Anastasius Grün
In der Veranda
Anastasius Grün

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Ein Baum.

            Im Tuileriengarten
Blüht ein Kastanienbaum;
Die Brüder aller Arten
Umfängt noch Wintertraum.

Eh' ihre Knospen sprangen,
Rauscht seine Blätterkron';
Eh' sie mit Laub behangen,
Prangt er in Blüten schon.

So trägt der Auserkorne
Das Lenzpanier voran,
Daß er zur Folge sporne
Den grünen Heeresbann.

Ich lehnt' einst an dem Baume,
Der mir zu Herzen sprach,
Und sann im Schattenraume
Dem Blütenrätsel nach.

Mich wollt's der Geister mahnen,
Die schon zum Licht erwacht,
Als auf der Menschheit Bahnen
Noch lag des Wahnes Nacht;

Ich dachte der Erkornen,
In denen längst geblüht
Was jetzt uns Spätgebornen
Nachlenzet im Gemüt. –

Da schritt mit seinem Sohne
Des Wegs ein Edelmann,
Sah still zur Wipfelkrone,
Und sprach zum Jungen dann:

»Hut ab! Ein Denkmal ragen
Siehst du der Schreckensnacht,
Da Meuter hier erschlagen
Die treu'ste Königswacht.

Weil von so edlen Leichen
Gedüngt der heil'ge Baum,
Muß er vor seinesgleichen
Der erste blühn im Raum.«

Ihm folgten Wandrerscharen
In Blusenhemden nach;
Ein Werkmann hoch in Jahren
Zu den Genossen sprach:

»Hier haben sie verblutet
Mit Schergen im Gefecht,
Die Männer freigemutet,
Für ihres Volkes Recht.

Von solchem Tau begossen
Wird fruchtbar jeder Grund,
Drum muß der Baum auch sprossen,
Der erste weit im Rund.« –

Ich horchte ihren Reden
Und sah das Widerspiel,
Als in die alten Fehden
Die junge Blüte fiel.

Sie wähnen jede Ader
Des Baumes übervoll
Getränkt mit ihrem Hader,
Mit ihrem Zwist und Groll;

Doch er, – o mildes Tauschen! –
Er läßt ihr zürnend Weh
Im Blätterkranz verrauschen,
Verwehn im Blütenschnee.

Verrausche und verwehe
So unser Leid und Streit!
Den Blütenkranz nur sehe
Davon die Enkelzeit.


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