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Da ich an einem andern Orte umständlich gezeigt, daß Refraktion an und für sich keine Farbenerscheinung hervorbringe, sondern daß sich zu derselben noch eine Beschränkung des Lichtstrahls bei objektiven, des Bildes aber bei subjektiven Versuchen gesellen müsse, so will es Zeit sein, daß ich nunmehr die Resultate zusammenfasse und die wenigen Phänomene vorlege, auf welche sich alle übrigen reduzieren lassen.
1.
Man denke sich zuerst einen durch eine runde Öffnung in eine dunkle Kammer fallenden beschränkten Sonnenstrahl, wie selbiger von einer weißen Tafel aufgefangen wird, wodurch denn eine helle Kreisfläche auf einem dunklen Grunde entsteht. Die erste Figur bezeichnet den Durchschnitt, der Buchstabe [a] die Kreisfläche auf der Tafel.
2.
Diese oder eine jede andere weiße, auf einen dunkeln Grund gebrachte Kreisfläche wird von dem Auge unter gewissen Winkeln gesehen, wie Fig. 2 andeuten mag.
3.
Die Größe dieser Kreisfläche kann an der Wand oder im Auge auf zweierlei Weise durch Refraktion verändert werden, entweder daß dieselbe zusammengezogen und verkleinert, oder ausgedehnt und erweitert werde.
4.
Wird der Kreis zusammengezogen, so erscheint das Phänomen [b], und der Rand ist jederzeit gelb eingefaßt. Wird der 426 Kreis ausgedehnt, so stellt sich uns das Phänomen [c] dar, jedesmal ist der Rand blau eingefaßt.
5.
Wenn man mit einer erhabenen Linse den einfallenden Sonnenstrahl auffängt, so werden die parallelen Strahlen alle nach einem Brennpunkte zu gebogen; bewegt man eine weiße Tafel vom Brennpunkte nach der Linse zu, so werden die Lichtkreise sämtlich mit einem gelben Rande umgeben sein. In der dritten Figur zeigen uns die schwarzen Striche, welche durch die Linse gehen, den Weg der Sonnenstrahlen vor der Refraktion; die roten aber ihr Zusammenneigen nach derselben.
6.
Will man nun aber im Auge einen an der Wand befindlichen Kreis zusammengezogen und mit einem gelben Rande gefärbt sehen, so ist natürlich, daß man ein konkaves Glas dazu anwenden müsse. Die vierte Figur zeigt uns erst mit schwarzen Linien den Winkel, unter dem wir einen Gegenstand an der Wand vor der Refraktion sehen; die roten Linien zeigen, wie er sich durch die Refraktion zusammenzieht, wodurch also das Phänomen [b] im Auge entstehen muß.
7.
Bringen wir nunmehr, wie die fünfte Figur zeigt, ein konkaves Glas vor den einfallenden Sonnenstrahl, so werden die Ränder desselben, wie hier die roten Linien abermals zeigen, auseinander getrieben, und das auf der Tafel vergrößerte Bild [c] erscheint nun mit einem blauen Rande eingefaßt.
8.
Wollen wir hingegen im Auge einen weißen Kreis mit einem blauen Rande eingefaßt sehen, so müssen wir ein konvexes Glas zwischen dasselbe und das Bild bringen. Der weiße Kreis wird dadurch vergrößert, erweitert, wie die roten 427 Linien der sechsten Figur zeigen, und wir werden das Phänomen [c] erblicken.
9.
Dieses sind die Erfahrungen, auf welche alle übrigen, die wir bei der Refraktion gewahr werden, sich zurückführen lassen, es sind die Grundversuche, von denen man ausgehen muß, um nach und nach die übrigen zu entwickeln, welche uns sonst nur verwirren.
10.
Wir haben die Ursache gesehen, warum bei demselbigen Glase das Phänomen im Auge (subjektiv) auf eine andere Weise gefärbt erscheint als das Phänomen, das das Sonnenlicht an die Wand wirft (objektiv); sie liegt darinne, daß nach der Natur des Lichts und des Sehens einerlei Phänomene durch entgegengesetzt gebildete Mittel hervorgebracht werden.
11.
Gehn wir nun zu parallelen und winklicht gebildeten Mitteln über, so werden wir abermals dieselbigen Gesetze wirksam finden.
12.
Sieht das Auge durch ein paralleles Mittel Fig. 7 nach dem weißen Kreise auf dem dunkeln Grund, so ist es eben, als wenn dasselbe durch ein Vergrößerungsglas sähe. Der Gegenstand wird näher geruckt, dehnt sich aus und es erscheint also das Phänomen [c] mit einem blauen Rande eingefaßt. (Hierzu gehört eine gewisse Dicke des Mittels und eine gewisse Entfernung des Auges, wie anderwärts ausgeführt wird.)
13.
Die Lichtstrahlen, mit einem parallelen Mittel senkrecht aufgefangen, werden hinter demselben, weil sie sich weder ausdehnen noch zusammenziehen, kein farbiges Phänomen hervorbringen; läßt man aber einen eingeschränkten Lichtstrahl schief auf ein paralleles Mittel fallen, so zeigen die 428 roten Linien der achten Figur, daß das Bild an der Wand höher erscheinen muß, als es vor der Refraktion fiel. Dieses hinaufgerückte Bild bringt das Phänomen [d] hervor, und zwar aus den uns schon bekannten Ursachen. Der obere Rand muß blau sein, weil das helle Bild dort nach dem Dunkeln zu geruckt und also gleichsam erweitert wird. Der untere Rand muß gelb sein, weil hier der Rand des Bildes nach dem Hellen zu geruckt und also gleichsam verengt wird.
14.
Sehen wir aber durch ein paralleles Mittel schief nach dem bekannten weißen Kreise, Fig. 9, so erscheint uns das Bild heruntergeruckt, wie die punktierten roten Linien zeigen, indem die Strahlen, die von den Rändern kommen, den Weg nehmen, der durch die roten Linien ausgedrückt ist. Hier wird also das Phänomen [e] in unserm Auge entstehen, der obere Rand wird gelb erscheinen, weil er nach dem Lichte zu gerückt und gleichsam zusammengezogen ist; der untere erscheint blau, weil er nach dem Dunkeln zu rückt und gleichsam ausgedehnt ist.
15.
Eben so verhalten sich die Phänomene, welche durch die eigentlich sogenannten Prismen hervorgebracht werden, welche ich nur kürzlich durchführe.
16.
Ein Prisma, den brechenden Winkel unter sich gekehrt, Fig. 10, das den beschränkten Sonnenstrahl auffängt, lenkt den Strahl in die Höhe und bringt das Phänomen [d] hervor.
17.
Sieht hingegen ein Auge, Fig. 11, durch ein Prisma gleichfalls den brechenden Winkel unter sich gekehrt, so wird das Bild heruntergerückt, und das Phänomen [e] erscheint im Auge. 429
18.
Fängt man mit dem Prisma, den spitzen Winkel über sich gekehrt, Fig. 12, den Sonnenstrahl auf, so wird er heruntergelenkt, und das Phänomen [e] erscheint; sieht man dagegen durch ein Prisma in gleicher Richtung, Fig. 13, nach dem weißen Gegenstande auf einem dunkeln Grunde, so wird er hinaufgerückt werden, und das Phänomen [d] sich im Auge präsentieren.
19.
Diese Versuche liegen allen übrigen zum Grunde; diese wenigen Phänomene sind's, woraus alle die übrigen sich entwickeln lassen.
Es ist kein so kompliziertes Phänomen, das sich nicht leicht und bequem auf diese ersten Grunderfahrungen zurückführen lasse. Es versteht sich von selbst, daß es noch mühsam genug ist, um von hier an methodisch fortzuschreiten und aus diesen Phänomenen alle übrige abzuleiten, daß durch Nebenumstände manche neue Bestimmung herbeigeführt werde und was bei so einer Arbeit alles noch mehr vorkommen mag. So viel wird aber leicht jeder sehen, daß hier nicht von einer Theorie die Rede sei, welche aus wenigen Versuchen erst festgesetzt wird, um derselben nachher alle und jede Erfahrungen zu akkommodieren, sondern daß hier bloß einfache unerklärte Grundversuche da stehen, an welche sich alle übrige Erfahrungen leicht anschließen können, wodurch eine Sammlung derselben, zum Behuf einer Theorie (wenn anders eine möglich ist) nunmehr durch Fleiß und Methode aufgestellt werden kann. 430