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Das österreichische Problem / Die Balkanvölker / Plan einer Tripelmonarchie / Numerische Überlegenheit der Slawen / Traditionen des Hauses Habsburg / Ausblicke in die Zukunft / ›Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit‹ / Die treue Gefährtin des Alters
Franz Joseph zählt jetzt zur Zeit der Niederschrift dieses Kapitels 83 Jahre und hat bereits sein 65. Regierungsjubiläum hinter sich. Seit dem Tode des Prinzregenten von Bayern ist er der Älteste unter den europäischen Monarchen, und seine Herrschaft hat länger gewährt als die irgend eines Herrschers der Neuzeit, mit Ausnahme Ludwigs XIV., der als Kind den Thron bestieg. Wie die Dinge liegen, ist seine Gesundheit der Gegenstand unablässiger Fürsorge und aufmerksamster Schonung von Seiten seiner Umgebung; inwieweit er noch die Regierung zu führen imstande ist, wissen allein seine Minister, aber es ist kein Geheimnis, daß, während an der Kriegsbereitschaft der Armee gearbeitet wird, er den Himmel um Frieden anfleht.
Und es hat den Anschein, daß sich sein Gebet erfüllt. Durch Europa wie durch sein ganzes Reich geht mitfühlend der Gedanke, daß er genug gelitten hat, und daß es grausam wäre, seine letzten Tage mit Krieg und Volksunruhen zu stören. Dieses Gefühl liegt stärker in der Wagschale, als die Ungeduld jener ruthenischen Deputierten, die ihre deutschen Rivalen im Reichsrat mit Hupen und anderem Klangzeug zu übertönen suchten. Vielleicht wäre es trotzdem anders, wenn die Probleme, in welche die Hupen wie Signalstöße hineingellten, zur Lösung reif wären. Der Tag der Abrechnung muß noch auf eine Weile verschoben werden. Die Mauern von Jericho halten dem Anprall des Horngetöns bislang noch stand, und man darf wohl annehmen, daß Franz Joseph die Lösung des Problems, von dem dies Lärmen Kunde gibt, nicht mehr erleben wird.
Dennoch: Das Problem steht da auf unserem Wege, und wir müssen noch einen letzten Blick darauf werfen, bevor wir schließen. Es ist ein altes Problem in neuer Form, ein Wurzelschößling aus dem Baum, der im Jahre 1815 durch die Wiederherstellung Europas gepflanzt worden ist. Das Problem, das sich ergibt aus den Forderungen nicht anerkannter, aber unausrottbarer Nationalitäten. Die so oft als eine Tat staatsmännischer Weisheit gerühmte Verlegung von Österreichs Ausschau nach dem Balkan unter Aufgabe seiner Italien-Politik, hat dieses Problem – nur mit einem anderen Mantel bekleidet – wieder ans Licht gebracht. Denn an Stelle der Italia irredenta, welche vordem ein Pfahl im Fleische Österreichs gewesen war, ist eine Servia irredenta getreten, die sich künftighin nicht minder verhängnisvoll erweisen wird.
In den Tagen, wo sich dieser Wechsel vollzog, waren die Serben ein verachtetes Volk, und die Österreicher und Ungarn glaubten den Türken, die da erklärten, daß sie in all ihren Kämpfen mit den Serben diese nur von hinten zu sehen bekommen hätten. Sie übertrugen diese Ansicht auf die Serben in der Monarchie – die Serben von Illyrien, Dalmatien, Kroatien und anderen Gegenden – und ebenso auf ihre unabhängigen Volksgenossen in dem freien Königreich Serbien. Die ersteren sah man naturgemäß nur als solche an, um unterjocht zu werden; die letzteren betrachtete man als ein schwaches Volk, unfähig, und wohl auch in alle Zukunft nicht imstande, diese Unterjochten aus der Knechtschaft zu erlösen. Aber nun sind sie dessen nicht mehr so sicher. Ihr bosnischer Krieg ergab als unerwartete Wahrheit, daß die Menschen der serbischen Rasse nicht nur die österreichische Herrschaft haßten, sondern auch einen anderen Kampf um ihre Unabhängigkeit zu führen wußten. Der letzte Balkankrieg hat diese Warnung erneuert, und es bleibt abzuwarten, was geschehen wird, nun, wo es ein starkes Serbien gibt – zum mindesten so stark wie das alte Königreich Sardinien – nach dem die geknechteten Serben als ihrem Befreier ausschauen können. Kurz, die Situation zeigt wieder – in fast allen Einzelheiten – die Bedingungen, die seinerzeit zur Bildung des geeinten Königreichs Italien führten.
Die Lage birgt indessen einen unberechenbaren Faktor, und das sind die inneren Zwistigkeiten der Balkanvölker. Diese Feindschaften sind unleugbar akut, und es liegt in Österreichs Schicksalsschoß, sie zu schüren, um damit die Zusammenschweißung eines mächtigen Balkanbundes wenigstens hinauszuschieben, wenn es nicht gelingen sollte, ihn ganz zu vereiteln. Darauf baut sich ganz offensichtlich die Unterstützung Bulgariens und Albaniens von seiten Österreichs auf. Für den Augenblick mag es den Zweck erfüllen, aber auf die Dauer wird es nicht helfen, und zwar aus zweierlei Gründen. Albanien ist zu sehr zerrüttet, als daß es mitzählen könnte, und Bulgarien ist zu schwach, um eine Zukunft zu haben, außer als Mitglied des Balkanbundes. Und dann ist auch noch Rumänien da, mit dem gerechnet werden muß, Rumänien, das sich einmal ebenso als konsolidierender Einfluß innerhalb der Balkanstaaten, wie als eine Österreich feindliche Kraft erweisen kann.
Die Tatsache, daß es nicht nur eine Servia irredenta, sondern auch eine Romania irredenta gibt, kann die Serben und Rumänen eines Tages zu gemeinsamer Arbeit zusammenführen. Wenn dies eintreten sollte, dann kann es wohl geschehen, daß sich die Geschichte der Einigung Italiens in den Donauländern wiederholt. Daß dem so sein würde, war eine von Mazzinis Prophezeiungen, und er ermahnte seine Landsleute, daß sie, wenn dieser Tag hereinbreche, sich nach Mazedonien aufmachen sollten, um den Slawen zu helfen. Sollten sie dies jemals tun, so würden sie gewiß nicht verabsäumen, sich bei dieser Gelegenheit wieder den Trentino zuzueignen; oder auch sie dürften – Dreibund hin, Dreibund her – den Trentino als den Preis für ihre Neutralität beanspruchen.
Die Gefahr wird natürlich in Wien erkannt, und es fehlt dort nicht an Plänen, ihr zu begegnen. Erzherzog Franz Ferdinand selbst soll einen dahingehenden Plan verfolgen, nämlich die Umbildung der Doppelmonarchie in eine Tripelmonarchie – mit einem slawischen Königreich als dem dritten im Bunde. Manche halten diesen Gedanken für eine glänzende Inspiration; andere für einen Verzweiflungsbehelf. Er leitet seinen wesentlichsten Wert aus der Tatsache ab, daß die Mehrzahl der Slawen innerhalb der Monarchie katholisch sind, während die Mehrzahl der außerösterreichischen Slawen den orthodoxen Kirchen angehören, und daß die Katholiken auf die Orthodoxen herabsehen als auf Menschen, die in bezug auf Frömmigkeit und Bildung unter ihnen stehen. Der Erzherzog als ein sehr religiöser Mensch – jener Art zugehörig, von der das Volk sagt, daß sie in den Händen der Jesuiten seien – scheint darauf zu bauen, daß die Slawen trotz der Rassenbrüderschaft durch Glaubensunterschiede uneins und schwach erhalten bleiben.
Er mag recht haben, aber es fehlt nicht an Anzeichen dafür, daß dem nicht so ist. Selbst auf dem Balkan hat religiöser Fanatismus nicht mehr die Gewalt, wie sie ihm vor Zeiten eigen war. Und die österreichische Polizei hat kürzlich alle Hände voll zu tun gehabt, um in Kroatien einen unerwünschten Ausbruch von Sympathisierung mit den serbischen Erfolgen hintanzuhalten. Dort, sowie in Bosnien und Dalmatien, gerade so wie vor Zeiten in der Lombardei und Venetien, sind Explosionen verhindert, vielleicht könnte man sagen, nur hinausgeschoben worden, durch die politische Maßregel, die Sicherheitsventile zuzudrücken; und bei solcher Art des Vorgehens treten immer Ereignisse ein, die den Unterdrückten die Versöhnung erschweren. Überdies ist noch eine weitere Schwierigkeit vorhanden, auf die bereits hingewiesen worden ist: eine Schwierigkeit, die sowohl in der Zahl der Slawen wurzelt, als in dem Stolz der Österreicher und Ungarn begründet ist.
Unter allen Rassen, welche das vielgliedrige Reich bilden, sind die Slawen numerisch am stärksten vertreten. Erlangen sie die Gleichberechtigung im Reich, so bedeutet dies, daß sie die Oberhand bekommen über Österreicher und Ungarn, die bislang zu Ungunsten der Slawen am Ruder waren. Sollte dieser Fall einmal eintreten, dann würden damit Zustände geschaffen, welche für die Österreicher und Ungarn ebenso unerträglich wären, wie es der Status quo für die Slawen ist. In dieser Voraussicht werden letztere sich widerstrebend zu allen Maßnahmen verhalten, die dahin führen sollen, daß sie ihren Nacken beugen müssen. Und wenn es dahin kommt, dann wird sich ein anderes Problem erheben: die Frage, ob der deutsche Teil der Habsburger Herrschaft nicht als Germania irredenta zu betrachten sei. Die Pangermanisten Preußens nehmen bekanntlich bereits diesen Standpunkt ein, und die slawische Vorherrschaft könnte leicht auch in Österreich eine pangermanistische Partei emporbringen. Und in der Tat sind die Keime dazu schon da und dort vorhanden.
Es ist daher ziemlich zweifelhaft, ob der Plan des Erzherzogs Franz Ferdinand – so kühn er auch in seiner Konzeption dasteht – sich als Allheilmittel bewähren wird. Er berührt uns wie ein künstliches Gebäude – ein Machwerk diplomatischer Gaukelkunst –, die Kräfte aber, welche wirklich den Lauf der Geschichte bestimmen, entziehen sich der Kontrolle bloßer Diplomatenkünstler. Die wirkliche Nebenbuhlerschaft in dem Europa von heute und morgen ist die Nebenbuhlerschaft von Deutschtum und Slawentum. Und diese hat ihren Ursprung nicht bloß in materiellen Interessenkonflikten, sondern in einer tiefwurzelnden Rassenantipathie. Solange Deutsche – sei es auch wo es sei – über Slawen herrschen, ist ein Auskommen mit dem Wahlspruch ›leben und leben lassen‹ nicht möglich. Da die Volkszahl der Slawen im Zunehmen begriffen ist, und ihr Rassenselbstbewußtsein wächst, so wird der Zusammenstoß einmal erfolgen müssen. Geschieht dies – wenn die unerlösten Slawen in Gemeinschaft mit den unerlösten Rumänen auf ihre Befreiung dringen – dann wird Österreich seine Rolle auf der Weltenbühne ausgespielt haben, und der Vorhang mag sich senken.
Das ist eine der Prophezeiungen, mit welchen wir von unserem Thema Abschied nehmen könnten. Aber da ist noch eine unabweisbare Betrachtung: Wie ist es mit dem Habsburger Haus, das so lange Zeit hindurch gleichsam als die persönliche Verkörperung des österreichischen Kaiserreiches dagestanden hat? Wohin wird es treiben? Wovon wird sein letztes Schicksal abhängig sein? Werden sich die Familienprobleme als leichter lösbar erweisen, denn die Staatsprobleme? Wird es auch in Zukunft bleiben, was es in der Vergangenheit war – das einigende Prinzip eines weitläufigen politischen Systems?
All das läßt sich nicht ohne weiteres beantworten. Die Frage, die sich vor uns – oder vielmehr vor Österreich erhebt – ist die Frage nach der Wichtigkeit und Bedeutung, welche die Welt der nächsten Zukunft dem Familienstolz und der Exklusivität einer kaiserlichen Kaste zumessen wird; und es ist ein Problem, mit dem die Welt von heute allem Anschein nach noch nicht ins Reine gekommen ist. Sie hat einige Kenntnis gewonnen, ohne jedoch das entsprechende Maß von Vorurteilen fallen zu lassen, und hat einen Punkt erreicht, auf dem es ihr gerade so schwierig bedünken will, mit den Vorurteilen und abergläubischen Erbgedanken zu leben, als ohne sie. Sie ist im innersten bewegt – es konnte ja nicht anders sein – durch die furchtbare Anzahl der Fälle, in welchen die Wissenschaft beweist, daß der Weg zur Entartung mit Verwandtschaftsehen gepflastert ist. Aber zu gleicher Zeit vermag sie es nicht, so leichthin das instinktive Widerstreben abzuschütteln, das sie davor hat, den Sprossen einer gesunden, aber nach ihrer Ansicht sozial niedriger zu wertenden Frau die kaiserliche Würde zuzuerkennen. Es ist für die Welt eine recht mißliche Sache, vor die Entscheidung gestellt zu sein, zwischen einem Menschen aus degeneriertem Geschlecht und einem solchen aus niedrigem Stand die Wahl zu treffen.
Und eine solche Wahl ist es, die vor Österreich in seiner nächsten Zukunft liegt. Franz Ferdinand hat, wie wir sahen, unter seinem Rang geheiratet; seine Ehe ist eine morganatische. Das heißt, wenn er auf den Thron gelangt, so wird der Erbe nicht sein Sohn, sondern sein Neffe sein. Dieser Neffe ist ein junger Mann, von dem die Welt bisher sehr wenig erfahren hat. Aber wenn Franz Ferdinand die Sachlage bedenkt, so muß er folgende Tatsachen berücksichtigen:
1. Der Thronerbe ist der Sohn des Familienschreckens, desjenigen mißratenen Sprößlings, welcher in den Kaffeehäusern in puris naturalibus zu tanzen pflegte.
2. Dieser Erbe ist vermählt mit einem Glied des dekadenten Geschlechts der Bourbon-Parma.
3. Dieser junge Mann mit seiner Frau und seiner Familie sollen den Vorrang haben vor seiner eigenen Frau, die er liebt, und vor den gesunden Kindern, die sie ihm geboren hat Anscheinend gesund, obwohl sich leider auch in der Familie Chotek ein Anflug von Neigung zu Geistesstörungen findet. Zwar wußte oder argwöhnte man nichts davon zur Zeit der Eheschließung; aber der Vater der Herzogin von Hohenberg mußte vor seinem Tode unter Aufsicht gestellt werden. Doch steht zu hoffen, daß dieses Übel sich zu spät entwickelte, um als übertragbar in Betracht zu kommen..
Der Kastenaberglaube müßte in der Tat in starkem Maße bei Franz Ferdinand walten, wenn er dies als den wahren und richtigen Stand der Dinge ansehen wollte; und die bloße Tatsache seiner Handlungsweise, daß er seine Ehe angesichts der starken Opposition durchsetzte, zeigt klar und deutlich, daß, was auch immer für Aberglaube noch in ihm stecken mag, dieser eine seine Gewalt über ihn verloren hat. Soll er, so wie die menschliche Natur nun einmal ist, einen Affront hinnehmen, noch auf einer Tradition beruhend, die er selber überwunden hat? Können wir erwarten, daß seine Frau und seine Kinder in ihn dringen werden, so zu handeln?
Die Sache liegt auf der Hand. Es hätte so geschehen können in längst oder auch unlängst vergangenen Zeiten, wo die allgemeine Ansicht eine sowohl religiöse als soziale Scheidewand zwischen den erblichen Fürsten und ihren Untertanen aufgerichtet hielt, und wo der rein menschliche Wert und die persönliche Würde eines Einzelnen nichts galt im Vergleich zu jenem großen unpersönlichen Prinzip. Es kann nicht so geschehen zu unserer Zeit, wo alle unpersönlichen Prinzipien in dem großen Schmelztiegel schrumpfen. Und wo eine Menge Postulate, die den Menschen so unumstößlich dünkten wie uns das Gesetz der Schwerkraft unumstößlich ist, vor die Schranken der freien Meinung gefordert werden, um in einem Kreuzverhör ihr Existenzrecht zu beweisen. Das Postulat, welches den Sprößlingen aus der Liebesehe eines Kaisers niedrigeren Rang zuweist, als dem Sohn und Enkel des Familientunichtgut, wird sicherlich von dem nächsten Kaiser von Österreich umgestoßen werden, und es wird sich erweisen, daß dieses Postulat aus sich selber nichts zu seiner Rechtfertigung vorzubringen vermag. Es mag kämpfend untergehen, aber es wird untergehen, und der ganze Habsburger Aberglauben mit ihm. Was alsdann geschehen wird, wissen die Götter.
Indessen, gerade wegen des stetigen und allmählichen Heranrückens solcher Probleme erscheint uns die Regierung Franz Joseph's so ungemein interessant und fesselnd. Interessant vom persönlichen Standpunkt aus als die Geschichte der sich geltend machenden Nemesis, die Geschichte, welche wir symbolisch dargestellt haben als die Erfüllung jenes Fluches, den Gräfin Karolyi über sein Haupt ergoß. Vom philosophischen Standpunkt aus bietet sie gleichsam zusammengedrängt den interessanten Anblick eines Zeitalters der Übergänge von mittelalterlichen zu neuzeitlichen Anschauungen: des Zeitalters, in dem sich Völker wie Einzelmenschen stürmisch auf ihr Recht berufen, ihr eigenes Leben nach ihrer eigenen Weise zu leben. Und in beidem zeigt uns Österreich mit größerer Deutlichkeit und Schärfe als es anderswo zutage tritt, wie die heutigen Generationen die Vergangenheit mit Füßen treten.
Es geschieht selten, daß eine so vollständige Umwälzung zeitlich mit dem Leben eines einzelnen Herrschers zusammenfällt. In der Tat, Franz Josephs Regierung steht in dieser Hinsicht vielleicht einzig da. Auf jeden Fall ist er Zeuge all dieser Veränderungen geworden und hat sein Leben durch diese Geist und Gemüt bestürmenden Erfahrungen hindurchgerungen. Aber wenn wir an die Wahrheit, die sich hinter dem Schein birgt, herandringen könnten, so würden wir sicherlich finden, daß er selbst von diesem Welken und Werden um sich herum nicht unbeeinflußt geblieben ist. Das ist die wirkliche Moral von der Geschichte seiner Neigung zu Frau Schratt und dem Gerücht, das eine morganatische Eheschließung mit ihr in Aussicht stellte. Er fühlte genau wie alle anderen Habsburger, nur daß er seine Gefühle besser beherrschte. Angesichts dessen, was die anderen Habsburger taten, hatte er wohl auch den Impuls, mit dem Strom zu schwimmen. Dennoch widerstand er. Hin und wieder mochte auch ihn der Gedanke beschleichen, daß mehr Glück darin liegt, sein eigenes Leben zu leben, als sich nur dem großen Strom des allgemeinen Lebens hingegeben zu sehen. Und zuweilen möchte es den Biographen bedünken, als ob, trotz allem Pomp und Ruhm seiner öffentlichen Laufbahn, der glücklichste Tag für Franz Joseph der gewesen sein müßte, an dem ihn das Schicksal mit Frau Schratt zusammenführte, die ihn nun nach 28jähriger liebevoller Hingabe in gegenseitigem Vertrauen treulich auf dem letzten Abstieg seiner Lebensreise begleitet.
Täglich, wenn es seine Gesundheit erlaubt, sitzt er ein Weilchen mit ihr zusammen, horchend und sich wundernd, wie das Leben geht. Wollen wir ihn so lassen. – – –
– Ende. –