Karl Gutzkow
Hohenschwangau
Karl Gutzkow

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VII.

»Ich komme zu euch,« begann Argula, »um mein Herz von einer Last zu befreien, die ich in meiner Abgeschiedenheit nicht länger zu tragen vermag. Wo konnte ich über die Dinge, die sich am markgräflichen Hofe begeben, bessere Kenntnis erhalten als bei euch? Ihr kennt in Onolzbach die Herzen der Menschen und den Stand der Dinge. Sagt mir zuvörderst, ich fasse es nicht, was kann meinen Vetter Wilhelm von Grumbach bewogen haben, in die Dienste des Markgrafen zu treten?«

Das Stichwort war gefallen. Vogler spitzte sein Ohr und drückte die Augen zu. Er wie die nicht minder rasch urteilende Tochter erkannten sogleich, daß ein Zusammenhang dieser Heimsuchung mit dem Stelldichein im Bannwalde nicht stattfand. Ja noch mehr, es sank mit dieser Anfrage sogar ein Teil des Glanzes, den Grumbachs Name über den Besuch verbreitet hatte, ähnlich den letzten Strahlen der Sonne, die auch allmählich aus dem Erker entwichen, den sie vorher noch erleuchtet hatten. Nun verdunkelte sich das ganze Zimmer.

»Ihr wisset,« wiederholte Argula, das Schweigen ihrer Zuhörer für den Ausdruck teilnehmender Aufmerksamkeit haltend, »was am Hofe von Onolzbach vor sich geht. Den Markgrafen habt ihr zu lange in der Hand gehabt, als daß er euch nicht wie ein offen Buch sein sollte. Die evangelische Christenheit ist in Betrübnis über den Geist der Lauheit, der plötzlich von einem Mann ausgeht, der vor sechs Jahren dem Kaiser seinen Kopf hatte hingeben wollen, wenn ihm dieser die Zumutung stellte, nicht in Augsburg seine von ihm mitgebrachten Prediger hören zu sollen. Ist es nicht, als hätte er, wie die Männer beim Trunk zu tun pflegen, Gott und der deutschen Nation im Rausch etwas versprochen und sich des Größesten hoch und teuer vermessen und nun, da er es halten soll, bereut er es? Ich kenne alles, was diesen Brandenburgern der listige Satan zuraunt. Sie vermeinen, der Geist und der Glaube aus dem Geist mache die Menschen widersacherisch in allen Dingen der Zucht, hemme des Staates Ordnung und lasse den Bauer nicht mehr fronden, den Bürger nicht mehr steuern, den Ritter nicht mehr für seinen Landesherrn in den Stegreif springen! Ist es erhört, euer Herr hat vom Papst einen Botschafter angenommen! Und statt an Schmalkalden zu halten, statt den meinungsverwandten Fürsten das Gewicht seines Namens zu leihen, tritt der Abtrünnige sogar zu dem Bunde hinüber, der im Namen der allerheiligsten Jungfrau Maria und des heiligen Georg neulich in Ingolstadt, dieser Pfaffenhöhle, aufgerichtet worden! Reicht meinen Bayernherzögen, reicht den antichristischen Meßpfaffen von Salzburg, Eichstädt, Würzburg und Bamberg die Hand zur Freundschaft!«

»Von allem, was bayerisch ist,« fuhr Argula fort, »läßt sich zu Nutz des Evangeliums nichts erwarten. Doch die Hohenzollern, die hatten doch, meinte ich immer, nicht bloß in ihrem Wappen, sondern in ihrem ganzen Tun vier Säulenschafte, bei deren Anblick ich gern mit Petri 2 gesprochen hätte: »Siehe, ich lege einen auserwählten köstlichen Eckstein in Zion!« Aber leider, wenn ich in Preußen euern gnädigen Herrn, Herrn Herzog Albrecht in Königsberg, ausnehme, haben sich auch die Hohenzollern mit ihren vier Säulensteinen lange schon selbst verworfen. Saget, Herr Kanzler, was dünkt euch von meines Vetters Amtierung in Cadolzburg? Dieser Grumbach hat Häuser und Burgen, Rosse und Reisige, daheim auch ein Weib und liebe Kinder, und geht hinaus in die Fremde mutterseelenallein, um andern zu dienen? Warum das?«

Vogler erglänzte jedes von den Wirbeln der großen Welt umgetriebene Stäubchen in der Sonne der Hoffnung mit buntfarbigen Schimmern. Die mutige Frau war in den Welthändeln so heimisch, war für ihre eigene Person mit den Triebrädern der Begebenheiten so im Umschwung, wie konnte er da die Gelegenheit, in verglimmender Asche zu schüren, Funken zu Flammen anzublasen, vorübergehen lassen!

Bei alledem sagte er mit bedächtigem Rückhalt: »Ihr beschämt mich, edle Frau, durch euer Vertrauen. Ihr überschätzet auch in Wahrheit meinen Einfluß! Wohl habe ich Ursache, dem Markgrafen zu zürnen. Ja, ich darf ihm gram sein, ich kann es wohl sagen, aus zahllos mehr Ursachen, als irgendwer in der Welt. Ihr erblickt in ihm nur den wankelmütigen Freund unserer evangelischen Sache. Ich dagegen könnte Bücher schreiben, wollte ich alles berichten, was ich für seine fürstliche Gnaden und nicht nur sein hiesiges Land, sondern für alle brandenburgischen Lande, in Ungarn, Böhmen, Schlesien, Polen, Preußen, in den alten und neuen Marken, schon getan habe, und doch wurde ich ein Opfer seiner dritten Gemahlin – einer Papistin, wie auch ihre Brüder Moritz und August papistisch erzogen werden – ein Opfer des Abenteurers Bendorf, des alten Seckendorff, der Verschmitztheit des Doktor Bastel Heller – das weiß alle Welt. Nun glauben sie, Brandenburg zur Gold- und Silbergrube machen zu können ohne mich; Bendorf macht den Alchymisten. Aber noch haben sie auf der Plassenburg keinen Gulden geschlagen, den herzustellen nicht einen Taler gekostet. Unsere Fürsten, edle Frau, zumal in deutschen Landen, sind, mit wenigen Ausnahmen, allzumal wie toll geworden, seit sie sich im Bauerblut gebadet haben – hier in Windsheim, dort auf diesem Ratsplatz, sind ihrer zweiundsiebzig auf Kasimirs Befehl geköpft worden! – haben sie, wie der alte Siegfried, eine hörnerne Haut bekommen. Obschon meistens so arm wie die Kirchenmäuse und täglich mehr noch verarmend, wissen sie sich vor Blähsucht und Hochmut nicht mehr zu lassen. Sie möchten die Welt einreißen, möchten Bauer, Bürger, Adel insgemein niedertreten, und haben doch nicht die Mittel, eine Woche über keine Bettler zu sein. Die hohen Grafenkronen und Herzogshüte, die auch unser Markgraf in Ungarn, Böhmen und Schlesien sein nennen will, sitzen nur warm, wenn sie mit dem rechten goldenen Vlies gefüttert werden. Aber bis dahin ist's noch weit, daß die Millionen an den Tag kommen, die bei Goldaurach im Schoß der von meinem Amtsnachfolger befahrenen Zechen liegen sollen oder unsere Gesandten bei den Augsburger Fuggern oder Paumgartnern sie herausschmeicheln. Nimmt Seine fürstliche Gnaden dann noch hinzu, das der Lohn all seiner Mühen dem Sohn eines ungeliebten Bruders und euerer bayerischen Pfalzgräfin, deren Artigkeiten ich kenne, zugute kommt, so ist's kein Wunder, daß sich Seine fürstliche Gnaden, wie ich kürzlich über Nürnberg erfahren, wieder einmal den Bart um Kinn und Lippe hat rasieren lassen, daß man glauben möchte, er wollte zu den Einsiedeln ins Heilsbronner Kloster ziehen. Nürnberg! Nürnberg!« unterbrach Vogler seine haßerfüllte Rede. »Oder vielmehr Cadolzburg, das auf eine Meile Wegs seitab liegt – und euer Vetter –! Hm! Ist auch mir wundersam zu hören gewesen. Des Oberamtmanns Sold sind zweihundert Gulden. Für mich, der ich ebenso viel von meinem Herzog in Preußen beziehe, immer ein Einkommen – aber für einen Grumbach und dessen Reichtum ist solcher Lohn nicht der Rede wert, warum ein solches Amt der Reiche nahm? Ich vermute fast, er verweilt gern in Nürnberg, wo, wie in Augsburg, die hohe Flut der Zeit geht. Und von alters her hielten die Grumbache mit den Brandenburgern. Vor hundert Jahren schon, im Nürnberger Städtekrieg. Unbeschadet ihrer Würzburger Lehnspflicht, sind sie mit Markgraf Achilles gegangen –«

Argula versank in tiefes Sinnen. Mit des Kanzlers beredten Worten waren Urteile ausgesprochen, deren größerer Teil ihre ganze Zustimmung hatte; manches aber in seinem giftigen Erguß überredete sie weniger.

Jutta tat jetzt das Ihrige, um etwaige unliebsame Eindrücke der gesprochenen Worte zu verwischen. Mit holdem Lächeln sagte sie:

»Aber es ziemt uns jetzt, edle Frau, euch von unserer Gastlichkeit einen schwachen Begriff zu geben!«

Trotzdem sie nun Argula zu dem Ende zurückhalten wollte und keiner leiblichen Stärkung zu bedürfen erklärte, deckte Jutta schon eifrig den Tisch.

Eben war Anna Maria eingetreten, um die Meldung zu machen, daß einige angesehene Männer der Stadt geschickt hätten, um sich zu erkundigen, ob in der Tat in Windsheim die weltberühmte Staufferin eingezogen sei.

Argula konnte die Namen eines Sebastian Hagelstein, eines Altenstetter, des Bürgermeisters Vocke und einiger anderer nicht nennen hören, ohne sich vom dringendsten Verlangen getrieben zu fühlen, diese um die Reformation so verdienten Männer, die sie ohnehin am folgenden Morgen besucht hätte, schon jetzt zu begrüßen.

»Sie sollen willkommen sein!« rief Vogler freudig. »So bekomme ich ja durch euern Besuch, edle Frau, in Windsheim das Geriß. Mußte mir erst seither die Finger abschreiben und ehrbarem Rat und Bürgerschaft Windsheims manchen Prozeß bis ans Kammergericht führen, bis ich damit nicht viel mehr erreichte, als daß ich dem Blutrichter unentgeltlich hier die Ruhe verstöre, wenn ich mein Zimmer durchmesse – wie ein Gefangener. Auch verscheucht mir meiner Tochter Stolz den Umgang mit den guten Bürgern, die dessen einen noch viel größern haben als wir. Ein Regiment von vier Bürgermeistern! Nicht für die vier allein, für alle das eine sonderbare Ehre! Denn was heißt es? Denke sich in Windsheim keiner etwas Großes; bei uns mißt man die Bürgermeister mit Scheffeln! Ja, ja! Ich sagte schon oft, bis heute würde sich Roms Republik erhalten haben, wenn im Senat Windsheimer gesessen hätten!«

Die Stimmung wurde immer heiterer und angeregter. Die hereingetragenen Lichter, die blendenden Gedecke des Tisches mehrten sie. »Nein,« sagte Argula teilnehmend auf die sich regende Geschäftigkeit blickend, »in euerm Stübel hier habt ihr ein ganzes Königreich um euch! Wie sich das regt und tummelt, um euch die Unlast, die ich schaffe, abzunehmen! Aber uns Frauen tut's wohl, zu wissen, daß wir zu etwas nütz in der Welt sind und Gott auch die Sandkörner gezählt hat! Ich freilich,« fuhr sie, als rasch die Mädchen hinausgegangen waren, um nun die Einladungen besorgen zu lassen, fort, »bin wie eine euerer Forchinen! Ich brauche, um fortzukommen, Steine und Klippen und Sprudelwasser. Kopf oben und Kopf unten will's mit mir nur vorwärts! Anfangs, wenn ich oft drum weinte, daß ich mich hatte verschreiben müssen, für immer zu schweigen, war mir's doch, als wären Engel zu mir getreten mit Friedenspalmen in der Hand und hätten mich getröstet: Sei klug und schweige um deines Gatten und deiner Kinder willen! Und der Herr Christus sprach zu mir: Siehe mich an, wie sich eins ergeben muß! Hänge da am Kreuz und muß meinem himmlischen Vater überlassen, die gute Sache weiter zu führen! Aber jetzt will mir's manchmal das Herz abdrücken, daß ich nicht wie gleichsam von den Toten erstehen darf und einmal wieder ein ehrlich, offen Wort hinausgehen lassen – als beispielsweise an diesen euern Brandenburger –!«

Vogler horchte hoch auf.

»Ja, Kanzler!« fuhr Argula, die inzwischen aufgestanden war und wie ein nächtiger Schatten auf- und niederschwebte, fort, »ja, daß ich es euch sage, wieder bin ich wie süßes Weines voll! Ich kann den Geist nimmer bannen, der mich treibt, als sollte ich in feurigen Zungen sprechen! Wie hat das Haus Brandenburg die Hoffnungen betrogen, die wir auf seine Macht und seine gleichsam wie vererbte Weisheit setzten! Alles das möchte ich den Brandenburgern schreiben, offen und ehrlich vor aller Augen und Ohren, männiglich zu lesen und zu hören. Von Georg will ich den Namen des Bekenners und des Frommen zurückfordern, den ihm, wie ihrem Kinde, das sie noch unterm Herzen trägt, eine glückselige Mutter bereits die süßesten Namen schenkt, so schon die Erwartung der Christenheit vorweggegeben hat.«

Tausend innere Stimmen riefen dem Kanzler: Eine solche Mahnschrift würde den Markgrafen in die Reihe der Gegner treiben, zum mindesten Argulas persönliche Sicherheit gefährden–! Auch deine eigene, wenn man erführe, daß du eine solche Schrift befördern halfest! Dennoch hatte er das Gelüst, diesen Stimmen zu trotzen.

»Hm! hm!« sprach er. »Schäumen zwar und wüten vor Zorn würde Georg und sich im ersten Augenblick ganz vergessen, wie dem jähzornigen Hohenzollerngeschlecht eigen. Schildert ihr den Markgrafen als einen Schleppträger der Bischöfe, einen Kammerknecht der Herzoge in Bayern, einen Fahnenschwenker Heinrichs des Jungen von Braunschweig, einen Botenbrotesser Georgs und Heinrichs von Sachsen, lasset ihr gar das alt Männlein, so nunmehr in Frieden entschlafen ist, seinen Vater selig, noch um Mitternacht umgehen, seufzen und ächzen um das ihm widerfahrene Leid, bringt den Sohn in Furcht und Zagen um seine stete Furcht und sein Zagen vor – Österreich – und fragt ihn, ob er denn ewig, wie in Prag geschehen, dem Kaiser die Schleppe bei seinem Krönungstage tragen wolle, und lasset dabei das Weihrauchpfännlein über alles, was man von ihm, seit er in Augsburg unserm heiligsten Erlöser wie ein anderer Sankt Georg gedient, gehofft, von Ambra und Hosianna dampfen und duften, so gebe ich euch die Versicherung, seine fürstliche Gnaden wecken im Onolzbacher Schloß alle Langschläfer, trommeln alle Stiftsprediger, Ungarn, Zwerge, schönen Hoffräulein, die mit der Dresdnerin aus Sachsen gekommen, aus den Federn und bieten das Land ob wie unter dem Gebirg auf, daß von nun ab nur noch auf eine einzige Karte: Verbum divinum manet in aeterum, Gottes Wort in Ewigkeit! Leib, Leben, Land und Regiment gesetzt werde!«

Jutta öffnete Wandschränke, aus denen sie Kannen, Becher, manche von Silber und reich vergoldete darunter, entnahm. Anna Maria stellte blankgeputzte zinnerne Teller und Schüsseln auf den Tisch.

Argula sah jetzt und hörte fast nichts mehr von dem, was um sie her vorging. Sie gedachte nur des Erfolgs, den vor dreizehn Jahren ihre Sendschreiben errungen hatten. Wenn ein »Weckruf an die Brandenburger«, ein »Mahnschreiben an Georg, der sich den Bekenner nennt«, eine ähnliche Wirkung hervorriefe! In wilder Flucht jagten sich ihre nach innen gerichteten Gedanken. Schon ordnete sie die Fülle des Stoffs in passende Begrenzungen, suchte im Alten und Neuen Testament nach Beispielen gleicher Notwendigkeit für Mahn- und Strafreden an schwankende, zum Abfall geneigte Gemüter.

Zur Besinnung kehrte sie zurück, als sich die Gäste wirklich einfanden, ein Kreis von Bewunderern behaglich um sie her am Tische saß. Die Männer hatten schon gespeist und sprachen nur noch dem Sonnleiten zu, den aus mächtiger Kanne der Kanzler in die kleineren Becher füllen ließ. Auch der Blutrichter war heraufgekommen.

Die würdigste Gestalt unter den Männern war Sebastian Hagelstein. Er vor allen äußerte eine unverstellte Freude, die vielgenannte Frau in Windsheims Mauern zu begrüßen. Sie ihrerseits wurde veranlaßt, von dem Orte zu erzählen, wo sie nach den vielen Schicksalen, die sie erlebt, jetzt Ruhe gefunden. Zeilitzheim gehörte zur Lehnsoberherrlichkeit des Würzburger Bischofs. Von den Windungen des Main erheben sich auf seinem linken Ufer sanfte Anhöhen, die sich allmählich zu den Höhen des Steigerwaldes aufdachen. Bei dem alten, von den Ahnen der Schwarzenberge gestifteten Kloster der Karthäuser zu Astheim überschreitet man, von Würzburg kommend, den Main, berührt das freundliche Volkach und steigt unter Weinbergen, Wäldern, unabsehbaren Triften und Ackerfeldern, von den schönsten Fernsichten auf einen Kranz von Bergen beglückt, allmählich bis zu Gaibachs Türmen auf, von wo sich wieder die Landschaft milde abwärts senkt und zunächst in den alten Ort Zeilitzheim führt, der zur Hälfte den Grumbachs, den Ahnen ihres Gatten, zur andern jenen Fuchs gehörte, die sich zu Würzburg und Bamberg den ersten Anfängen der Kirchenverbesserung förderlich erwiesen hatten. Auf dem links abgehenden Wege nach Schweinfurt lagen die Güter der Bibra. Eine Schwester Wilhelms von Grumbach, Esra, war an einen Ritter von Bibra verheiratet und bewohnte zum willkommenen Anhalt für Argula einen stattlichen Hof im nahen Schwebheim. Argula schilderte ihr Dörflein, das sich, durchschnitten von der Volkach, an den grünen Eulenberg lehnt.

Außerdem wurde erörtert, was aus fliegenden Blättern, Büchern, Briefen in diesen Tagen bekannt geworden. Da die Verbreitung alles Neuen so außerordentlich langsam ging, so konnte eins dem andern Neues bringen. Vogler kannte alles, was Nürnberg und Wittenberg betraf, Hagelstein erzählte von Augsburg, Bernbeck von Rothenburg und Württemberg. Hier erst erfuhr Argula von ihres Schützlings Ottheinrich Stauffs italienischer Reise und durfte sich wundern, daß ihr der dankbare junge Freund noch nichts darüber geschrieben hatte.

Bis in den Anfang der Nacht hielt sich die Freifrau mit den gebildeten Männern und den teilnehmend aufhorchenden drei Frauen – auch die Blutrichterin war noch in den gesellig belebten Kreis gekommen – im gleichen Strich eines wohltuenden Gesprächs. Kamen allzu gelehrte Dinge aufs Tapet, so gewann sie Muße, nur mit den Frauen zu reden. Bei Anna Mariens Namen wiederholte sie den Glauben der damaligen Zeit, daß Maria von Ungarn den Kaiser in Religionssachen noch auf den richtigen Weg geleiten würde. Daß die edle Fürstin in den Niederlanden evangelische Bekenner hinrichten ließ, wurde durch politische Gründe entschuldigt; Wiedertäufer, die eben auch in Münster ihr Ende erreicht hatten, untergruben auch in den Niederlanden die Ordnung der Gemeinden, die Sitten und schadeten unsäglich dem verbesserten Kirchenwesen. Beim Türken hörte dann, wie in solchen Fällen immer, der Austausch der Mitteilungen auf. Sultan Soliman, sagte der Kanzler, käme im nächsten Jahre bestimmt wieder nach Wien, auch in Ungarn würden sich große Dinge begeben. Als Argula gesagt: »Der Herr wird alles wohlmachen! Danken wir, wie der Apostel an Timotheus schreibt: »Ihm, dem ewigen Könige, dem Unsichtbaren und Unvergänglichen und allein Weisen!« erkannte man, daß der Wächter bereits mit dem zweiten Ruf zur Ruhe mahnte, und stand auf.... Daß zwischen Vogler und der Freifrau etwas im Werke war, ließ sich bald erkennen; doch richtete sich darauf keine Ausforschung. Die Bernbecks wiederholten die Voraussetzung, daß sie die Freifrau morgen auch bei sich und gleich an ihrem Mittagstisch zu sehen hofften. Die Miteinladung an die übrigen verstand sich von selbst.

Zu Anna Maria, der immer bescheiden Zurückstehenden, geräuschlos Geschäftigen, deren Stellung in beiden Familien die kluge Frau bald übersah, flüsterte sie beim Gehen die Worte:

»Die, so sich erniedrigen, sollen erhöht werden!«

Die Männer begleiteten durch die stille, nicht wie in Augsburg und selbst in kleineren Städten damals nächtlich von Gesang, Jauchzen, Lautenschlagen, Trommeln und Pfeifen, »Wirtshausfabulieren« und Würfelspielen belebte Stadt die hochverehrte Frau ins Gasthaus zu Michel Werner, wie der Wirt der Fürstenherberge hieß, wo ihre Knechte schon lange unterm duftenden Heu des Stalles im Schlummer lagen.

Als Vogler mit Jutta allein war, tauschten sie die Überzeugung aus, daß Argulas Besuch zum Stelldichein im Bannwalde in keiner Beziehung stand. Vollen Glauben fand bei Jutta die Versicherung des Vaters, daß sich die Freifrau bei ihnen nur nach den Gründen des Eintritts ihres Vetters in markgräfliche Dienste und nach dem stand der Kirchenverbesserung in Onolzbach hätte erkundigen wollen. Der Absicht, daß Argula ein offenes Sendschreiben an Georg richten wollte, wurde seinerseits nicht gedacht. Bei genauerer Erwägung bereute er die der noch zagenden Frau gegebene Ermutigung. Daß Vater und Tochter am folgenden Morgen dem Ruf des Unbekannten folgen würden, stand außer Zweifel.

Um Windsheim erheben sich mäßige Anhöhen. Gegen Osten zu begannen ehemals noch dichtere Holzungen von Eichenstämmen, Rot- und Weißbuchen, reich an Wild, so Klauen- als Federwild. Verließ man die Stadt, so war, wenn man Heu- und Fruchtstadel hinter sich hatte, von allen Seiten der Blick vorzugsweise dem Galgen zugewendet, dem damals zu jeder Zeit reichlich mit Köpfen und Gerippen versehenen Wahrzeichen aller Städte.

Hinter Lenkersheim erstreckte sich ehemals in allmählich aufsteigender Linie rechtsab die mit Burgtrümmern bedeckte Eichenwaldung von mächtigen Stämmen. Ringsum sie war von jungem Nachwuchs umwuchert. Patriarchen strecken so ihre Hände über die nachklimmende Jugend aus. Ein tiefer Sandweg führte von der Landstraße abwärts zur Waldung und durch sie hindurch. Hier gab es kühlen Schatten. Nach einer Meile gelangte man wieder zurück auf die durch Wiesen und Felder sich hinziehende große Nürnberger Straße.

Der Kanzler schritt in einem Rock von leichtem Zeug, mit hochgehenden Schuhen über roten Strümpfen, ein schwarzes Barett auf dem Haupte, einen Stab in der Hand, auf den er sich, da er am rechten Fuß etwas gelähmt war, abwechselnd stützte. Jutta trug ein langes schwarzes Kleid von glänzendem gewässerten Arras, dessen Schleppe sie über den linken Arm geworfen hatte. Der mächtige Hut, den sie trug, saß mehr auf dem linken Ohr, als auf der geröteten Stirn. Selbst auf die Gefahr, eines räuberischen Überfalls hin hatte sie um Hals und Brust ihren besten Schmuck gelegt.

Als sich die Wanderer ab und zu umgesehen hatten, traten sie in die Eichenschonung und folgten einem Nebenbächlein der Aisch, das in behenden Sprüngen vom Gebirge herniederkam.

Jetzt, von den Feldarbeitern entfernt und ganz dem schützenden Blick von den wohlbewachten Wällen und Toren der Stadt entzogen, war ein Verlust von Freiheit und Leben so leicht, wie nach des Vaters Äußerung das Abblasen einer Samenkrone vom Löwenzahn.

Jutta, ermüdet von so ungewohnter Wanderung, in der Hitze doppelt schwer die Last des langen Kleides tragend, um Hüften, Schultern und Brust nach damaliger Sitte fest und eng geschnürt und von dem großen Fächer, mit dem sie gegen die Sonne und die Mücken kämpfte, handgelähmt, schlug vor, die erste, das meiste Gras darbietende Stelle zu wählen, sich daselbst niederzulassen und die Dinge, die da kommen würden, ruhig abzuwarten.

»Daß wir desto besser auf der Erde gebunden werden könnten?« sagte der Vater, ging dann aber doch auf eine schattige Stelle zu, die ihm unter einer Gruppe von Zwergeichen die einladendste erschien, sie bot, wenn man sich im Grase streckte, hinlänglichen Schatten, auch Aussicht genug, um noch einige Windungen der Landstraße zu verfolgen, deren gesicherte Region sie mit beklommenem Herzen verlassen hatten.

Jutta legte ihr langes Kleid wie einen Teppich auseinander, warf den kostbaren, mit Pfauenfedern eingefaßten Fächer von duftendem Sandelholz in den Rasen und streckte sich in einer so malerischen Lage auf dem Boden hin, daß der Vater, der erst allmählich ihrem Beispiel folgte, immer mehr die in ihr lebende Spannung auf ein Abenteuer erkannte, das etwa ihrer Eitelkeit schmeichelte, ihrer Liebessehnsucht Nahrung bot.

»Ich habe die Nacht von nichts als von Wasserkünsten und Schwänen geträumt,« sagte sie. »Das bedeutet Erbschaften oder vornehme Verbindungen –«

Da zeigte der Vater plötzlich in die Ferne. Er hatte bemerkt, daß sich von jener Seite her, wo sich der Sandweg aus den Feldern in den Bannwald schlängelte, eine mächtige Staubwolke erhob.

»Es ist der Wind, der von Westen her weht! Wir werden den Abend Regen bekommen!« sagte Jutta scheinbar gleichgültig, aber mit allen Gedanken nur nach dem Staubgewölk gerichtet. Die Frage, die sie eben an den Vater gerichtet hatte, vergaß sie ganz.

Schon hatte sich Vogler erhoben. In der Tat wuchs die Staubwolke und kam immer näher.

»Das ist von Reitern ein Troß,« sagte er, »ein ganzes Geschwader!«

Jetzt richtete Jutta ihre Augen auf die herannahende Wolke, erhob sich, reinigte ihr Kleid, nahm den Fächer von der Erde und bot dem Vater, der nicht wenig bewegt zu werden anfing, den Arm.

»Du hast mich in Tod und Verderben geschmeichelt!« rief Vogler. »Wie konnte uns so der Wahn verblenden! Der Markgraf läßt mich gefangen nehmen! Oder vielleicht ein elender Ritter, der von unserm Rest an Silberzeug gehört hat und auf Lösegeld rechnet!«

Schon sah seine Verzweiflung an den Schabracken der Rosse, an den Schärpen der Reiter bald die Farben eines Rosenberg, bald die Wappenzeichen eines Wildenstein, zuletzt den achtfach beblatteten Lindenzweig im Wappen der Seckendorffe.

»Es sind die Grumbachschen Farben!« erwiderte Jutta freudig, obschon mit einiger Beklemmung die Worte folgten: »Mit dem brandenburgischen Adler vereint!«

»Der Oberamtmann von Cadolzburg!« sagte Vogler mit tonloser Stimme. Auch er hatte jetzt die schwarzweißen kleinen Wimpel, die an den Stirnblässen der Rosse befestigt waren, erkannt und griff unwillkürlich an den Kopf, als hackte ihm der so wohlbekannte Adler schon seine Fänge ein.

Aus den Staubwolken entwickelte sich ein Trupp von elf bis zwölf Reitern. Alle trugen Helme oder Hüte mit wallenden Federn, bei einigen war die Brust mit Panzern bewehrt, bei andern nur mit Lederkollern. Über die Rosse hinweg ragten mächtige Feuerrohre; andere der Reiter hatten in den Halftern am Sattel neben dem Schwert gewaltige Streitkolben. Anfangs kamen sie schneller dahergesprengt. Jetzt im sandigen Wege des Waldes ritten sie langsamer und genossen, zugleich mit ihren staubbedeckten Tieren, die schattige Kühle.

Bald erkannte Jutta den Knecht, der sie an beiden Sonntagen auf ihrem Kirchgang gestellt hatte. Heute trug er eine geschwärzte Blechhaube und von gleicher Farbe einen Brustharnisch mit einer über die Verästelungen der Luftröhre angebrachten bauchigen Erhöhung, den erst kürzlich aus Frankreich gekommenen neumodischen »Gänsebauch«.

»Sie sind's!« sagte Jutta, und ihr Vater fiel ein, daß er zu erkennen glaubte, wie wahrscheinlich soeben vom über und über bewaffneten Knecht seinem Herrn die nämlichen Worte zugeflüstert wurden. Man sah es, daß er zu ihm heranritt, um ihn auf die Wanderer aufmerksam zu machen.

Auf seinem stahlblauen Brustharnisch hatte Grumbach im weißen Felde den schwarzen Adler. Über die Schultern hinweg hing ihm eine schwarz-weiße Schärpe. Sein Roß war ein feuriger Rappe. Der Reiter war von mittlerer Statur, behend und beinahe zart in seinen Formen; am Haupt, am Kinn, um die Wangen glänzte rötlich-blondes Haar, das kurz geschoren war. Die Nase war gekrümmt. Ein feines Lächeln, das die festgeschlossenen und sich fast überbeißenden Lippen umspielte, ließ sich schon aus der Ferne beobachten. Den schwarzen Zaum und die mit weißen Troddeln behangenen schwarzen Zügel seines Rosses hielt er mit schwarzen Handschuhen fest. Schwarz und mit weißen Puffen versehen war seine ganze Kleidung, soweit sie sich unter dem Brustharnisch und den Arm- und Beinschienen erkennen ließ. Die braunen hellglänzenden, von welschem Leder gefertigten Stiefel gingen bis weit über die Knie. Von feinster welscher Arbeit erglänzte auch der stählerne Griff des mächtigen Streitkolbens, der in der rechten Halfter stak, während neben der linken Halfter, die einen sogenannten »Fäustling« barg, das lange Reiterschwert herabhing in matt vergoldeter Klinge mit roßhaarumsponnenem, vielfach gewundenem Korb.

Die Begleiter des Ritters waren Männer, die noch bei weitem jünger erschienen als er selbst. Jetzt erst erkannte man, daß einer darunter einen absonderlichen, fast einem Topf ähnlichen Helm und noch über den Brustharnisch eine fliegende, nur über die Schulter angenestelte bunte Jacke trug. Dies mußte wohl ein Ungar sein. Die jüngeren Begleiter des Ritters waren anmutige Jünglinge, die, wie es schien, am Begegnen mit einer Jungfrau hier im einsamen grünen Busch ihre ganz besondere Kurzweil hatten.

Nun erscholl es hinter ihnen her mit heller und jedes Wort fest und bestimmt betonender Stimme:

»Ja, werd' ich denn recht berichtet? Wir treffen hier durch Zufalls Gnaden den hochberühmten weiland Kanzler Herrn Doktor Vogler und zweifelsohne sein leiblich und lieblich Töchterlein, Windsheims Zierde? Kommen von Kitzingen, Herr Kanzler, und wollen noch vor Abend im Hohenzollernturm zu Cadolzburg uns und die Rosse füttern und heimgarten. Bin der Grumbacher von Rimpar und, wie ihr vielleicht noch nicht wisset, seit vier Wochen eures gnädigen Herrn, Herrn Markgrafen gestrenger Oberamtmann – wißt ihr, der mit dem Hirsch und dem Hund siegelt – kennt doch noch des Cadolzburger Gerichtes Wappen?«

»Dessen hätte ich mich nicht versehen, ehrenfester Junker!« antwortete Vogler, sein Barett lüftend und mit nicht minder lauter Stimme die Rolle der Verstellung durchführend. »Ja, das ist mein tochterlich Blut, edler Junker, und Jutta lautet ihr Name! Wünsche euch Heil in euerm schweren Amt!«

»Habt ihr mir nichts an unsern gnädigen Herrn aufzutragen, Kanzler?« begann der Junker wieder. »In einigen Tagen sprechen seine Gnaden auf Cadolzburg vor. sie gehen nach Frankfurt an der Oder zu einer Einigung mit den Vettern –«

Das war eine wichtige Mitteilung für Vogler, die ihn aufhorchen ließ.

»Mich da melden zu hören,« fuhr Grumbach fort, »daß so im Vorbeistreifen an Windsheim ein Zufall mich eure Weisheit hat im Wald begrüßen lassen, wird Seiner fürstlichen Gnaden eine ganz besondere Freude machen. Denn guter Anschläge wart ihr von je so voll, Kanzler, daß ich gewiß willkommen bin, wenn ich dem gnädigen Herrn von euch Bericht erstatte und wären es auch nur freundholde Grüße. Des armen Kreuzträgers Sorgen seid ja ihr inne wie keiner!«

Vogler sah auf den Mienen der Jüngern unter den Reitern eine vollständige Unbefangenheit. Und die Älteren schauten gar drein mit jener alten Kriegern oder Beamten eigenen unveränderlichen Starrheit der Gesichtszüge. Auch Christoph Kretzer, der Leibknappe, blickte starr zu Jutta hinüber und tat, als wäre sein Auge dieser Jungfrau nie ansichtig geworden.

»Fester Junker,« fuhr Vogler fort, der eine Antwort schuldig zu bleiben nicht gewohnt war, »da redet ihr ein für mich zu schmeichelhaftes Wort! So ihr aber dermaßen herablassend sein wolltet, für mich Botendienste zu übernehmen, so hätte ich euch allerdings Zeitungen an des Markgrafen hochfürstliche Gnaden anzubringen, und so viel, daß euch deren bald zu viel werden sollten.«

Dabei verbeugte sich Vogler und machte, um den Ritter nicht aufzuhalten, Miene, mit seiner Tochter, deren Arm er ergriff, seitab zu treten ins Gehölz, wo weder ihm, noch den reisigen Mannen die Sonne ins Angesicht scheinen konnte.

»Mit nichten,« sprach aber jetzt Grumbach, lockerte Steigbügel und Handzügel und griff nach seines Rosses Mähne, um sich ein Büschel davon zum Absteigen um die Finger der linken Hand zu wickeln, »mit nichten, Herr Kanzler! Macht mich getrost zu euerm Botengänger und sagt mir gute und schlimme Mär für unsern frommen Markgrafen, der euch ein gnädiger Herr geblieben ist. Ihr Freunde und Knechte –« wandte er sich seinen Begleitern zu – »lasset die Gäul' ein Stündlein unter den Eichen rasten! Seht, da ist ein lustiger Rasen! Nach dem scharfen Ritt nutzt es ihnen und uns. Fräulein Jutta hört indessen gern von Würzburg die neueste Zeitung. Erst gestern, ehrsame Jungfrau, ritten wir vom Bischofsschloß, dem Frauenberg, aus. Damit ihr uns aber alle kennt, wie wir hier euch zu begrüßen die Ehre haben, so ist dies da der Herr Graf Hans Thurzo von Bethlenvalva, Herr von Pleß und Oppeln, ein Stolz der Ungarn und Schlesier, Vetter der Fugger, nicht ganz so reich wie sie, aber deshalb auch ärmer an Sorgen. Deutsch lernt er hier von unserm dicken Jochem von Zitzewitz aus Köllen an der Spree! Dies, ehrsame Jungfrau, ist der Junker Stein zum Altenstein, den ich, wie seine Mutter solches will, erst zu einem ordentlichen Mann schleifen und behauen soll. Helfet mir dabei! Dem jungen Blut wird das Reden mit sittigen Jungfrauen noch sauer! Dies ist der Junker von Hutten, meines Weibes Bruderssohn, in Kitzingen und Frankenberg eben nicht verzogen! Dies ist Endres von Hausen – ein Minnesänger! Dies Herr Kilian von Fuchs –! Und hier Herr Wolfdietrich von Schaumberg – beide Domherren von Würzburg. Hier der Kästner von Oberzenn! Sagt's ihm, was euch drückt, Kanzler! Das der Wildmeister von Burghausen, beide auf Rundreisen, um Ämter und Kassen zu schütteln –! Dort unsere Dienerschaft, unter der ich euch Christoph Kretzer empfehle. Ist ein Odenwälder und hat in Würzburg meiner besten Magd die Ehe versprochen, sagend: »Kathrina Werlerin« – so ist ihr Name – »erst wann ich dich in Samt und Seide kleiden kann, führe ich dich heim!« Hat's groß im Sack, der Christoph; aber wir haben Frieden im Land und müssen Samt und Seide zurzeit von den Nürnbergern kaufen. Das macht ihn manchmal tiefsinnig! Heitert ihn auf durch eine Frage nach Kathrina Werlerin! Und auch den da, Peter Nothhaft des Namens! Ein Schwager der Grafen von Henneberg!«

Ein schallendes Gelächter folgte auf dies spottende Wort, das dem armen Knecht galt, dem Graf Christoph von Henneberg, der Würzburger Domherr, sein junges Weib zurückbehielt. »Und nun erlaubt,« schloß Grumbach, »daß ich ein wenig mit euerm Vater beiseite trete!«

Damit schwang er sich aus dem Sattel.

Alle Reisige stiegen ab, banden ihre Rosse an die starken Äste der Eichbäume und warfen sich in den grünen Rasen. Kretzer sorgte für den Rappen seines Herrn. Die Junker bedienten die Dame, der sie einen Sitz von Decken bereiteten, die von den Rossen genommen wurden.

Die Knechte holten aus dem Gepäck, das auf den Rossen aufgetürmt war, Wein und Speisen.

Andreas von Hausen stimmte die Laute.

Jutta durfte sich eine so heitere Stunde versprechen, wie sie lange nicht erlebt hatte.


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