Curt Grottewitz
Unser Wald
Curt Grottewitz

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Buchen

Buchen

Die Buche.

Unter den weichen bunten Farben, in die der Oktober den Laubwald kleidet, leuchtet ein glänzendes Rotbraun hervor, ein edler satter Ton, der trotz aller Herbststimmung eine gewisse Frische atmet. Es ist die Farbe, die den Blättern der Buche beim Welken eigentümlich ist. Welcher Gegensatz zu dem schlichten verwaschenen Herbstkolorit der Eiche! Die Buche ist ein stolzer, ein schöner Baum. Auch in ihr lebt kernige Kraft, und sie wächst zu stolzer Höhe und Stärke empor, aber sie bewahrt in allem die Form, ihre Kraft ist stets mit Schönheit gepaart. Die Buche hat einen Doppelgänger, der ihr äußerlich recht ähnlich ist und der darum ebenfalls Buche genannt wird, Hainbuche. Zum Unterschied davon heißt die eigentliche Buche ihres Holzes wegen auch Rotbuche. Die Hainbuche dagegen, die anch noch die Namen Weißbuche und HornBaum führt, ist gar keine Buche, sie ist mit dieser auch nicht nahe verwandt. Ihr Stamm ist ebenso silbergrau, ihr Herbstlaub ist rotbraun wie das der Rotbuche, aber ihre Blüten, ihre Früchte sind andersartig, und die Blätter sind deutlich und scharf gesägt, während sie bei der Rotbuche einen ziemlich glatten Rand besitzen. Die letztere ist aber besonders ein viel mächtigerer Baum, sie spielt auch im deutschen Walde eine viel wichtigere Rolle als der HornBaum und wenn man von derr Buche spricht, so ist immer die Rotbuche gemeint.

Die Buche ist mehr denn jeder andere ein deutscher Baum. Wir reden von deutschen Eichen, aber unsere Eichen sind in Frankreich und Rußland ebenso verbreitet wie in Deutschland. Die Buche dagegen ist eigentlich nur bei uns und in den angrenzenden germanischen Ländern, und zwar besonders in den Grenzgebieten verbreitet.

In Rußland fehlt sie fast gänzlich, und in den südlichen Ländern ist sie nur ein Gast der höheren Gebirge. Dagegen bildet sie in Deutschland, im Norden wie im Süden, ausehnliche Wälder, in jedem Mischwald ist sie vorhanden, und selbst in die Fichten- und Tannenwälder der unteren Gebirgsregionen ist sie in zahlreicher Menge eingestreut. Die Buche ist von unseren einheimischen Bäumen der am meisten gegen Kälte empfindliche. Besonders erfriert der junge Nachwuchs sehr leicht. Deshalb findet ihre Verbreitung nach Norden und Osten zu sehr bald eine Grenze. Sie überschreitet selbst in dem vom Golfstrom erwärmten Norwegen den 59. Breitengrad nicht, ja sie fehlt bereits in Ostpreußen. Das kalte kontinentale Klima meidet sie in viel auffälligerer Weise als irgendein anderer Baum Deutschlands. Deshalb bildet die russische Grenze etwa die Linie, über die sie ostwärts nicht hinwegschreitet, im nordöstlichen Deutschland aber ist die Weichsel diese Ostgrenze. Bei der großen Empfindlichkeit gegen Kälte vermag die Buche auch im Gebirge nicht sehr hoch anzusteigen. Im Harz verschwindet sie etwa bei 600, in den mitteldeutschen Gebirgen bei 700 bis 800 Meter Meereshöhe. in Südeuropa ist sie nur auf den höchsten Gebirgen vertreten, auf den Pyrenäen, Apenninen und dem Kaukasus. Im Südosten allein dehnt sie ihren Verbreitungsbezirk ein wenig über Europa aus, um über Kleinasien bis ins persische Gebiet vorzudringen.

Die Buche ist nicht nur anspruchsvoll in bezug auf das Klima, sondern auch in bezug auf den Boden. Sie wächst in sandigem Erdreich gar nicht, und sie gedeiht nicht in den kalten Niederungen. Sie beansprucht einen schweren fruchtbaren Boden und gedeiht am besten, wenn derselbe viel Kalk enthält. In der Ebene hat daher die Buche der menschlichen Kultur fast überall weichen müssen, denn das Terrain, das sie inne hatte, eignete sich gerade am besten zum Getreidebau. So ist denn die Buche heute besonders auf hügeliges Land und auf das Gebirge angewiesen, und hierfür paßt sie besser als die Eiche. Denn während diese ihre Hauptwurzel tief in das Erdreich hinuntersendet und deshalb einen sehr tiefgründigen Boden verlangt, breitet die Buche ihre Wurzeln flach unter der Erdoberfläche aus. Sie vermag sich deshalb gleich der Fichte in der düunen Verwitterungsschicht festzuhalten, welche auf dem Gestein der Gebirge liegt. So ist denn die Buche ein vorzüglicher Gebirgsbaum, und nur ihre Empfindlichkeit gegen Kälte verhindert sie, das Gebirge gänzlich zu beherrschen. Aber in den unteren Regionen, in der Laubholzzone ist sie der vorherrschende Baum, häufig bildet sie hier ausgedehnte reine Bestände.

Die Buche wächst sehr langsam. Gleich der Eiche wird sie in der Jugend meist sehr buschig, und nur ganz allmählich ringt sie sich in die Höhe. Später dagegen erhält sie den vorzüglichsten, glattesten Stamm, den man sich nur denken kann. Sie setzt ihre Krone sehr hoch oben an, so daß der Stamm oft genug eine mächtige und doch schlanke Säule von 15-20 Meter bildet. Die Buche erreicht eine Höhe von 25-33 Meter, sie ist also in der Regel nicht so hoch wie die Eiche, allein sie sieht wegen ihres glatten, hohen, astlosen Stammes und ihrer in die Höhe strebenden Krone doch größer aus als jene. Auch in der Höhe des Alters erreicht die Buche die Eiche nicht. Sie wird höchstens 300 bis 400 Jahre alt, den Gipfel ihrer Kraft aber hat sie mit 100 bis 150 Jahren erreicht. Bei einer geregelten Waldwirtschaft wird der Baum daher gewöhnlich im 120. Jahre gefällt. Allerdings wartet der Forstmann nicht, bis ein Baum seine größte Höhe und seinen stärksten Umfang erreicht hat. Von einer gewissen Zeit an geht das fernere Wachstum eines Baumes so langsam vor sich, daß es vorteilhafter ist, ihn vorher umzuhauen. Denn die jungen Bäume, die an derselben Stelle wieder erzogen werden, liefern in der gleichen Zeit bedeutend mehr Holz als ein alter, langsam wachsender.

Zu Anfang Mai etwa, wenn die Triebkraft der Buche neu erwacht, dann bräunen sich die spitzen Knospen intensiver, und bald tritt aus ihnen ein weißer Flaum und schließlich das junge, überaus zarte Grün hervor. Es ist ein unvergleichlicher Genuß, zu dieser Zeit den Buchenwald zu durchstreifen. Über dem rostroten Blätterteppich, der den Boden noch immer bedeckt, ragen die mächtigen, imposanten, silbergrauen Säulen empor, um dieses luftige im ersten zarten Grün prangende Blätterdach zu tragen. Noch sind die Blätter so klein, daß sie den Himmel überall durchblicken lassen, sie sind eine leichte, graziöse Decke, die aus dem schweren Gerüst der Äste wie spielend hängt. Kraft und Schönheit haben sich hier vereint. Man glaubt in einer ungeheuren Halle zu wandeln, die von riesigen, vornehmen Säulen getragen wird, und deren Decke mit leichtem Laubschmuck verziert ist. Die Blätter werden größer, der Trieb entwickelt sich jetzt sehr schnell, um jedoch nach einigen Wochen das Ende seines Jahreswachstums zu erreichen. Die Blätter sind eiförmig oder elliptisch. Ihr Rand ist mit zottigen Wimperhaaren eingefaßt, er besitzt mitunter eine undeutliche Zahnbildung, das Blatt kann jedoch noch als ganzgradig bezeichnet werden.

Zur Zeit des Blattausbruches erscheinen auch die Blüten. Die Buche gehört zu den Becherfrüchtlern gleich der Eiche, der sie überhaupt verwandtschaftlich am nächsten steht. Ihre unscheinbaren Blüten sind zu Kätzchen zusammeugestellt und jeder Baum trägt Kätzchen beiderlei Geschlechts. Die männlichen bilden runde Kugeln, an denen man besonders eine Fülle von langen Staubfäden bemerkt. Denn jede Blüte besitzt deren 8 bis 15 Stück. Auch die weiblichen Kätzchen sind rundlich. Sie enthalten nur wenige Blüten. Zwei bis drei von ihnen sind, gleich den Eicheln, von einer becherartigen Hülle umgeben. In ihnen entwickeln sie sich im Laufe des Sommers zu Früchten. Die Hülle der Buchenfrüchte ist nicht körbchenförmig wie bei den Eicheln, sie umschließt hier die Samen viel höher hinauf und sie umschließt auf einmal zwei bis drei. Sie wird später stachelig und nach oben zu springt sie in vier Lappen auseinander. Die Buchenkerne reifen zu derselben Zeit etwa wie die Eicheln, im Oktober. Sie sind scharf dreikantig geformt. Dieselbe Form, freilich in kleinerem Maßstabe, kommt in der Natur noch einmal vor, beim Buchweizen, und eben diese Fruchtähnlichkeit mit der Buche hat dieser Getreidepflanze ihren Namen verschafft.

Auch nachdem die erste zarte Maifarbe einem dunkleren Grün gewichen ist, bewahrt das Laub der Buche seine Schönheit. Es besitzt einen vornehmen Glanz, ähnlich wie der Lorbeer, die Orangen und andere Gewächse des Mittelmeergebietes. Die Blätter der Buche sind, selbst im Hochsommer, nie so verstaubt, so finster oder von Insekten zerfressen wie diejenigen anderer Bäume, sie sind immer sauber, immer wie lackiert. Diesem schönen, glänzenden Laube entspricht ein edler, ebenmäßiger Stamm von einer überaus angenehmen Färbung. Dieses feine leise schillernde Silbergrau läßt diesen Baum wie aus einem soliden Metall gegossen erscheinen. Das Weiß der Birke ist gewiß freudiger, frischer, graziöser, und Kirschbäume, Ebereschen haben oft schöne rötliche oder bräunliche Töne in ihrer Rinde. Aber diese vornehme, dezente, wie von hohem Alter leicht geschwärzte Silberfarbe gibt dem Stamm der Buche eine unvergleichliche Schönheit. Es kommt dazu, daß dieser stets ganz rund und vor allem ganz glatt ist. Welcher Gegensatz wiederum zu dem borkigen, zerfurchten Stamm der Eiche. Bei diesem alles eckige, eigensinnige, altehrwürdige Kraft, bei der Buche alles glänzende, ritterliche, stolze Ebenmäßigkeit! Der Stamm der Buche ist nie borkig, nie gefurcht, er behält immer bis ins höchste Alter diese glatte, feine, silbergraue Rinde. Daß er so hoch ist, bis weit hinauf astlos bleibt und dadurch eine stattliche kraftvolle Sänle darstellt, trägt noch besonders zu seiner Schönheit bei. Es stimmt zu dieser chevaleresken, prachtliebenden Eigenart des Baumes, daß seine Äste eine aufwärts strebende Krone bilden. Diese ist nicht gerade klein, sie ist für einen so kräftigen Stamm durchaus proportioniert, aber sie ist auch nicht so übermächtig, wie die der Eiche oder der Linde, die gerade infolge davon einen sehr altehrwürdigen, sei es männlich verschlossenen, sei es weiblich gutmütigen Eindruck machen. Die Buche ist zu schön, zu ritterlich vornehm, als daß man sie zugleich altehrwürdig nennen könnte. Und gerade diese aufstrebenden Äste mit dem glänzenden immer Jugendfrischen Laub gemahnen an die Elastizität und Energie in der Blüte der Manneskraft.

Wie im Frühjahr und im Sommer, so übt die Buche auch im Herbst durch ihr Laubkleid einen besonderen Reiz aus. Ehe die Blätter sich rostrot färben, machen sie gewöhnlich noch eine Übergangszeit in gelbem Kolorit durch. Dann aber, wenn sie jene rostbraune Färbung bekommen, sind sie von höchster malerischer Wirkung. Auch jetzt noch bewahren sie ihren alten wachsartigen Glanz, und gerade dadurch tritt das Rostbraun effektvoller hervor. Wer die ganze Schönheit dieses Baumes genießen will, der muß ihn im Walde in dieser herrlichen Herbstfärbung sehen. Aber selbst dann, wenn die Blätter unter den Buchen einen dichten rotbraunen Teppich bilden und die silbergrauen Stammsäulen mit ihren kahlen Ästen einsam in die Höhe starren, selbst im Winter ist der Buchenwald farbenreich genug. Sehr häufig behalten diese Bäume, besonders jüngere Exemplare, ihre Blätter die Wintermonate über bis zum Frühjahr, und dann läßt der Wald auch in der kalten Jahreszeit den Eindruck der Kahlheit nicht aufkommen.

Die Buche erweist sich dem Menschen nützlich durch ihr Holz, dessen Brennkraft ganz vorzüglich ist. Es ist hart, schwer, aber wenig elastisch, es wird daher viel zu allerhand groben Gerätschaften und Werkzeugen verwendet. Bei der großen Verbreitung der Buche, zumal in Gebirgsgegenden, bei ihrer Eigenschaft, reine Bestände zu bilden, spielt sie forstwirtschaftlich eine große Rolle. Ihr Anbau gibt da, wo er überhaupt möglich ist, die höchsten Erträge. Überall, wo die Buche gedeiht, ist das Land fruchtbar. Trotzdem ist nicht gerade zu befürchten, daß ihr Bestand nennenswert verringert werden wird. Denn, wo der Ackerbau sie verdrängen konnte, da hat er es längst getan. Wenn wir jetzt in einem Buchenwald umherstreifen, da können wir annehmen, daß der Boden, auf dem er wächst, zwar für den Menschen nicht anders verwendbar, daß es aber ein gutes fruchtbares Land ist. Die schönen stolzen Stämme mit ihren hochschwebenden Kronen können nur unter günstigen Verhältnissen gedeihen, und jeder Buchenwald ist ein bevorzugtes herrliches Stück Natur.


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