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Es erscheinen uns die Schatten, welche die Sonne bei Tag oder eine Flamme bei Nacht hinter undurchsichtigen Körpern verursacht, gewöhnlich schwarz oder grau, allein sie werden unter gewissen Bedingungen farbig, und zwar nehmen sie verschiedene Farben an. Diese Bedingungen zu erforschen, habe ich viele Versuche angestellt, wovon ich gegenwärtig die merkwürdigsten vortrage, mit der Hoffnung, daß sie einander selbst erklären und uns den Ursachen und Gesetzen dieser schönen und sonderbaren Erscheinungen näher führen werden.
Die Erfahrung, daß morgens und abends bei einem gewissen Grade der Dämmerung der Schatten eines Körpers von einer Kerze auf einem weißen Papier hervorgebracht und von dem schwachen Tageslicht beschienen blau aussieht, ist wohl vielen bekannt, doch wünsche ich, daß man solche sogleich wiederholen möge. Wie ich denn diejenigen, die gedachtes Phänomen nicht gesehen, ersuche, sich mit demselben bekannt zu machen.
Es kann solches sehr leicht bei der Morgen- und Abenddämmerung geschehen, wenn man nur den Schatten irgendeines Körpers mittelst eines Kerzenlichtes dergestalt auf ein weiß Papier wirft, daß das zum Fenster hereinfallende schwache Tageslicht das Papier einigermaßen beleuchte. Je mehr das Himmelslicht abnimmt, desto dunkelblauer wird der Schatten und wird zuletzt, wie jeder andre Kerzenschatten bei Nacht, schwarz oder schwarzgrau.
Da man nun den Himmel blau zu sehen gewohnt ist, da man der Atmosphäre eine gewisse die blauen Strahlen absondernde und reflektierende Qualität zuschreibt, so leitet man die blaue Schattenerscheinung gewöhnlich von einem Widerschein des blauen Himmels oder von einer Wirkung der geheimen Eigenschaft der Atmosphäre her.
Um gegen diese Erklärung einigen Zweifel zu erregen, stelle man folgenden Versuch an: An einem grauen Tage, wenn der ganze Himmel keine Spur von Blau zeigt, mache man ein Zimmer durch vorgezogene weiße Vorhänge düster, man entferne sich so weit von den Fenstern, daß auch kein Licht von den grauen Wolken unmittelbar auf das Papier fallen könne, man beobachte das Zimmer selbst, worin man sich befindet, und entferne aus demselben alles, was nur einigermaßen blau ist, man beobachte alsdann die gegen das Fenster gekehrten Schatten, welche eine Kerze auf das weiße Papier wirft, und man wird sie noch ebenso schön blau als gewöhnlich finden, vorausgesetzt, daß das gedämpfte Tageslicht mit dem Kerzenlichte in einer gewissen Proportion stehe, welche man durch Vor- und Zurückrücken der Fläche leicht entdeckt. Unter diesen Umständen wird uns die Einwirkung einer Atmosphäre, die sich im Zimmer nicht denken läßt, und ihrer blaufärbenden Qualität unbegreiflich bleiben. Auch sieht man nichts vor noch neben sich, woher ein blauer Reflex entstehen könne.
Hat man sich geübt, diese blauen Schatten unter mehreren Umständen hervorzubringen und zu beobachten, so wird man eine andere Erscheinung leicht bemerken, die mit dieser verwandt, ja gewöhnlich verbunden ist. Sobald nämlich das Tageslicht Stärke genug hat, daß es gleichfalls den Schatten eines Körpers auf ein weißes Papier werfen kann, so wird dieser Schatten, wenn er vom Kerzenlichte beleuchtet wird, gelb oder auch gelbrot, ja fast gelbbraun werden, und wird jenem blauen Schatten gegenüberstehen.
Man nehme zum Beispiel ein starkes Bleistift und stelle es dergestalt zwischen Fenster und Kerzenlicht auf ein weißes Papier, daß die Schatten von beiden Seiten sichtbar werden, so wird man die gelben und blauen entgegengesetzten Schatten deutlich sehen. Nur ist folgendes dabei zu bemerken: das zum Fenster hereinfallende Tageslicht hat eine große Breite und macht also Doppelschatten, dahingegen das Kerzenlicht einen bestimmten und deswegen sichtbareren Schatten hervorbringt. Auch wird man das Auge ruhig auf beide Schatten richten und bald die beiden Farben rein und deutlich erkennen.
Sind wir nun vorher gegen die Einwirkung der Atmosphäre auf die blauen Schatten einigermaßen mißtrauisch geworden, so werden wir doch hier den gelben Schatten leichter aus einem Widerschein des Lichts zu erklären denken, da wirklich der gelbe Schatten mit der Farbe der Lichtflamme ziemlich übereinkommt, und wir können erst nach mannigfaltigen Versuchen eines andern Sinnes werden.
Soviel gleichsam als Einleitung; wobei ich wünsche, daß meine Leser, ehe sie weiter gehen, selbst diese Erfahrungen anstellen, wozu die Mittel einem jeden gleich zur Hand sind. Der Augenschein wird ihnen den Gegenstand gewiß interessant machen, mit dem wir uns beschäftigen, und man wird nachstehenden Versuchen und ihrer Beschreibung, die sich auf beiliegende Figuren bezieht, desto eher folgen können, wenn man auch gleich den nötigen Apparat nicht bei der Hand haben sollte, sie sogleich selbst anzustellen.
Erster Versuch. Erste Figur
Es stehe in einer verfinsterten Kammer eine Kerze in [a] und scheine an der Kante des Körpers [c] vorbei, so wird auf der weißen Fläche [ef] ein schwarzer oder schwarzgrauer Schatten [eg] entstehen, der übrige Raum [gf] wird von dem Lichte beleuchtet hell sein. Man eröffne einen Fensterladen, so daß ein gemäßigtes Tageslicht von [b] herein und an der Kante des Körpers [d] vorbeifalle, so wird ein Schatten [hf] entstehen und das Tageslicht wird den übrigen Raum [eh] beleuchten.
Zugleich wird der Schatten [eg] blau, der Schatten [hf] gelb erscheinen und der von beiden Lichtern beleuchtete Raum [gh] hell bleiben und die natürliche Farbe des Papiers ohne großen Unterschied daselbst erscheinen.Von diesem Unterschiede siehe unten.
Zweiter Versuch. Zweite Figur
Es stehe in [a] eine weiße Mauer, welche das Sonnenlicht nach einer gegenüber errichteten dunklen Kammer hinaufwirft und bringe auf einem hinter der Öffnung gehaltnen Papier den Schatten [eg] hervor; der heitere Himmel in [b] mache auf ebendemselben Papier den Schatten [hf], so wird der durch den Widerschein der Mauer verursachte, vom Himmelslicht beschienene Schatten blau, der entgegengesetzte gelb sein, wie das innerhalb der dunklen Kammer hinter dem Papier befindliche Auge an den Rändern deutlich erkennen wird.
Dritter Versuch. Zweite Figur
Eben dieses Phänomen wird sich zeigen, wenn die untergehende Sonne sich in [a] befindet. Der Schatten [eg] ist lange blau, ehe in [hf] ein Schatten erscheinen kann. Ist die Luft voll Dünste, so wird schon einige Zeit vor Sonnenuntergang das Sonnenlicht dergestalt geschwächt und das Licht der Atmosphäre so mächtig, daß letzteres den Schatten [hf] hervorbringen kann, welcher sogleich gelb erscheint. Bei heiterem Himmel konnte ich aber dieses Phänomen nur dann erst gewahr werden, wenn die halbe Scheibe der Sonne schon unter dem Horizonte war.
Vierter Versuch.
Man lege bei Sonnenschein und heiterm Himmel eine weiße Fläche horizontal auf den Boden und irgendeinen Körper darauf, so wird der Schatten durch den Einfluß des atmosphärischen Lichtes blau erscheinen, der Himmel mag selbst blau oder mit weißlichen Dünsten überzogen sein; vielmehr werden in dem letzten Falle, weil die Energie der Sonne gemäßigter, das Licht des Himmels stärker wirkt, die Schatten hellblauer erscheinen. Daß der entgegengesetzte gelbe Schatten in diesem Falle nicht existieren kann, versteht sich von selbst.
Fünfter Versuch.
Man lasse an einem heitern Tage, wenn der Himmel rein blau ist, den Widerschein desselben durch eine sechs Zoll weite Öffnung in eine dunkle Kammer fallen und bringe durch Zwischenstellung eines Körpers auf einer weißen horizontalen Fläche einen Schatten hervor, so wird er grau sein; man nähere demselben ein Kerzenlicht und er wird nach und nach gelb werden, so wie der durch das Kerzenlicht nach der Öffnung zu geworfene Schatten blau erscheinen wird.
Alle diese Versuche lassen uns noch einigermaßen in Ungewißheit, ob nicht hier sich irgendeine Reflexion eines blauen oder gelben Gegenstandes mit einmische? Wir werden daher, um einzusehen, wie es sich damit verhalte, unsre Versuche vermannigfaltigen.
Sechster Versuch. Erste Figur
Es befinde sich eine Kerze in [a] und das Mondlicht scheine von [b] her, so wird der Schatten [hf], den das Mondlicht wirft und der vom Kerzenlichte beschienen wird, gelb erscheinen, der Schatten [eg] aber, den die Kerze wirft und das Mondlicht bescheint, blau sein. Wir werden hier auf den Gedanken geführt: daß kein Widerschein eines gefärbten Körpers, kein gefärbtes Licht auf die Schatten zu wirken brauche, um ihnen eine Farbe mitzuteilen. Denn der Mond, dem man einen gelblichen Schein nicht absprechen kann, bringt hier gleichfalls einen reinen blauen Schatten hervor. Ich bitte jeden aufmerksamen Freund der Natur, beim klaren Vollmond diesen leichtanzustellenden Versuch nicht zu verabsäumen.
Siebenter Versuch. Dritte Figur
Es komme von [a] der Widerschein des Sonnenlichts von einer Mauer wie bei dem zweiten Versuche; man bringe aber den Apparat innerhalb der dunklen Kammer an und setze in [b] ein brennendes Licht, so wird der Schatten [eg] gelb und der Schatten [hf] blau erscheinen. Es zeigt uns also der Widerschein von der Mauer, der vorher beim zweiten Versuch dem Tageslicht entgegengesetzt stärker war, nunmehr, da er gegen das Kerzenlicht der schwächere wird, gerade die entgegengesetzte Wirkung als vorher, macht den Schatten, den er beleuchtet, blau, ungeachtet die Mauer wie vorher einen gelblichen Schein von sich wirft.
Wir kommen also durch diesen Versuch um soviel weiter, indem wir sehen, daß es hier nicht auf die Farbe des Lichts, sondern auf Energie desselben ankomme; wir erfahren, daß diese Energie umgewendet, sogleich subordiniert und eine entgegengesetzte Wirkung hervorzubringen determiniert werden kann. So haben wir bisher das Kerzenlicht immer triumphierend gesehen, es gibt aber auch Mittel, es zu subordinieren.
Achter Versuch. Erste Figur
Man setze in [a] eine Glutpfanne mit heftig brennenden Kohlen, man rücke eine brennende Kerze [b] so lange hin und wider, bis die beiderseitigen Schatten sichtbar sind, so wird der Schatten [hf] gelbrot, der Schatten [eg] blau sein, ob er gleich von einer brennenden Kerze beleuchtet wird.
Wir können nunmehr wagen, folgende Resultate zur Prüfung aufzustellen.
1. Der Schatten, den ein einziges, starkes, von keinem andern Lichte oder Widerschein balanciertes Licht hervorbringt, ist schwarz. In einer wohlbehängten dunklen Kammer läßt sich diese Erfahrung mit dem Sonn- und Kerzenlicht am sichersten anstellen. Die schwärzesten, reinsten Schatten, die ich kenne, sind die: wenn man durch das Vorderglas des Sonnenmikroskops auf einer weißen Fläche Schattenbilder hervorbringt.
2. Selten wird man einen Schatten so isolieren können, daß nicht irgendein reflektiertes Licht auf ihn wirke; einen solchen Schatten, auf den ein mehr oder weniger starkes benachbartes Licht einigen Einfluß hat, halten wir gewöhnlich für grau. Da wir aber erfahren haben, daß unter solchen Umständen die Schatten farbig werden, so fragt sich, in welchem Grade die beiden Lichtenergien voneinander unterschieden sein müssen, um diese Wirkung hervorzubringen. Der Analogie der Naturgesetze nach scheint, wie bei allen entgegengesetzten Wirkungen, kein Grad in Betrachtung zu kommen. Denn jedes aufgehobene Gleichgewicht und ein hier- oder dorthin sich neigendes Übergewicht ist in dem ersten Augenblicke entschieden, ob es gleich nur durch mehrere Grade merklicher wird.
Ich wage aber hierüber nichts festzusetzen; vielleicht finden sich in der Folge Versuche, die uns hierüber weitern Aufschluß geben. So viel aber wird ein aufmerksamer Beobachter bemerken, daß die Schatten, die wir gewöhnlich für grau halten, meist gefärbt sind. Selten werden sie auf eine ganz reine weiße Fläche geworfen, selten genau betrachtet.
Könnte man durch zwei völlig gleiche Lichter zwei entgegengesetzte Schatten hervorbringen, so würden beide grau sein.
3. Von zwei entgegengesetzten Lichtern kann das eine so stark sein, daß es den Schatten, den das andre werfen könnte, völlig ausschließt, der Schatten aber, den es selbst wirft, kann doch durch das schwächere Licht farbig dargestellt werden.
Siehe dritter und vierter Versuch
4. Zwei entgegengesetzte Lichter von differenter Energie bringen wechselsweise farbige Schatten hervor, und zwar dergestalt, daß der Schatten, den das stärkere Licht wirft, und der vom schwächern beschienen wird, blau ist, der Schatten, den das schwächere wirft, und den das stärkere bescheint, gelb, gelbrot, gelbbraun wird.
Diese Farbe der Schatten ist ursprünglich, nicht abgeleitet, sie wird unmittelbar nach einem unwandelbaren Naturgesetze hervorgebracht. Hier bedarf es keiner Reflexion, noch irgendeiner andern Einwirkung eines etwa schon zu dieser oder jener Farbe determinierten Körpers.
Was aber gefärbte Körper, indem sie das Licht entweder durchlassen oder zurückwerfen, auf die Schatten für Einfluß haben, wollen wir nunmehr untersuchen, und zwar nehmen wir zuerst gefärbte Glasscheiben vor.
Neunter Versuch. Erste Figur
Es mögen in [a] und [b] bei Nachtzeit zwei soviel möglich gleich brennende Kerzen stehen, und die Schatten [eg] und [hf] werden grau erscheinen. Man halte vor das Licht [b] ein hellblaues Glas, sogleich wird der Schatten [eg] blau erscheinen, der Schatten [hf] aber gelb sein. Man hat zu diesem Versuche ein hellblaues Glas zu nehmen, weil die dunkelblauen besonders in einiger Entfernung von der Kerze kaum soviel Licht durchlassen als nötig ist, einen Schatten zu bilden.
Dieser Versuch, wenn er allein stünde, würde uns wie jene ersten auch im Zweifel lassen, ob die blaue Farbe des einen Schattens sich nicht von dem blauen Glase, die gelbe Farbe des andern sich nicht von dem gelben Scheine des Lichts herschreibe; allein man wende den Versuch um und man wird dasjenige, was man oben schon erfahren, hier abermals bemerken.
Zehnter Versuch. Erste Figur
Man stelle in [a] und [b] abermals zwei gleichbrennende Kerzen und die Schatten [eg] und [hf] werden grau sein. Man halte vor das Licht [a] ein hellgelbes Glas, sogleich wird der Schatten [hf] gelb, der Schatten [eg] blau erscheinen, wenn dieser gleich wie bei dem vorigen Versuche, wo er gelb erschien, durch das unveränderte Kerzenlicht erhellt wird.
Eilfter Versuch. Erste Figur
Man wiederhole den ersten Versuch, wo eine Kerze in [a] dem gemäßigten Tageslichte [b] entgegengesetzt wird, und beobachte die gelb und blau farbigen Schatten. Es ist natürlich, daß der Schatten [hf] gelb bleibe und nur noch gelber werde, wenn wir vor das Licht [a] ein gelbes Glas stellen. Halten wir aber
Zwölfter Versuch. Erste Figur
vor das Licht [a] ein hellblaues Glas, so bleibt der Schatten [hf] noch immer gelb. Ein Phänomen, das uns unbegreiflich wäre, wenn wir uns nicht schon überzeugt hätten: daß es nicht sowohl auf die Farbe des durch die Scheibe fallenden Lichtes, als auf die Energie desselben ankomme. Und wir können aus diesem Versuche schließen, daß Kerzenlicht durch hellblaues Glas noch immer, unter den gegebenen Umständen, energischer sei als gemäßigtes Tageslicht.
Wie sehr man diese Versuche noch vermannigfaltigen könne, läßt sich leicht denken; wir bleiben diesmal nur bei diesen wenigen, weil sie uns hier schon genug geleistet haben. Wir gehen zu den Wirkungen des Lichts über, das von gefärbten Papieren zurückstrahlt, und finden unsre obigen Erfahrungen abermals bestätigt.
Dreizehnter Versuch. Vierte Figur
Durch die sechs Zoll weite Öffnung [y] einer dunklen Kammer lasse man einen Sonnenstrahl [xa] auf eine horizontale Fläche fallen und richte die schattenwerfenden Ränder und die mit denselben verbundene weiße Fläche innerhalb der dunklen Kammer dergestalt, daß das von dem Punkte [a] zurückprallende Licht in [eg] einen Schatten mache, den übrigen Raum [gf] aber erleuchte. Es wird sodann das einfallende Tageslicht [b] in [hf] gleichfalls einen Schatten machen und den Raum [eh] erleuchten. Liegt in [a] ein weißes Papier, so wird der Versuch dem zweiten Versuche ähnlich werden: der Schatten [eg] wird blau, der Schatten [hf] wird gelb sein.
Es ist bei diesem und den folgenden Versuchen zu merken: daß man durch Übung die rechte Entfernung des schattenwerfenden Körpers von dem Punkte [a] zu erlernen habe. Sie ist nicht bei allen Versuchen gleich, sondern die größte, wenn in [a] ein weiß Papier liegt, und kann immer geringer werden, je unenergischer die Farbe des Papiers ist, welches wir an diese Stelle legen.
Vierzehnter Versuch. Vierte Figur
Man lege in [a] ein gelbes Papier, sogleich wird die gelbe Farbe des Schattens [hf] sich verstärken und der Schatten [eg] gleichfalls blauer werden. Man verstärke die gelbe Farbe der Fläche in [a], so wird [hf] immer gelber, ja eigentlich rotgelb werden, der Schatten [eg] wird blau erscheinen.
Fünfzehnter Versuch. Vierte Figur
Man lege in [a] ein hellblau Papier, so wird der davon reflektierte Sonnenstrahl, solang er energischer ist als das einfallende Tageslicht, die Schatten [hf] noch gelb determinieren und der Schatten [eg] wird blau bleiben. Man sieht, daß dieser Versuch mit dem zwölften übereinstimme. Er gerät aber nicht immer, aus Ursachen, die hier auszuführen zu weitläufig wäre.
Sechzehnter Versuch. Vierte Figur
Man verstärke die blaue Farbe in [a], so wird der Schatten [hf] blau, der Schatten [eg] gelb werden, obgleich letzterer von dem blauen heitern Himmel beschienen wird. Wir sehen also hier abermals, daß zweierlei Blau, davon eins stärker als das andre ist, die entgegengesetzten farbigen Schatten hervorbringen könne.
Es lassen sich diese Versuche nach Belieben vermannigfaltigen und an die Stelle in [a] Papiere von allerlei Farben und Schattierungen legen, und man wird immer zweierlei Arten von farbigen Schatten entgegengesetzt sehen.
Unter allen gemischten Farben werden aber Grün und Rosenfarb die merkwürdigsten Phänomene darstellen, indem sie, wie wir oben von Gelb und Blau gesehen haben, einander wechselsweise in dem Schatten hervorbringen.
Siebenzehnter Versuch. Vierte Figur
Man lege an die Stelle [a] ein schönes grünes Papier, das zwischen dem Blau- und Gelbgrünen die rechte Mitte hält, so wird der Schatten [fh] grün, der Schatten [ge] dagegen rosenfarb, pfirschblüt oder mehr ins Purpur fallend erscheinen.
Achtzehnter Versuch. Vierte Figur
Man lege in [a] ein Stück rosenfarbnen Tafft oder Atlas (in Papier läßt sich die Farbe selten rein finden), so wird umgekehrt der Schatten [fh] rosenfarb, der Schatten [ge] grün erscheinen.
Hierbei kann uns die Übereinstimmung mit jenen prismatischen Versuchen nicht entgehen, welche ich anderwärts vorgetragen. Dort fanden wir Blau und Gelb als einfache Farben einander entgegengesetzt, ebenso Grün und Pfirschblüt (besser Purpur) als zusammengesetzte Farben, hier finden wir diese Gegensätze produktiv realisiert, indem sich gedachte Farben wechselsweise erzeugen; und wir dürfen hoffen, daß, wenn wir einmal die große Masse der Versuche, die uns Farben bei Gelegenheit der Beugung, Zurückstrahlung und Brechung zeigen, geordnet vor uns sehen, die Lehre von den farbigen Schatten sich an jene unmittelbar anschließen und zu ihrer Erläuterung und Aufklärung vieles beitragen werde.
Denn unter den apparenten Farben sind die farbigen Schatten deshalb äußerst merkwürdig, weil wir sie unmittelbar vor uns sehen, weil hier die Wirkung geschieht, ohne daß die dazwischengestellten Körper von dem mindesten Einfluß seien. Deswegen ist das Gesetz, das wir gefunden haben, auch nur allgemein ausgesprochne Erfahrung. So ziehen wir denn auch noch aus den letzten Versuchen folgendes Resultat.
5. Auch beim Wider- und Durchscheinen wirken die Farben nicht als Farben, sondern als Energien, ebenso wie wir oben gesehen haben, daß das unmittelbare Licht seine Kraft äußert unabhängig von der Farbe, die man ihm allenfalls zuschreiben könnte.
Wir sehen in diesen Wirkungen eine auffallend schöne Konsequenz. Denn wenn oben die farbigen Schatten durch eine vermehrte oder verminderte Energie des Lichts hervorgebracht wurden, so haben wir gegenwärtig farbige, jenen Schatten korrespondierende Gläser und Flächen, durch welche das Licht zwar gefärbt durchgeht, von welchen es gefärbt widerstrahlt und, auch so determiniert nicht als Farbe, sondern als Kraft, verhältnismäßig gegen ein andres ihm entgegengesetztes Licht wirkt.
Erregt, wie ich hoffe, dieser Aufsatz bei Liebhabern der Naturlehre einiges Interesse, wird das Vorgetragne bestätigt oder bestritten, so wird künftig diese Materie bestimmter, umständlicher, methodischer und sichrer abgehandelt werden können. Ohne Vorzeigung der Experimente, ohne mündlichen Vortrag ist es schwer, eine so zarte und komplizierte Lehre deutlich zu machen.
Zu leichterer Übersicht füge ich das Schema der angestellten Versuche noch bei; man sieht, wie sehr sie zu vermannigfaltigen sind.
Schema der vorgetragnen Versuche | |
Herrschendes Licht A |
Subordiniertes Licht B |
wechselsweise auf die entgegengesetzten Schatten wirkend, machen sie farbig. | |
Schatten von B geworfen, von A erleuchtet sind gelb, gelbrot, braunrot. |
Schatten von A geworfen, von B erleuchtet sind blau, unter Umständen grünlich. |
1. Kerzenlicht | Gemäßigtes Tagslicht. |
2. Mauerwiderschein. | Gemäßigtes Tagslicht. |
3. Auf- oder untergehende Sonne. | Heitrer Himmel. |
4. Hohe Sonne. | Duftiger Himmel, erscheint der blaue Schatten allein. |
5. Kerzenlicht. | Heitrer Himmel. |
6. Kerzenlicht. | Vollmondschein. |
7. Kerzenlicht. | Mauerwiderschein. |
8. Glühende Kohlen. | Kerzenlicht. |
9. Kerzenlicht durch gelb Glas. | Kerzenlicht. |
10. Kerzenlicht. | Kerzenlicht durch hellblau Glas. |
11. Kerzenlicht durch gelb Glas. | Gemäßigtes Tageslicht. |
12. Kerzenlicht durch hellblau Glas. | Gemäßigtes Tageslicht. |
13. Widerschein von weiß Papier. | Himmelslicht. |
14. Widerschein von gelb Papier. | Himmelslicht. |
15. Widerschein von hellblau Papier. | Himmelslicht. |
16. Himmelslicht. | Widerschein von dunkelblau Papier. |
Von den Meinungen der Naturforscher über die Entstehung der farbigen Schatten sind mir folgende bekannt, die ich nur kürzlich anführe und wünsche, daß ein Liebhaber der Naturlehre sie umständlicher auseinandersetzte und meinen Vortrag in Vergleichung damit brächte. Es würde sich alsdann zeigen, ob sich nunmehr die öfters beobachteten Phänomene besser ordnen, die von jenen Beobachtern angegebenen Umstände beurteilen oder supplieren, die notwendigen Bedingungen von zufälligen Neben-Ereignissen absondern lassen.
Von der Reflexion der Farbe des reinen Himmels schreibt die blauen Schatten Leonard da Vinci her.In seinem Traktat über die Malerkunst.. Nach ihm mehrere. MaratIn seinen Entdeckungen über das Licht. Weigels Übersetzung p. 134. nimmt als ungezweifelt an, daß die gefärbten Schatten durch den Widerschein der Wolken oder Dünste bewirkt werden.
Aus einer gewissen Beschaffenheit der Luft und der atmosphärischen Dünste erklären die blauen Schatten Melville und Bouguer.Priestley, Geschichte der Optik. Klügels Übersetzung p. 329.
Dem Winkel des einfallenden Lichts, der Länge des Schattens, der Richtung der beschatteten Fläche gegen die Sonne scheint Beguelin einigen Einfluß zuzuschreiben.Ebendaselbst p. 330.
Eine Vermutung, daß die Eigenschaften der umgebenden Körper Ursache an der verschiedenen Schattenfarbe sein können, hegte Wilkens.Journal der Physik 7. Bandes 1. Heft, p. 21.
Von einer Verminderung des Lichts und der mehr oder wenigern Lebhaftigkeit, womit die Lichtstrahlen aufs Auge wirken, glaubt Mazéas die gelb- und blauen Schatten herleiten zu können.Mem. de l'Acad. de Berlin des Jahrs 1752, 2. Band, p. 260.
Für eine Mischung von Licht und Schatten hält Otto von Guericke den blauen Schatten wie auch die blaue Farbe des Himmels.Priestley, p. 328.
Bei dieser letzten Meinung merke ich nur an, wie sehr die würdigen älteren Beobachter sich der richtigen Erklärung dieser Phänomene genähert. Sie hielten die Farben,Joh. Casp. Funccii liber de coloribus coeli. Ulmae 1716. besonders die blaue, für eine Mischung von Licht und Finsternis; auch nach unsern Versuchen entsteht die Farbe aus einer Wirkung des Lichtes auf den Schatten, aus einer Wechselwirkung, die Leben und Reiz auch dahin verbreitet, wo wir sonst nur Negation, Abwesenheit des erfreulichen Lichts zu sehen glaubten.
Kircher sagt im allgemeinen color, lumen opacatum. Könnte man einen angemessenern Ausdruck für die farbigen Schatten finden? Ja, wollte man die Benennung lumen opacatum dem gelben Schatten zueignen, so würden wir den entgegengesetzten blauen Schatten gar wohl mit umbra illuminata bezeichnen können, weil in jenem das Wirkende, in diesem das Leidende prävaliert und der wechselwirkende Gegensatz sich durch eine solche Terminologie gewissermaßen ausdrücken ließe.Der sehr verschrieene Gauthier war auf diesem Wege. Wir wollen auf jede Vorstellungsart aufmerksam sein.
Doch was sind Worte gegen die großen und herrlichen Wirkungen der Natur? Diese wollen wir, soviel uns möglich ist, getreu beobachten, genau beschreiben und natürlich ordnen, so werden wir Nahrung genug für unsern Geist finden. Worte entzweien, der Sinn vereinigt die Gemüter.
Zum Schlusse noch einige Anmerkungen und Anwendungen der vorgelegten Resultate auf besondere Fälle.
Wir bedienen uns zu unsern Versuchen am bequemsten einer starken Pappe von der Größe einer gewöhnlichen Spielkarte, wir schneiden in selbige ein zirkelrundes oder vierecktes Loch und bringen ein weißes Papier unter dasselbige, wir richten die Ränder des Ausschnitts gegen die verschiedenen Lichter, wie die beigefügten Figuren anzeigen, und rücken so lange, bis wir die farbigen Schatten auf dem weißen Papier entstehen sehen. Sie zeichnen sich besonders schön aus, wenn das Auge sich hinter dem Papiere befindet.
Wir können uns auch eines länglichen Körpers, zum Beispiel eines starken Bleistifts, bedienen und solchen zwischen die beiden Lichter aufstellen, da sich denn zu beiden Seiten die farbigen Schatten sehr gut zeigen. Bei allen gedachten Versuchen, besonders aber bei den zärteren, nehme man das reinste weiße Papier, das womöglich weder ins Gelbe noch ins Blaue fällt. Denn es ist schon oben bemerkt, daß wir weit mehr farbige Schatten sehen würden, wenn sie jederzeit auf eine weiße Fläche fielen. Denn nicht gerechnet, daß jeder auf eine weiße Fläche fallender Schatten schon an und für sich heller ist und also der entgegengesetzten Lichtenergie ihre Wirkung früher zu äußern erlaubt, so zeichnet er sich auch auf derselben am reinsten und ist von aller Beimischung irgendeiner Lokalfarbe völlig befreit. Eine weiße Fläche als völlig rein und farblos kann für den Probierstein aller Farben gelten.
Deswegen werden wir in der Natur mehrgedachte Phänomene an weißen Gebäuden und auf dem Schnee gewahr. Auf dem Schnee sind die Schatten, welche die Sonne verursacht, jederzeit blau, nur in dem Falle, wenn die Sonne purpurfarb untergeht, sind sie grün. Es entstehen auch in diesem letzten Falle purpurfarbene Schatten an der Sonnenseite, wenn die entgegengesetzte Himmelsseite so rein und wirksam ist wie bei dem dritten Versuche, daß sie die Schatten der Körper dem geschwächten Sonnenlichte entgegenwerfen kann. Sie sind aber selten und werden noch seltner bemerkt, weil man sie dem Widerschein der Sonnenfarbe zuschreibt.
Ich führe noch eine Erfahrung eines aufmerksamen Naturforschers an und suche sie aus dem Vorhergehenden zu erklären.
Es ist erst gesagt worden, daß sich die blauen Schatten nirgends lebhafter zeigen als auf dem Schnee, und doch beobachtete de Saussure, als er von dem Montblanc herabstieg, die Schatten farblos. Es war mir diese Beobachtung, als ich sie zum erstenmal las, um desto auffallender, als ich die farbigen Schatten auf dem Schnee der hohen Berge selbst beobachtet hatte. An der Richtigkeit der Beobachtung konnte bei so einem Manne nicht gezweifelt werden, dessen Scharfblick sich soeben an den Schattierungen des blauen Himmels geübt hatte. Wäre der Schatten nur im mindesten farbig gewesen, so würde er es entdeckt und verglichen haben. Diesen anscheinenden Widerspruch glaub' ich durch die Betrachtung der obwaltenden Umstände erklären zu können.
Es ist bekannt, daß der Himmel immer dunkler blau erscheint, je höher wir uns über den niedern Dunstkreis erheben. De Saussure hatte die Farbe des Himmels auf dem Montblanc genau zu bestimmen einige Schattierungen blaues Papier mitgenommen.Journal de Phisique Mars p. 199 Er fand den Himmel hoch königsblau. Daraus folgt, daß er kein Licht auf den Berg herabschickte, welches dem Sonnenlichte das Gegengewicht gehalten und die blaue Farbe im Schatten erzeugt hätte. Da wir nun oben gesehen haben, daß der Himmel in den Schatten die blaue Farbe nicht erzeugt insofern er blau ist, sondern insofern er Licht ausstrahlt, das einem andern Lichte das Gegengewicht hält; so werden wir auch dieses Phänomen uns zu erklären und an seinen rechten Ort zu stellen wissen.
Wie sehr übrigens diese theoretische Bemühungen dem Landschaftsmaler zu Hilfe kommen, welcher nur dann einen hohen Grad seiner Kunst erreicht, wenn er durch Verbindung dieser himmlischen Phänomene mit den Gestalten und Farben der irdischen Gegenstände eine Zauberwelt erschafft, welcher niemand die Wahrheit ableugnen kann, wird sich in der Folge näher ergeben, wenn wir einen größern Umfang bearbeitet haben und alsdann dasjenige sich aussondern läßt, was für den Künstler besonders brauchbar ist.