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Es ist meinen Freunden und einem Teil des Publici nicht unbekannt, daß ich seit mehrern Jahren verschiedene Teile der Naturwissenschaft mit anhaltender Liebhaberei studiere, und ich habe deswegen manchen freundlichen Vorwurf erdulden müssen, daß ich aus dem Felde der Dichtkunst, wohin uns so gern jedermann folgt, in ein anderes hinüber gehe, in das uns nur wenige begleiten mögen.
Durch den kleinen Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären, haben sich diese Beschwerden eher vermehrt, als vermindert; denn indem ich mit demselben Kennern der Botanik von meinen Bemühungen Rechenschaft geben wollte, so mußte diese Schrift bloßen Liebhabern beinahe unlesbar werden.
Ich wage es gegenwärtig, das Publikum auf eine andre Arbeit aufmerksam zu machen, davon ich ihm einen Teil in kurzem vorzulegen gedenke. Sie beschäftigt sich mit den Farben, besonders denjenigen, welche man reine, ursprüngliche Farben nennen darf, die wir an völlig ungefärbten Körpern oder durch das Mittel ungefärbter Körper gewahr werden, wie die Farben sind, welche uns das Prisma, die Linse, die Wassertropfen und Dünste zeigen.
Ich werde zuerst das Prisma vornehmen und die Eigenschaften dieses interessanten Instruments näher untersuchen. Es ist bekannt, daß auf der Wirkung desselben die angenommene Farbentheorie beruht, und es verdient in mehrern Rücksichten allgemeiner bekannt zu sein, als es ist.
In der Jugend reizen uns wenigstens einige Zeit die Erscheinungen des Prisma; wir bewundern die Farben, die dadurch an allen Gegenständen sichtbar werden, und wir mögen bei reifern Jahren dieses Instrument, so oft wir wollen, vor die Augen nehmen, so entzückt uns der Glanz der Phänomene, die wir dadurch gewahr werden. Allein dieses Vergnügen dauert nicht lange; das Schauspiel ist prächtig, aber regellos, und wir legen bald, ohne darüber viel gedacht zu haben, mit geblendeten Augen das Glas aus den Händen.
Ein anderer Teil von Erfahrungen, die damit gemacht werden können, erfordert einen größern Apparat, welchen anzuschaffen und zu benutzen nur wenige Beruf und Gelegenheit haben.
Ich konnte mir in diesen Rücksichten den Wunsch nicht versagen, eine Anzahl Erfahrungen, an denen ich großes Vergnügen fand und die mir und andern merkwürdig genug schienen, bekannt zu machen. Ich denke sie in einer gewissen Ordnung vorzutragen, so daß eine durch die andere gewissermaßen erklärt werde.
Wäre es meine Absicht, nur für Kenner zu schreiben, so würde es hinreichend sein, die Versuche in einer Reihe aufzustellen und die theoretische Ausführung und Anwendung einem jeden zu überlassen; da ich aber allgemeiner zu interessieren wünsche, und man nicht leicht eine Folge von Versuchen vortragen kann, ohne daß der Verstand und die Einbildungskraft des Zuschauers und Zuhörers auch ihren Teil an der Unterhaltung verlangen, so werde ich der Notwendigkeit nicht ausweichen können, durch Theorie und Hypothese die vorzutragenden Erfahrungen einigermaßen zu verbinden; ja man würde mir verzeihen, wenn ich mich genötigt sehen sollte, von jenem System einigermaßen abzuweichen, das ungeachtet aller Widersprüche, die es erdulden mußte, sich noch immer im ausschließlichen Ansehen erhalten hat.
Ich werde suchen, mich der möglichsten Deutlichkeit zu befleißigen; eben so wird gesorgt werden, daß jedermann die vorgetragenen Versuche leicht und bequem anstellen könne. Zu der kleinen Schrift, welche Michael erscheint, werden die Tafeln nicht geheftet, sondern einzeln, in einem Paket, in der Form von Spielkarten ausgegeben werden. Ein Prisma von hellem Glase wird hinreichend sein, die angezeigten Erfahrungen außerhalb der dunkeln Kammer ohne weitern Apparat zu wiederholen.
Ich hoffe, das schöne Geschlecht, dessen Auge jedes Verhältnis der Farben so fein beurteilt, Künstler, welche den größten Teil ihres Lebens auf Betrachtung und Nachahmung der reizenden Harmonie wenden, welche über die ganze sichtbare Natur ausgebreitet ist, werden Anteil an meinen Bemühungen nehmen. Ich glaube, Lehrern der Jugend ein Mittel zu angenehmer Unterhaltung ihrer Zöglinge in die Hände zu geben und wünsche Liebhabern und Kennern der Naturlehre einigermaßen neu zu sein.
Weimar, den 28. August 1791.
Goethe