Wenn er gesund blüht, ist er vor nichts so besorgt, wie vor einer Krankheit. Da erfaßt sie ihn denn und nun findet er bei allem Schmerz des äußern Menschen auch eine Freude für den innern. Man kehrt auf dem Krankenlager bei sich ein, wird reifer, geläuterter und steht geistig besser vom Lager auf, als man sich niederlegte. Schenken Sie mir jetzt nur ruhig Ihre Gegenwart, Wildungen, hören Sie mir nur still, mit Theilnahme zu und bereiten Sie sich darauf vor, daß ich Ihnen vielleicht...

Der bewegte Sprecher stockte.

Dankmar schwieg, aber seine Blicke sprachen ihm jede Ermuthigung.

Daß ich Ihnen vielleicht eine Bitte vortragen werde, deren Erfüllung Sie nur dann erfreuen kann, wenn Sie mein vergangenes Leben kennen.

Dankmar äußerte schon jetzt für das Vertrauen des Gefangenen seinen Dank und bat ihn, sich offen mitzutheilen. Er würde sich ihm in Nichts entziehen.

Der Erzähler fuhr nun fort:

Ich lebte hier in Hohenberg mit jeweiliger Unterbrechung, wo wir unsere andern Güter und die Hauptstadt besuchten, fast bis in mein dreizehntes Jahr. Der Vater, kurz vor meiner Geburt in den Fürstenstand erhoben, hatte um dieselbe Zeit ein großes Vermögen durch einen unerwarteten Tod des Stammhalters der österreichischen Seitenlinie gewonnen und war von seinem plötzlichen Glücke so gehoben und getragen, daß er nur auf der hohen Flut des Lebens schwamm und sich wenig um seine Häuslichkeit kümmerte. Der Vater war Militair und hatte Lust, auch mich im zartesten Kindesalter schon für diesen Stand zu bestimmen und abzurichten. Die Mutter aber erkannte in dem Plan, mich in eine militairische Erziehungsanstalt zu schicken, nur den Egoismus eines Weltmannes, der die Erziehung seines Sohnes sich so leicht als möglich machen wollte. Sie trat diesem Plane mit Entschiedenheit entgegen. Das leider sehr tief eingerissene Zerwürfniß der Ältern machte eine unter ihrer gemeinschaftlichen Aufsicht genossene Erziehung fast unmöglich. So beschlossen sie mich ganz hierher nach Hohenberg zu versetzen, soviel wie möglich hier zu leben und mich mit Lehrern, Hofmeistern und Aufpassern aller Art so zu umgeben, daß ihr Gewissen beruhigt sein durfte. Meine Mutter liebte damals noch die Welt. Sie war noch nicht in die Krisis getreten, die sie später zu einer sehr unfruchtbaren und meiner innersten Natur heterogenen Frömmigkeit geführt hat. Es lebte damals hier im Orte ein sehr braver Pfarrer, Namens Rudhard. Dieser strenge und doch keineswegs gemüthlose Mann erhielt über meinen ganzen Bildungsproceß die obere Aufsicht, und noch jetzt – er weilt fern an den Ufern des Schwarzen Meeres in Odessa – noch jetzt dank' ich ihm für die spartanische Strenge, mit der ich in jenen Tagen erzogen worden bin. Zwar sträubte sich in mir etwas und wollte sich bäumen und das oft drückende Joch des Gehorsams abschütteln; aber Dank sei es der damaligen Charakterfestigkeit meiner Mutter, sie widersetzte sich jeder Intrigue, die vom Schlosse aus und sonst gegen den Pfarrer gesponnen wurde. Wie auch die Lehrer, die mir oben beigegeben waren, gegen den unten über sie wachenden Rudhard polterten, wie sehr auch einer von ihnen, ein Franzose, Namens Sylvestre Rafflard, förmlich intriguirte, Rudhard behielt Recht. Auch mein Vater hatte bei aller Zerfahrenheit seines Charakters eine gewisse männliche Entschlossenheit, die ihn Windbeuteleien sehr leicht als solche erkennen ließ, und wenn mich Rudhard's strenge gewaltige Hand nicht geführt hätte, ich wäre umsomehr misrathen oder doch in meinen ersten Entwickelungen geradezu gesagt verpfuscht worden, als die Mutter in ihrer Behandlungsweise im höchsten Grade unregelmäßig, launenhaft und willkürlich verfuhr. Bald warf sie sich mir mit brennender Liebe an den Hals, küßte mich und benetzte mich mit tausend Thränen, deren Grund ich nicht kannte, bald wieder war sie schroff und behandelte mich mit einer Fremdheit, die früh mein Herz gegen sie eingenommen hat. Scheiterte ihr in der großen Welt irgend ein Lieblingsplan, fühlte sie die Hand irgend einer Intrigue kalt und ertödtend in ihr Herz greifen, so kam ein reitender Bote, um mich augenblicklich in die Stadt zu rufen. Auf Wolkenflügeln sollt' ich dann zu ihr eilen, das Muttergefühl sollte sie trösten für allen Kummer, alle Entbehrungen! Und wenn ich ankam, fröhlich, überglücklich, im prächtigen Palais der Ältern mich umschauend, fand ich sie schon abgekühlt, schon getröstet, schon zerstreut durch etwas Neues, dem ihre nie zu befriedigende Sehnsucht nachjagte. Dann blieb ich wol einige Wochen bei den Ältern, wurde verwöhnt, verhätschelt, war ihnen aber bald so im Wege, wurde so unwillkommener Zeuge der unglücklichsten häuslichen Zerrüttung, daß man dann sogleich hundert Gründe hatte, mich wieder nach Hohenberg zu meinem gestrengen Rudhard, den französischen und musikalischen Maitres zurückzuschicken. Zu diesen Maitres! Diesen Erziehungsvirtuosen, die ich später zu entlarven Gelegenheit hatte! O, durch welches Wirrsal muß sich ein Kindesherz durcharbeiten! Wenn ich daran denke, daß ich dabei immer noch mit Dem, was aus mir wurde, leidlich zufrieden sein darf, so kann man wol sagen: Die Jugend ist eine Pflanze, die wächst und ans Licht muß, auch wenn man unter dem Namen der Erziehung einen schweren Stein auf sie legt!

Sie beurtheilen Ihre Ältern streng, sagte Dankmar, und der Gefühle gedenkend, die ihn gestern über seine eigene Mutter beschlichen, fügte er hinzu:

Es ist eigentlich ungerecht, Menschen nur deshalb streng zu nehmen, weil sie das Schicksal zufällig unserm Herzen so nahegestellt hat, daß wir sie leichter ergründen können als Andere! Wir sollten da gerade doch duldsamer sein und den Vorsprung nicht benutzen, den uns der nähere Besitz gestattet. Doch vergeben Sie... ich gedachte eigener Erfahrungen....

Wohl! Wohl! sagte der Fremde nachdenkend und tiefmelancholisch.... Die Liebenden quälen sich wechselseitig am meisten... und Keiner wol bereitet sich das Gift des Todes oft willenlos geflissentlicher als Die... die sich das Leben sind!

Nach einigen Augenblicken schwermüthigen Sinnens fuhr der Fremde fort:

Sie strafen mich, Wildungen, daß ich so streng von meiner Mutter spreche und den Vater vollends nicht schone. Aber werfen Sie einen Blick auf meine Lage, ist diese nicht entsetzlich? Ein tapferer Krieger wird von seinem Monarchen, der ihn liebt und verwöhnt, in den erblichen Fürstenstand erhoben. In demselben Augenblicke fallen ihm in der Ferne Besitzungen im Werthe einer Million zu. Er veräußert sie und statt die flüssigen Gelder auf einheimischen neuen Grund und Boden und dessen Ankauf oder die Verbesserung seiner alten Besitzungen zu verwenden, werden sie in flüchtigen Tändeleien, in luxuriösen Einrichtungen, einem prächtigen Palais, in Pferden, in Marställen, im Spiel, ja ich muß es sagen, sogar im Trunk vergeudet! Man drängt in ihn, ein Fideicommiß zu stiften für die Familie und ihre dauernde Anlehnung an einen Besitz, der wol entwerthet, aber nicht ganz veräußert werden kann. Der Staat begünstigt solche Majorate und wünscht sogar ähnliche Bestimmungen, um einen vornehmern Adel zu gewinnen, als das übliche adelige Gesindel ist, das uns die ganze Frage vom Adel verdorben hat. Man wollte die Ausführung der damaligen Idee von einer künftigen Pairsschaft durch Majorate anbahnen. Aber nicht nur, daß mit der Zeit jene Capitalien verschwendet und auf eine nutzlose Prachtliebe verwandt waren, die mir in der Residenz allerdings ein sehr schönes Palais hinterlassen hat, dessen innere Einrichtung zu sehen Ihnen einmal Freude machen wird... auch die alten gräflich Hohenberg'schen Güter Plessen, Randhartingen, Wiesbach, unsere Antheile an Schönau, Berghübel, sind so durch darauf geborgte Summen überschuldet, in ihrer Ökonomie vernachlässigt, daß ich zweifelhaft bin, ob ich überhaupt ihre Herrschaft antrete und sie nicht lieber ganz, wie der Lateiner sagt, unter den Spieß stelle, das heißt, wie Sie wissen, sie losschlage. Erwägen Sie diesen Zustand und fragen Sie, ob hier das Gedächtniß eines Sohnes Alles liebend beseitigen und über die Vergangenheit nur Blumen der Versöhnung streuen kann! Nein! Nein! Ich kann nur mit bitterstem Unmuthe diese Gedanken an das Vergangene in mir vorüberziehen lassen; ich habe Stunden erlebt, wo ich meine Mutter kalt bemitleidete, aber noch unglücklichere, wo ich meinen Vater bis aufs Blut haßte. Denken Sie sich den einen Zug! Dieser Mann, der meine Mutter mishandelt hat, sie zuletzt in ihrem Nothdürftigsten beschränkte, dieser Mann, der dennoch vor dem jungen Monarchen weinte, als er ihm den Tod meiner Mutter anzeigte, weil ein ernster Blick der Umgebungen des Fürsten ihm sagte: Hohenberg, Sie haben da ein Herz brechen helfen!... dieser Mann verkauft, weil die frühere Gräfin Bury nichts besaß und ich keine Ansprüche auf ihren Nachlaß habe, die Einrichtung ihrer Zimmer, verkauft den stillen Frieden ihrer liebsten frommen Abgeschiedenheit von der Welt, verkauft die Thränen, mit denen sie ihre Polster und Gebetbücher benetzte, verkauft – o mein Gott, Wildungen, Ihr wißt nicht, wie weit die Herzlosigkeit dieser vornehmen Stände geht! Wenn ich in Lyon einen armen Seidenarbeiter sterben sah, ja, da gehörte wol schon das Stroh, auf dem er endete, dem reichen Fabrikanten, dem er all sein Hab und Gut verpfändet hatte; aber ein Crucifix, Wildungen, auf das die blassen Lippen ihre letzten Küsse gedrückt hatten, ein Gebetbuch, aus dem seine weinenden Kinder, die zu kurz die Schule besucht hatten, um lesen zu können, die letzten Tröstungen der Religion stammelnd buchstabirten, ja vielleicht der letzte Stab, Wildungen, der ihn stützte, der letzte Rock, der seine Blöße deckte und die letzten Schuhe, die er auszog, als er sich auf das Lager warf, auf dem er sterben sollte – die waren noch sein, um die bat er den Fabrikherrn für sein Weib und seine Kinder, verpfändete sie nicht, um der Liebe willen nicht... um seines Heilandes willen nicht... ach, mein Freund, vergeben Sie mir, wenn Sie einen Sohn hören, der vor seinem Vater keine Achtung hat.

Erschöpft von seiner Aufregung warf sich Egon auf die hölzerne Pritsche und schien die Härte dieses Lagers kaum zu fühlen.

Von tiefster Theilnahme ergriffen beugte sich Dankmar zu ihm herab und bat ihn, seine Empfindungen nicht zu heftig aufzuregen.

O, warum bin ich auch hierher zurückgekehrt, rief Egon leidenschaftlich, ausgesetzt einer ewigen Verhöhnung durch mich selbst! In der Ferne, ja da war ich glücklich! Ich galt für Den, für den ich mich gab. Wildungen! Glauben Sie mir's, ohne mich einen Wahnsinnigen zu schelten, ich habe in den Werkstätten von Paris gearbeitet, ich galt für einen deutschen gebildeten Arbeiter. Niemand wußte etwas von den Schulden meines Vaters; mit Dem, was sie mir übrigließen, konnt' ich fleißige Arbeiter belohnen, manche nützliche Unternehmung befördern,... selbst leben... ich war glücklich....

Setzen Sie dies Leben hier fort! sagte Dankmar innigst theilnehmend und vor Freude bewegt, endlich einmal einen Vornehmen zu finden, der wie jeder andere Mensch sich fühlte und gab. Man wird sich mit dem Vater aussöhnen, der einen solchen Sohn hinterließ. Man wird milder von der Aristokratie denken, sich dem Adel verwandter fühlen...

Man wird mich auslachen! unterbrach ihn der junge Fürst. Unsere Verhältnisse bieten keinen Boden für eine solche Umkehr der Stellungen.

Warum nicht? sagte Dankmar.

Der Fremde schwieg....

Nach einer Weile fuhr er fort:

Aber hören Sie von dem Vergangenen!

Sich aufrichtend erzählte er weiter:

Ich hatte kaum das dreizehnte Jahr erreicht und sollte nach des Vaters Wunsche jetzt unmittelbar für den Kriegerstand gebildet werden. Da kam über meine Mutter jene Erleuchtung, die denselben bigotten Zustand zur Folge hatte, von dem noch die spaßhaften Erzählungen des Jägers vom »Gelben Hirsch« Ihnen im Gedächtniß sein werden. Sie hören, wie wenig erbaut ich von dieser Erbauung spreche und ich kann Sie versichern, Wildungen, daß ich hier nicht wie der Blinde von der Farbe rede, sondern eine Zeit lang war ich selbst einer der Hellsehenden, Einer der von Angesicht zu Angesicht Schauenden und der Gotterleuchteten.

Dankmar lächelte wie der Erzähler. Er hätte manche, so auch diese Äußerung von ihm anders gewünscht; doch hörte er mit Aufmerksamkeit zu.

Wie meiner guten Mutter dieser traurige Zustand anflog, weiß ich nicht. Ich glaube, diese Frömmigkeit war damals in der großen und kleinen Welt eine Sache der Mode. Man betete viel und gern laut, und wissen Sie, Wildungen, für die Politik war Das sehr gut. Es bewahrte vor Übereilung in Entwickelungen, für welche der beschränkte und philisterhafte Sinn unsers Volkes kaum jetzt schon reif ist, wie viel weniger damals...

Die jämmerlichen Staatsmänner jener Zeit, sagte Dankmar, diese Polizeiseelen, Creaturen Metternich's, fanden in der Bigotterie eine Stütze des Absolutismus, eine Art Chinin gegen das Constitutionsfieber.

Wohl! Wohl! sagte der Fürst. Genug, ich für mein Theil hatte einige sehr angenehme Folgen von dieser Sinnesänderung meiner Mutter zu erfahren. Erstens wurd' ich nicht zum Soldaten bestimmt. Im Gegentheil wollte die Mutter jetzt nur noch durch mich Gott... und durch Gott mir leben. So sagte sie selbst! Sie zog für immer hierher nach Hohenberg und richtete sich so ein, als wollte sie ihre Tage hier für immer beschließen. Anfangs verursachte mir diese Entdeckung einen lähmenden Schrecken. Ich sehnte mich ja hinaus in die Welt, ich wollte Schulen besuchen, wie Andere, wollte die Freundschaften unterhalten, die ich bei meinen kurzen Anwesenheiten in der Residenz im Fluge knüpfte. Ich wollte der junge Fürst von Hohenberg sein! Aber die Mutter hatte es anders beschlossen. Sie gedachte mich in ihre ausschließliche Obhut zu nehmen. Rudhard wurde entfernt, weil seine Auffassung des Christenthums der ihrigen nicht entsprach. Man versetzte ihn, ich weiß nicht, ob auf ihren Betrieb oder freiwillig, in andere östliche Gegenden. Tief betrübt sah ich ihn scheiden, denn so streng er war, die Gediegenheit seines Charakters konnte selbst dem Kinde nicht entgehen. So wenig er meiner Eitelkeit als einem jungen Fürsten schmeichelte, so besaß ich doch Lernbegierde genug, von seinem reichen Wissen Vortheile zu ziehen. Ja wie Knaben mit ihren Lehrern pflegen, in meiner eitlen Bewunderung stellt' ich ihn wol gar noch höher als er stand. Seinen Nachfolger wählte die Mutter auf Empfehlung der pietistischen Kreise in der Residenz. Es war dies ein junger, gewandter Theolog, Namens Guido Stromer. Wenn ich nicht irre, brachte er sich sogleich eine Gattin mit und gewann das Herz meiner Mutter in dem Grade, daß es ihm gelang, einen andern Plan mit mir durchzusetzen, für den ich ihm eigentlich Dank weiß. In seiner Furcht, meine Erziehung auf dem Schlosse würde doch einen ewigen Ab- und Zustrom von Hofmeistern und Fachlehrern aller Art zu einer nicht zu ändernden Bedingung machen, äußerte er der Mutter die Idee, mich nach Genf in ein Pensionat zu geben. Naturen wie Sylvestre Rafflard gewesen war, blieben ihm gefährlich. Die Mutter, nicht ahnend, daß er nur in der ihm natürlich sehr wichtigen Gunst seiner Kirchenpatronin die Nebenbuhlerschaften entfernen wollte, ging auf diesen Plan mit Begeisterung ein. Sie hatte Genf selbst gesehen, schwärmte für den reizenden bergumkränzten Leman, träumte oft von dem Glücke, dort zu wohnen, dort ihre Tage zu schließen, was ihr bei der Beschränkung ihrer Mittel nicht beschieden sein konnte... und alle diese Reize erhöhte ihr zuletzt noch das Bewußtsein des in dem dortigen Leben und der dortigen Erziehung herrschenden Geistes der strengen Kirchlichkeit. Die Sekte der Momiers war damals neu in der französischen Schweiz erst aufgekommen. Sie erkannte in ihnen, nach den Berichten einer von ihr nach Kräften unterstützten Kirchenzeitung, eine Gemeinde Wiedergeborener, die sich nur an den reinen biblischen Geist des Christenthums hielte. Es wurden Erkundigungen eingezogen über die Pensionate von Lausanne, von Vevey, von Neufchatel, Genf. Das war ein Geschwirre von Briefen der Pastoren jener herrlichen Gegend, die Alle mit Empfehlungen der christlichen Institute zur Hand waren und dabei die Gelegenheit benutzten, mit einer deutschen Dame von Stande in Rapport zu treten. Denn diese Pfaffen dort, müssen Sie wissen, haben keinen größern Ehrgeiz, als mit der halben vornehmen Welt Europas in Rapport zu stehen und sich mit den Briefen zu brüsten, die sie selbst aus Petersburg, Stockholm und Neuyork erhalten. Damit ist zugleich ein eigenthümlicher Menschenhandel verbunden. Kennen Sie Casanova?

Dankmar verneinte befremdet.

Casanova, sagte der junge Fürst, Casanova, den ich im Pensionat des Herrn Monnard mit aller Bequemlichkeit gelesen habe....

Im Pensionat? sagte Dankmar erstaunt.

Casanova, fuhr Egon ruhig fort, erzählt von den in Europa zerstreuten italienischen Sängern und Tanzmeistern und plaudert uns deren Memoiren aus; ich versichere Sie, der fromme Menschenhandel mit Bonnen, Gouvernanten, Hauslehrern aus der französischen Schweiz ist so organisirt, daß ich eine große Ähnlichkeit finde. Sie haben keine Ahnung, welche Dinge in einer französisch-schweizerischen Pfarrerswohnung von Yverdun oder Meudon abgemacht werden. Ich könnte Ihnen Fürstinnen nennen, die auf europäischen Thronen sitzen und von den Fäden einer ehemaligen, glänzend pensionirten, bei Genf in ihren Verbindungen schwelgenden alten Erzieherin gelenkt werden. Sie erfahren in einem frommen Thee in Lausanne mehr Cabinets- und Hofgeheimnisse, wie in Berlin in dem engern Cirkel eines Ministers.

Dankmar fiel lachend ein:

Das hätte ja fast Ähnlichkeit mit dem Einflusse, den zehn Meilen weiter von Lausanne die freiburger Jesuiten über das übrige Europa ausüben....

Die vollkommenste! bestätigte der junge Fürst. Sie können aber auch in Lausanne die Politik der Jesuiten und in Freiburg die Politik der Momiers studiren. Es ist ganz dieselbe Sache, wie sie auch von Menschen vertreten wird, die sich untereinander vor Brotneid aufzehren möchten. Das ist eine Sucht, dem andern eine Beute abzujagen! Denken Sie sich diese Correspondenz der reformirten Geistlichen mit den höchststehenden Familien! Der Reiz der französischen Sprache, die elegante glatte Weltbildung neben der frommen Salbung, die den gutkatholischen Fénélon zum Ideal auch dieser Protestanten gemacht hat,... genug, die gute Mutter war auf Grund meiner Versendung nach Genf so lebhaft in Verbindung mit den schönsten, durch die Fremdenbesuche an Neuigkeiten ergiebigsten Gegenden der großen europäischen Route, daß sie sich in ihren Briefen hier auf Hohenberg schon da vortrefflich unterhielt, noch ehe ich abreiste. Wie aber nahm Das erst zu, als ich wirklich in Genf war! Wie wurden da über mich, über meine Erziehung, meine Anlagen, meine Irrthümer, meine Tugenden und Gebrechen soviele Anfragen an Geistliche, Professoren, Syndics, Künstler, am Genfersee domicilirte Freunde und Freundinnen gerichtet und von diesen beantwortet! Nun war ich der einzige Gedanke der Fürstin, ja der Angelpunkt und die Achse ihres ganzen Daseins geworden. Welche Briefe ließ mich Professor Monnard und sein boshafter erster Lehrer, Sylvestre Rafflard, schreiben....

Rafflard? unterbrach Dankmar. Sie erwähnten ja seine Anwesenheit in Hohenberg....

Rafflard war, berichtete der Erzähler, ursprünglich aus Genf, kam nach Deutschland, zu uns als Lehrer der französischen Sprache, von da nach Kurland, wo er mit Rudhard wieder zusammentraf und zwar feindselig genug, dann kehrte er nach Genf zurück, wo ich ihm im Monnard'schen Institute wieder begegnete. Jetzt ist er Jesuit....

Das ist eine lehrreiche Biographie! sagte Dankmar.

Sie werden noch Manches von Sylvestre Rafflard hören; schaltete der Erzähler ein und fuhr fort:

Wie oft wurden meine Briefe von Monnard und Monsieur Sylvestre ausgestrichen und unter dem einfachen Scheine stilistischer Veränderungen in ihren Thatsachen so umgewandelt, daß weiß erschien, was ich als schwarz hatte melden wollen – kurz, mein Freund, ich wurde in geistigen Dingen so methodisch zur Lüge und zur Phrase erzogen, so auf eine gewisse herzlose Regelmäßigkeit abgerichtet, so nach dem Modell einer gutgearbeiteten genfer Uhr künstlich zusammenspintisirt, daß ich in meinem achtzehnten Jahre wirklich als ein heilloser Schlingel, voll Verstellung und Einbildung, zur Mutter zurückkehrte und die Vorwürfe der inzwischen gar düster gewordenen und gramverschleierten Frau im reichsten Maße verdiente. Natürlich misfiel es hier einem jungen Taugenichts, der statt im Thomas a Kempis im Pensionat heimlich den Casanova las, im höchsten Grade. Ich entfloh, so zu sagen. Als die Mutter mir in die Residenz nachreiste und ich auch mit dem Vater in Händel gerieth, dankte sie Gott, wie ich wenigstens soviel guten Willen zeigte, daß ich mich entschloß, in Bonn, Heidelberg, Göttingen zu studiren. Erlassen Sie mir, Ihnen davon eine Schilderung zu machen! Die akademische Zeit eines jungen deutschen Adeligen, der die Universität besucht ohne einen andern Zweck als den, einmal dagewesen zu sein, wird für Sie keiner Schilderung bedürfen. Man genießt, was das Leben bietet und was der von Hause bezogene Wechsel sich zu verschaffen möglich macht. Durch Unterwürfigkeit und Kriecherei der sogenannten »Philister«, ja der berühmtesten Professoren, lernt man früh die Niederträchtigkeit der Menschen kennen und man verläßt die Hochschule, übersättigt, verdrießlich, reizbar, im Jugendlenz schon ein Misanthrop. Die Mittel flossen meiner Lebenslust gering zu. Der Justizrath Schlurck, derselbe, der im Besitz Ihres verlorenen Schreins ist, derselbe, den wir beobachteten, wie kostbar ihm Pasteten und Champagner schmeckten, die er sich bei solchen Administrationen, wie die Hohenberg'sche ist, verdient, schickte ein, was die ganz in seinen Händen befindliche Verwaltung der Angelegenheiten meines Vaters zu schicken erlaubte. Der epikuräische Spitzbube war dabei sehr höflich, sehr devot, aber karg. Ich haßte ihn, vielleicht mit Unrecht. Aber er war der Nächste, der meinen beleidigten aristokratischen Ärger, meine gentlemanliken Vorwürfe auffangen mußte. Die Mutter sprach oft davon, man müsse seinen Feinden vergeben: ich entnahm dieser Wendung ihrer Briefe weiter nichts, als daß ich mich auch wirklich vor Feinden zu hüten hätte.... War sie doch selbst seit der frühesten Zeit, der ich mich entsinnen kann, von den Gespenstern unsichtbarer Gegner verfolgt! Früh schon prägte sie dem Kinde die Vorstellung einer großen Verschwörung gegen ihr Lebensglück ein. Sie machte mir Begriffe, als wenn die Welt voll Teufel stäke und an der Spitze dieser Hölle, sagte sie mir einst, stände eine Frau... eine Frau, die früher ihre zärtlichste Freundin war, Pauline von Harder, sonderbarerweise wirklich die Gattin jenes Mannes, dessen schlingelhafter, frecher Bediente mich, den Besitzer von Hohenberg, in seinen eigenen Thurm hat werfen lassen!

Pauline von Harder? wiederholte Dankmar und gedachte der Erwähnung derselben auf dem Heidekrug. Er kannte sie nur als eine Schriftstellerin, von der er jedoch nichts gelesen hatte...

Sie ist mir unbekannt, fuhr der junge Fürst fort, wie die meisten erlauchten hoch- und hochwohlgeborenen Häupter unsers Adels, einige Jüngere ausgenommen, mit denen ich in Bonn und Göttingen verkehrte. Prüfungen zu bestehen und mich um ein Amt zu bewerben, lag nicht in meinem Plane: der Vater, der sich über seine Verhältnisse gern in einem völligen Dunkel erhielt, um von ihnen das Bessere annehmen zu dürfen, glaubte noch hinlänglich vermögend zu sein, mir eine standesmäßige Existenz auch ohne Arbeit und Amt zu sichern. Dies war aber nicht der Fall. Ich fühlte mich so gezwungen und nach allen Richtungen hin so gehemmt, daß ich vorzog, wieder auf Reisen zu gehen und mich deshalb der Schweiz, Italien und Frankreich zuwandte. Die Beziehung zur Mutter blieb leider unerfreulich. Sie hatte in ihrer Art das Beste im Sinn, aber sie gab es entweder nicht in der richtigen Form, oder mein Herz ist kalt, ich weiß es nicht, ich kam nie mit ihr zu einem warmen offenen Wahrheitstone. Oft empfand ich Hinneigung zu meinem derbnatürlichen Vater. Die Mutter unterbrach aber jedesmal diesen Strom meiner Empfindungen und lenkte ihn wieder auf sich zurück, wo er jedoch nur künstlich floß. Ihre trübe Auffassung des Lebens entsprach meinem heitern Sinne nicht. Rudhard's Unterricht hatte schon tiefe Wurzeln in meinem Herzen geschlagen und mich gegen allen Schein und die Charlatanerie gestählt, mit der in Genf die Erziehung betrieben wurde. Ich gewann dort einige Bekanntschaften, die der allgemeinen Pietisterei in der dortigen Lebensweise gegenüber mir reinere Begriffe von Gott und seinem weisen Erziehungsplane der Menschheit einflößten, und wenn ich Ihnen erzählen sollte, wie es vor fünf Jahren etwa über mich kam, welch ein neuer Geist mich gerade in der französischen Schweiz und dem südlichen Frankreich ergriff.... Sie würden sagen, die dumpfe, hier auf dem Schlosse wohnende protestantische Ascetik konnte mich nicht erwärmen, selbst wenn sie von der zärtlichen Fürsorge einer Mutter betrieben wurde! Ach ja, Wildungen! Ich gedenke des Tages, wo ich von Genf zu Fuße wanderte, die Rhone entlang durch Savoyen über den Jura nach Lyon! O dieser Tag! Diese Welt! Diese Freiheit! Vergebens hatte ich auf Briefe von Schlurck gewartet, vergebens auf eine Mittheilung von meiner Mutter, die wegen meines plötzlichen Entschlusses zu reisen, mit mir boudirte, vom Vater hatt' ich eine längere freundliche Zuschrift, in der er mir nach seiner Weise kurze Verhaltungsmaßregeln schrieb, etwa in dem Stile: Junge! Mach Schulden, aber meide die Wucherer und borge immer vier Wochen früher, ehe du das Geld brauchst, sonst preßt dir die Noth die niederträchtigsten Zinsen ab! Verlieb' dich nie ernstlich und lerne aus der Liebe zu den Weibern die leichteste Methode, sie zu verachten... und dergleichen epikuräische Sätze mehr, die er mit Herzensgüte verband... er war leichtsinnig, doch wohlwollend und nur durch eine unmäßige, vom verstorbenen Monarchen geschürte militairische Eitelkeit aus Rand und Band gegangen.... Diesen Brief hatt' ich, aber keinen Wechsel. In der Ungeduld, ihn erwarten, Stunde um Stunde, Minute um Minute zählen zu sollen, ging ich mit der letzten Baarschaft, zu Fuß, in einer Blouse, wie Sie mich jetzt hier sehen, von Genf nach Lyon.... In der Meinung, nach vierzehn Tagen kehrst du zurück und findest, was zu erwarten dich so peinigt, schritt ich muthig vorwärts. O, welch eine Erinnerung! Wie lange hielt ich sie fern, Wildungen! Gedenk' ich dieser himmlischen Maitage, als ich von Genf auswanderte, die grünen Ufer der Rhone entlang, bei jedem Blicke aufwärts die blauen Höhen des Jura, bei jedem Blicke rückwärts die weißen, unter dem reinsten blauen Himmel ausgebreiteten Schneedecken des Montblanc und Chamounixthales.... Wildungen... An der kleinen, hoch in den Lüften schwebenden Bergveste des Forts de l'Ecluse warf ich noch einmal den Blick in das Genfer und Savoyer Thal zurück. Lebe wohl, du schöne Ebene! Lebe wohl, du theures Land! Es war wie ein Abschied von meinem ganzen Dasein... Ich setzte mich an dem Fort auf einem Steine nieder und jeder von einem leichten Lüftchen bewegte Grashalm rührte mein junges, sich damals so arm, so arm fühlendes Herz. Jede kleine Glockenblume, die mein Fuß hätte zertreten können, schien mich mit bittendem Auge anzuflehen: Schone mich! Der Vogel, der von dem Felsen in die Ebene hinunterschoß mit wellenartig wogenden Flügeln, schien mir im Einverständnisse mit meinem innersten Leben und auf der gewaltigen flachen Felswand, die dem Fort de l'Ecluse gegenüber ausgebreitet liegt und die andere Seite der Schlucht bildet, über welche ein schmaler Engpaß durch diese kleine Festung nach Frankreich führt... las ich wie auf einer großen, vom Himmel mir entgegengehaltenen Tafel mein künftiges Schicksal.... Ich grübelte und forschte, zu erkennen, welche Figuren das Moos und die Bäume und die Sträucher und die zerbröckelten Risse auf ihr bildeten. War es ein geharnischter Ritter zu Roß? War es der Gott Vulcan, der mit aufgehobenem Hammer vor der Esse stand? Es schien mir ein riesiger Adler mit weit ausgebreiteten majestätischen Flügeln. Ich sprang auf. Wie Ganymed wollt' ich mich von diesem Göttervogel forttragen lassen in alle Himmel und Fernen sehnsüchtigster Ahnung.... Ich kannte kein Bleibens mehr. Hinüber zog es mich über den kahlen Rücken des Jura, und als ich niederstieg an den gewaltigen Rhonefällen vorüber, durch tannenbeschattete Schluchten, an Eisenhämmern und Kohlenhütten vorbei... in die burgundische Ebene, als mich neue Menschen, neue Sitten, neue Erinnerungen der Geschichte begrüßten... wie hab' ich da meinen Hut in die Luft geworfen und allen Bäumen zugerufen: Warum habt ihr hier schon geblüht? Warum nicht gewartet auf diesen Maitag und auf mich? Warum liegen eure Flocken schon alle auf der Erde? Und wenn ich einen Pfirsichbaum sahe, der sich verspätet hatte, der noch blühte, ach, da hätt' ich ihn umarmen mögen wie mich selbst, wie mein Bild, wie meinen Kameraden, so kam ich mir jung, glücklich und wie umgeboren vor! In solcher Stimmung kam ich, die Ufer des Ain entlang wandernd, in Bauerhütten einkehrend, mit Fuhrleuten sprechend, die leichte Kost des Landes genießend, mit einem Freunde, den ich mir unterwegs erwarb, wie ich Sie erwarb... in dem schönen Lyon an, wo ich nicht die Villen, nicht die prächtigen italienischen Luxushäuser der reichen Kaufleute an den weinbekränzten Ufern des Kanals besuchte, sondern – doch was unterhalt' ich Sie mit Empfindungen und Rückblicken, auf ein Leben, das keinen Werth für Sie haben wird!... ach, vielleicht auch keinen mehr für mich selbst!

Doch, doch! rief Dankmar, fast mit Egon weinend vor Rührung. Ich nehme den innigsten Antheil, Prinz!

O fort mit dieser Benennung, Freund! sagte Egon. Prinz! Durchlaucht! Ich habe sie nie geliebt, diese alten Reliquien pedantischer Kanzleisprache, diese geschmacklosen Überlieferungen italienischer und spanischer Etikette. Und Das jetzt? Jetzt, Wildungen? Der Fürst soll sich ehren durch seine Weisheit, der Adel durch seine Tugend und durch die Ehre seiner Thaten und Gesinnung, der Bürger durch seinen Beruf, und der einfache Name ist es, der uns der schönste Gruß, die würdigste Anrede erscheinen sollte. Entwöhne sich Einer, wie ich, mein Freund, vier Jahre lang aller Erinnerungen an äußere Lebensstellung, sei Einer eine Zeit lang nur Das, was sein Talent oder wenigstens sein guter Wille aus ihm macht, und man wird die Hohlheit aller äußern Formen für immer gewahr werden. Wildungen, ich habe das Leben an seiner reinsten Quelle erkannt. Nicht die Schichten, wo man nur Abstractionen genießt und den Fleiß anderer Hände und die Gedanken anderer Köpfe, nicht diese bieten uns ein Bild des wahren Lebens, sondern da rinnt sein Quell, wo die Arbeit aus rohen Stoffen eine Gestalt hervorzaubert, da strömt sie, wo die ewige Schöpfung Gottes von der Hand des Menschen fortgeführt wird. Ich wurde durch einen Zufall in Lyon ein Handwerker, kehrte nicht nach Genf zurück, lebte in und mit dem Volke und liebte seine Leiden und seine Freuden. Was mich dahin führte, welcher Irrthum vielleicht oder welche Täuschung oder welche richtige, höhere Bestimmung... wie ich veranlaßt wurde, die Blouse, die ich auch nur des Staubes wegen in Genf angezogen hatte, in Lyon nicht wieder abzulegen, Das, mein Freund, erzähl' ich Ihnen...

Egon stockte.

Dankmar schien schon jetzt um Mittheilung zu drängen.

Nein, sagte Egon, den Ausdruck in Dankmar's Mienen wohl verstehend, Das erzähl' ich Ihnen, wenn Sie einmal Abends in der Residenz auf meinen Polstern und Divans sitzen werden und Ihnen unter dem Schimmer eines kostbaren Kronenleuchters, den mein Vater in ein liebliches Gewächshaus hat hängen lassen, wo hundert Spiegel die Blumen und Flammen widerstrahlen, eine Thräne auffallen wird, die sich mit dem Glockenschlage Elf – in mein – umflortes Auge schleicht.

Egon schlug sanft die Arme unter den schönen männlichen Kopf und streckte sich auf das harte Holz, auf dem er saß, fast der Länge nach....

Die Erzählung hatte ihn erschöpft, schon in Dem, was er sagte, und schien ihn noch mehr zu erschüttern in Dem, was er verschwieg.

Dankmar wollte, um den schmerzlichen Eindruck zu verwischen und sich selbst von einer ihn drückenden wehmüthigen Stimmung zu befreien, das Wort ergreifen, als sie Schloß und Riegel rasseln hörten. Pfannenstiel, der Wächter des Thurms, brachte ihnen das Essen aus der Krone und mochte bei sich denken, daß ein offenbarer, überwiesener Spitzbube – denn als solchen hatte ihn noch immer mehr draußen der Thatbestand festgestellt – wol noch nie hier so gut und behaglich gespeist hätte. Dem jungen Fürsten waren der Speisen fast zu viel. Er aß nur einige Löffel von der Suppe, Dankmar gestand von sich einen lebendigern Appetit ein, worüber Pfannenstiel, der auf die Überbleibsel rechnete, wol nur wenig Freude empfand. Dennoch schien er dem ganzen und dem halben Gefangenen nicht gerade abgeneigt und ließ sich auf mancherlei Plaudereien über das Schloß, seine ehemaligen und auch gegenwärtigen Bewohner ein. Es wurde dabei nur das uns Bekannte wiederholt und bestätigt. Neues aber lag in folgender Bemerkung:

Das Glück ist ungleich vertheilt, sagte Pfannenstiel. Das ist schon so und man muß es sich vom lieben Gott gefallen lassen. Aber schlimm ist's, wenn der Hochmuth die Menschen noch weiter auseinanderbringt, als es das Gold schon thut. Ich habe da oben auch auf dem Schloß eine Schwägerin. Die ist reich geworden, weil mein Bruder, der des Fürsten Wirthschaftsinspektor war, zu seinem Vortheil rechnen konnte. O liebe Zeit, sie ist eine simple Wirthstochter hier aus der Gegend und hat eine Zeitlang nicht gewußt, soll sie meinen Bruder nehmen oder den Jäger Heunisch dazumal oder mich, der ich Schreiber war im Amt und den Amtsdienerposten nehmen mußte, weil ich mir beim großen Brand auf dem Gelben Hirsch hier da den Daumen verbrannte... und nun stolzirt sie wie ein kalekutischer Hahn und weiß nicht, ob sie ihren armen Schwager noch kennen und grüßen soll. Eine Gans war sie schon immer. Ich glaube nicht, daß sie jetzt schon ihren Namen schreiben kann....

Die beiden Freunde erinnerten sich der Erzählung des Försters im Gelben Hirsch. Der junge Fürst wußte aber von diesen Dingen noch mehr, als er auf dem Gelben Hirsch verrathen hatte.

War Das bei dem Brande, sagte er, wo das junge Mädchen verunglückte, die Schwester des jetzigen Wirths Drossel?

Vor funfzehn Jahren, ja! sagte der Wächter verwundert; die Tochter auf dem Gelben Hirsch, die Braut vom Jäger Heunisch... Ei, woher weiß Er... wissen Sie... woher weiß Er....

Als Egon kopfschüttelnd über seine Lage, die einen solchen Mann zweifelhaft machte, wie er ihn anreden sollte, schwieg, sagte Dankmar seinen Appetit unterbrechend:

Mein Freund ist aus hiesiger Gegend. Das sehen Sie doch nun wol, daß Ihr hier keinen Verbrecher vor Euch habt, sondern einen gebildeten jungen Mann, der sich das Schloß und allenfalls auch die Bilder näher besehen hat, weil sie ihm gefielen.

Das wird wol auch herauskommen, ja! ja! entgegnete Pfannenstiel, den Essenden zusehend. Die Bedienten des Herrn von Harder sind gerade so grob, wie ihr Herr stolz ist. Den alten Gärtner Winkler hat einer so umgerannt, daß er auf den Tod liegt und als die alte Brigitte darüber klagen wollte – sie weiß warum Einer sein Mundwerk hat – drohte man ihr, sie solle sich vor Schlimmerem in Acht nehmen. Solche Bengel! Ordnung ist oben keine mehr. Die Weiber tanzen und musiciren. Der alte Schleicher, der Bartusch, kriecht herum wie's böse Gewissen und möchte mir die Knöpfe von der Livree abschneiden, weil er denkt, es ist noch Silber darin; so geizig und gierig sind die Menschen, in deren Rachen hinein uns der alte Fürst in Gnaden verkauft und verjubelt hat.

Dankmar fürchtete, diese Mittheilungen würden eine Wendung nehmen, die Egon's Wunden aufrisse und beschleunigte die Befriedigung seines Appetits, um nur den geschwätzigen Büttel loszuwerden.

Egon aber schien an dessen Mittheilungen Gefallen zu finden und sagte, ohne seine Theilnahme verbergen zu können:

Also die alte Brigitte lebt noch und der alte Winkler!

Kennen Sie denn Die? fragte Pfannenstiel erstaunt. Freilich, wer hat Die hier in der Gegend nicht gekannt! Sie sind wol aus –?

Aus Schönau! sagte der Fürst.

Aus Schönau! Ja! Da weiß man's auch. Wenn die selige Fürstin die gemeinen Leute einlud – sie mußten freilich singen und beten und Manchem konnt's gar nicht schaden – theilte die alte Brigitte das Warmbier aus, das immer vor'm letzten Vaterunser den Leuten schon von der Küche herauf in die Nase kribbelte. Ach du liebe Zeit, es waren curiose Geschichten; aber doch noch besser als jetzt, wo kein Mensch weiß, was nun aus Hohenberg und Plessen und den herrlichen Gütern werden wird....

Was wünschtet Ihr denn am liebsten, daß daraus würde? fragte Dankmar, der Egon's Gedanken errieth.

Das ist schwer zu sagen! Übernimmt der junge Fürst das Ganze und befriedigt die Creditores, so stehen wir uns natürlich Alle hier am besten; denn wir bleiben doch, hat erst neulich der alte Winkler gesagt, in der Familie. Er hat Recht, der alte Mann, der's in seiner Kinderei oft noch trifft. Eine Herrschaft, die ein gutes Herz hat, behandelt ihre Angehörigen, als gehörten sie in ihre eigene Familie. Uns hier vom Amte kann's am Ende gleich sein, denn die Gerichtsbarkeit kommt doch wol nunmehro an die Regierung. Aber – so ist's und so wird's kommen - für die Andern ist von dem Prinzen Egon nichts zu erwarten.

Warum nicht? fragte Dankmar.

Der verkauft das Ganze, bezahlt die Schulden, nimmt den Rest und geht damit nach Frankreich, wo er ja – es ist 'ne Schande! – mit einem ganz gewöhnlichen Frauenzimmer so gut wie verheirathet sein soll und überhaupt ein curioser Hanns geworden ist...

Verheirathet? sagte Dankmar und blickte dabei mit ungläubiger Ironie auf Egon.

Wie ich Ihnen sage! fuhr Pfannenstiel fort. Der Prinz ist hier wie aus der Welt. Sonst wußte man doch, daß er in der Schweiz auf Schulen und am Rhein auf Universitäten war, und man konnte sich bei der Frau Fürstin recht insinuiren, wenn man ihr begegnete und ihr sagte: Nun Durchlaucht, lange nicht geschrieben Prinz Egon Durchlaucht? Früher nämlich, als wirklich Briefe von ihm kamen, hatte sie's gern. Dann aber soll er drei Jahre lang nicht geschrieben haben, drei Jahre lang vor ihrem Tode; da hat sie's nicht gern gehört, wenn Einer sagte: Nun Durchlaucht, lange nicht geschrieben Prinz Egon Durchlaucht? Wer Das sagte, mußte entweder dumm oder ein rechter Spitzbube sein. Denn Alle wußten, daß er in Frankreich war, sich mit gemeinen Leuten herumtrieb und die Tochter von einem Tischler gerade nicht geheirathet hatte, aber, verlassen Sie sich darauf... mit ihr lebte... und Kinder hat... und... wie gesagt, ganz verwilderte Geschichten.

Die Thräne unter dem Kronenleuchter, Freund – warf Egon Dankmarn anblickend, mit schmerzlichem Lächeln hinein – verstehen Sie?

Pfannenstiel sah auf seinen Gefangenen, dessen Bemerkung ihm wunderlich vorkam.

Wie meinen – Wie meint Er – Thräne unterm Kronenleuchter?... fragte er, stockend und in dem Glauben, es wäre wol mit dem Gefangenen nicht recht richtig.

Herr Pfannenstiel, sagte Egon, um diese ihm peinlichen Mittheilungen abzubrechen; Sie sehen, wir sind gesättigt. Nehmen Sie den Rest und lassen Sie den Herrn noch bei mir. Sie wissen, daß es der Justizdirektor ja gestattet hat.

Pfannenstiel packte die Reste ein und sagte währenddem mit einiger Ironie:

Lassen Sie sich nicht durch den Justizdirektor und seinen Doctor irremachen, der schläft auch ohne den Doctor bis vier Uhr; wenn's Ihnen sonst hier gefällt, bleiben Sie in Gottes Namen. Kühler ist's als unten in der Krone; es ist wahr. Aber – Wetter, da hab' ich ganz vergessen... Ich soll Ihnen sagen...

Der Büttel wandte sich an Dankmar.

Mir? Was ist noch?

Es hat Einer inständigst nach Ihnen in der Krone verlangt....

Ich sehe, ich bin der Vielgesuchte, sagte Dankmar. Wahrscheinlich der Amerikaner mit dem freundlichen Knaben?

Nein, erwiederte der Schließer, der Herr Ackermann, der prächtige Sachen von Amerika erzählte, ist abgereist, gerade wie ich das Essen holte. Vielleicht kommt er wieder. Er lobte unsern Boden. Der Knabe läßt Sie noch grüßen und hat eine solche Angst um Sie gehabt, daß Sie hier im Thurme wären, daß ich meine Noth hatte, ihm zu erklären, Sie sitzen hier nur zum Spaß....

Welcher Amerikaner? fragte der Fürst.

Dankmar erzählte ihm in einigen Worten die Bekanntschaft, die er gemacht und setzte hinzu, daß er einige Zeit geglaubt hätte, dieser Fremde könnte vielleicht an eine Ansiedelung, an einen Güterkauf denken....

Nein, fuhr der Schließer, der sich inzwischen besonnen hatte, fort, ein Anderer wollte Sie dringend sprechen und wenn ich richtig gehört habe, es soll just kein feiner Herr gewesen sein und wenn mir recht ist, der Wirth sagte, er hätte... rothe Haare.

Hackert! sagte Dankmar. Wahrscheinlich mein davongelaufener Kutscher, bemerkte er zu Egon hingewandt.

Mit dem Bescheide, daß dessen Nachfrage nicht viel auf sich hätte, entfernte sich endlich Pfannenstiel und ließ die beiden Freunde allein, die ihm bei der betroffenen Art, wie sie bei Erwähnung des Rothhaarigen sich anblickten und gleichsam verstohlene Zeichen gaben, doch wieder etwas zweifelhaft vorkommen mußten. Er schien mit gutem Gewissen die Thür zuzuschließen. So kräftig klangen die Schlüssel, als wollte er sagen: Es ist doch besser, daß ihr Beide da festsitzt!

Da sehen Sie nun, begann Egon, als die Schlüssel des Wärters nicht mehr hörbar waren, da sehen Sie, wofür ich hier gelte. Und doch weiß ich nicht, ob ich mich nicht freuen soll, wie schon alle Bande der Anhänglichkeit, die mich bestimmen könnten, die Besitzungen zu behalten, gelöst sind. Jener Amerikaner – Ackermann nannten Sie ihn? – lobte den Boden. Nun wohl! Mir ist er nicht günstig und trägt keine Früchte. Man spottet meiner Mutter. Man sehnt sich neuen Zuständen entgegen. Man gibt mich auf. Kann mich Etwas bestimmen, mich hier zu entdecken? Kann ich wünschen, hier erkannt zu sein? Ein unendlich schönes poetisches Verhältniß, das mich in Frankreich fesselte, ist so elend entstellt hierher gedrungen! Eine niedrige Gesinnung wird bei mir vorausgesetzt; bei mir, den Niemand kennt, dessen Züge Keinem wieder einfallen, höchstens vielleicht dem alten Gärtner, wenn ihn die Knechte der ungebetenen Gäste nicht vielleicht gemißhandelt hätten. O daß ich mich entschlösse, diese Wechsler aus dem Tempel meiner Familie auszutreiben! Würde mir nicht Gehorsam geleistet werden müssen? Könnt' ich nicht die Genugthuung haben, daß ich oben auf dem Schloß erschiene und Allen zuriefe: Noch bin ich Herr an dieser Stelle und ich rathe euch, daß ihr Alle zum Teufel geht!

Zorn hatte Egon ergriffen. Er stand mit leuchtenden Augen da und seine schlanke Figur reichte fast bis zur Decke des niedrigen Gemachs. Er öffnete das Fenster und rüttelte an den Stäben, die fester saßen, als Dankmar geglaubt hatte.

Und was kann ich anders thun, um hier zu entkommen, als mich zu entdecken? fuhr Egon mit sich steigernder Ungeduld und Dankmar's Schweigen für Zustimmung nehmend fort. Dieser Harder ist ein königlicher Hofbeamter, sein Wort hier wirkt allmächtig. Jedes Gutsagen für mich von Ihrer Seite wird an seinen Befehlen scheitern. O fühl' ich da nicht jetzt plötzlich die alte feindselige Hand wieder, die schon meine Mutter verfolgte? Es war doch wol keine Grille ihrer erregten Einbildungskraft, daß sie diese Harders für die Erbfeinde ihres Glückes erklärte....

Der Absicht, sich zu entdecken, stimmte Dankmar bei. Er wußte selbst kein anderes Mittel freizukommen, als daß der junge Fürst das Gedächtniß der Menschen, die ihn noch als Knaben oder Jüngling hier gesehen haben mußten, gleichsam aufrüttelte, sie auf Wiedererkennung seiner Züge lenkte und wenigstens durch dieses äußere Zeugniß ergänzte, was ihm an Documenten fehlte.

Nicht Jeder – sagte Egon lächelnd – nicht Jeder glaubt wie Sie, einer Visitenkarte!

Dankmar erinnerte ihn jetzt an die Mittheilung der Bitte, die er ihm hatte stellen wollen.

Wird sie sich ausführen lassen! sagte Egon zweifelnd. Sie sind auf dem Schlosse nicht bekannt....

Ich werde es heute Abend besuchen. Man lud mich ein, sagte Dankmar.

Was hilft es, sagte der Fürst; ich verlange von Ihnen Etwas, das Sie verabscheuen werden.

Sie stocken?... Haben Sie kein Vertrauen?

Ich verlange von Ihnen Dasselbe.. was...

Sagen Sie es, Prinz!

Daß Sie sich zu meinem Mitschuldigen machen...

Noch immer dieser Scherz?

Vergessen Sie nicht, daß ein Dieb zu Ihnen redet!

Wohlan! Redete er nur!

Wenn Sie meine Bitte erfüllen wollen, müssen Sie Das ausführen, was mir gescheitert ist, Wildungen!

Was Ihnen unbedenklich schien, soll an meinem Gewissen kein Hinderniß finden....

Dankmar sagte diese Worte klar und frei, fühlte sich innerlich aber doch beklommen. Er gedachte seines verlorenen Schreins und der Bangigkeit, mit der Siegbert gerufen hatte: Du hast ihn doch nicht aus dem Archive des Tempelhauses entführt und ihn Dir eigenmächtig angeeignet? Er gedachte sogar wieder der Möglichkeit, daß der Fremde nicht der Prinz, sondern nur über ihn vollständig unterrichtet war und er durch einen unglaublich gewandten Abenteurer veranlaßt werden könnte, einem Andern verbotene Kastanien aus dem Feuer zu holen....

Der Gefangene sagte:

Sehen Sie! Sie werden nachdenklich... Ich verlange von Ihnen die rascheste unbelauschte Aneignung eines Bildes!

Eines Bildes? fragte Dankmar erstaunt.

Eines Bildes meiner Mutter....

Als Act der Pietät?

Nicht die bloße Folge erwachter kindlicher Liebe....

Ich würde diese Regung loben; aber warum ein gefährliches Geheimniß?

Weil mit dem Bilde selbst ein Geheimniß verbunden ist.

Es ist zwei Uhr, sagte Dankmar, auf die Thurmuhr, die eben schlug, deutend. Sie werden noch Zeit haben...

Ihnen mein ganzes Herz auszuschütten? Wohlan! sagte Egon, nahm wieder auf dem schrägen Brett, das vielleicht für die nächste Nacht seine Lagerstätte werden mußte, Platz und fuhr, durch das zwar wenig genossene Mahl doch etwas gestärkt, in seiner Erzählung fort.


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