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enn der August gekommen ist, dann treffen wir am Rande von Gebüschen oder mitten im Walde einen Baum an, der über und über mit Büscheln korallenroter Früchte bedeckt ist. Die ganze Krone ist ein einziger Ballon roter, leuchtender Perlen. In diesem reizvollen Kleide ist der Baum mit keinem andern zu verwechseln, es ist die Eberesche. Gewiß, in diesem blendenden Schmuck der Früchte überstrahlt die Eberesche an Schönheit alle anderen Bäume, die unser Wald besitzt. Aber sie sticht auch zu anderer Zeit, im ganzen Frühjahr wie im Sommer, auch ohne Früchte durch ihre Zierlichkeit und Anmut von unseren meisten andern Bäumen ab.
Die Eberesche hat im Volksmunde sehr verschiedene Namen, sie heißt auch Quitschernbaum, Maasbeerbaum, Vogelbeerbaum. Die Bezeichnung Eberesche ist eine Verstümmelung von Aberesche, d. h. falsche Esche. durch die Fiederform ihrer Blätter hat nämlich dieser Baum eine Ähnlichkeit mit der Esche, ohne mit dieser die geringste natürliche Verwandschaft zu besitzen. Denn die Eberesche gehört zu den Kernobstgewächsen. Man braucht nur ihre Blüten, ihre Früchte etwas näher anzusehen, um sogleich zu bemerken, daß sie mit einem Apfelbaum die größte Ähnlichkeit besitzt. Nur ist an diesem alles größer und gröber. Die Blüten der Eberesche sind genau so nach der Fünfzahl gebaut wie diejenigen unser Kernobstbäume. Aus den fünf gelblichweißen Blütenblättern ragen eine Menge von Staubfäden hervor. Auch die Stellung der Blüten ist an der Eberesche dieselbe wie beim Apfelbaum. Nur stehen bei ihr diese Gebilde in einer großen Doldentraube in viel reicherer Zahl zusammen, als bei jenem. Die Frucht ist bei der Eberesche nur etwas über erbsengroß, aber an ihrem oberen Ende sind genau so die Reste des Kelches zu sehen, wie am Apfel oder an der Birne. Die Frucht ist auch durch Querwände in Fächer geteilt, in denen sich die Samenkerne befinden, kurzum, es ist ein Apfel im kleinen, der eine korallenrote Schale besitzt.
Die Eberesche ist in unseren Wäldern sehr verbreitet. In der Ebene zieht sie ganz unzweifelhaft den Laubwald dem Nadelwald vor. Aber auf den Gebirgen ist sie außerordentlich häufig in die Fichten eingesprengt, besonders in dem Höhengürtel, wo diese NadelBäume bereits niedriger bleiben und die Eberesche von ihnen nicht mehr unterdrückt werden kann. So zierlich das Bäumchen erscheint, so fürchtet es sich doch nicht vor Kälte. Es dringt so hoch wie die Fichte auf das Gebirge hinauf und bildet mit ihr zusammen die Grenze des Baumwuchses. Ebenso ist es auch in den nördlichsten Ländern einheimisch und zieht sich auch über Rußland bis weit nach Sibirien hinein. Sie ist mit der echten Esche zusammen der einzige Baum, der, vom mittleren Deutschland an nordwärts verbreitet, Fiederblätter trägt. Denn diese deuten mehr auf eine südliche Heimat. Die eigentliche Esche ist auch ein ziemlich empfindlicher Baum, der sich weder ins Gebirge versteigt noch sehr hoch nach Norden hinaufgeht. So ist denn die Eberesche der abgehärtetste Baum, der Fiederblätter trägt, ja sie ist überhaupt einer der unempfindlichsten Bäume.
Ihre große Verbreitung verdankt die Eberesche aber nicht nur ihrer Unempfindlichkeit gegen Kälte. Sie ist auch eine anspruchslose Pflanze. Allerdings kann sie nicht mit der Birke wetteifern, wenigstens vermag sie nicht auf so dürrem Sande Fuß zu fassen wie diese. Aber jedenfalls, ganz ungünstige Verhältnisse abgerechnet, gedeiht die Eberesche überall. Sie kann noch auf sehr feuchtem Boden stehen, wo Buchen und Eichen schon versagen, und sie hält auch trockenen Boden noch am besten aus, wenn man von der Kiefer und Birke absieht. An steilen Felswänden, auf steinigen Gebirgsfeldern sieht man oft genug kleine Ebereschen, deren reicher Fruchtschmuck deutlich verrät, daß sie hier die volle Höhe ihres Vegetationslaufes erreichen. Diese Bereitwilligkeit, in noch ziemlich jugendlichem Alter und überall reichlich Früchte zu tragen, ist auch eine der Verbreitung sehr günstige Eigenschaft der Eberesche. Vor allem aber sind diese Früchte selbst eine sehr beliebte Nahrung der verschiedenartigsten Vögel und ohne Zweifel stellt das saftige Fruchtfleisch, wie bei allen Kernobstgewächsen, ein Lockmittel für Tiere dar. Indem diese die Frucht verzehren, tragen sie zur Verbreitung der Samenkerne bei, die sie unverdaut wieder abgeben und dadurch unbewußt überall aussäen. Nur dadurch erklärt es sich, daß in allen Wäldern, auch an Stellen, wo stundenweit kein Ebereschenbaum vorhanden ist, doch große Mengen von Sämlingen aus dem Boden hervorsprießen. Nur so auch ist der Same verbreitet worden, aus dem jene Ebereschen entstanden sind, die man aus alten Türmen, auf Burgmauern oder auf isolierten Felsenbergen antrifft. So kann denn die Eberesche in ihren Früchten jegliche Anpassung an den Wind entbehren, die Vögel sorgen Jahr für Jahr dafür, daß die Samen überall ausgesät werden.
Das Wachstum der Eberesche geht ziemlich rasch vonstatten. Aber so schnell wie das der Birke ist es doch nicht. Die Eigenschaft dieses Baumes, überall da zu erscheinen, wo Lücken vorhanden sind und rasch empor zu wachsen, ehe noch ein anderer Baum ihr nachkommen kann, ist der Eberesche nur in einem geringen Grade eigen, obwohl sie aus gutem Boden weit schneller wächst als Buche, Eiche und selbst Linde. Aber dafür ist sie nicht so lichtbedürftig wie die Birke, sie läßt sich nicht so leicht unterdrücken, ihre weit nach den Seiten ausgreifenden Fiederblätter ermöglichen es ihr immerhin, an einer von der Nachbarschaft unbenutzten Stelle Licht und Luft zu erlangen. Und wenn sie einmal ein Bäumchen von zwei, drei Metern Höhe geworden ist, dann fängt sie schon an, Früchte zu tragen, sorgt also dann bereits für ihre Nachkommenschaft, wenn die meisten anderen Bäume noch jahrzehntelang auf Fruchtbarkeit warten müssen. Die Eberesche wird überhaupt nicht sehr hoch, häufig begegnet man Bäumen von 4 bis 6 Metern Höhe, und nur mitunter solchen bis zu 10 Metern Höhe.
Die Eberesche schlägt im Frühjahr nur wenig später als die Birke aus. Ihre ersten Blüten und jungen Triebe sind mit einem weichen Filz von Härchen bedeckt, so daß der Laubausschlag eine überaus zarte, weißgrüne Färbung besitzt. Dadurch erhält das junge Laub dieses Baumes eine außerordentliche Weichheit, eine unsagbare Innigkeit, die recht im Einklang steht mit dem milden Frühlingslicht, das durch den reichen Feuchtigkeitsgehalt der Maienluft gedämpft wird. Dazu kommt noch diese höchst anmutige Fiederform der Blätter. Die Eberesche hat ein unpaarig gefiedertes Blatt. Zu beiden Seiten des Blattschaftes stehen 7—9 Paare von Blättchen und ein einzelnes Blättchen steht außerdem an der Spitze des Schaftes. Jedes Blättchen hat eine länglich lanzettliche Form, es ist also ziemlich lang und schmal und erhält durch die scharf ausgeprägte, tiefe Sägegestalt seines Randes eine große Leichtigkeit und Zierlichkeit. Die Eberesche hat ohne Zweifel von allen unseren einheimischen Bäumen die schönste gefälligste Blattform, sie hat diese auch dann, wenn sich die seidige Behaarung verliert und die Blätter ihre dunklere grüne Sommerfarbe bekommen haben. Sehr schön ist die Eberesche auch dann, wenn sie blüht. Im Mai entfaltet sie reiche Dolden von gelblich weißen Blüten, die sich zwar an Stattlichkeit nicht mit denen der Obstbäume messen können, aber doch durch ihre reiche Zahl und durch ihre straußartige Anordnung sehr zierend wirken. Es geht von ihnen ein süßlicher, narkotischer Duft aus, der diesem frauenhaft anmutigen Baume auch einen leisen Anflug von weiblicher Falschheit verleiht.
Den Gipfel ihrer Schönheit erreicht die Eberesche aber im Spätsommer, wenn ihre Früchte sich in ein lebhaftes Rot kleiden. Diese graziösen Fiederblätter, von denen sich die leuchtenden Kugeln von roten Fruchtperlen wirkungsvoll abheben, diese glückliche Vereinigung von Grün und Rot, von Blattanmut und Fruchtglanz, das gibt der Eberesche eine entzückende Schönheit, die nicht nur derjenigen unserer einheimischen, sondern auch der meisten fremdländischen Bäume überlegen ist. Die mit Riesenblüten ausgestatteten Magnolien, die Tulpenbäume Nordamerikas, die zierlichen Zypressen Japans, die zarten Acacias Australiens besitzen keine größere Lieblichkeit und Schönheit als unsere Eberesche in ihrem roten Fruchtschmuck.
Auch die Herbstfärbung der Eberesche ist schön. Ihre Blätter bekommen im Oktober ein weiches Rotgelb, das demjenigen mancher Obstbaumsorten ähnlich ist. Die Fiederform der Blätter trägt auch in dieser Zeit dazu bei, das Kolorit noch anmutiger erscheinen zu lassen. Hat der Baum im Herbst noch seine roten Früchte, so behält er auch in der melancholischen Zeit der Blätterverfärbung noch ein Stück lachenden Lebens aus der reichen Fülle des Sommers. Häufig freilich besitzt der Baum zu dieser Zeit bereits keine Früchte mehr. Der Volksmund nennt die Eberesche nicht umsonst den Vogelbeerbaum. Sobald die Früchte reifen, wird der Baum von den verschiedensten Vögeln besucht. Besonders ist die Frucht eine Lieblingsspeise der unzähligen Drosselscharen, die zu Beginn des Herbstes vom Norden her durch Deutschland reisen. Mitunter jedoch, wenn Waldfrüchte aller Art gut geraten sind, behält der Baum seinen schönsten Schmuck den ganzen Herbst hindurch bis in den Winter hinein. An dem blattlosen Baum nehmen sich die roten Fruchtdolden herrlich aus. Lange dauert indes ihre Herrlichkeit nicht. Denn selbst wenn die Vögel aus Ueberfluß an Nahrung sie nicht vom Baume abholen, so machen doch einige stärkere Fröste die Stiele der Früchte mürbe, so daß diese bei einigermaßen heftigem Winde bald herabfallen. Als kahler Baum zeichnet sich die Eberesche durch einen ziemlich ebenmäßigen Wuchs, besonders aber durch einen recht glatten, kirschbaumartig gefärbten Stamm aus. An den Spitzen ihrer Zweige stehen große Knospen, die mit einem weißen Pelz von Haaren bedeckt sind. An ihnen ist die Eberesche leicht zu erkennen, selbst mitten im Winter, wenn keines der graziösen Fiederblätter, keine der stolzen, roten Fruchtperlen mehr den kahlen Baum zieren.
Die Eberesche ist nicht nur ein sehr schöner, sie ist auch ein sehr nützlicher Baum. Ihr Holz ist zähe, schwer und hart und eignet sich daher zu Gerätschaften, die der Wagner anfertigt. Es ist aber auch sehr fein und gleichmäßig und nimmt eine gute Politur an, deshalb ist es auch zu den eleganteren Arbeiten des Tischlers verwendbar. Die Früchte können zur Fütterung des Federviehs beuutzt werden. Sie dienen vielfach auch beim Vogelfang. Besonders werden die Drosseln massenweise in mit Ebereschenfrüchten belegten Fallen gefangen. Eine Abart des Baumes in Südeuropa trägt Früchte, die auch von Menschen gegessen werden können. Die Eberesche wird häufig an Wegen und Alleen angepflanzt, und es gibt für diesen Zweck kaum einen schmuckeren Baum als sie. In Parkanlagen bietet sie außer ihrem hervorrageuden Zierwert auch noch den Vorteil, durch ihre Früchte Vögel anzuziehen und dadurch zur Belebung der Landschaft beizutragen. Als Alleebaum wie als Parkbaum sollte sie schon deshalb viel häufiger angewendet werden, weil sie sehr anspruchslos ist und ungünstige Verhältnisse leichter erträgt als die meisten anderen Bäume. Die Eberesche wird wohl nirgends direkt forstlich kultiviert. Gleichwohl braucht man um ihre Zukunft kaum bange zu sein. Sie ist kein Baum, der so leicht ausgerottet werden könnte. Die Vögel, ihre Freunde, denen sie Nahrung gibt, werden dafür Sorge tragen, daß die Eberesche immer wieder hier und da im Walde oder im Gebüsch ein Plätzchen frei findet.