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llüberall in Europa kann man die Kiefer antreffen, im Norden macht sie der Fichte den Rang streitig, im Süden hat sie sich aus die Höhe der Berge geflüchtet, in Deutschland sieht man sie in einzelnen Beständen in den Alpen, im Harz, im Elbsandsteingebirge und auch allenthalben in der Ebene.
Aber recht eigentlich zu Hause ist sie doch in der östlichen Hälfte des norddeutschen Tieflandes und speziell in der Mark, der waldreichsten Provinz des ostelbischen Landes. Hier ist sie der Charakterbaum, das Symbol und der Stolz der Gegend, hier beherrscht sie die Landschaft wie kein anderer Baum, keine andere Pflanze.
Hohe graubraune Stämme mit weiten, lockeren Kronen von einem stumpfen Grün, und so Stamm an Stamm, endlos in der Ebene fort; lange gerade Gestellwege offenbaren die ganze endlose Ausdehnung dieses ruhigen, mächtigen, eintönigen Waldes. Aus armem Boden mit spärlichem Pflanzenwuchs haben sich diese Bäume mühsam emporgernugen. Nun stehen sie schwer und lebensmüde da in eherner Unbeweglichkeit. Man fühlt die Schwere des Daseins, die Eintönigkeit der Ebene, die Melancholie des endlosen Flachlandes. Welch ein stolzes Emporstreben im Fichtenwald des Gebirges. Alles ist Höhe, Spitze, Bewegung, Abwechslung, lebendige Kraft und DaseinsIust. Aber diese gewölbten ungelenken Kronen, diese wuchtigen Stämme, die sich auf geradem, abwechslungslosem Plane erheben, machen den Eindruck müder Arbeiter, die an eine große, weite Arbeitsstätte freudlos festgebannt sind. Überschaut man von einem höher gelegenen Punkte aus diesen ebenen Kiefernwald, dann erscheint er wie ein stilles grünes Meer, das Größe atmet zwar wie jedes Meer, aber es ist die Größe unendlicher Einsamkeit, unsagbarer Wehmut, einer Trostlosigkeit, die das Herz niederdrückt. In der Ferne bekommt das grüne Meer einen bläulichen Ton, bis es dann das Blau der Ferne annimmt, das schließlich in einem sehnsüchtigen weißlichen Duft am Horizonte verdämmert.
Das ist aber nur das allgemeine Bild des märkischen Kiefernwaldes. Aber es gibt noch viele andere Bilder von der Kiefer in der Mark, doch die sieht man seltener, dazu muß man auf das platte Land gehen, weit von der Eisenbahn hinweg, in den Bereich einsamer Dörfer, durch die vielleicht nicht einmal eine Chaussee führt, zu denen kaum ein Fuhrwerk aus der großen Stadt gelangen kann, da weder Pferde noch Wagen daran gewöhnt sind, den losen Sand der Landwege zu passieren. Diese wesentlich anderen Bilder von der Kiefer findet man auch meist in den Privatwäldern, und es gibt in der Mark bedeutend mehr Privatwald als Staatsforsten.
Doch bleiben wir zunächst bei den Staatsforsten.
Hier entwickelt sich die Kiefer zwar nicht ganz naturgemäß, immerhin kann sie auch hier ihre Natur nicht verleugnen. Die Kiefer wächst langsam, sehr langsam sogar. Wird sie angesät, so dauert es vier, fünf Jahre, ehe man überhaupt ein Pflänzchen in dem Gras der Schonung wahrnimmt. Und wird sie angepflanzt, so dauert es mehrere Jahre, ehe die Pflanze recht ins Wachstum kommt. Gelingt daher eine Aussaat, so überholt sie leicht die Pflanzung. Solch ein Auspflanzen von Sämlingen, wo pro Morgen Tausende von Pflanzen erforderlich sind, verursacht sehr viel Mühe; da ist die Aussaat freilich einfacher, aber sie schlägt nur zu häufig fehl.
Die Kiefer wächst zunächst sehr regelmäßig, so wie alle Nadelbäume. Ihre Zweige bilden Quirle, deren Stiele spitz in die Höhe und nach außen ragen. Aber die langen Nadeln schwächen bei der Kiefer doch das Spitze und Emporstarrende ab, das die Fichte ihr Leben lang zeigt. Die Kiefer verzweigt sich zwar nicht reichlich wie die Fichte, aber infolge der langen Benadelung sieht sie doch buschiger und weniger pyramidenförmig aus. Die Last der Nadeln scheint die Kiefernzweige mehr herabzudrücken, daher wachsen nicht immer die Mitteltriebe eines jeden Astes ungestört weiter, vielmehr gewinnt leicht ein Seitentrieb, eine der Quirlseiten, die Oberhand. Dadurch wird das Wachstum unregelmäßig laubholzartig, die Symmetrie der Quirlförmigen Verzweigung geht verloren. Schon in der Jugend ist die Kiefer behäbiger, schwerfälliger als die Fichte, es ist ihr nicht bange darum, genug Licht zu bekommen. Auf dem armen, trockenen Boden ist ja Sonne genug. Eher möchte sie sich auf den Boden legen, wie alle Pflanzen, die auf trockenem Boden stehen. Einige Jahre lang wird es ihr auch gegönnt, recht in die Breite zu gehen, denn in den weit voneinanderstehenden Saat- oder Pflanzreihen hat sie Platz genug, sich seitlich auszudehnen. Das dauert freilich nur so lange, bis die Reihen sich berühren, bis die Pflanzen, wie der Forstmann sagt, Schluß bekommen. Das erste Jahrzehnt ist unterdes über die jungen Pflanzen dahingegangen. Nun beginnt eine neue Periode, die Zeit des hastigen Empordringens um jeden Preis.
Der Wuchs nach den Seiten ist unmöglich geworden, nur nach oben zu ist noch Platz, die Kameraden drängen sich dicht heran, Luft und Licht wird immer knapper. Und so wird jedes Bäumchen gezwungen, sich möglichst schnell nach oben zu strecken. Und das geschieht fast fieberhaft, die jungen Kiefern, noch eben vierschrötige Büsche werden schmale, dürre Bäumchen. Ihr Stamm ist dünn, ihre Kronen sind ganz klein, ihre unteren Aste, von silbernen Flechten umsponnen, verdorren.
Nun kommt die Zeit des Durchforstens. Die überzähligen Bäumchen, besonders die dünnsten und kleinsten Exemplare, werden ausgehauen, die unteren Äste ganz entfernt. Vorher war alles ein undurchdringliches niederes Dickicht, in dem die Hirsche sich gut verstecken konnten und in dem an warmen nassen Sommertagen die gelben Pfefferlinge prächtig hervorsproßten. Nun kommt wieder Luft und Ordnung in den Jungwald. Man kann zwischen den Reihen der Bäume hinlaufen, ohne von den Asten behindert zu werden, man kann selbst aus einer Reihe in die andere treten, da die Bäume jetzt genügenden Abstand voneinander haben. Freilich besonders schön sehen die Bäume im Stangenholzalter nicht aus, sie bleiben immer schmächtig, da sie stets möglichst Schluß behalten. In den Reihen herrscht ein gedämpftes Licht, das keinen Pflanzenwuchs aufkommen läßt. Eine graubraune Nadelstreu bedeckt den Boden. Man glaubt zwischen Wänden zu gehen, auf langen, schmalen Korridoren in einem endlosen Gebäude, nirgends eine Aussicht in die Ferne, kahler brauner Boden zwischen schnurgeraden Baumreihen, die mit ihren dürren Ästen den schmalen Gang überdachen.
Doch nach wiederholter Durchforstung wird der Wald lichter und lichter. Die Bäume brauchen jetzt einen größeren Abstand voneinander, und um diesen zu schaffen, muß die Anordnung in Reihen nach und nach aufgegeben werden. Nun macht der Bestand einen freieren, natürlicheren Eindruck. Wohl sieht der Forstmann darauf, daß alle Bäume möglichst gleich hoch sind, wie sie ja auch gleiches Alter besitzen. Aber eine solche Pflanzung von hohen, etwa dreißigjährigen Bäumen macht an und für sich den Eindruck starker Naturkraft, mag nun dabei des Menschen Hand im Spiele gewesen sein oder nicht. Jedenfalls wirkt aber die Beseitigung der Reihenordnung befreiend. Nun befindet man sich in einem zwar noch niedrigen, aber doch weiten Dom, der getragen wird von einer unabsehbaren Schar von Säulen. Der Boden bedeckt sich hier und da mit gelbem oder grünem Moos, oder es sprießt gar schon ein dickes, dunkles Gras hervor. Die Lederblätter der Preißelbeere liegen hier und da in vereinzelten Stengeln am Boden, und im Sommer und Herbst bilden die blauen Kronen der breitblättrigen Glockenblume einen bescheidenen Schmuck. Von Ende August an brechen dann Pilze in gewaltigen Scharen aus dem Boden hervor, unter ihnen der glänzendste seiner Klasse, der malerische, aber giftige Fliegenpilz, der mit seinem knallroten Hut und den weißen Perltupfen gar nicht zu diesen dezenten Farbennüancen des märkischen Kiefernwaldes zu passen scheint.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wird nun der Wald stattlicher und schöner. Die Bäume sind weit voneinander entfernt und bilden nun mit ihren hohen breiten Kronen eine erhabene, stolze Halle. Die Flechten an den Stämmen haben keine Macht mehr, man bemerkt sie nur, wenn man genauer zusieht. Der Stamm wird dicker, und unten erhält er eine graubraune, tiefgefurchte Borke, die sich in breiten, flachen Stücken absplittern läßt. Nach oben zu dagegen erhält der Stamm ein sehr schönes Rostbraun, das zumal bei tiefstehender Sonne, am Morgen und am Abend, herrlich leuchtet. Die Bäume, immer im Schluß erhalten, haben einen herrlichen, geraden, langen Stamm bekommen, der völlig astrein ist bis auf die kleinen, kaum merkbaren Stumpfreste, die die ausatzstellen der ehemaligen Quirltriebe verraten und an denen man so bequem das Alter des Kiefernbaumes abzählen kann. Denn von einem Quirl zum anderen ist ja stets ein Jahr vergangen. Obwohl die Kronen der Kiefern einen breiten und massigen Eindruck machen, so sind sie doch nie sehr dicht. Die Krone besteht aus zu wenig Ästen, und die Äste sind zu wenig verzweigt, als daß nicht genug Licht auf den Boden dringen könnte. Dieser ist darum grün, wenn auch meist seine Armut ein üppiges Pflanzenleben verhindert. Auf sehr schlechtem Boden sind es allerdings meistens Moose, die hier aber eine zusammenhängende Decke bilden. Häufig stellen sich Preißelbeerbüsche ein, und Heidelbeeren bilden stellenweise einen zusammenhängenden Teppich von großer ausdehnung. An sehr sonnigen Stellen wächst das gemeine Habichtskraut, die Grasnelke und die köstliche Erdbeere. Wildnelken, Glockenblumen sind überall zu finden.
Einen eigenartigen Schmuck erhält aber der märkische Kiefernwald durch den Wacholder. In manchen Revieren tritt dieser in großen Mengen und stolzen Exemplaren auf. In seiner steifen, schmalen Pyramidenform, die an die Lebensbäume und Zypressen der Kirchhöfe erinnert, macht der Wacholder einen äußerst melancholischen Eindruck. Wo die Bäumchen in Scharen vereint auftreten, da scheinen sie die Symbole eines großen Friedhofes zu sein, der sich hier unter der mächtigen Kiefernhalle ausdehnt. Obwohl im Lichte ziemlich hellgrün, erscheinen die Wacholderbäumchen doch im Schatten des Waldes düster Schwarz, und von diesen dunkeln, unbeweglichen Säulen geht ein trostloser Hauch der Trauer aus.
Dem Kiefernbestand gewährt man meist nur ein Alter von 80 bis 100 Jahren. Forstlich lohnt es nicht, die Bäume älter werden zu lassen. Der Zuwachs an Holz erfolgt dann so langsam, daß eine frische Aufforstung finanziell zweckmäßiger ist.
Leider wird aber das finanzielle Interesse meist zu einseitig von der Forstverwaltung wahrgenommen. Der Wald hat doch noch andere Aufgaben zu lösen, als Holz zu geben!
Sein ethischer und ästhetischer Wert wird noch sehr wenig gewürdigt, obwohl doch die körperliche und seelische Gesundheit des Menschen, der im Walde so viel Stärkung findet, wohl auch Faktoren sind, die für einen Staat Wert besitzen.
In der Nähe von größeren Städten, besonders allerdings an Vergnügungsorten, Kurorten und dergleichen, wo reiche Leute durch schöne Waldungen angelockt werden sollen, wird dem Kiefernwalde ein höheres Alter vergönnt. Und wirklich großartig und überwältigend wird dieser erst, wenn die Bäume ein höheres Alter erreichen.
Dann werden die Kiefern, die sich immer lichter stellen und einen erhabenen Hain bilden, immer mächtigere Kolosse, ihr Stamm verdickt sich ungeheuer, fast wie der der Eichen, und ihre Krone wird breit und malerisch. Starke Aste greifen weit aus, als wollten sie ihre markigen Hände sehnsüchtig ausstrecken nach einem Freunde, nach einem fühlenden Herzen, das sie doch nicht finden werden. Ein kräftiges Brausen geht durch die schweren Kronen, der Specht arbeitet an einem der alten Riesen, der anfängt morsch und lebensmüde zu werden. Dann klingt sein spöttisches Gelächter fühlbar durch die heilige Stille des alten Kiefernhains. Die ehrwürdigen Bäume erzählen von alten Zeiten, die sie durchlebt, von Stürmen und Mühen, die sie überstanden. Aber der Kiefernwald stimmt wehmütiger als jeder andere Wald. Warum, wozu das alles? Es wird ja doch vergehen in der Dürre des Bodens, in der Ungunst der nüchternen Sandebene! Die Nebelkrähen, die in den alten Kronen sitzen, fliegen auf und krächzen ein trauriges Sterbelied.
Der Kiefernforst wird hier und da von Wegen durchzogen. Diese sind meist vollständig gradlinig, da das Terrain ja in der Regel eben ist. Die Chausseen, die durch den Wald führen, bringen mit ihren Alleebäumen, Ahorn, Linde, Eiche, Ulme meist etwas Fremdartiges in den Wald, etwas Künstliches, das sich streng von dem Kiefernbestand abhebt. Die Straße selbst allerdings gewinnt durch den Wald ungemein; sie hat in ihm einen ernsten, feierlichen Begleiter, der zwar die Aussicht rechts und links verlegt, aber der doch im Dunkel seines Baumheeres, in der Länge seiner Ausdehnung die Phantasie beschäftigt. Ungemein charakteristisch dagegen sind die kunstlosen Waldwege; sie sind oft von sehr großer Breite, da es ja auf dem schlechten Boden auf etwas mehr oder weniger Terrain nicht ankommt. Sie sind teilweise mit dürrem Gras überwachsen, teilweise liegt der rohe weiße Sand, von Fahrgeleisen und Pferdehufen aufgewühlt, zutage. Der Fußweg führt entweder dicht an den Kiefern hin oder er befindet sich von dem offenen Wege mehrere Meter weit entfernt im Walde drinnen und führt zwischen den Bäumen dahin.
Solche Wege sind häufig von Birken eingefaßt, die ja im Sande ebenso gut gedeihen wie die Kiefer, dagegen im Dunkel des Waldes sich nicht wohl fühlen. Solche Birkenwege im Kiefernwalde wirken ganz eigentümlich, diese zierliche, leichte, bewegliche, weißglänzende Birke neben der handfesten, finsteren, schweren, starren, düsteren Kiefer — ein schönes, anmutiges Weltkind neben einem schwerblutigen, melancholischen Träumer! Der Kontrast ist sehr grell, ja der Gegensatz macht die lichte Birke noch lichter, die Kiefer noch düsterer und schwärzer. Auf vielen Waldwegen sind vier Reihen von Birken gepflanzt.
Hier muß man im Frühling sein, wenn der Mai das sehnende Lichtgrün des zierlichen Birkenlaubes hervorgezaubert hat. Dann werden die Reihen zu festlichen Aufzügen, die lichten Birkengöttinnen ziehen im Lenzesschmuck durch den dunkeln Kiefernwald, man glaubt sie tanzen zu sehen, sie singen und locken zu hören, aus ihrem Maiengrün duftet und klingt das alte Lied, das den Menschen immer wieder betört und das er doch ganz vergessen zu haben glaubte in dem Dunkel des ernsten Kiefernforstes.
An den Rändern der Waldwege, aber auch am Rande des Kiefernwaldes überhaupt sieht man recht häufig den Besenstrauch, der mit seinen kleinen Blättern den Eindruck macht, als bestände er nur aus kahlen dünnen grünen Ruten. Er wächst sehr schnell und breitet sich auch rasch aus, So daß er oft wahre Hecken an den Rändern hin bildet. Er sieht im Winter genau so grün aus wie im Sommer, aber im Spätfrühling überschütten sich seine dünnen Besenzweige mit einem Heer von großen goldgelben Schmetterlingsblüten.
Der Besenginster wird nicht sehr hoch, Manneshöhe erreicht er wohl niemals, und dann wächst er meist etwas struppig und sparrig, so daß er just zu diesem unglückseligen Sandboden paßt, den nur die Kiefer und die Birke nach langen Mühen siegreich überwinden.
Obwohl der Boden der Mark in der Regel eben ist, so erstreckt sich der Kiefernwald doch auch über die kleinen Hügel, die meist Überbleibsel alter Endmoränen aus der Eiszeit sind. Welliges Terrain schafft immer Abwechselung, und so bekommt selbst der Kiefernwald auf solchen Bergen etwas Freundlicheres. Wunderbar erhaben wirkt ein alter Kiefernhain auf dem Plateau eines solchen Berges, und selbst der Überblick, den man von hier aus bequem über die verschiedenartigen Bestände, junge Schonungen, Stangenholz und Hochwald hat, gibt viel Mannigfaltigkeit und Überraschung.
Das Unnatürliche der in graden Linien aneinander gereihten Reviere fällt nicht so stark ins Gewicht, da die Reviere durch ihre Ausdehnung, durch ihre Unzahl von Baumpflanzen, durch das Massige des Baumes selbst immerhn genug Naturgröße in sich schließen.
Ungemein gewinnt aber der Kiefernwald durch die Seen, die ja allenthalben in der Mark in zahlreicher Menge vorhanden sind. In der weiten flachen Ausdehnung, in den niedrigen Ufern atmen sie den Hauch der Ebene, die auch die Heimat der Kiefer ist. Zwar die Seen sind hell; von Felsenwänden nicht beschattet, nehmen sie kaum je strenge, gewaltige Farben an, sie besitzen auch fast nie ein tiefes Blau, sie haben fast immer verschwimmend weiße, hellblaue oder melancholisch-trübe Töne. So machen sie einen herbstlich-wehmütigen Eindruck, an ihren Ufern beschleicht den Wanderer ein Gefühl unendlichen Sehnens und trüben Wehes, das nur gemildert wird durch die Frische, die von dem Wasser ausgeht. Aber ohne Wald sind diese Seen nüchtern und reizlos, ihren stimmungsvollen Hintergrund erhalten sie erst durch die düsteren, in Ruhe und Schweigen erstarrten Kiefern. Das ist der schwarze Rahmen zu diesen sehnsuchtsvoll weißen weiten Seen der Mark.
In den meisten Fällen treten die Kiefern aber nicht dicht bis an den See heran, sie ragen vielmehr nur als Höhepunkte über die Ufervegetation heraus, die von dem Schilf über die Erlen des Seerandes zu den Kiefern emporsteigt. Auch die Birke sieht man hier häufig am Rande des Sees, und an manchen Stellen verdeckt sie im Sommer fast den Kiefernforst, auf dessen rotbraunen Stämmen und grünen Kronen sich im Winter die Schneeweißen Stangen und die leichtroten Birkenruten trübselig abheben. Häufig umschließt der Kiefernwald auch ein kleines Hochmoor, ein Luch, wie es in der Mark meist genannt wird. Die fast das ganze Jahr über düsterbraune Vegetation bekommt in der Umrahmung des schwarzen Forstes ein um so unheimlicheres Aussehen.
Im Gegensatz zum Staatsforst macht der Privatwald meist einen ungepflegten, aber darum meist viel natürlicheren Eindruck. Allerdings unterscheiden sich die Forsten, die große Gemeinden besitzen und die von Forstbeamten verwaltet werden, nicht vom fiskalischen Forst. Dagegen haben die bäuerlichen Kiefernwälder meist ein anderes Gepräge.
Der Märker nennt den Kiefernwald Heide, mag es nun ein großer Forst sein oder ein kleines Stück Stangenholz inmitten von Feldern. So hat auch jeder Bauer, überhaupt fast jeder Landbewohner seine »Heede«. Neuerdings werden auch diese bäuerlichen Kiefernwälder nach dem Prinzip des Kahlhiebs bewirtschaftet, der Wald wird in Reviere geteilt, die je einen gleichaltrigen Bestand tragen, und dieser wird, wenn er das schlagfähige Alter erreicht hat, vollständig abgeholzt, um dann neu aufgeforstet zu werden. Seltener trifft man jetzt noch die alte Plenterwirtschaft an, bei der Pflanzen jeden Alters durcheinanderstehen und bei der nur immer einzelne Stämme ausgehauen werden. Der Plenterwald verjüngt sich von selbst, die alten Bäume streuen ihren Samen aus und dieser wächst auf, wo er gerade hingefallen ist. So wächst die Kiefer auf natürliche Weise wie in einem Urwald empor. Allein selten sieht man hier doch, wie schon erwähnt, ein freudiges Gedeihen der Bäume. Einmal ist es eben der allerschlechteste Boden, den der Landbewohner seiner Heide übrig gelassen hat, während er den etwas besseren Boden zur Ackerwirtschaft benutzt. Dann aber raubt er dem Walde die einzige Nahrungsquelle, die dieser allenfalls noch besitzt, die Nadelstreu. Dieses Entfernen der Streu hat die ländlichen Kiefernwälder in einen Zustand trostlosen Kümmerns gebracht. Aber die Streu kann der arme Landbewohner doch in der Regel nicht entbehren, da er genötigt ist, sein Stroh zu verkaufen. So spiegeln denn, wie gesagt, diese Kiefernwälder die ganze Armut und Traurigkeit des märkischen Sandbodens wieder. In weiten Zwischenräumen stehen die Bäume voneinander, und unter ihnen ist der weiße Sandboden nur schlecht durch schwärzliches Moos oder silbergraue Flechten verdeckt. Die Bäume sind weite sparrige Büsche oder kleine dicke Krüppel, die sich von Mannshöhe an in zwei oder mehr starke krumme Äste auseinanderzweigen. Und nirgends ist eine Gleichmäßigkeit, jeder Baum ist eine Individualität, jeder erzählt in seinem ungeschlachten kurzen Wuchs, in seinen weitab stehenden Ästen von den Kämpfen, die er mit der Armut und Dürre des Bodens und mit dem Brand der Sonne ausgefochten hat. Hier und da sind weite Lücken in dem Bestande, ja selbst einen Viertelmorgen große Fehlstellen unterbrechen den kümmerlichen Wald und bilden ein trauriges, mit schwarzem Moos bedecktes Steppenland inmitten eines zwergigen, verkrüppelten Kiefernbuschwerks.
Das ist das trostloseste Bild, das ein Kiefernwald bieten kann, aber man findet dieses Bild häufig genug. Besonders wo Ländereien, die früher Steppe gewesen sind, neu aufgeforstet werden, da entsteht meist ein ganz trübseliger Wald. Manche Bestände sind aber auch durch die Schuld des Besitzers, durch vorzeitiges Aushauen aller nur einigermaßen brauchbarer Stämme und durch den unaufhörlichen Raub der Nadelstreu gänzlich heruntergekommen. Der märkische Bauer läßt seinen Bestand nur selten sehr alt werden. Wenn die Bäume vierzig Jahre alt sind, dann werden sie gewöhnlich geschlagen, dann sind sie gerade gut, um als Grubenholz verkauft zu werden oder ein einigermaßen gut zu verwertendes Brennholz zu geben. In den traurigen Verhältnissen, in denen er sich meist befindet, kann er für die Zukunft nicht sorgen, er muß nehmen, was ihm die Gegenwart bietet, obwohl es weniger ist, als es bei ruhigem Abwarten sein würde. Oft reicht es dann nicht einmal, um das abgeholzte Land wieder aufzuforsten, auch hofft mancher, das Terrain besser als Acker benutzen zu können, obwohl er fürchten muß, daß dieses in wenigen Jahren weder als Feld noch als Waldterrain einen Gewinn abwerfen werde, denn auf Land, das mehrere Jahre als Ackerland benutzt worden ist, kommt die Kiefer sehr schwer in die Höhe. Der Getreidebau hat die für den Baum wertvollen Stoffe vollständig aufgesaugt, oder diese haben sich verflüchtigt. Und so sieht man gegenwärtig viel ödes Land in der Mark, wo früher einmal Kiefernwald gestanden hat.
Wo der Boden und die Bewirtschaftung etwas besser ist, da wird der ländliche Wald dem fiskalischen ähnlicher. Er ist freilich immer nur ein dürftiges, monotones, trübes Stück Natur. Der eigentliche Hochwald fehlt ganz und gar, die Schonungen sind dürftig und die Bestände im Stangenholzalter haben auch weder etwas Imponierendes noch Anheimelndes. Da sieht man wirklich den Knüppelwald noch am liebsten, trotz seiner schmerzlichen Trostlosigkeit hat er etwas außerordentlich Malerisches.
Die Verwertung des märkischen Waldes ist keine sehr hohe. Die Forsten, die Bauholz oder Mastbäume verkaufen, erzielen ja mitunter höhere Gewinne. Der Bauer, der von seinem Walde im Durchschnitt 4 bis 5 Mark pro Jahr und Morgen erzielt, kann damit zufrieden sein. Vom fünfzehnten Jahre etwa an gibt der Bestand Streu, die zwar nicht sehr wertvoll ist, aber doch dem Vieh ein sauberes Lager verschafft. Gewöhnlich wird die Streu im Oktober geharkt, nachdem das »Kartoffelnbuddeln« und die Roggensaat vorüber ist. Je nach Bedarf wird aber das Zusammenharken der Nadelstreu auch zu jeder anderen Jahreszeit ausgeführt, nur muß das Wetter trocken sein. Nasse Streu macht, wenn sie in großen Haufen aufgeschichtet wird, leicht einen Gärungsprozeß durch, bei dem sie womöglich fast gänzlich niederbrennt. Das Durchforsten, bei dem die überzähligen und schwächlichen Bäumchen und viele Äste entfernt werden, wirft eine Menge Reisig ab, mit dem man sehr gern die Backöfen heizt, weil es ein rasches, heißes Feuer gibt. Aber selbst die Öfen in den Stuben werden damit geheizt, nur muß bei dieser Feuerungsart sehr häufig nachgelegt werden; der Ofen erfordert fast eine Person für sich.
Bei den ersten Durchforstungen fallen viele lange, schmale Stämmchen ab, die in der Regel ebenfalls als Brennholz benutzt werden. Sie finden aber auch als Bohnenstangen und als Zaunlatten Verwendung. Wenn der Bauer einen Bestand als Grubeuholz verkauft, so werden in der Regel die Bäume über der Erde abgesägt und der Stumpf bleibt im Boden. Es lohnt dann kaum, ihn auszugraben. Für gewöhnlich aber werden die Bäume mit den Wurzeln ausgerodet. Ist für die Stämme eine besondere höhere Verwendung vorgesehen, so wird der Wurzelstumpf abgesägt und die Äste abgehauen. Die Stämme, meist Stangen von 6 bis 8 Meter Länge und einem Durchmesser von etwa 20 Zentimetern am unteren Ende, werden auch zur Anfertigung von allerhand landwirtschaftlichen Geräten, Leitern, Heubäumen und anderen Dingen verwendet. Alles Holz, das sonst keine Verwendung findet, wird in meterlange Stücke zersägt und in einen Meter hohe und einen Meter breite Haufen aufgeschichtet, um dann kubikmeterweise veräußert zu werden. Die starken Stücke werden gespalten und als Kloben verkauft, die dünneren heißen Knüppel.
In den kleinen bäuerlichen Wäldern werden jetzt nur selten noch Stämme gezogen, die als Bauholz benutzt werden können. Dieses wird jetzt vielmehr allgemein aus dem (oder wie der Märker sagt: aus der) Forst bezogen. Die Kiefer gibt ein vortreffliches Bauholz, das nicht zu schwer und dabei haltbar ist. Alles Holz, das an den märkischen Häusern zu finden ist, stammt von der Kiefer. Balken, Dachsparren, Dielen, Türen usw. Aber auch die Möbel der Landleute sind aus Kiefernholz hergestellt, Tische, Stühle, Spinden, Bettstellen. Zu kleineren feineren Werkzengen eignet es sich weniger, denn es ist nicht sehr zähe, es bricht leicht. In den Dörfern der Mark dienen die jungen Kiefern auch als Weihnachtsbäume, und da man hierzu meist hübsch gewachsene, vollästige Stämme aussucht, so ist der Anblick solcher Weihnachtsbäume nicht so nüchtern und trübselig, wie man glauben sollte.
Der Kiefernwald behält Sommer wie Winter sein Nadelkleid; der oberflächliche Beobachter mag glauben, die Jahreszeit geht spurlos an ihm vorüber. So gegensatzreich wie der Laubwald ist der Kiefernwald allerdings nicht. Aber auch er wechselt doch im Laufe der Jahreszeiten sein Bild.
Im Frühjahr, nachdem der Fink schon lange im Wipfel der Bäume seinen schallenden Refrain herabgeschmettert hat, nachdem Auch der Goldammer sein schmachtendes »Dich, dich, dich hab ich lieb — lieb« aus dem Buschwerk einer alten Krüppelkiefer viele Tage lang gesungen hat, beginnt mit dem Ergrünen der Birke die Frühlingszeit des Waldes. Im düstern Kiefernwald wirkt das holde, weiche Maiengrün der Birke doppelt, hier ist sie ganz die Verkörperung alles lieblichen, das der Frühling bringt. Die von Birken eingefaßten Waldwege, der Platz, wo eine Birke in den Kiefernbestand eingesprengt ist, sind die Festräume, in denen der Wald die wiederkehr des Lenzes feiert. Nun schießt junges Gras aus dem Boden hervor, die Waldveilchen blühen und die Heidelbeeren belauben sich.
Etwas spät denkt jetzt auch die Kiefer an den Frühling. Die harzigen Knospen verlängern sich und der Baum beginnt zu blühen.
Bei der Kiefer sind die Geschlechter auf verschiedene Blütenstände verteilt. Die männlichen gelben Blütenzapfen, die eigentlich nur aus dicken, wulstigen Staubblättern bestehen, sondern eine Wolke gelben Puders ab. Sie heben sich deutlich von dem Grunde der Nadeln ab. Die Knospen verlängern sich zu Trieben, die eine hellgraue Färbung besitzen. Besonders die jungen Bestände, an denen der Frühlingstrieb sehr lang ist, haben zu dieser Zeit ein ganz verändertes Aussehen. Es ist ja keine besonders schöne Färbung, aber sie ist doch hell und licht, es steckt auch in ihr ein Teil der heiteren Lenzesfreude, die in der ganzen Natur sich regt. Die Nadeln der jungen Triebe sind in weiße, häutige Blattgebilde eingehüllt, erst ziemlich spät zersprengen die Nadeln diese Häute und treten in ihrem Grün ausgebildet hervor. Etwa um Johanni ist der Jahrestrieb der Kiefer abgeschlossen, dann ruht sie, bis der nächste Frühling neues Leben in ihr erweckt.
Während im ersten Frühjahr Fink und Goldammer besonders häufig ihren Gesang im Kiefernwalde ertönen lassen, hallt derselbe später wider von den vollen Glockenlauten des Pirols. Das ist die schöne Zeit, wo die Menschen Pfingsten feiern. Darum heißt der liebliche gelbleuchtende Sänger auch Pfingstvogel.
Nach Pfingsten wird es stiller im Walde. Die Vögel sind mit ihrer Brut genugsam beschäftigt, als daß sie noch rechte Muße und Lust zum Singen hätten. Das Gras schießt in Ähren, das Habichtskraut und die Grasnelke fangen an zu blühen. Der Sommer ist da, der schöne Hochwald in der Nähe der Städte und Ausflugsorte füllt sich mit Menschen, die hier Erholung und Kühlung suchen. Die kleinen Privatwälder, aber auch die jungen Bestände in den Forsten haben dagegen im Sommer eine Backofentemperatur. Es herrscht in ihnen eine schwere Luft, die kaum zu ertragen ist. Man fühlt in ihnen die ganze Dürre, die heiße Trockenheit des Sandbodens, der sich ein kühler Kienduft zugesellt. Die abgelegenen Waldgegenden werden nur selten von größeren Menschenscharen aufgesucht. Aber im Sommer, wenn die Heidelbeeren reif sind, dann wimmelt es mitunter geradezu von Waldbesuchern. Bald darauf kommen auch die Pfefferlinge hervor, auch sie sind eine sehr begehrte Ware, die viele in den Wald lockt.
Der Herbst kündigt sich durch das Erscheinen zahlreicher Pilze an, die aus dem braunen Nadelboden hervorbrechen; dann spinnt auch die Kreuzspinne allenthalben ihre Netze von Baum zu Baum und lauert zusammengeduckt auf ihre Opfer. In den späteren feuchteren Herbsttagen nimmt das Moos gewaltig zu und an den jungen Bäumen wachsen die Flechten. Die Birken an den Waldwegen werden gelb und verlieren schließlich ihr Laub, das Gras verbleicht und der Winter stellt sich ein. Hirsch und Reh verkriechen sich in das Dickicht des jungen Bestandes, und wenn erst der Schnee den Waldboden bedeckt und seine weichen Polster über die grünen Büsche der Schonung ausbreitet, dann wird die Arbeit der Spechte und Meisen eifriger. Sie müssen alle ihre KrÄste zusammennehmen, um in der kurzen Zeit der verkürzten Tage ihre Nahrung aufzubringen. Meisen, Goldhähnchen und Zaunkönig führen ihre Kletterkunststücke auf und der Kreuzschnabel zerreißt Kienzapfen um Kienzapfen. Das Eichhörnchen, das nirgens fehlende, der muntere Gast des Kiefernbaums, springt von Ast zu Ast, und wenn wir ihm nachjagen und es in die Enge treiben, dann rüttelt es an den Asten und ruckst und faucht, als ob es uns warnen wollte, mit ihm anzubinden. Und während Eis und Schnee den Wald umfängt, reifen die Fruchtzapfen der Kiefer und streuen ihren Samen hin über den Wald in der Hoffnung, daß er eine gute Stelle finden werde, wo der Frühling ihn erweckt zu einem neuen Baume, der bestimmt ist, gleiches Schicksal auf märkischem Boden zu ertragen wie seine Vorfahren.
Die Kiefer ist in der Mark nicht nur Waldbaum, sie muß hier sogar dazu dienen, Wege einzufassen. Die Feldwege, die von Dörfern aus auf die Äcker oder in die Wälder führen, sind sehr häufig von langen Reihen von Kiefern begleitet. Hier auf solchem freien Stande bekommt der Baum einen dicken, kurzen, verästelten Stamm und eine breite Krone, er kann so recht seiner Eigenart folgen, ins Sparrige und Breite zu wachsen. Und so sieht er aus wie ein vom Schicksal schwergebeugter Mann, ein Kämpfer, der durch die Ungunst der Verhältnisse niedergedrückt wird, so daß er sich nie eines Sieges erfreuen kann. Düstere, verkrüppelte Gestalten, begleiten sie den trostlosen Sandweg. Um ihren Stamm ist das Erdreich durch Vermischung mit der Nadelstreu fest geworden und gern wandelt der Wanderer unter dem Schatten der düsteren Bäume dahin. Aber die wie lebensmüde sich herabneigenden Aste hindern immer von neuem daran, an den Stämmen entlang zu gehen. Und des ewigen Ausweichens müde, sinkt der Fuß schließlich doch wieder in den lockeren Sand des Weges und stapft unverdrossen vorwärts.