Anastasius Grün
In der Veranda
Anastasius Grün

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Im Schlitten.

I.
                Durch das Schneefeld schießt mein Schlitten
Im Geschmeid des Tigerfells,
Raschen Flugs vorüberglitten
Burg und Weiler, Busch und Fels.

Lenz in Blumen, Herbst in Reben,
Sommer du im Garbenkranz,
Was ist eure Schönheit neben
Einem Wintertag in Glanz!

Wie versinkt die bunte Kleinheit
Vor so schlicht erhabner Pracht!
Er vermählt das Weiß der Reinheit
Mit dem Hermelin der Macht.

Seine Lagerzelte glänzen,
Die Gebirge, weit im Kreis;
Bis an seines Reiches Grenzen
Schimmert nur dies stolze Weiß.

Wald und Strauch in Silberflocken,
Welch ein Hofstaat reich und steif!
Weiße Schleier auf den Locken
Und im Haar des Puders Reif;

Zarte Flöre, krause Spitzen
Schmücken zierlich das Gewand,
Spangen flimmern, Nadeln blitzen,
Funkelnd sprüht der Diamant.

Wintersonn' in eis'ger Klarheit
Streut aufs All ihr kaltes Licht,
Rein wie eine goldne Wahrheit,
Glänzend zwar, doch wärmend nicht.

Sorglich hält die Feuerbolzen
Noch im Köcher sie bewacht,
Daß nicht allzuschnell geschmolzen
Winters Herrlichkeit und Macht.

Sein Gesetz ist Ruhn und Schweigen,
Das er eisern strenge hält,
Und kein Vogel pfeift in Zweigen
Und kein Pflüger singt im Feld.

In das Mühlrad, das noch rollte,
Greift er mit kristallner Hand,
Und den Bach, der murmeln wollte,
Hält im Fall er festgebannt.

Durch die feierliche Runde
Geht ein Hauch von Majestät,
Der das Lied verbannt vom Munde
Und ihn weiht zum Festgebet.

Und der Grund im Schlittengleise
Tönt von lieblich leisem Klang,
Gleich als tönte unterm Eise
Der verbannten Blumen Sang.

Auch mein Rößlein läßt nicht schweigen
Die Musik im Schellenkranz,
Stolzer trägt's sein Haupt zum Reigen,
Zierlich wirft's den Fuß im Tanz.

Und berauscht vom eignen Klingen
Saust's in Trunkenheit dahin,
Wie am Kastagnettenschwingen
Sich entflammt die Tänzerin.

Hier und dort wird von den Tönen
Ein entschlummert Echo wach;
Schläfrig, mit gutmüt'gem Höhnen
Murmelt's das Geläute nach. –

Jage, muntres Rößlein, jage!
Holst doch nicht mein Sinnen ein,
Das enteilt in ferne Tage,
Das entflohn in Südens Hain;

Wo die Lüfte lauer wallen,
Wo die Sonne goldner glänzt,
Wo die götterreichen Hallen
Frühling schon mit Blumen kränzt.

 
II.
Ja, es ist ein Jahr gerade!
Eben um die Winterzeit
Schritt ich an Sorrents Gestade,
Ganz von Blüten überschneit.

Blüten vom Orangengarten,
Wo man eben Ernte hält,
Wo die weiten Körbe warten,
Daß die süße Last sie schwellt.

Jedes Auge grüßt dich sehnlich,
Schöner Baum, der, zwiefach reich,
Einer jungen Mutter ähnlich,
Trägt im Blühen Frucht zugleich!

Muntre Nachbarkinder schnellen
Duft'ge Früchte aus dem Laub,
Und gleich jungen Sonnenbällen
Fliegt und stürzt der goldne Raub.

Wenn nach dir solch wildes Benglein
Neckend mit dem Goldball zielt,
Dünkt's dich schier ein nacktes Englein,
Das mit den Gestirnen spielt.

Unterm dunklen Schirm der Äste
Lagern, blumenhaft geschart,
Holde jungfräuliche Gäste,
Wie Madonnen schön und zart.

Sterngeformte Blüten fallen
Von dem Baum in leisem Tanz,
Daß die Häupter zu umwallen
Scheint ein lichter Sternenkranz.

Oder wehn die ersten Blüten
In den nahen Myrtenreif?
Mög' ein Gott ihn mild behüten!
Schnell nur blüht, was schnell auch reif.

Rosen sind bei Lorbeerbüschen
Aufgeglüht so früh im Jahr,
Ungeduldig, sich zu mischen
In ein dunkles Lockenhaar.

Alles blüht hier um die Wette
Luftberauscht im Sonnenschein;
Selbst am Meeresbord die Städte
Blühn, ein Blütenkranz von Stein.

Ja, das Wölkchen weißen Rauches,
Das am Feuerberg sich zeigt,
Scheint nur Duft des Frühlingshauches,
Der dem Flammenkelch entsteigt.

Segel schaukeln sich gleich hellen
Wasserlilien auf der See,
Und die Flut gießt im Zerschellen
Aufs Gestad nur Blütenschnee.

Wie verwehte Blumen fliegen
Silberwolken durch die Luft,
Und die Welt scheint sich zu wiegen
Ganz in Licht und Glanz und Duft!

Doch mein Sehnen und mein Sinnen
Ist gar fern im Heimatland,
Drüber jetzt sein weißes Linnen
Rauher Winter hält gespannt;

Wo im Eis die Schlitten gleiten
Und die Schelle lustig klingt,
Und der Stahlschuh in die Weiten
Sich auf ehrnem Fittich schwingt;

Wo im Schnee das Haus der Lieben
Hegt ein Stübchen traulich still,
Wie ein Herz, das warm geblieben,
Wenn es ringsum wintern will. – –

Doch wo bin ich? Diese Flaume
Sind kein Blütenschnee von dort!
Flocken vom Orangenbaume
Schmelzen auf der Hand nicht fort.

Schüttle von der müden Schwinge
Eisgestöber, Blütenschnee!
Sehnsucht geht im ew'gen Ringe,
Im Genuß auch lauscht ihr Weh.


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