Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Die Pietisterey im Fischbein-Rocke
Luise Adelgunde Victorie Gottsched

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achter Auftritt.

Frau Glaubeleichtin, Herr Wackermann.

Frau Glaubeleichtin. Sie freuen sich gewiß, daß sie die Orthodoxen so gut vertheidigt haben.

Herr Wackermann. Nein Frau Schwester! ich habe ihnen was anders zu erzehlen; ich fürchte nur, daß sie mir in einem so viel Gehör geben, als im andern.

Frau Glaubeleichtin. Was solls denn seyn?

Herr Wackermann. Ich will von der bevorstehenden Hochzeit reden.

Frau Glaubeleichtin. Die ist schon so fest beschlossen, daß alles, was sie mir davon sagen können, vergeblich ist.

Herr Wackermann. Hören sie mich doch nur an! Ich sage nicht, daß der Herr von Muckersdorff ein einfältiger dummer Kerl ist.

Frau Glaubeleichtin. O! er wird schon werden.

Herr Wackermann. Arm und von schlechten Leuten.

Frau Glaubeleichtin. Wenn er nur fromm und gottsfürchtig ist.

Herr Wackermann. Daß sie in einer solchen Sache mich auch wohl hätten zu Rathe ziehen können.

Frau Glaubeleichtin. Sie verstehen sich nicht auf die wahre Gottesfurcht.

Herr Wackermann. Daß mein Bruder ehestens ankommt. Denn ich habe Briefe von ihm.

Frau Glaubeleichtin. Nun! wenn er die Tochter verheyrathet findet, so muß er sichs wohl gefallen lassen.

Herr Wackermann. Gantz gut! wir wollen itzo nur vom Hn. Scheinfromm reden. Kennen sie ihn wohl, wer er ist?

Frau Glaubeleichtin. Ob ich ihn kenne?

Herr Wackermann. Ja! kennen sie ihn?

Frau Glaubeleichtin. Was wollen sie sagen?

Herr Wackermann. Ich darf es kaum sagen; sie möchten mir wieder in Ohnmacht fallen.

Frau Glaubeleichtin. Sagen sie es nur!

Herr Wackermann. Wie viel haben sie Scheinfrommen gesagt, daß sie ihrer Tochter mitgeben wollten?

Frau Glaubeleichtin. Nun! sie fragen recht herum. Ich habe gesagt, ich gebe meiner Tochter 3000 Gulden mit.

Herr Wackermann. Nun! so ist Herr Scheinfromm ein Schelm.

Frau Glaubeleichtin. Ach! Herr Bruder! können sie die Gottseeligkeit selbst so schimpffen?

Herr Wackermann. Ich dachte wohl, daß sie es nicht glauben würden; aber ich habe die Probe schrifftlich.

Frau Glaubeleichtin. O! Himmel! das ist eine Lästerung! Ein Mensch, der mit göttlichen Geheimnissen, mit der Liebe, mit der Sanfftmuht, mit der Aufrichtigkeit gantz erfüllt ist! Ach! das ist wieder ein Streich der Orthodoxen! Die Leute könnens nicht leiden, daß das Reich Christi durch heilige Leute ausgebreitet werde, deswegen schmähen und lästern sie dieselben, wo sie nur können.

Herr Wackermann. Das war eine schöne Betrachtung: Es fehlt ihr nichts, als daß sie auf die Pietisten gezogen würde. Hören sie: Ich war so erboßt auf diese Heyrath, daß ich ihre Tochter entführen, zu mir nehmen, und bis zu meines Bruders Ankunfft bey mir behalten wollte. Denn ich sahe wohl, daß mit der Frau Schwester nichts anzufangen wäre.

Frau Glaubeleichtin. Wie? sie wollten mir meine Tochter entführen? Ich wills schon verhüten.

Herr Wackermann. Fürchten sie nichts! Ich werde diese Hülffe jetzo nicht nöthig haben, da ich ihnen beweisen kann, daß ihr Herr Scheinfromm ein Spitzbube ist. Und das kann ich unwiedersprechlich darthun.

Frau Glaubeleichtin. Unwiedersprechlich?

Herr Wackermann. Sie sollens sehen.

Frau Glaubeleichtin. Und wenn sie die gantze Welt darauf zu Zeugen haben; so glaube ichs nicht.

Herr Wackermann. Sie werden doch ihren Augen wohl trauen?

Frau Glaubeleichtin. Nein! und wenn ichs sähe; so würde ich glauben, ich träumete.

Herr Wackermann. Das ist ein entsetzlich Vor-Urtheil! Der Notarius hat mir seine Schelmerey entdeckt. Der Herr Scheinfromm hat einen Contract – – – –

Frau Glaubeleichtin. Schweigen sie! Herr Bruder! Ich bin des Todes! Ich sehe wohl, das ist ein angestellter Karn, die Hochzeit zu hintertreiben; aber sie, und alle ihre Mithelffer, werden sich sehr betrügen. Herr Scheinfromm kömmt zu mir, und da will ich den Contract den Augenblick unterzeichnen. (Sie geht ab.)

Herr Wackermann. Mein GOtt! Was ist das vor ein Weib? Es thut aber nichts! laß sie nur sagen, daß sie ihren eigenen Augen nicht trauen will; sie wird ihnen schon trauen; der Streich ist gar zu grob. Ich will sie so lange zufrieden lassen, bis daß sie die Schrift eben wird unterzeichnen wollen, denn will ich mit meinem Geheimnisse hervorkommen. Übrigens hoffe ich, daß mein Bruder noch heute oder morgen kommen will. Ich will aber hier nicht weit weggehen; damit ich, wenn Scheinfromm kömmt, gleich da bin.


 << zurück weiter >>