Fritz Grünbaum
Die Schöpfung und andere Kabarettstücke
Fritz Grünbaum

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Mein Begräbnis

        Ich freu' mich schon heute auf mein Begräbnis.
Ich wette, das wird noch mein schönstes Erlebnis.
Also, bitte, das ist gar nicht so lächerlich,
Ich weiß, was ich sage: ich freue mich!
Es gibt ja doch Menschen, die sich nicht scheun,
Sich sogar auf ihre eigene Hochzeit zu freun,
Und das weiß doch sicher ein jedes Kind,
Daß Hochzeit und Begräbnis identisch sind.
Oder ist das ein Leben, das Geld ausgeben,
Und immer dieselbe Frau daneben?
Wer heiratet, schließt seinen Lebenslauf
Und macht sein Begräbnis! ... Also hör'n Sie mir auf!

Aber ich wollt' ja von meiner Bestattung sprechen,
Und nicht, wie sich andre die Hälse brechen.
Da wäre es also das Vernünftigste dann,
Wir fangen mit meinem Ende an.
über die Ursachen meines Leidens
Und meines definitiven Verscheidens
Heut' schon zu sprechen, wär' wohl verfrüht,
Hauptsache bleibt doch, daß ich verschied.
Allerdings, wenn sich's ergeben sollte,
Daß man mir gütigst gestatten wollte,
Bezüglich meiner letalen Gebrechen
Irgend einen bestimmten Wunsch auszusprechen,
Dann schlage ich vor, ich werd' cholerakrank,
Das ist was Apartes und dauert nicht lang.
Auch afrikanischer Mückenstich
Eignet als bessere Todesart sich.
Aber um rascher zum Thema zu eilen,
Will bei Details ich nicht länger verweilen,
Sondern wir nehmen's als abgemacht hin,
Daß ich bereits im Jenseits bin!
Nur bezüglich des Zeitpunkt's, wann das gescheh',
Hab' ich eine famose Idee:
Ich denk' es mir nämlich wahnsinnig schön,
Am Tag vor der Trauung abzugehn.
Soll heißen, ich hätte eine Verlobte,
Die sich in sämtlichen Künsten erprobte,
Bis sie mich vollständig wehrlos gemacht hat
Und mich dann richtig so weit noch gebracht hat,
Daß ich mich endlich der Schlußregulierung,
Nämlich der Die-Braut-zum-Traualtar-Führung
Zu widersetzen schon nicht mehr gewagt hab',
Sondern nur rasch Ja und Amen gesagt hab'.
Jetzt stell'n Sie sich vor diese Dame, den Schreck:
Am Tag vor der Hochzeit sterb' ich ihr weg;
Vor der Nase weg, ohne Adieu ihr zu sagen.
Ohne auch nur mit einer Silbe zu fragen,
Ob sie mir überhaupt dieses Sterben erlaub',
Mach' ich mich auf und davon und werd' Staub! ...
Also wenn ich bedenk', wie das Fräulein zerspringen wird,
Wenn man ihr dann diese Mitteilung bringen wird,
Und wie sich ihr Gesicht dann vor Zorn färbt ganz rot –
Also wenn ich nicht schon tot wär', ich lachte mich tot!
Ich resümiere also in Kürze:
Ich bin bereit, auf des Lebens Würze
Zu verzichten unter der Bedingung, daß:
Erstens die Krankheit an sich schon mir Spaß
Durch ihre Distinguiertheit bereite,
(Ich sterbe doch nicht wie andere Leute!)
Und zweitens, daß, wenn ich ins Jenseits gehe,
Ich grad' einen Tag vor der Hochzeit stehe.
Unter diesen Umständen bin ich bereit,
Einzugehn in die Ewigkeit!

Nur eines soll jetzt sofort festgestellt sein:
Ich lass' mich auf Handeln und Feilschen nicht ein!
Es soll sich keiner die Mühe geben,
Von den Bedingungen, die ich soeben
Als Basis für mein Ins-Jenseits-Wandeln
Genannt hab', irgendwas abzuhandeln!
Denn ob Sie nun zweifeln daran oder lachen,
Ich kann es in keinem Fall billiger machen.
Wenn man schon stirbt, dann muß es sich lohnen,
Das sind meine äußersten Konditionen!
Ich werde mich sträuben mit Füßen und Händen,
Im Wege der Schafblattern mein Leben zu enden!
Entweder man findet sich willig bereit,
Meinen Wünschen nach Art und Zeit
Meines Dahinganges Folge zu geben
Oder – ich bleibe eben am Leben!
Ich lass' mir doch nicht meine Laune verderben.
Schließlich und endlich, ich muß doch nicht sterben!
Bewilligt man mir meine Forderung nicht,
Dann leg' ich auch auf meinen Tod kein Gewicht.
Hier gilt, wie nirgends, das Wort, das bekannte:
»Sie woll'n also nicht? Nicht, nicht, liebe Tante!«

Übrigens, meiner Bedingung wegen
Können Sie sich es ja noch überlegen.
Ich kann mich beherrschen, ich wart' vorderhand.
Mein Tod ist mir ja schließlich nicht gar so pressant!
Ich kaprizier' mich nur nicht auf mein Leben,
Aber wenn es nicht anders geht, lebe ich eben!
Und zwar, notabene, genau beseh'n,
Lebe ich außerdem wirklich ganz schön!
Erstens besitze ich gar kein Vermögen.
Ich brauch' mich also nicht aufzuregen
Oder – wie andere Leut' – mich zu sorgen,
Ob meine Bank auch noch sicher bis morgen.
Das hab' ich nicht nötig, Gott Lob und Dank,
Ich hab' gar kein Geld, also was brauch' ich die Bank?
Zweitens hab' ich auch keine Geliebte.
Damit ist natürlich auch für das geübte
Auge des Kenners gesagt schon hienieden:
Das äußerste Unglück hab' ich vermieden!
Denn wie das Malheur eines Verhältnisses groß ist,
Das sieht man erst, wenn man es endgültig los ist,
Ja, ich möchte fast sagen, der Tag, wo man's los wird,
Ist der einzige, wo ein Verhältnis famos wird.
Nur leider mißglückt der Versuch meistens kläglich,
Ich wenigstens halt' ihn für beinah' unmöglich!
Das macht ja das Unglück beim Verhältnis so groß:
Erst will man's, dann hat man's, und dann wird man's nicht los!
Verhältnisse sind wie die zähesten Kletten,
Da gibt es nur ein Mittel, rasch sich zu retten.
Das einzige Mittel, und das ist meins:
Das beste Verhältnis ist – man hat gar keins!
Und sehn Sie: das hab ich! So klug und gescheit
War ich schon immer die ganze Zeit!
Ich habe noch nie nach einem Mädel geschnappt,
Ich habe noch nie ein Verhältnis gehabt;
Zufrieden und glücklich in seliger Ruh'
Bring' ich mein irdisches Dasein zu,
Ja, ich lebe beinah' wie im himmlischen Eden –
Und da fängt man mir an jetzt vom Sterben zu reden!
Nun, sagen Sie selber: Wie finden Sie das?
Soll das ein Jux sein? Ist das ein Spaß?
Sind denn die Menschen rein schon wie toll?
Ich seh' gar nicht ein, warum ich sterben soll!
Aber natürlich, auf diese Idee
Kommen die Leut' nur im Cabaret!
Gott, wenn ich denke, für welchen Beruf
Mich ein erbärmliches Schicksal schuf!
Ein Beruf, bei dem ich von meinen Gebrechen
In Wahnsinn gewordenen Versen muß sprechen;
Ein Beruf, bei dem, um bezahlt zu werden,
Ich wie ein Verrückter mich muß gebärden,
Bei dem ich zu fremder Menschen Genuß,
Um leben zu können, sterben muß!
Ich bin schon kein Mensch mehr. Wie komm' ich dazu?
Jetzt möcht' ich nur eines: ich möcht' meine Ruh'!
Mein Ehrenwort, um meine Ruh' zu erwerben,
Möchte ich eventuell sogar sterben!
Natürlich nur, wenn man mir fix garantiert,
Daß im Jenseits noch kein Cabaret existiert!
Und wenn ich dann droben in seliger Ruh'
So gegen halb zwölf Uhr mir auszieh' die Schuh'
Und denk' mir dabei: »Wenn ich jetzt wär' am Leben,
Dann müßt' ich mich grad ins Cabaret noch begeben,
Aber glücklicherweise hat's damit keine Not,
Denn, Gott sei's gelobt und gedankt, ich bin tot ...«
Sehn Sie, das wäre mein schönstes Erlebnis,
Und deshalb nur freu' ich mich auf mein Begräbnis!

 


 


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