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Neunundfünfzigstes Capitel.
Von allzu großem Hochmuth und wie die Stolzen oft zur tiefsten Niedrigkeit gelangen.

Es herrschte einst der gar mächtige Kaiser Jovinianus: als der einstmal auf seinem Bette ausgestreckt lag, da schwoll sein Herz unglaublich von Hochmuth auf und er sprach bei sich: giebt es denn einen andern Gott als mich. Wie er noch so dachte, ergriff ihn der Schlaf und als er früh aufstand, rief er seine Krieger zusammen und sprach also zu ihnen: meine Lieben, es wird gut seyn, Speise zu uns zu nehmen, denn ich bin gesonnen, heute auf die Jagd zu gehen. Diese aber waren bereit, seinen Willen zu erfüllen, nahmen Speise zu sich und machten sich zur Jagd auf. Während aber der Kaiser ritt, ergriff ihn eine unerträgliche Hitze und es kam ihm vor, als müsse er sterben, so er sich nicht in kaltem Wasser baden könne. Er schaute sich also um und erblickte in der Entfernung ein breites Gewässer. Er sprach also zu seinen Soldaten: bleibet hier, bis ich mich werde abgekühlt haben. Hierauf gab er seinem Pferde die Spornen und sprengte eilig zu dem Wasser, sprang vom Pferde, legte alle Kleidungsstücke ab, trat ins Wasser und blieb solange darin, bis er ganz abgekühlt war. Während er aber noch darin wartete, kam ein gewisser Mann herbei, der ihm in Allem, in Gesicht und Geberden ähnlich war, legte seine Kleider an, bestieg sein Roß und ritt zu den Kriegern desselben. Von allen wurde er wie der Kaiser selbst aufgenommen und als das Spiel zu Ende war, machte er sich mit den Soldaten nach dem Palaste auf den Weg. Nachher kam nun aber Jovinianus schnell aus dem Wasser heraus, fand aber weder sein Pferd noch seine Kleider. Er wunderte sich hierüber gar sehr und ward sehr traurig; weil er nun aber nackt war und Niemanden sah, dachte er bei sich: was soll ich thun? ich bin erbärmlich hintergangen worden. Endlich kam er wieder zu sich und sprach: Hier in der Nähe wohnt ein Soldat, den ich zu einer Kriegsoberstenstelle erhoben habe, zu dem will ich hingehen und mir Kleider und ein Pferd verschaffen, und so will ich dann nach meinem Palaste reiten und zusehen, auf welche Weise und durch wen ich so umgetauscht worden bin. Jovinianus machte sich also ganz nackend auf den Weg nach der Burg jenes Kriegers und klopfte an das Thor. Der Pförtner aber fragte nach dem Grunde seines Pochens und Jovinianus sprach: öffnet das Thor und sehet, wer ich bin. Der aber machte das Thor auf, und wie er ihn erblickt hatte, erstaunte er und sprach: wer bist Du denn? Der aber versetzte: ich bin der Kaiser Jovinianus, gehe hin zu Deinem Herrn und sage ihm, daß er mir Kleider leihe, denn ich habe meine Kleidungsstücke und mein Pferd eingebüßt. Der aber entgegnete: Du lügst, schändlicher Spitzbube: denn bereits vor Deiner Ankunft ist der Herr Kaiser Jovinianus mit seinen Kriegern auf dem Wege nach seinem Palaste hier vorbeigekommen, mein Herr hat ihn begleitet, ist aber bereits zurückgekehrt und sitzt jetzt bei Tische. Daß Du Dich aber einen Kaiser nennst, das will ich meinem Herrn melden. Alsbald trat auch der Pförtner vor diesen und berichtete seinem Herrn die Worte desselben. Wie der das vernahm, befahl er alsbald, ihn hereinzuführen, und als ihn der Krieger betrachtet hatte, erkannte er ihn nicht, der Kaiser aber erkannte ihn recht wohl. Darauf sagte der Krieger: sage mir wer bist Du denn und wie ist Dein Name? Der aber antwortete: ich bin der Kaiser Jovinianus und habe Dich zu der und der Zeit zu Deiner Oberstenstelle erhoben. Der aber sprach: o Du schändlicher Spitzbube, mit welcher Frechheit unterfängst Du Dir, Dich einen Kaiser zu nennen? Denn eben ist mein Herr, der Kaiser vor Dir nach seinem Palast geritten, ich hatte mich ihm unterwegs angeschlossen und bin jetzt bereits zurückgekehrt. Daß Du Dich aber selbst einen Kaiser genannt hast, dafür sollst Du nicht ohne Strafe wegkommen. Hierauf ließ er ihn tüchtig durchhauen und nachher aus der Burg werfen. Wie der aber also gepeitscht und vertrieben war, da weinte er bitterlich und sprach: O Du mein Herrgott, wie ist das möglich, daß der Krieger, dem ich doch erst seine Oberstenstelle übertragen habe, mich nun nicht mehr kennt und mich so schrecklich hat auspeitschen lassen können? Da fiel es ihm bei: hier in der Nähe wohnt ja einer meiner Räthe, ein Herzog, zu dem will ich mich auf den Weg machen und ihm meine Noth kund thun: durch den werde ich Kleider bekommen und in meinen Palast zurückkehren können. Als er nun an das Thor des Herzogs gelangt war, pochte er an und der Thorwärter, wie er ein Klopfen hörte, schloß das Thor auf und als er einen nackten Mann erblickte, wunderte er sich und sprach: mein Lieber, wer bist Du denn und weshalb bist Du so nackend hierher gekommen? Jener aber versetzte: ich bin der Kaiser und habe durch einen Zufall meine Kleider und mein Pferd eingebüßt und komme darum zu Deinem Herzog, auf daß er mir in meiner Noth beispringe: weshalb ich Dich bitte, daß Du meine Sache vor Deinem Herrn führen mögest. Als das der Thürhüter gehört hatte, wunderte er sich, trat in den Palast und hinterbrachte Alles seinem Herrn. Der Herzog aber versetzte: laß ihn hereinkommen. Als er aber hereingeführt worden war, da erkannte ihn Niemand und der Herzog sprach zu ihm: wer bist Du denn? Und jener erwiederte: ich bin der Kaiser und habe Dich zum Reichthum und Ehren gebracht, habe Dich zum Herzog gemacht und Dich zu meinem Rathe bestellt. Der Herzog aber sprach: elender Tollhäusler: kurz vor Deiner Ankunft bin ich mit meinem Herrn, dem Kaiser nach seinem Palaste geritten und eben von da zurückgekehrt: daß Du Dir aber eine solche Ehre angemaßt hast, das soll Dir nicht so leer ausgehen. Hierauf ließ er ihn in ein Gefängniß einschließen und mit Wasser und Brod beköstigen, nachher aber aus dem Gefängniß herausziehen, tüchtig durchprügeln und darnach aus seinem ganzen Lande jagen. Als der nun so verbannt war, da stieß er mehr Seufzer und Klagen aus, als irgend Jemand glauben kann und sprach bei sich: weh mir, was soll ich thun, denn ich bin jetzt Schimpf und Schande des Pöbels geworden. Es wird besser für mich seyn, nach meinem Palaste zu gehen, die Meinigen in demselben werden mich gewiß erkennen und sollte auch dies nicht seyn, so wird mich wenigstens meine Frau an gewissen Kennzeichen wiedererkennen. Hierauf ging er allein zu seinem Palast, klopfte an das Thor und wie der Pförtner ein Pochen vernahm, so öffnete er dasselbe. Als er ihn aber erblickt hatte, sprach er zu ihm: wer bist Du denn? Jener aber erwiederte: ich wundere mich, daß Du mich nicht kennst, da Du doch so lange Zeit bei mir gewesen bist. Der aber sprach: Du lügst: lange bin ich bei meinem Herrn, dem Kaiser gewesen. Und jener versetzte: der bin ich eben, und so Du meinen Worten glaubst, bitte ich Dich um Gottes Willen, daß Du zur Kaiserin gehst und ihr sagst, sie möge mir bei diesen Zeichen meine kaiserlichen Gewänder senden, weil ich durch Zufall alle die meinigen verloren habe: die Zeichen aber, welche ich ihr durch Dich schicke, kennt außer uns beiden niemand auf Erden. Da sprach der Thorwärter: ich zweifle nicht, daß Du toll bist, weil eben mein Herr der Kaiser in diesem Augenblick bei Tafel sitzt und neben ihm die Kaiserin. Indessen will ich der Kaiserin berichten, daß Du gesagt hast, Du wärest der Kaiser und ich bin gewiß, daß Du hart bestraft werden wirst. Der Pförtner machte sich also auf den Weg zur Kaiserin und meldete ihr Alles, was er gehört hatte. Sie aber ward nicht wenig betrübt, wendete sich zu ihrem Herrn und sprach also: o Herr, Ihr wisset, daß oft zwischen uns im Geheimen merkwürdige Dinge vorgegangen sind. Nun berichtet mir diese ein lüderlicher Kerl, der am Thore steht, durch den Pförtner und läßt mir durch diesen sagen, er sey der Kaiser. Als das der Kaiser gehört hatte, befahl er, jener solle vor das Angesicht aller Anwesenden hereingeführt werden, und als er so nackt hereingebracht wurde, da sprang ihm ein Hund, der ihm vorher sehr zugethan gewesen war, nach der Kehle, um ihn zu erwürgen. Indessen wurde er daran von der Dienerschaft gehindert, sodaß er weiter kein Leid von demselben erlitt. Ebenso hatte er einen Falken auf einer Stange, der, sobald er ihn erblickt hatte, alsbald seine Fesseln zerbrach und zum Saale hinausflog. Da sprach der Kaiser zu allen, die im Saale saßen: meine Theuern, höret meine Worte, die ich über jenen Landstreicher sagen werde. Sage mir, wer Du bist und weshalb Du hierher kommst. Jener aber sprach: o Herr, das ist eine wunderliche Frage. Ich bin der Kaiser und Herr dieses Ortes. Da sagte der Kaiser zu allen denen, welche an der Tafel saßen und um dieselbe herumstanden: saget mir bei Eurem Eid, den Ihr mir geleistet habt, wer von uns ist Euer Kaiser und Herr? Da entgegneten jene: O Herr, bei dem Eid, welchen wir Euch geleistet haben, wir haben hierauf eine leichte Antwort zu geben: jenen Spitzbuben haben wir niemals gesehen, Ihr aber seid unser Herr und Kaiser, den wir von Jugend auf gekannt haben und darum bitten wir Euch einstimmig, daß jener gestraft werde, damit Alle sich an ihm ein Beispiel nehmen und eine solche Anmaßung nicht wieder versuchen. Darauf wendete sich der Kaiser zur Kaiserin und sprach: sage mir, meine Gebieterin, bei der Treue, welche Du mir bewahrst, kennst Du jenen Menschen, welcher sich Kaiser und Deinen Herrn nennt. Aber jene versetzte: o lieber Herr, warum fragst Du mich Solches? Bin ich nicht länger als dreißig Jahre mit Dir zusammengewesen und habe mit Dir Kinder gezeugt? Eins jedoch ist, worüber ich mich wundere, wie nehmlich jener Gauner zur Kenntniß der von uns vorgenommenen geheimen Angelegenheiten gelangt ist. Hierauf sprach der Kaiser zu dem, der hereingeführt worden war: mein Lieber, wie konntest Du es wagen, Dich selbst für einen Kaiser auszugeben? Wir fällen den Urtheilsspruch, daß Du heute einem Pferde an den Schweif gebunden werdest, und wenn Du noch einmal Dich erfrechst, dergleichen zu äußern, werde ich Dich zum schimpflichsten Tode verurtheilen. Hierauf berief er seine Trabanten zu sich und sprach: gehet hin und bindet diesen an den Schwanz eines Pferdes, tötet ihn aber nicht. Und also geschah es. Nachher aber bewegten sich mehr als irgend Jemand es glauben kann, die Eingeweide desselben und gleichsam an sich selbst verzweifelnd, sagte er: verflucht sey der Tag, an welchem ich geboren bin und mich meine Freunde verlassen haben. Meine Gattin und meine Söhne haben mich nicht erkannt. Als er noch so sprach, da dachte er: hier in der Nähe wohnt mein Beichtvater, zu dem will ich mich aufmachen, vielleicht daß er mich erkennen mag, da er ja öfters meine Beichte gehört hat. Hierauf begab er sich zu dem Einsiedler und klopfte an das Fenster seiner Klause. Jener aber fragte: wer ist da? und jener antwortete: ich bin es, der Kaiser Jovinianus: öffne Dein Fenster, auf daß ich mit Dir reden kann. Wie aber jener feiner Stimme gehört hatte, öffnete er zwar das Fenster, als er ihn aber erblickte, schlug er dasselbe mit Gewalt wieder zu und sprach: Hebe Dich weg von mir. Vermaledeiter, denn Du bist nicht der Kaiser, sondern der Teufel in Menschengestalt. Wie jener aber das hörte, stürzte er vor Schmerz auf den Boden, zerraufte die Haare auf seinem Haupte und seinen Bart und sprach: weh mir, was soll ich thun? Bei diesen Worten erinnerte er sich, wie sein Herz neulich, als er auf seinem Bett ausgestreckt lag, vor Hochmuth aufgeschwollen war und so gesprochen hatte: giebt es denn einen andern Gott außer mir? Alsbald pochte er an das Fenster des Einsiedlers und sprach: Höret, ich bitte Euch, um des Gekreuzigten Willen bei verschlossenem Fenster meine Beichte. Jener aber sprach: das ist mir ganz recht. Der aber beichtete nun mit Thränen über sein ganzes Leben und vorzüglich, wie er sich über Gott selbst erhoben und gesagt habe, er glaube an keinen andern Gott als an sich selbst. Als nun aber Beichte und Absolution vorüber waren, öffnete der Einsiedler sein Fenster und erkannte ihn und sprach: gesegnet sey der Höchste, jetzt kenne ich Dich: ich habe hier einige wenige Kleidungsstücke, die lege Du an und gehe in Deinen Palast und dort, wie ich hoffe, werden sie Dich erkennen. Hierauf zog sich der Kaiser an, begab sich nach seinem Palast und klopfte an die Pforte desselben. Der Pförtner öffnete dieselbe alsbald und empfing ihn aufs Ehrenvollste: jener aber sprach: kennst Du mich denn? und jener erwiederte, eiwohl, Herr, sehr gut. Nur darüber wundere ich mich, daß ich den ganzen Tag hier gestanden habe und Euch nicht habe aus dem Hause gehen sehen. Jener trat nun in den Versammlungssaal und alle, die ihn erblickten, neigten ihr Haupt. Der andere Kaiser aber war bei seiner Frau. Ein Krieger aber, der aus dem kaiserlichen Gemach trat, schaute ihn genau an, kehrte hierauf in das Zimmer zurück und sprach: mein Herr, im Saale steht ein Mann, vor welchen sich Alle verbeugen und ihm Ehre erweisen und der ist Euch in Allem so ähnlich, daß ich durchaus nicht weiß, welcher von Euch beiden der Kaiser ist. Wie das der Kaiser hörte, sprach er zu der Kaiserin, gehe hinaus und siehe zu, ob Du ihn kennst. Sie aber eilte hinaus, und als sie ihn erblickt hatte, verwunderte sie sich, eilte in das Gemach zurück und sprach: o Herr, ich melde Euch einen zweiten an, wer aber von Euch mein Herr ist, kann ich durchaus nicht unterscheiden. Jener aber sprach: da das so ist, so will ich hinausgehen und die Wahrheit an den Tag bringen. Als er aber in den Saal getreten war, faßte er jenen bei der Hand, ließ ihn neben sich treten, berief alle Krieger, welche im Saale waren nebst der Kaiserin zu sich und sprach: bei dem Eide, welchen Ihr mir geleistet habt, sagt mir jetzt, welcher von uns ist Euer Kaiser? da antwortete zuerst die Kaiserin: mein Herr, mir liegt es ob, zuerst zu antworten: Gott aber in der Höhe sey mein Zeuge: ich weiß durchaus nicht anzugeben, wer von Euch mein Herr ist, und ebenso sprachen Alle. Jener aber sprach: Ihr Lieben, höret mir zu. Dieser hier ist Euer Kaiser und Herr: er hat sich aber einstmals gegen Gott erhoben und deswegen hat ihn Gott gezüchtigt und die Kenntniß der Menschen ist von ihm gewichen, bis er seinem Gott Genugthuung geleistet hat. Ich aber bin sein Schutzengel und Wächter seiner Seele, der ich sein Reich verwaltet habe, solange er in der Buße war: nunmehro ist aber seine Buße vollendet und er hat für seine Sünden Genugthuung gegeben, darum seid ihm gehorsam und ich will Euch Gott empfehlen! Bei diesen Worten verschwand er alsbald aus ihren Augen, der Kaiser aber dankte Gott und lebte sein ganzes Leben in Frieden und weihete es Gott. Uns aber gebe dieser dasselbe.


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