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XIV. Kapitel

Unzufriedenheit der slawischen Völker / Krönung Franz Josephs als König von Ungarn


Nachdem die Preußen ihn besiegt hatten, sah Franz Joseph ein, daß er sich vor allen Dingen mit den Ungarn einigen müsse, denn ihre fortgesetzte, hartnäckige Abneigung war sicherlich eine von den Ursachen seiner Niederlage.

Die Beliebtheit der Kaiserin erleichterte die Annäherung, und wenn es auch eine Übertreibung wäre zu behaupten, daß die Ungarn den Kaiser auf dem Umwege über die Kaiserin liebten und der Kaiserin wegen ihrer Freundschaft zu Nikolaus Esterhazy zugetan waren, so lief ihr Gefühl nichtsdestoweniger in dieser Bahn. Wie man die Sache auch betrachtete, in Elisabeth besaß man auf jeden Fall einen Freund bei Hofe, und es ließ sich feststellen, daß seit ihrer Zeit dort viel mehr Ungarn zugezogen wurden, als früher. Nach Sadowa, aber noch ehe er die Bedingungen der Preußen annahm, sandte Franz Joseph aus diesem Grunde nach dem ungarischen Führer Déak, einem fest auf seinem Sinn bestehenden, aber maßvollen und praktischen Politiker.

Déak folgte dem Rufe und wurde in ein Gemach geführt, worin der Kaiser allein und in tiefem Nachdenken weilte. Nach einigem Schweigen kam es zu folgendem kurzen Gespräch zwischen beiden:

»Nun, Déak, was fordert Ungarn?« –

»Nicht mehr, als vor Sadowa, aber auch nicht weniger.«

»Und was soll ich tun?«

»Majestät müssen erst den Frieden wiederherstellen und dann Ungarn seine Rechte geben.«

»Wenn ich Ungarn jetzt gleich eine Verfassung gebe, wird mir dann das ungarische Parlament Geld bewilligen, um den Krieg weiter fortzuführen?«

»Nein, Majestät, das ungarische Parlament wird nichts dergleichen tun.«

Nach kurzem Schweigen sagte der Kaiser nur einfach: »Schon gut! Es muß wohl so sein, wie Sie sagen.«

Dies war der schlichte Anfang der gegenwärtigen österreich-ungarischen Staatsverfassung, eines unter dem Namen Dualismus bekannten Systems. Somit war eine Aufgabe des österreichischen Staates mit einem Federstrich gelöst worden; aber es blieb noch eine ganze Reihe anderer Fragen ungeklärt. Vor allem galt es, das drängende Problem der Slawen zu erledigen, welche sowohl von den Ungarn als auch von den Österreichern für ein minderwertiges Volk angesehen wurden, das nur dazu da war, um unterdrückt zu werden. Was die Ungarn gewollt und nun erreicht hatten, war kein gleiches Recht für alle, sondern nur das Eingehen einer Teilhaberschaft mit den Bedrückern, so daß sie nun an der Magyarisierung des einen Landteils arbeiten konnten, während die Österreicher den anderen Teil germanisierten. Ein wütender Protest von seiten eines slawischen Historikers war die Folge.

»Wenn es eine beschlossene Sache ist (schrieb Palacky) die naturgemäße Politik Österreichs zu verdrehen; wenn dieses aus einer Mischung von verschiedenen Völkerschaften bestehende Reich sich weigert, gleiches Recht für alle zu gewähren und eine Vorherrschaft gewisser Rassen über die andern organisiert; wenn die Slawen als minderwertiges Volk behandelt werden sollen und zwei anderen Völkern als bloßes Material zum Beherrschtwerden ausgeliefert bleiben – dann wird sich die Natur geltend machen und ihre Rechte fordern. Wir Slawen existierten, bevor es ein Österreich gab, und wir werden weiter existieren, nachdem Österreich längst verschwunden ist.«

Dies unterliegt wohl kaum einem Zweifel. Aber diese Gefahr lag noch in der Zukunft. Für den Augenblick war Österreich wieder einmal gerettet und des Kaisers Krönung zum König von Ungarn im Jahre 1867 bildete einen prächtigen Festakt, voll bedeutsamer Symbole für diejenigen, welche ihre Sprache verstanden. Wir haben uns Franz Joseph auf einem schneeweißen Pferde den ehrwürdigen Hügel hinaufreitend vorzustellen, auf der Höhe sein Schwert nach allen vier Himmelsrichtungen schwingend zum Zeichen dafür, daß er alle Feinde seiner Untertanen vernichten würde, ob sie nun aus Norden, Süden, Osten oder Westen kämen. Ein Teil der Zeremonie bestand in der feierlichen Überreichung eines Beutels mit Goldstücken. Der Kaiser befahl, den Inhalt unter die Familien derjenigen zu verteilen, die 1849 im Kampf gegen ihn gefallen waren, eine jener großartigen Gebärden, welche gleich freundlichen Worten viel wert sind und wenig kosten.

So stand Franz Joseph, nachdem er einen Schlag in einen Vorteil umzuwandeln verstanden hatte, nach Sadowa stärker da als vorher, und er zeigte bald sein Versöhnungsgeschick dadurch, daß er das Amt des Ministerpräsidenten dem Grafen Andrassy verlieh, welcher wegen seiner Teilnahme an der ungarischen Rebellion zum Tode verurteilt und in effigie gehenkt worden war. »Ich bin nun froh, daß ich Sie nicht in Wirklichkeit habe hinrichten lassen,« sagte der Kaiser scherzend, »denn sonst hätte ich mich selber meines besten und liebenswürdigsten Ministers beraubt.« Die gleiche Bereitwilligkeit, das Vergangene begraben sein zu lassen, und Schulter an Schulter mit seinen ehemaligen Feinden zu fechten, zeigte er auch, als Preußen im Jahre 1870 mit Frankreich aneinandergeriet.

Doch dies ist eine verwickelte Geschichte und erfordert ein Kapitel für sich.

*


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