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14. Burg Fuchsenschroffen

Die Morgensonne schien hell ins Land. Von einem kosenden Lüftlein bewegt, erglänzten die Blätter der Bäume in huschenden Lichtern. Die reifen Getreidefelder lagen wie goldene Bänder zwischen den dunkelgrünen Kartoffeläckern und den grauen Teppichen der abgemähten Wiesen. Zarte Silberschleier hingen um die blauen Berge. Ein wirklicher Sommertag hielt seinen frohgestimmten Einzug.

Auf der Burg war alles still. Der Burgherr Fuchs Fürst von Fuchsenschroffen lag auf dem Balkon seines Schlafgemaches, ließ sich den Pelz von den warmen Sonnenstrahlen bescheinen und gähnte.

Ein Eichelhäher saß auf der hohen Linde des Schloßhofes und schrie laut in den Wald hinüber:

»Schäk! – Schäk! – Schäk!
Geht ihm aus dem Weg!
Schon ist er wieder aufgewacht
Und nur auf Mord und Raub bedacht.
Schäk! – Schäk! – Schäk!
Geht ihm aus dem Weg!«

.

Und er flog in den Wald, hüpfte von Baum zu Baum und wiederholte seinen Warnungsruf.

Der Fuchs machte einen Augenblick seine Schlitzäuglein auf, schaute nach dem Schreier und brummte vor sich hin: »Rätsche nur weiter! – Heute gehe ich nicht auf die Jagd.«

Darauf drehte er sich um, damit sein Fell auch von der andern Seite durchwärmt würde.

Sein Kammerdiener, Schlüpfer das Wiesel, trat zu ihm heran, verneigte sich tief und sprach:

»Wünschen Eure Durchlaucht, daß ich das Frühstück hierher bringe?«

»Was gibt's?«

»Tee, Kaffee, Schokolade! – Wie Durchlaucht wünschen.«

»Nichts!« erklärte der Fürst.

Schlüpfer hüstelte etwas verlegen und meldete:

»Unser Untertan, Rolli von Katzenstein, wartet im Empfangszimmer und bittet bei Durchlaucht vorgelassen zu werden.«

»Hat er einen Rucksack dabei?«

»Ich habe nichts bemerkt.«

»Wann bezahlt denn der Bursche endlich seine rückständigen Steuern?« bemerkte der Fürst ärgerlich.

»Werden Durchlaucht ihn empfangen?« fragte das Wiesel.

»Bring ihn hierher!«

Mit Schlüpfer trat Rolli auf den Balkon, machte viele Bücklinge und sprach : »Eurer Durchlauchtigsten Hoheit ergebenster Diener! – Darf ich mich nach dero höchstem Befinden erkundigen?«

»Danke, Baron, sehr mäßig!« erwiderte der Fürst. Zu Schlüpfer gewandt befahl er: »In einer halben Stunde ein kleines Frühstück für uns beide!«

Schlüpfer empfahl sich und wagte nicht einmal, an der Türspalte des Balkons zu lauschen.

.

Denn er kannte den Besuch und hatte schon einmal des Katers scharfe Krallen in seinem Felle verspürt.

»Setz dich her zu mir, Rolli!« sprach der Fürst, »ich habe wichtige Dinge mit dir zu besprechen.« Rolli setzte sich.

»Ich habe«, fuhr der Fuchs fort, »mit Bedauern und Sorge vernehmen müssen, daß unsere Kasse nahezu erschöpft ist.«

»Bedenklich!« meinte Rolli. – »Sind die Goldstücke, die wir neulich dem einfältigen Bengele abgenommen haben, schon alle gewechselt?«

»Nicht nur das! – Ich bin meiner Dienerschaft den Monatslohn noch schuldig und … ich leide Hunger.«

»Traurige Sache, lieber Fuchs! – Aber was kann ich machen?«

»Na, du könntest zunächst einmal die Steuern vom letzten Vierteljahr abliefern.«

»Wollte ich es nicht ehrlich und redlich tun? – Weißt du, wie es mir dabei ergangen ist?«

»Hattest du Aussichten?«

»Sehr gute! – Du erinnerst dich, daß ich dir im Frühling den Hasen Mümfel vom Dachsberg in die Küche geliefert habe. Es war kein schlechter Braten.«

»Ging eben noch! – Ein bißchen zäh! …«

»Mümfels Sohn Hoppel hatte ich schon in den Krallen. – Ein zarter Junghase! – (Rolli schnalzte mit der Zunge), aber …«

»Bist du ein solcher Tölpel von Jäger geworden?«

»Beleidige mich nicht! – Hektor und Putt, die schamlosen Hunde …«.

»Wieder diese beiden!«

»Leider! – Hektor hatte mich schon am Genick, aber durch meine Schläue bin ich ihnen entgangen. – Wie ich den beiden das Gesicht verkratzt habe! … die denken daran! – Aber der Hase, der für dich bestimmt war, lies davon.«

»Schade!«

»Viel schlimmer! – Hektor hat mit Hoppel Freundschaft geschlossen und fühlt sich nun als Beschützer aller Hasen auf dem Dachsberg.«

»Teufel noch einmal! – Unser bestes Hasenrevier! – Wie steht es denn mit den Hühnern?«

»Schlecht, mein lieber Fuchs. Die Bauern passen auf, und die Hunde wachen bei Tag und Nacht. – Ich wollte dir eben ein Küken zum Frühstück mitbringen … überall die Hunde!«

»Ein Enten- oder Gänsebraten würde mir auch wieder einmal zusagen.«

»Die können wir am Tage nicht holen, und nachts sind sie in den sicheren Ställen eingesperrt. Die Gänse aber, die sich bei Nacht herumtreiben, taugen nichts für uns.«

Schlüpfer meldete, daß das Frühstück aufgetragen sei. Es gab für jeden eine Maus, der Fuchs erhielt die größere. Zum Trinken war nichts mehr vorhanden als reines Brunnenwasser.

»Ach! immer das gleiche!« jammerte der Fuchs, »mit Mäusen habe ich mir bereits den Magen verdorben.«

Rolli verzehrte sein Mäuschen, obgleich er keinen Hunger verspürte. Er hatte vor einer Stunde das Küken selbst aufgegessen, von dem er seinem Gebieter erzählt hatte.

Während die beiden aßen, drang durch das offene Fenster der Ruf Kuh-hongs.

»Diesen Hahn sollten wir haben!« sprach der Fürst von Fuchsenschroffen. – »Rolli! das wäre eine Aufgabe für dich, mir den Kuh-hong zwischen die Zähne zu treiben.«

»Ein schwieriges Unternehmen!« meinte Rolli …; »wenn der Hofhund Putt nicht wäre!«

»Eine Aufgabe für dich!« wiederholte der Fürst. – »Wenn du mir diesen Hahn ins Garn lieferst, ernenne ich dich zum Grafen von Katzenstein und befreie dich für alle Zukunft von jeglicher Abgabe.«

Schlüpfer kam, um die leeren Teller abzutragen.

.

Mit tiefen Bücklingen empfahl sich Rolli als Seiner Durchlaucht getreuester Untertan. Der Fürst gab ihm die Hand und verabschiedete sich von ihm in huldreichster Art:

»Auf Wiedersehen! mein künftiger Reichsgraf von Katzenstein.«


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