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All die vornehmen Einrichtungsgegenstände von Schloß Katzenstein hatte Fürst Rolli in die neu hergerichtete Burg Fuchsenschroffen verbringen lassen. Der große Geldschrank wurde in dem tiefsten Gewölbe der Burg in einer fünf Meter dicken Mauer einzementiert. Nun sah es ganz leer und öde aus auf Schloß Katzenstein. Tunker, der Kammerdiener Rollis aus seiner Freiherrn- und Grafenzeit, mußte alle Fensterläden zumachen. Fürst Rolli schloß mit eigener Hand das Eingangstor. Tunker dachte, daß er als fürstlicher Diener auf Burg Fuchsenschroffen übernommen werde. Aber er hatte sich getäuscht. Als Rolli den Torschlüssel in die Tasche gesteckt hatte, wandte er sich an Tunker mit den Worten:
»Lieber Tunker, du hast mir bisher sehr gute Dienste geleistet. Leider bin ich nicht in der Lage, dich auf Burg Fuchsenschroffen einzustellen. Zur Erinnerung an deine Dienstzeit auf Schloß Katzenstein und als Belohnung für deine Treue schenke ich dir dieses Andenken.«
Rolli zog aus seiner Tasche eine weiße Briefhülle mit dem fürstlichen Wappen und überreichte sie verschlossen seinem Tunker.
Dieser machte große Augen. Er war gekränkt, daß er solch schlichten Abschied erhielt, freute sich aber auch, da er hoffte, in dem fürstlichen Briefumschlag ein reiches Geschenk von seinem Herrn zu erhalten. So verabschiedete er sich mit einem Bückling von seinem Fürsten und küßte ihm ehrfürchtig die Pfote. Der Fürst ging weg. Tunker riß neugierig den Brief auf und zog aus der Hülle eine Ansichtspostkarte von Schloß Katzenstein, auf der, schräg über die untere rechte Ecke, von Rollis eigener Hand geschrieben stand:
Seinem getreuen Diener Tunker
zur Erinnerung.
Rolli Fürst von Fuchsenschroffen.
Tunker hatte den Briefumschlag beiseite geworfen. Nun suchte er ihn wieder in dem Grase neben dem Weg, machte ihn weit auf und schaute hinein, wie man in einen Sack bis auf den Boden schaut. Der Fischotter hatte gehofft, zum mindesten einen Tausendmarkschein darin zu finden. Aber er konnte seine Augen noch so sehr anstrengen, die Briefhülle war leer. Er drückte Gräschen um Gräschen um an der Stelle, wohin er den Umschlag geworfen hatte. Es war nichts zu finden.
Jetzt kam über Tunker ein glühender Zorn. Er schimpfte ungeheuer über den geizigen Kater, dessen Geldschränke er kannte, und sprang hinunter an den Bach. Dort stürzte er sich ins kalte Wasser, machte in seinem Zorne hundert Purzelbäume und wurde dadurch abgekühlt. Er tauchte noch einmal in einen tiefen Tümpel des Baches und brachte eine zappelnde Forelle heraus. Nun setzte er sich auf einen Stein am Ufer und verzehrte seinen Fang mit großem Appetit.
»Ich werde von jetzt an mein gutes ehrliches Gewerbe wieder betreiben«, sagte er, als er sich die Schnauze abgewischt hatte. »Aber alle meine Freunde sollen es erfahren, welch schmutziger Geizhals dieser Fürst Rolli ist.«
Tunker ging den Wald hinauf gegen die Burg. Er kam an die versteckteste Ecke der Umfassungsmauer und tat einen Pfiff. Es dauerte nicht lange, und Schlüpfer, das Wiesel, kam durch eine Mauerritze heraus. Tunker erzählte ihm, wie schmählich ihn der Fürst entlassen hatte.
»Schändlich!« rief Schlüpfer aus, besann sich eine Weile und fuhr fort: »Genau so, wie man dich behandelt hat, wird man es mir einmal machen. Es ist ohnedies nicht mehr auszuhalten auf der Burg. Arbeit über Arbeit, rennen und laufen vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, nur Kommandoton von Rolli. Und der Fürstin kann man nichts recht machen. Da mag ein Dümmerer Diener sein. Ich gehe ohne Abschied.«
Er schloß sich seinem Freunde Tunker an und ging mit ihm auf Wanderschaft. Allenthalben, wo sie hinkamen, erzählten sie von dem Reichtum des Fürsten, von seinen schlechten Streichen, von seinem Geiz und seiner Habsucht. Sie schimpften über die Launen der Fürstin, die alles auf den Kopf stelle und alles regieren wolle.
Im Fürstentum Fuchsenschroffen schwoll die Erregung höher und höher an. Neben den adeligen Vettern Rollis förderten die Füchse vom Kroppenkopf, vom Scharfenstein und vom Rabenfels die Gärung. Sie schlichen durch das Land, verteilten Geld unter die Leute und sagten: »Rolli hat kein Recht, sich als Fürsten aufzuspielen. Wären wir darangekommen, so hättet ihr eine milde Regierung.«
Die Einwohner vom Lande Fuchsenschroffen hielten eine nächtliche Versammlung im Walde ab und beschlossen, von Rolli zu verlangen, daß er mitsamt seiner Gemahlin, der Prinzeß Feeland, von der Regierung zurücktrete und das Land verlasse. Die Burg Fuchsenschroffen samt Schloß Katzenstein wollten sie in die Luft sprengen, da sie in Zukunft weder einen Fuchs noch einen Kater als Herrn über sich wünschten.
Alles stimmte dem Beschlusse bei. Der Esel des Müllers vom Bischenberg erbot sich, auf seinem Rücken die Pulversäcke den Berg hinaufzutragen, die man unter die Mauern der Burg legen wollte.
Bei Sonnenaufgang zogen die Verschwörer durch den Wald gegen die Burg. Die Wildtaube schaute von einer Buche herab auf die kriegerische Schar und rief:
»Ruck – ruuu!
In dem Krieg
Gegen Rolli
Heil und Sieg!
Druff!«
Die Burg wurde umstellt. Rolli war eben von einem nächtlichen Streifzug nach Hause gekommen und wollte sich zu Bett legen. Da erscholl rings um die Mauern der Ruf:
»Rolli heraus! – Fluderle heraus! – Wir wollen keinen Fürsten Rolli und keine Fürstin Fluderle mehr! – Zum Land hinaus mit allen beiden! –«
Rolli schaute durch eine Klappe des Ladens aus seinem Schlafzimmer, sah die rasende Menge, und da er sich in keiner Weise zur Verteidigung der Burg eingerichtet hatte, sprang er die Treppe hinauf zum Speicher, durch eine Dachluke hinaus aufs Dach, von hier rettete er sich mit knapper Not über den dicksten Ast der großen Eiche in den Wald. Dort versteckte er sich bis in die tiefe Nacht in dem dichten Geäste eines Tannenwipfels. Niemand hatte ihn bemerkt.
Immer lauter wurde das Brüllen der wütenden Menge vor der Burg. Da erhob Tunker die Hand und schrie:
»Das Pulver unter die Mauern!«
Mit eiliger Behendigkeit gruben ein Dutzend Karnickel Gänge unter die Burgmauern. Die Pulversäcke wurden hineingeschoben und die Zündschnüre angezündet.
»Alles in Sicherheit!« schrie Tunker.
Weit fort rannten alle in den Wald hinein.
Mit donnerartigem Tosen flog Burg Fuchsenschroffen in die Luft, und die Trümmer wälzten sich übereinander den Berg hinab.
Ein Aufjauchzen der Menge. Sie kamen alle wieder aus dem Walde und standen klatschend vor dem Steingeröll in einer mächtigen Staubwolke. – Nur ein hoher Stein, einem Denkmal gleich, ist von der Burg übrig geblieben.
Noch war die Wut der Empörer nicht verraucht. Sie zogen hinüber nach Schloß Katzenstein und sprengten es ebenso in die Luft, daß alles übereinander fiel.
Die Arbeiter, die vom Fürsten Rolli ihren Lohn nicht erhalten hatten, zogen hinauf zu den Trümmern der Burg, wälzten da und dort einen Stein um und fanden ein Paar Gold- und Silbermünzen. Aber zu ihrem gerechten Lohn kamen sie nie.
Die Leute in den Tälern meinten, ein Erdbeben habe Burg Fuchsenschroffen und Schloß Katzenstein zerstört. Sie schauten ängstlich zum Berg empor und wunderten sich am meisten über eines:
Hoch über den Staubwolken der stürzenden Gebäude flog ein gewaltiger schwarzer Vogel. Einem Flugzeuge gleich zog er darüber hin seine Kreise.
Rolli sah von seinem Verstecke aus Burg und Schloß zusammenstürzen. Er getraute sich nicht, vom Baume herabzusteigen, ehe von der Kirche im Tal die Turmuhr Mitternacht verkündigte. Dann rannte er den Berg hinunter in die Ebene und kam an den Rhein, als es schon Tag geworden war. Schiffersleute machten einen Kohlenschlepper los, den sie Tags zuvor ausgeladen hatten.
»Da schau!« sagte einer, »eine Katze. Die können wir brauchen, daß sie uns die Mäuse in der Küche und in der Kabine fange.«
Sie lockten Rolli an. Er sprang über ein Brett auf das Schiff. Als die Schiffer frühstückten, strich er ihnen schnurrend um die Beine und erhielt dafür die Wursthäute. Er blieb auf dem Kohlenschiff, kam mit ihm ans Meer, schlich sich dort auf einen Überseedampfer und fuhr mit diesem nach Amerika. Dort sprang er ans Land, und seitdem hat niemand mehr etwas von ihm gehört.