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Vor der Hausthür.
Frau Selback. (rufend.) Madam Schmedewaldten! Heda! Sie!
Frau Schmedewald. (dreht sich um.) Nanu?
Frau Selback. Ich bin's! Kommen Se mal her!
Frau Schmedewald. (kehrt zurück.) Na was – i juten Morgen, Madam Selbacken, – na was is denn? Sie sehen, ich habe nich viel Zeit; ich habe 'n Korb untern Arm; man schnell, wenn Sie mir was zu sagen haben.
Frau Selback. Hier is ne Hochzeit, hier oben eene Treppe hoch; die Belle-Etage verheirathet sich an einen Jelehrten; wat weeß ick, wie er heeßt: Flatter, Flotter oder Flitter.
Frau Schmedewald. I wat Sie mir sagen, Frau Jevattern? I herrjees, wenn ich mir nich irren dhue, so wohnt hier oben Belle-Etage eene Treppe hoch der Wirth von des Haus, der reiche Rentier Buffey? Wie, wissen Sie nich?
Hanne. (Köchin aus dem Hause.) Ja woll: die schöne Hulda verheirathet sich.
Frau Schmedewald. I wirklich, hat die vornehme Person wirklich Einen jefunden? Sagen Se mal, wissen Sie nich, ob se in de Kirche jetraut werden? Sehen möcht' ich des Mächen doch; sie muß sich janz hübsch als Braut ausnehmen, wenn sie sich nich zu sehr auftakelt.
Hanne. Sie werden in de Kirche jetraut; de Charlotte, Buffey's Dienstmächen, hat es mir jesagt.
Frau Schmedewald. Wie lange dauert des woll noch, bis der Bräutjam kommt, un ihr abholt?
Hanne. Ach Jott, des kann noch seine runde anderthalb Stunden dauern.
Frau Schmedewald. Na denn will ich meinen Korb man hier hersetzen; denn sehen muß man am Ende doch, wie se Beede aussehen, un nachher wird et hier so voll, deß man janz hinten zu stehen kommt, ich kenne des. (zu Hannen.) Sagen Se mal, kennen Sie den Bräutjam, is es en hübscher Mensche? (Sie setzt ihren Korb auf die Erde.)
Hanne. Mir konnt' er nich jefallen.
Frau Selback. Nich? Na, des is en Jlück, deß Sie ihm nich zu heirathen brauchen.
Frau Schmedewald. Hat er denn was?
Hanne. Ne, Charlotte meent nich.
Frau Schmedewald. (zu Frau Selback.) Wat sagten Sie doch vorher, was er wäre?
Frau Selback. En Jelehrter.
Frau Schmedewald. Ach Herrjeeses, en Jelehrter! Na da sollste fett bei werden! Ne, denn hat er ooch nischt; denn hat er se ooch sicher blos um's Jeld jenommen. (setzt sich auf die Steintreppe vor dem Hause.) Denn, sehen Se, Frau Jevattern, des kann Keener besser wissen als ich: Bei mir hat mal vor zwee Jahren ein Jelehrter Chamberjarnie jewohnt, der hatte jar nie wat. Der fuhr mitten bei de furchtbarste Kälte im Winter alle drei Dage en Offzierviertel, un denn legte er fünf Stücken ein, als wenn er den Winter blos necken wollte, un saß in seinen alten, zerlöcherten Pelz un schrieb un studirte Juras.
Frau Selback. (zu Hanne.) Sagen Se mal, ick möchte man wissen, ob denn die Mamsell Hulda ooch en juten Ruf hat; wissen Sie nich? Hat se woll en juten Ruf?
Hanne. Ja, ich will Ihnen sagen: ich weeß eejentlich jar nischt von ihr; aber so viel is jewiß, des hat mir Charlotte jesagt: eine Liebschaft hat sie schon mal jehatt.
Frau Selback. So? Wissen Se nich, mit wen?
Hanne. Mit einen Refendarjus.
Frau Schmedewald. Mit'n Referdarjus? Na denn is et ooch richtig! Des weeß ich am besten. Wo ick früher wohnte, da nebenan wohnte ein Juwelier, dessen Dochter hatte ooch sonne Amour mit'n Referdarjus, un des jing Allens janz jut; de Ringe waren schon jewechselt, aber wie et nachher zum Klappen kam, da jing er heidi un ließ se sitzen.
Fritz. (zu seinem Collegen, einem Kutschenöffner.) Hier is et, Broschling!
Broschling. Na, wenn et hier is, denn is et jut, denn wollen wir sehen, wat die Natur heute vor Jroschens in unsere Westentasche liefert. (zu den Frauen.) Entschuldjen Se, meine wißbegierigen Damen, det ick noch nich der Bräutjam bin, der die Braut abholt. Ich bin der bekannte Doctor Broschling, verschaffe den Kutschen Oeffnung, und lasse mir meine Danksagungen nich in de Zeitung rücken, sondern in de Hand drücken. (zu seinem Collegen.) So viel maaße ich Muth: uf mehr als zwölf bis vierzehn Kutschen is hier nich zu rechnen, höchstens uf fufzehntehalben. Un wer weeß, wie ville darunter sind, wo die infamen Lafkeien selbst ufmachen. (zu den Frauen.) Ick bin nich der Bräutjam, meine Verzehrungswürdigsten: ick mache ihm blos uf.
Frau Schmedewald. Sparen Se Ihre Witze.
Broschling. Meine Witze sparen? I Jott bewahre, so'n Knauser bin ick nich. Sie sind 'ne arme Frau, wat'n Witz betrifft, un ick theile Ihnen von meinen Ueberfluß mit. Det versteht sich von selbst; det wär' Unrecht, wenn ick't nich dhäte... un sojar Unrecht jejen meine eigene Personalisirung, denn Sie würden mir als Knicker benutzen, un denn wär' ick jespannt uf Ihnen. Ueberjens, worum sind Sie'n so böser Laune? Ahach, ick merke Lunte! Sie sitzen hier vor'n Haus, wo Hochzeit is, un haben einen Korb neben sich stehen. Det is wahrscheinlich der, den Ihnen det männliche Jeschlecht verehrt hat. Ne,... werden Se nich böse, bleiben Se ruhig sitzen! Meintwejen können Sie ooch sitzen bleiben.
Frau Schmedewald. Dummer Esel: ich bin verheirath't!
Broschling. So? Ne wirklich? An wen'den? Den Wagehals möcht' ick kennen lernen!
Frau Schmedewald. Det wird Er jewiß nich! Mein Mann is viel zu repptierlich, um sich mit so'nen Straßenräuber abzujeben.
Broschling. Ick danke Ihnen jehorsamst: so weit hab' ick mir noch nich verstiejen. Als Rinaldo Rinaldini in des Dhierjartens finstern Jründen, bis mir meine Rosa weckt, um bei Kemfer's 'ne Tasse Kaffee zu drinken: dadajejen hätte ich jar nischt. Un sehn Se, wenn ick wirklich so'n Jeschäft als Straßenräuber etablirte, Sie wären sicher vor mir; wenn ick mal Straße raube, denn such' ick mir wat Besseres aus. Ueberjens dhut mir det leid, det ick Ihnen hier so unanjenehme Dinge erzählen muß. Wenn Sie mir freundlich entjejenjekommen wären, hätten Sie bei mir Liebe jenießen können, so bin ick; aber... nich verdeffendiren, wenn mir Eener angreift, dieses jeht nich, davor bin ick Berliner. Des Herz ufn rechten Fleck, un den Kopp ooch, so steht et!
Fritz. Nanu halt' Deinen Mund endlich mal.
Broschling. Ja, Fritze, Du hast recht; ick will ihm beruhijen. Lang' mal in Deine Jackentasche, un zieh' des Flakkon mit de Besänftijungsdroppen raus.
Fritz. (reicht ihm eine Flasche.) Ici!
Broschling. (zieht, indem er zum Himmel hinaufschaut, den Pfropfen ab.) Mond, verstecke Dir dazu! (trinkt.) Es ist jeschehn, die Liebe hat jesiegt. (sieht durch die Flasche, in der nur noch wenig Branntewein ist, zu Fritz.) So mein Sohn, nimm diese Thräne aus den Niederlanden und entkerne diese Hülse. (sich umdrehend.) Herrjeeses, da kommen die beeden Conditerjungens mit ihren langen Korb, der so aussieht, als ob ein Choleramorbus-Kranker drinn läge! Ju'n Morjen, ju'n Morjen, meine Herren Bonbons! Wie jeht et, wat macht die jebrennte Mandel, immer noch hübsch knusprig? So,... setzen Se Ihren Inhalt ab. Des macht müde, nich wahr? Ja, worum dragen Se sich ooch damit? Det is ja jar nich mehr Mode; man drägt keenen Kuchen mehr. Blos natürlich, wenn et der Herr befiehlt, denn muß man't als Conditerlehrling. Wat meenste, Fritze, wenn wir Beede in die ihre Stelle wären: des Kuchennaschen! Namentlich bei de Liköre, da würd' ick unjeheuer fleißig mein Jewerbe dreiben. (tritt näher an den Korb.) Sagen Sie mal: haben Sie ooch Boomkuchen drinn? Ick möchte mal schüddeln, un sehen, ob nich en paar Blätter vor mir abfallen.
Conditorlehrling. Laßen Szie onz ßufriedenn!
Broschling. Ach Jotte doch, der kleene weiße Junge spricht det Französche janz deutsch aus! O hören Sie mal, Mehlweißken, Sie können sich mit mir in Ihrer Muttersprache unterhalten. Oder sprach Ihre Mutter nich? Wo? (nach einer kleinen Pause.) Na, parlez vous donc! Wat? Worum parlez vou'n Sie'n nich? Worum heben Sie'n den Korbelch wieder uf un jehen in des Haus, ohne auf mir zu rejardiren? Wovor steh' ick'n hier, wo? Eenen von die Boomkuchens hätten Sie mir doch abliefern können!
Conditorlehrling. (auf dem Hausflure.) Haltenn Szie Ihr Maaul!
Broschling. (ihm nachrufend.) Ach siehste, siehste, nu wird der kleene Republieker ooch noch jrob! Dieser milcherne Schweizerkäse dhut sich hier orndtlich dicke, weil er oben bei de Hochzeit Kuchen abliefert. Det is'n schlechter Schweizerkäse, der hat man zwee Oogen.
Fritz. Na nu hör' doch man uf.
Broschling. (sich umdrehend.) Ja, mit Avekplaisirverjnügen. Herrjees, da kommt ooch Champagner und andre edle Rebensäfte! Ju'n Morjen, ju'n Morjen, Herr Kiefer! Wie steht et? Was? Kennen Sie mir noch von vorije Woche, wo wir ooch Beede uf 'ne Hochzeit waren, uf die bei Jeheimeraths in de Behrenstraße? Wo? Des heeßt: ich machte Kutschen uf, un Sie brachten verschiedene Traubenblüte; indessen wir waren doch so jut da wie die andern Jäste, – blos deß wir nich rufjingen. Wir waren bescheiden. Un wenn wir nich bescheiden jewesen wären, un wären rufjejangen, so hätten sie uns runterjeschmissen. Natürlich, denn: Undank is der Welt Lohn: ein Weiser kooft sich vor'n Jroschen Kirschen, un eßt se alleene, sagt der Kukastenmann. (nach einer kleinen Pause.) Na, hören Se mal, Herr Kiefer, wie is et: wollen wir eine Putellje Schlampamper auslutschen, wo?
Hausknecht. Jo nich sehen, kleener Müller! (ab in's Haus.)
Broschling. Nu seh' een Mensch an, wat sich hier schon vor'ne Masse Menschen versammeln, blos um Bräutjam un Braut zu sehen! (zu allen Umstehenden.) Meine Herrschaften männlichen, weiblichen und sächlichen Jeschlechts: ich kann Ihnen uf Ehre versichern, deß ich nich der Bräutjammer bin! Ich mache ihm blos uf. Ick bin die poetsche Fijur, die ihm die erste Pforte zu seiner Seligkeit öffent. Ob er nachher jut mit des Mächen fahren wird, det hängt nich von mir ab.
Hulda's Zimmer.
Hulda. (Sie verriegelt die Thür des Zimmers, knieet nieder, faltet die Hände und blickt mit thränenden Augen durch das Fenster zum Himmel empor.) Du liebes, großes, erhabenstes Wesen, freundlicher, ewiger Gott! Zu Dir ruft heut meine tiefbewegte Seele in gläubiger Hoffnung. Lass' mich den milden Strahl Deiner Sonne, den Du mir durch die Blumen meines Fensters sendest, für einen Boten Deiner Gnade halten; lass' es wahr sein, was er mir licht meinem Geiste, warm meinem Herzen zuspricht: daß meine Ehe eine süße, glückliche, eine gesegnete werde! Wie oft ich auch gefehlt, gesündigt haben mag: Du reine Tugend kannst nicht durch Menschlichkeiten so tief beleidigt sein, daß Du dem Reuigen Deine Verzeihung, Deine väterliche Huld und Gnade versagen müßtest. Ewig wie Dein Athem ist Deine Liebe! O so höre auch mich, Du Unerforschlicher, den Alles, was blüht und denkt, anbetet; höre auch mich, die ich im Staube vor Dir liege, und meine bräutlichen Hoffnungen und Wünsche zu Deinem lichtumflossenen Thron der Barmherzigkeit emporsende! Segne und weihe mich durch die Hand des Priesters vor Deinem heiligen Altare zur edelsten Gattin; verschmelze mich mit meinem Geliebten, daß wir uns Eins fühlen und denken, daß Keiner ohne den Andern leide, Keiner sich ohne den Andern freue; verwandle die blühende Myrthe, die Krone meiner Weiblichkeit, in Immortellen der reinsten Treue, der höchsten Freundschaft; gieb mir blühende und gute Kinder, und lass' mich ihnen Mutter sein in ihrer heiligsten Bedeutung! (Sie richtet sich auf und trocknet ihre Thränen.)
Herrn Buffey's Zimmer.
Buffey. (ist so eben mit seinem Anzuge fertig geworden, stellt sich vor den Spiegel und spricht, lispelnd, zu seinem Hausdiener.) Na wat sagste, Friedrich? Was? He? Wie seh' ich aus; wie mach' ich mir; wie is meine Positur, nennt man des? Was?
Friedrich. (lächelnd.) Ja, Herr Buffey, mir müssen Se nich nach so wat fragen. Ick habe jar keenen Jeschmack nich; ich finde, det Sie recht jut aussehen.
Buffey. So, findste des wirklich? (Er dreht sich um und versucht, seine Rückseite im Spiegel zu sehen.)
Friedrich. Ja, det find' ick. Un worum sollten Sie ooch nich jut aussehen? Sie haben die jehörige Korpolenz, des Duch is fein, en weißes Halsduch un ne Masse Jold un Brillanten an'n Leibe: da muß der Deibel jut aussehen!
Buffey. So? Nanu sage mal, Friedrich, hab' ick denn nu ooch den jehörijen Anstand zum Schwiejervater, so, was man so Würde nennt, heeßt des? Wie? Seh mal her, ob Du so was von Majestät an mir bemerkst?
Friedrich. Ne! Wenigstens ick finde Ihnen janz gewöhnlich, bis uf des, deß Sie en neues Habiet anhaben.
Buffey. Nich? Keene Würde? (er macht ein ernstes Gesicht, steckt die rechte Hand unter den linken Westenflügel, und streckt den rechten Fuß etwas vor.) Na, wieden nanu? Is nu Würde da?
Friedrich. (ihn genau betrachtend.) O ja, so jeht es. Des heeßt natürlich, fürchten dhut sich Keener vor Ihnen; ick wenigstens nich.
Buffey. Friedrich, ick will Dir sagen, Du bist zu einfältig; Du hast, was man so nennt, keine Bejriffe nich; Dir hat der Himmel mit Dummheit jesejent. Et is hier keineswejes die Rede von Furcht, die ich einflößen will, sondern ich will Anstand einflößen, Würde, Respekt, des is es, un des fühl' ich, deß ich des kann; des macht schon mein Alter, vierunfufzig, des jräuliche Haar, der Anzug und eine jewisse Jravität, die mir anjeboren is. – Sage mal, Friedrich, um uf was Andres zu kommen, wie steht et um de Wirthschaft? Is de Choklade jebracht vor de Brautjungfern, is der Kuchen jekocht, is der Wein un der Champagner alle da, wird Meinhardt unter'n Linden das Essen zu rechter Zeit schicken, des Dinee, nennt man des, was?
Friedrich. Allens in Ordnung, Herr Buffey; et fehlt nich de Spur mehr, meinswejen können Sie jeden Oojenblick heirathen.
Buffey. Rede nich so dämlich, Friedrich; ich werde mir nich mehr verehlichen, denn ich bin in's elfte Jahr Wittwer, un ich dhu des ooch meinen Kinder wegen nich, damit sie nich stief werden. Aber meine Hulda verheirathet sich an den Doctor Flitter, un des kann sie, denn sie is ausjewachsen und versteht die Wirthschaft. Un außerdem kann ich ihr ooch was mitgeben, des heeßt eine Mitjift, nennt man des, des kann ich, ich habe was, Jott sei Dank! Ich bin Bürger, bin ich, Rentier!
Friedrich. Aber hörn Se mal, Herr Buffey, des wird Ihnen doch schwer ankommen, det Sie sich von das liebe Fräulein Hulda trennen sollen.
Buffey. Ne des macht sich, Friedrich. Sie bleiben hier in Berlin, wohnen in meine Nähe, ziehen de nächste Ostern janz un jar in mein Haus, wenn meine oberste Etage leer wird, un denn sehen sie mir jern, Hulda sowohl wie mein Schwiejersohn, mein Eidam heeßt des; sie jeben was uf mein Urtheil über alle Verhältnisse, un haben mir jesagt, je öfter ich zu ihnen käme, je besser. Auf dieser Weise macht es sich. Un denn hab' ich ja noch den Willem, un da hab' ich 'ne Beschäftjung, denn den erzieh' ich, davor bin ich Vater, ich bilde ihn als Kind vor die menschliche Jesellschaft aus. Apropos, seh' doch mal nach, ob der Junge noch nich anjezogen is, un schick'n mir her.
Friedrich. Scheen, Herr Buffey! (geht hinaus.)
Buffey. (allein.) Es is durchaus nöthig, deß ich mir meine Rede als väterlicher Sejen noch ein Mal in Jedanken durchgehe; denn des läßt einen Eindruck zurück, der uf sone jungen Leute von die wohlthätigsten Wirkungen sein könnte. (Er geht mit wichtiger Miene im Zimmer auf und ab, und spricht leise vor sich hin.)
Wilhelm. Hier bin ich, Vater.
Buffey. Stille!
Wilhelm. Der Friedrich hat mir jesagt,...
Buffey. Stille sollste sind, dummer Junge!
Wilhelm. Ja, aber der Friedrich hat mir doch jesagt...
Buffey. Verdammter Bengel, Du sollst stille sind, sag' ick Dir! Wenn ick mit meinen väterlichen Sachen fertig bin, denn kannste 'ne Maulschelle kriejen, verstehste! (Er spricht noch eine Weile vor sich hin, dann tritt er an Wilhelm heran.) Nu laaß' Dir mal besehen, wie Dir des neue Habiet sitzt. Na, Du machst Dir. (Etwas zerstreut.) Aber nu nimmste Dir ooch inacht, deß Du die Kleidungsstücke nich schief loofst, un Dir die Stiebeln nich jleich voll machst! Denn Dir braucht man blos ein neuet Habiet zu koofen, wenn man't in'n Oogenblick ruinirt haben will. Ick wer Dir künftig alte Kleeder koofen, villeicht machste die wieder neu. Jetzt jeh' wieder hinter, un bereite Dir uf unsere Hochzeit vor. Wenn't nachher so weit is, denn fährste mit mir in meine Kirche nach de Kutsche... Kutsche in de Kirche... na des is ejal!
Vor der Hausthür.
Broschling. Fritze, ick sage Dir, Du mußt Dir jeirrt haben. Du hast Dir jeirrt, wie Der, der sich mit's Barbiermesser inseefte, un mit'n Pinsel de Haare abkratzen wollte. Die Hochzeit wird woll erscht um zwölwe losjehen, nich um elwe? Du hast Dir 'ne Stunde zu früh verheirath't, Fritze! Anjetzt is et noch nich beinah halb Elwe, un et sind erscht zwee Stück Brautjungfern anjehupft jekommen. (zu den Frauen.) Hör'n Se mal, meine Damen, wat ick Ihnen sagen wollte: wenn ick mir mal in den heilijen Ehestand treten lasse, denn sollen Sie Alle meine Brautjungfern werden, Alle, wie Sie da sind; wobei ick überjens en Ooje zudrücken will wegen Dieses un Jenes. Wat meenen Se, wie ick mir in den Myrthenkranz machen werde, wat? Ich, mit veilchenblaue Seide, wo? Un in des tugendhafte weiße Atlaskleed mit jroße Puffen un Puketts von Rosen unten rum! Na überhaupt, wer mir kriegt, der kann lachen.
Hanne. (höhnisch.) Ja, des jloob' ich!
Broschling. Nich wahr, Fräulein Kastrolle von Feuerheerd? Na, un nu müßten Sie erst meine Tugend kennen, hurrje die Tugend! Ick sage Ihnen, Fräulein Kastrolle (die Andern lachen), wenn Sie alle Unschülde der Welt zusammenschmelzen, so kommt noch lange keene solche Tugend wie meine raus. Aber natürlich, wenn einen so'n herrliches Pfund anvertraut is, wat so vielen Leuten fehlt, so muß man wohlthätig sind, un des war ich; ich habe hier un da von meine Tugend en paar Loth mitjetheilt, un ick sage Ihnen, so mancher Jejenstand looft in de Welt rum un jibt meine Tugend für seine aus. Herrjees, meine Damen, ich habe janz verjessen, deß ich en Mannsperson bin; ich habe mir so janz un jar in die Braut hier oben hineinjedacht, deß ich mir selbst als Jungfrau schmeichelte.
Frau Schmedewald. Was sagen Sie dazu, Madam Selbacken? Muß einen hier so'n Kutschenufmacher annijieren!
Frau Selback. Ach Jott, man muß jar nich hinhören. Wenn man so'nen Menschen erst zeigt, deß man druf einjeht, denn kramt er Allens aus, was er unter de Seele hat.
Frau Schmedewald. Nu sehen Se sich aber mal um, liebe Madam Selbacken, was hier vor'ne Menge Frauen un Mächens stehen, blos, um des Bisken Braut un Bräutijam zu sehen! Sollte man es jlauben, deß die Menschen alle so viel Zeit zu verschwenden haben?
Frau Selback. Ja, es is erstaunlich. Aber: sehen Se mal, da fahren eben wieder zwee Brautjungfern zu de Krone vor! So, jetzt steijen se aus. Nu sehn Se mal, Frau Jevattern, was die eene vor 'ne propre Armbänder um'n Arm hat! Aber, wissen Se, die Masse Blumen in's Haar, des macht sich schlecht; des sieht ja aus, als ob se welche zu verkoofen hätte.
Broschling. (hat den beiden jungen Damen die Kutschenthür geöffnet, sieht ihnen nach und macht einen tiefen Knicks hinter ihnen.) Empfehl' mich Ihnen jehorsamst, meine Fräuleins; besuchen Sie mir bald wieder! (wirft einen Kußfinger.) Dunnerwetter, die eene, des is en schönes Mädchen, die hat mir ein blankes Zweijroschenstück schmachtend in meine zarte Patsche jedrückt. Einen Wuchs hatte sie wie eine Jupitern, rabenblonde Locken, Augen wie'n paar Leuchtkugeln, Wangen wie Rosen knos pen, Lippen wie Lippen, und einen Fuß hatte sie, einen Fuß! So klein wie 'ne Birne, und der andere war noch kleener. – Ach, und eune Nachtijall ließ sie los; eune Nachtijall ließ sie los, wie ich ihr ufmachte und sie »Hier!« sagte, und mich dabei das zarte Zweijroschenstück in die Lilienhand drückte: o Jott! ich könnte ihr lieben, wenn es nich jejen meine Jrundsätze wäre. Denn Sie müssen wissen, meine Herrschaften, ich reise nach des jlückliche Baiern und jehe als Nonnerich in ein Kloster.
Ein weibliche Stimme. Wenn Sie man erst da wären!
Broschling. Jungfrau außer Diensten, dieser zarte Wunsch kann bald in Erfüllung jehen. Was sehr jut wäre, wäre des, wenn Sie früher ooch des jedhan hätten. (sich umschauend, zu seinem Collegen, der kein Wort spricht.) Stille, Fritze, schrei nich' so, da kommt wieder en Wagen mit Brautjungfern! Halt Dein Maul, Fritze, sei endlich mal ruhig, hier jibt et wat zu verdienen, wenn't möglich is... Brrr!... Halt't stille, Pferdekens, Broschling will Jröschkens verdienen, brrr! (zum Kutscher.) Ju'n Morjen, ju'n Morjen, Joseph! (springt zu, macht schnell die Thür auf, reißt den Tritt herunter und steckt das Geld ein, das ihm von einer Dame gereicht wird.)
Alle. Ah! Ah, die war schön angezogen! Ah!
Broschling. Bee!
Fritz. (fragend.) Wo vielden?
Broschling. Eenen, Münze!
Fritz. Ach herjee!
Broschling. Ja!
Fritz. Vor den Putz kann se't Jeld wegschmeißen, aber die Leute vor ihre Arbeet anständig belohnen, damit stuckert et.
Broschling. Sehre stuckert et, Fritze; aber ick will Dir sagen, Fritze, det schadt nischt: dadrum kenne Feindschaft nich, Fritze! Wenn ick man bejreifen könnte, worum der Bräutijammer nich kommt! Der Mensch denkt jar nich dran, det uns die Traue in de Kirche ooch wieder ufhält; det uns hier villeicht vor eenen lumpijen Dhaler en halber Dag verloren jeht! Na, ick will Dir sagen, Fritze, sei janz stille: eens tröstet mir dabei, det uns nämlich immer noch so viel Zeit nachher bleibt, des Jeld durchzubringen. (Sich umdrehend, zu den Frauen.) Sagen Sie mal, meine Damen, wat sagen Sie'n dazu, deß der Bräutijammer jar nich kommt? Wie is darüber Ihre Meinung. (zu seinem Collegen.) Merkwürdig is des, deß mir nie eene antwort't! Aber det schadt nischt. (zu den Frauen.) Nich wahr, meine Damen, eijentlich wäre es recht, wenn man den Bräutijammer einen Streich spielte, weil er uns hier so lange warten läßt? Wo? Was meenen Sie dazu, wenn ich rufjinge, un ihm die Braut noch wechzukapern versuchte? Wo? Schön bin ich, und wenn auch in einer Hülle, die ihr meine niedrige Stellung als Kutschenöffner verrathen könnte, so blickt doch meine erhabne Natur aus jeder Bewejung hervor. Oder jlooben Sie etwa, meine Damen, deß ick, wie ick bin, un wie ick mir fühle, vor irgend eenen Menschen in dieser Welt aus wirklichen Respekt die Mütze abnehme! Fällt mir nich in! Jlooben Sie, deß ick davor kann, deß meine Eltern zeitlebens keen kleenes Jeld bei sich hatten, un ich von Jugend an nischt lernen konnte, sondern was verdienen mußte, damit wir nich verhungerten?... Unter andern Umständen wär' ick villeicht ein Napoljon geworden. (Gelächter.) Ja, da is nischt zu lachen, des verhält sich wirklich so. Machen Se mal en Exempel, meine Damen. Nehmen Sie die Summe: Napoljon, un nu ziehen Se des Jlück ab, bleibt: ein jescheidter Mensch. Ein jescheidter und muthijer Mensch, den nachher Milljonen Jescheidtheiten und Müthe anjerechent wurden. Na also, wat war er nu jroß mehr als ick? Jescheidt bin ick ooch, aber ich muß Kutschen ufmachen, un wenn ick hier mal noch so'n bisken Napoljon sein wollte, so würde mir die Polizei schon zu Anfang nach Elba bringen, welches uf Deutsch Spandow heeßt, un uf Berlinsch: übern Berg. Also, wie jesagt, aus wirklichen Respekt nehm' ick vor keenen eenzijen Menschen meine Mütze ab. Ick dünke mir accurat so jroß un so kleene wie jeder Andere, un wenn der Bräutijammer nich bald kommt, so kann er mir nachpfeifen, wenn er nachher 'ne Braut haben will.
Charlotte. (Buffey's Dienstmädchen, hat die Schürze voll Sand und drängt sich durch die Gaffer.) Erlauben Se doch mal! Wahrhaftig, det is, als ob wir die neujierijen Leute noch bitten müßten, ob hier nich 'ne Hochzeit stattfinden dürfte.
Broschling. Was woll'n Sie'n, herrliches Mächen für Alles, leider nich für mich? Aha, Sand streuen vor de Dhüre, im Fall es rejent? (sieht zum Himmel hinauf.) Ja, allerdings, es munkelt en bisken; es könnte binnen hier un neununfufzig Minuten einen Pladderadautsch jeben. Aber ich jloobe nich, deß es regnen wird,... un des prophezeihte die arme Braut ooch Unjlück. Denn so viel Droppen Regen während der Zeit in den Myrthenkranz fallen, während sie nach de Kirche fährt, so viel Thränen in der Ehe bedeut't des. (sich umdrehend.) Herrjees, da kommt endlich der Bräutijammer!
Alle. Ah, endlich!
Hulda's Zimmer.
Hulda. (schön geputzt, die blühende Myrthenkrone auf dem Kopfe und einen Zweig dieser Myrthe in der Hand, steht lächelnd im Kreise ihrer Brautjungfern, läßt sich von allen Seiten mustern, und nimmt die Lobeserhebungen über ihre Schönheit mit freundlicher Miene auf.)
Eleonore. Du bist ein leibhaftiger Engel, Hulda!
Auguste. Ach, wer erst so aussähe!
Julie. O, warte mal, die eine Rose da unten hat sich ein wenig verschoben. (Sich mit dem Kleide beschäftigend.) Sie neigt sich beschämt vor ihrer Fürstin.
Marie. Aber jetzt, Kinder, ist es Zeit, daß wir ihr unsere Blumen streuen, unsere Wünsche sagen, und dann die nächste Braut abtanzen.
Henriette. Ja, ja, es ist die höchste Zeit! (Hulda küssend.) Eh' der häßliche Bräutigam kommt, der uns die liebste Schwester fortheirathet.
Hulda. (Sie wieder küssend.) Aber bleiben wir denn nicht Schwestern?
Henriette. Ach nein, nein! (fast weinend.) Ihr Frauen liebt Eure Männer immer mehr als uns, und wenn Ihr gar erst...
Marie. Kinderchens, ich sag' es Euch nochmals, es ist die höchste Zeit. Fort da, Henriette! Hulda bleibt allein in der Mitte stehen, und wir kommen Eine nach der Andern, werfen nach und nach einen Kranz von Blumen um sie herum, küssen die schöne Braut und sagen unsre kurzen Wünsche. (sie placiren sich.) Philippine, fang' Du an, ja?
Philippine. Recht gern! (Sie geht zu Hulda, streut Blumen zu ihren Füßen und spricht, sie küssend:)
Ich wünsch' Dir so viele frohe Jahren, Als Blumen in diesem Frühling waren! |
Auguste. (streut Blumen zu Hulda's Füßen, küßt sie und spricht unter Thränen:)
Ich wünsch' Dir so viel Wohlergehn, Als Sterne an dem Himmel stehn! |
Henriette. (ebenso; kann vor Schluchzen kaum sprechen.)
Ich wünsch' Dir so viel Liebeslust, Wie Tugenden in Deiner Brust! |
Marie. (streut Blumen, küßt Hulda und spricht heiteren Gesichts, aber herzlich:)
Ich wünsch' Dir so viel Mutterglück, Daß Du Dich nimmer sehnst zurück! |
Julie. (ebenso.)
Ich wünsch' Dir so viel schönen Tag, Als je ein Herz nur hoffen mag! |
Eleonore. (schließt den Kreis mit ihren Blumen, drückt die süßbewegte Hulda stürmisch an ihr Herz, küßt sie und spricht:)
Ich wünsch' Dir so viel Seligkeit, Als droben der Himmel weit und breit! |
Hulda. Ich danke Euch, meine lieben, lieben Freundinnen!
Marie. Und nun wird die nächste Braut abgetanzt!
Alle. (in die Hände klatschend.) Ach ja, ja!
Marie. Eleonore, haben Sie die Güte, der Braut dies Tuch um die Augen zu binden. (Eleonore thut es.) So,... und nun stellt Ihr Andern Euch Alle um sie herum, bildet mit Euren Händen einen großen Kreis und tanzt, ohne ein Wort zu sprechen, so lange, bis Hulda den Myrthenzweig, welchen sie in der Hand hält, einer von uns reicht. Die ist die nächste Braut! (Es geschieht, wie Marie angeordnet, Hulda reicht den Myrthenzweig: das Loos trifft Henrietten.)
Die Andern. Ah, Henriette!... Henriette ist die nächste Braut!
Hulda. (nimmt das Tuch von den Augen, geht zu Henrietten, die beschämt vor sich hin blickt, umarmt sie und spricht:) Der Himmel lasse geschehen, was dieser poetische Aberglaube verspricht; er mache Dich bald zu einer glücklichen Braut, zu einer so glücklichen Braut, wie ich es bin.
Buffey. (von außen.) Is es nanu erlaubt, Kinderchens? Der Bräutjam is bereits bei weje, un is es Zeit!
Alle. Nur herein, herein!
Buffey. (mit Flitter und Wilhelm eintretend.) Na, is de Krone vorbei? Nu sagen Sie mir, meine Damen, sind Sie denn ooch orndtlich mit Choklade un Kuchen bedient worden, rejalirt, deß keen Mangel war?
Die Mädchen. Wir danken schön, Herr Buffey!
Flitter. (Hulda die Hand küssend.) Meine süße, süße Braut! (Sie blicken sich stumm in die Augen.)
Buffey. (unruhig auf und ab gehend.) Wie jesagt, es is Zeit. (für sich.) Mein väterlicher Sejen muß anjetzt losjehen. (laut.) Des is recht, meine jungen Damen, deß Sie sich Ihre Dücher umnehmen. Die Brautkutsche wart't schon 'ne halbe Stunde unten, un mehr is es nich nöthig; so muß es sind, des is Styl, nennt man des. (Er zieht sich die Weste glatt.) Ja! (für sich.) Nanu kommt es! (stößt im Auf- und Abgehen gegen Wilhelm.) Herrjees, dummer Junge, komm' mir nich zwischen de Beene! Jrade jetzt, wo ich innerlich beschäftigt bin! (wendet sich entschlossen zum Brautpaare.) Na nu seh' mal een Mensch, wie Die dastehen un sich ansehen; accurat so, als ob sich Jeder in den Andern 'reinsehen wollte! (Nach einer kurzen Pause.) Jetzt müssen wir abfahren; jetzt will ich Euch meinen...
Wilhelm. (ihn unterbrechend.) Vater, ich fahre mit Dir, ja?
Buffey. (fährt erzürnt auf Wilhelm los und führt ihn in eine Ecke des Zimmers; etwas leise:) Hier bleibste stehen, bis mein väterlicher Sejen vorüber is; – un wenn De een Wort damang sprichst, denn segn' ick Dir ooch, verstehste? Mit Maulschellen, nennt man Des! (kehrt um, geht ein wenig gravitätisch zu den Brautleuten und legt segnend seine Hände über sie; leise zu Flitter.) Bücken Se sich en bisken (laut, langsam, mit vielem Ausdruck.) Meine jeliebte Tochter, mein jeliebter Eidam! Es is einer der wichtigsten, ja, es is der wichtigste Augenblick, wo eine Hochzeit is. Der Predijer wechselt Eure Ringe; dieses sind die joldnen Ringe einer joldnen Kette, die um Eure Herzen un um Euer janzes Leben jelegt wird. (Pause.) Es is diese heilije Stunde..., wie jesagt, der wichtigste Augenblick des Lebens. (Er läßt allen Versammelten Zeit, über die Wahrheit dieser Behauptung nachzudenken.) Meine jeliebte Tochter, mein jeliebter Eidam! (Ganz kurze Pause.) Ihr seid meine Kinder! Wie wolltet Ihr, – – – Du sowohl, meine jeliebte Tochter, wie Sie, mein jeliebter Eidam, jlücklich sein könntet, – wenn, wenn, (sehr schnell.) wenn Ihr den väterlichen Sejen entbehrt. (gerührt.) Ich jebe Euch hiermit von janzen Herzen meinen väterlichen Sejen, wünsche Euch Jlück und Heil und Jesundheit, und damit Jott befohlen! (Er küßt sie, trocknet sich eine Thräne, geht zu Wilhelm und führt diesen mit Anstand und Würde aus dem Zimmer.) Nanu komm', Willem!
Vor der Hausthür.
Frau Selback. Des weeß der liebe Jott, deß Die aber ooch jar nich aus de Kirche kommen!
Frau Schmedewald. Ja, man kann denn doch am Ende ooch nich den janzen ausjeschlagnen Dag hier zubringen! Un wenn man die Jäste nich sieht, denn hat man so viel wie jar nichts nich jesehen; denn die Braut war recht niedlich; sie hat sich sehr schön rausputzen lassen, – denn Natur war des nich Allens, Frau Jevattern, des können Sie mir jlooben, – un der Bräutijam is en recht feiner Mensch; haben Sie jesehen, er jrüßte uns förmlich un lächelte dabei, un der Schwiejervater, der Herr Buffey, des is ein sehr imporsanter Mann mit seinen kleenen Jungen, un die Brautjungfern, unter die waren welche recht hübsch, vielleicht hübscher als die Braut, denn bei die machte, wie jesagt, ooch des Kleed den Mann: aber, sehen Se mal, die Jäste muß man doch... ah, da kommt 'ne Kutsche um de Ecke! Die erste, wo's Brautpaar drinn sitzt! Un da de zweete! Richtig, des sind se!
Broschling. (springt von der zweiten Kutsche, die von der Kirche zurückkehrt, herunter.) Jesejente Mahlzeit, meine Damen, wenn Sie ooch noch nich jejessen haben! Na, immer noch im Jeschäft hier? Nu warten Se man; nu machen wir zum letzten Mal die Kutschen uf; denn sind Sie erlöst; denn können Sie nach Hause jehen; denn is Feierabend, meine Damen! Na, brrr! brrr! Sei stille, Fritze, schrei' nich so, spute Dir: des Kutschenaufmachen muß so schnell jehen wie't Honorarnehmen! – Ick danke Ihnen, bester Herr! – Schön Dank, bester Herr! – (geht einem Herrn nach.) Na, wie is et'n, bester Herr? Sie haben jefälligst vergessen, sich mit mir abzufinden.
Doctor Frosch. Ach, ich habe Ihm schon vor der Kirche gegeben!
Broschling. Na ja, bester Herr, des war vor des Ufmachen; aber nanu hab' ick Sie wieder jeöffent!
Doctor Frosch. (steigt die Treppe hinauf.) Laß' Er mich in Ruhe! Ich pflege mich nicht mit der Populace zu unterhalten.
Broschling. I Jott, um Ihre Unterhaltung war't mir ooch nich zu dhun, sondern contraire im Jejentheil: um meinen Unterhalt. (ihn nachahmend.) Popülaas? Was meent'n der vornehme Schaafskopp mit Po–pü–laas? Als wie: mir? (schaut die Treppe hinauf.) Na warte, Du laaß Dir wieder wo sehen, Dir wer' ick bepopülaaßen! Dir stech' ick 'ne Schwalbe, deß Dir alle Schaam, die Du über Dir nöthig hast, uf de Wange treten soll! Un wenn De meenst, det eene Schwalbe noch keenen Frühling macht, denn können noch mehrere anjeflogen kommen. In meine Hand logiren im Winter 'ne Masse Schwalben, un in die andre Jahreszeiten ooch. Un meine Schwalben, des is 'ne aparte Art: die pfeifen! Die schlagen wie 'ne Nachtijall, un wirbeln wie 'ne Lerche um't Morjenroth. Popülaas! So'n Kerl, wie Du bist, den bestreicht man in'n Sommer mit Fliejenjift un stellt'n in de Stube, un in'n Winter legt man ihn als Strohdecke vor de Dhüre: zu weiter bist Du zu nischt zu jebrauchen! Popülaas! Ick jloobe, der jute Junge bild't sich jar wat in, wie? Von eenen un denselben Schöpfer, Jeburt wie ick, Dod wie ick, un in de Mitte mehr als ick? Ne, juter Junge: Stoob is Stoob! (kehrt um und tritt vergnügt vor die Thür.) Na, meine Damen, wie is et; wollen Se schon aufbrechen? Na was haben Sie zu die Jäste jesagt? Schöne Mächens drunter, propere Kinder, allens was recht is, propere Kinderkens! (zu seinem Collegen.) Fritze, zähle mal immer nach, wie viel Du in Deine Durscht- und Schulden-Tiljungs-Kasse hast! (zu den Frauen.) Meine Damen, der eene Herr, nich wahr, der war sehr pockennärbig, wie? Der hat mit det Jesicht ufn Rohrstuhl jesessen. Aus Versehen, natürlicherweise. Sei janz stille, Fritze, un mach' Dir fertig, wir jehen jleich. I Herrjees, meine Damen, Sie wandeln schon? Ne was wer'en sich Ihre Männer wundern, deß Sie schon wieder da sind! Atje, meine Damen, leben Sie recht wohl, ich empfehle mich Ihnen jehorsamst; wenn Se mal wieder was brauchen, haben Se de Jüte. Ick wohne Nachts unter de jroße Kanone bei't Zeughaus, damit mir kein Dieb wat weg nimmt, un am Dage bin ick janz sicher uf de Straße zu treffen; Sie brauchen man zu klingeln. (ihnen nachrufend.) Hören Se mal, meine Damen, wat ick Ihnen noch sagen wollte! Kommen Se doch morjen früh um Zehne nach de Springerbude uf'n Exercierplatz, hör'n Se! Da heirath't der Apoll von Dhierjartens die Siejesjöttin von's Brandenburjer Dhor, da kann et hübsch werden!
Bei der Tafel.
Buffey. Vorher, vor die Trauung, war mir sehr rührend, sentemental, nennt man des; aber jetzt, nu de Kirche vorbei is, hier bei de Tafel, bin ich äußerst jlücklich un heiter,... (leise zu Hulda.) ohne mir überjens was als Schwiejervater zu verjeben.
Registrator Pike. Natürlicherweise, lieber Buffey: bis jetzt galt es dem Himmel, was wir heut thaten, von nun an uns.
Buffey. Wie so? (sich zu seiner Linken umdrehend.) Willem, so jeht des nich; ick wer' Dir mal erscht de Cerfjette um'n Hals zusammenbinden, denn sonst beschmuddelst Du Dir des neue Habiet. So!... Hör' mal, Friedrich!
Friedrich. (hinter ihm.) Herr Buffey?
Buffey. Jib mir mal von da hinten noch so eene Muschel en Kokilch her, hörste? Des is sehr fein, des Zeugs, nich wahr, Pike? Un, sage mir mal Pike, wie schmeckt Dir der Rothwein, wie?
Pike. (leert ein volles Glas.) Meine Meinung über die Qualität des Weines soll die Quantität meines Trinkens aussprechen.
Buffey. (lachend.) Aha, merkste was! Un nachher jibt es ooch noch Champagner. Ja, des versteht sich, des kann ich. Wenn ich es nich könnte, wär' es was anders. Aber als Brautvater hab' ich die Hochzeit auszurichten, un wo es mal druf ankommt, da bin ich da, da is Vater Buffey uf'n Platz, heeßt des. Hochzeit is man een Mal, un so jlücklich, wie ich heute bin.... aber Willem! Komm mal her! (Er dreht seinen Sohn zu sich herum, und beschäftigt sich an ihm mit seinem Schnupftuche.) So! (ihm in's Ohr.) Des passirt mir noch mal, denn fliegste von'n Disch weg, verstehste? (laut.) Ich freue mir man, deß schon Allens so hübsch bei Humor is. Seht mal, Kinder, wie die da unten lachen! Un Du, Hulda, unser Cousin, der Bauconducteur, der macht eine von Deine Brautjungfern, die Henriette, höllisch de Cour. (nach einer kurzen Pause.) Ne wie die da lachen, hehehehe! (rufend.) Hör' mal, Kugel, worüber lacht Ihr'n da so?
Rentier Kugel. (sehr laut, im tiefsten Baß) I, hohohoho! Der Jelbeding hier neben mir, der frägt vorher, wo die Sauce wäre, un da antwort't ihm Lehmann: sie is den Weg alles Fleisches jejangen. Hohohoho! (Allgemeines Gelächter.)
Flitter. (leise zu Hulda.) Daß auch gerade die schönste Braut, welche ich in meinem Leben gesehen, mein sein muß!
Hulda. (leise.) Dies Compliment lebt, wie mancher Schmetterling, nur einen Tag. – (schelmisch drohend.) Morgen bin ich Dein Weib, und bleibe es lange, lange!
Flitter. War mein Lob vorher ein Schmetterling, so sei meine Antwort jetzt eine Blume: Je länger, je lieber!
Hulda. Wirst Du mich immer wie Deine Braut behandeln?
Flitter. Nicht immer... aber immer, wenn Du es willst.
Hulda. Wirst Du niemals Langeweile neben mir empfinden?
Flitter. Lange weile! wird immer mein einziger Wunsch neben Dir sein.
Hulda. Wirst Du mir treu bleiben?
Flitter. (die Hand auf der Brust.) So treu wie die klopfende Herzensuhr meinem Leben, wie mein geborgter Staub der Erde, wie die Erde der Sonne, wie die Sonne dem Himmel, wie der Himmel dem Schöpfer, wie der Schöpfer sich selbst. Eben so treu wie die Untreue den Weibern; treuer als Deine Schönheit Dir, treuer selbst als sie in meinen Augen bleiben wird, und treuer endlich als Dein Begehren meiner Treue dauern mag!
Hulda. Und gehört, mein theuerster Freund, dieser Schwur zu denen, die nicht gebrochen werden?
Flitter. Meine Hulda! Gäb's einen Schwur, der mit tausend Ketten an seinen Inhalt fesselte, ich würde mich mit so süßen Empfindungen zu seinem Sklaven machen, als sie mir Deine Liebe jemals bieten wird!
Buffey. (auf das Brautpaar deutend.) Ne nu bitt' ich Ihnen, meine Herrschaften, nu sehn Se mal des Schnäbeln von die Beeden an, dieses Jekose, nennt man des!
Doctor Frosch. Lassen Sie die Leutchen doch, mein würdiger Herr Buffey! Was sich davon hier nicht schickt, werden sie vielleicht nach einem Jahre, selbst wenn sie allein sind, wieder gut machen. (Sich mit wichtiger Miene umschauend.) Sie wissen, ich bin moderner Kritiker, und gehöre nicht jener alten Tendenz an, welche die Ehe noch vertheidigt.
Flitter. (mit artigem Ton.) Nun, Herr Doctor Frosch, das brauchen Sie uns kaum zu sagen. Sie sind wohl zu klug und zu kräftig, etwas zu vertheidigen, das nur von Buben angegriffen werden könnte.
Hulda. (schnell einfallend, indem sie lächelt.) Auch kann ja schon deshalb Niemand bezweifeln, daß unsere Ehe immer eine glückliche bleiben wird, weil wir niemals aus den Flitterwochen kommen können. (Allgemeines Gelächter.)
Registrator Pike. In der Kirche – Sie werden staunen, aber es hat seine Richtigkeit – fiel mir heute etwas ein. Eine Räthselfrage, deren Auflösung ich übrigens nicht übel zu nehmen bitte. Warum läßt man sich eigentlich trauen?
Hulda. Nun? Aus Religion oder Sitte?
Registrator Pike. Nein: weil man sich selbst nicht traut.
Hulda. Als Scherz nicht übel.
Buffey. Un als Ernst ooch nich. (sich umschauend.) Herjees, was is'n des?... Aha, da werden Jedichte ausjetheilt,... uns zu Ehren. Willem – aber Junge, jetzt is ja 'ne Pause, so eße doch jetzt nich! – seh' zu, deß De ooch een Jedicht kriegst, hörste?... Aha, Du, Hulda, Vetter Bramsche setzt sich an's Clavier, an Deinen Flüjel heeßt des! Des is herrlich, des Jedicht wird jewiß jesungen. (Es wird ihm ein Exemplar des Gedichts mitgetheilt.) Ich sage Ihnen meinen gehorsamsten Dank vor die Ehre (er liest.) »Dem Brautpaare.« – Richtig, wie ich mir's jedacht habe. (liest weiter.) »Nach der Melodie: Im Kreise froher, kluger Zecher.« Ne des is wirklich einzig, diese Aufmerksamkeit vor uns; besonders deß es auch nach eine Melodie, nach einer Weise jeht, damit man es singen kann. Ich bin sehr heiter gestimmt, sehr! Ich war nich so heiter auf meine eijene Hochzeit jestimmt... Willem, ich will Dir erlauben, Du kannst mitsingen; aber hüte Dir vor Mißlaute, vor Detoniren, nennt man des! Denn ich weeß es, Dir mangelt zuweilen die Melodie. Stille, jetzt jeht es los, jetzt bejinnt der Vorfall!
Sänger.
Schon wiegt sich hier beim frohen Mahle Der Freude schöner Schmetterling; Es strahlt im vollen Wein-Pokale Der Frohsinn als ein gold'ner Ring; Doch fehlt noch bei der Gläser Klang Des Herzens Sprache, der Gesang. |
Chor der Gäste.
Doch fehlt noch bei der Gläser Klang Des Herzens Sprache, der Gesang. So laßt im vollen Chor uns singen Dem schönen Tag ein herzlich Lied: Dem schönen Tag soll es erklingen, Den uns die Liebe heut beschied; Den sie umstrahlt mit ros'gem Glanz, Und schmückte mit dem schönsten Kranz. |
Sänger.
Fort mit der ernsten Wort-Posaune! Die Heiterkeit kennt keinen Zwang! Ich ruf' mit »Hoch!« die frohe Laune, Und rechne dann auf Euren Dank. Hoch! rufet All' und klingelt fein: Hoch lebe Flitter – und sein Wein! |
Chor der Gäste.
Hoch! rufen wir und klingeln fein, Hoch lebe Flitter – und sein Wein. |
Buffey. (leise zu Hulda.) Wie so Flitter? Ich jebe ja das Janze! Na des' schadt aber nischt, des macht nichts! (sich umdrehend.) Willem, laß' man sind, singe nich mehr; des jeht nich mehr; Du hast keinen Ton, Du triffst nich, nennt man des.
Chor der Gäste.
Des Sängers Wort hat uns gefallen, Doch war er nicht galant, der Thor: Der Braut muß gleich ein Hoch erschallen, Dem Lorbeer ziehn wir Myrthe vor. Das höchste Hoch sei Ihr gebracht, Auf der die Myrthe blühend lacht! |
Buffey. (Vor Freude nach derselben Melodie weiter singend.) Des is ja himmlisch... ach, Herrjees, stille!
Sänger.
Still! Still! Laßt doch nicht zu viel leben! Verloren geht die edle Zeit. Mein Sinn steht nach dem Saft der Reben, Der gibt mir meine Seligkeit. Der Bräutigam liebt seine Braut; Ich hab' den Wein mir angetraut. |
Chor der Gäste.
Auf daß Sie Beide glücklich leben, Darauf, Ihr Freunde, stoßet an; Ruft Vivat! daß die Wände beben, Der neuen Frau, dem neuen Mann! Blas't Musikanten, blas't geschwind, Bis die Trompeten heiser sind! |
Sänger (sein Glas hochhebend.) Die neue Frau und der neue Mann sollen leben, vivant: hooch! – Und abermals: hooch! – Und zum dritten Mal: hoooch!
(Starker Touche auf dem Klavier und Vivatrufen der Gäste.)
Buffey. (gerührt.) Ich will Dir sagen, Hulda: des eine Einzje paßt in des schöne Jedicht nich uf uns, wo sich der Dichter zum Schluß Trompeten zum Touche einjebild't hat, was man eine Fanfarre nennt. Wenn ich des jewußt hätte... an Trompeter fehlt es nich, un auf die paar Dhaler mehr oder wenjer wär' es mir ooch nich anjekommen.
Hulda. Laß' es gut sein, lieber Vater: das Klavier thut dieselben Dienste. Die schmetternden Trompeten wären in den kleinen Räumen sogar belästigend gewesen.
Buffey. Da haste Recht, mein Huldaken. (er trinkt.) Friedrich!
Friedrich. Herr Buffey?
Buffey. (etwas laut.) Bring' mal Champagner her, hörste?
Wilhelm. Vater, Du drinkst heute viel!
Buffey. Des jeht Dir nichts an, dummer Junge, des kann ich! (zum Registrator Pike.) Du hast keenen Bejriff davon, Pike, wie ich mir heute wonnig fühle! (reicht ihm eine Flasche Champagner.) Sei mal so jut, Pike, laß' den Proppen jejen de Decke knallen un schenke in,... des heeßt: in die Spitzjläser, damit er schaumt, moussirt! Paß' mal uf, Willem!
Registrator Pike. Mit Vergnügen, und das erste Glas soll auf Deine Gesundheit getrunken werden. (Er schenkt ein, steht auf und hält sein Glas in die Höhe.) Meine Herrschaften! (Es ist noch unruhig; er ruft stärker.) Meine Herrschaften!... Füllen Sie gefälligst Alle Ihre Gläser! (Bramsche geht nach dem Klaviere.) Haben wir Denjenigen leben lassen, der uns die schöne Braut nahm, so gebührt wohl mit Recht auch Dem ein Hoch, der sie uns gab. Der Mann, dessen Lebenswandel sich durch strenge Redlichkeit, Wohlwollen, ächte Freundschaft und regen Sinn für alles Schöne auszeichnet, einer der ehrenwerthesten Bürger Berlins: Herr Buffey, er lebe hooch! – ... Und abermals: hoooch! – ... Und zum dritten Male: hooooch!
(Touche und Vivatrufen.)
Lehmann. (den Schluß des Gedichts parodirend.)
Blas't Musikanten, blas't geschwind, Bis das Fortepjano heiser sind! |
(Allgemeines Gelächter.)
Buffey. (Tief ergriffen von dem Toaste, den ihm Pike brachte, trocknet sich die Augen.) Ne.... ne, ne Kinder, des is zu viel, des ertrag' ich nich! Ich habe diesen Tusch, den Du mir jebracht hast, Pike, ich habe ihn nich verdient, diesen To...ast, heeßt des. Willem, steh' mal uf, Du sitzt uf meinen Leibrock! (er steht auf, geht vor Rührung etwas unsicher um die Tafel herum zum Registrator Pike, und umarmt diesen.) Des verjeß' ich Dir nich, Pike!
Friedrich. Herr Flitter, Fräulein Buffey: da ist die alte Frau mit die Kinderschuhe. (Er präsentirt ihnen auf einem Teller ein Paar bunte, sauber gearbeitete Kinderschuhe.) Des is immer uf Hochzeiten so.
Flitter. O nicht doch! (Er gibt Friedrich einen Wink, sich zu entfernen.)
Hulda. Erlaube, lieber Freund, daß ich sie kaufe. Gib mir Geld, ich bitte!
Flitter. (thut's und küßt ihre Hand.) Mein süßes Weib!
Registrator Pike. (leise über den Tisch zu Hulda.) Bravo, bravo, schöne Braut! Wahrhaftig, Sie haben Herz und Kopf auf dem rechten Fleck! (zu Buffey, der neben ihm Platz genommen.) Deine Tochter ist ein Engel! (zu Hulda, sein Glas ergreifend.) Ich bitte, Hulda, stoßen Sie mit mir an; Sie auch, lieber, glücklicher Flitter! – Das Weib soll leben! Pereant die rohen Männer und die Gecken!
Buffey. Darauf stoß' ich auch mit an, (die Gläser klingen.) un trinke aus bis auf die letzten Droppen, was man Nagelprobe nennt. So!... Un nu steh' ich auf un mache die Runde zu meine Jäste; des muß ich als Brautvater. (indem er geht.) Ne, so selig bin ich in meinen janzen Leben noch nich jewesen; ich möchte alle Dage Döchter verheirathen, alle Dage! (für sich.) Ich muß eigentlich überall was Jescheidtes sagen, aber es wird nich jehen; der Wein is mir en bisken zu Kopf jestiejen, des is richtig, des is nich zu leugnen, des fühl' ich! Aber des schad't nischt: irjend etwas muß ich doch durch eine Aeußerung anrejen... Na, wie amiesirst Du Dir, Jelbeding?
Tischler Gelbeding. Prächtig, liebes Buffeyken, prächtig! Komm' her, altes Haus, wir müssen doch auch en Jlas Champagner zusammen drinken. (schenkt ein.) So! Da nimm! Na woruf denn nu jleich? Uf Deine Jesundheit un Dein Jlück als Jroßvater!
Buffey. Ach Herrjeses! (Er fällt Gelbeding um den Hals und küßt ihn.) Ne, wenn mir Des passirt, Jelbeding, denn sag' ich Dir, denn wer' ich verrückt vor Wonne! Daruf kannst Du Dir verlassen, Jelbeding, ich werde verrückt!
Kugel. (der zugehört.) I worum soll Dir'n des nich passiren, alter Schwede? Jloobst Du etwa, die jungen Leute...
Buffey. (ihn unterbrechend.) Ne, ne, stille, keene schlechten Witze! (Die Köchin kommt mit einer Schüssel, auf welcher Salz und Kaffee liegen, und sammelt von den Gästen Trinkgelder für die Dienerschaft.)
Kugel. Ach ne, da haste recht! Des is hier nich so mit uns, als wenn wir Abends in de Restration zusammensitzen. Aber mit mir anstoßen kannste doch mal, komm' her! So! Auf daß wir noch lange nich in den Himmel kommen! Un wenn wir endlich mal rufmüssen, daß wir uf verjnügte Kinder un Kindeskinder 'runterblicken!
Buffey. Ja, daruf drink' ich noch ein Jläsken! (thut's.) Obgleich mir schon, was man so nennt, en bisken dune is. Obschon objleich des Drinken sonst obgleich nich meine Sache is.
Kugel. Meine is et! Seh' Dir mal blos an, Buffey, – aber Du mußt keenen Schreck kriegen, alter Junge! – was hier schon für Flaschen vor mir ufjepflanzt stehen! Ich leide't nämlich nich, wenn ich drinke, deß eine Flasche wegjesetzt wird, denn der Mensch muß seine Leistungen übersehen können. Darauf kannst Du Dir nu überjens immer jefaßt machen, Buffey: unter sieben Flaschen hör' ick bei Hochzeiten nich uf. Bei Kindtoofen drink' ick man sechse, un bei Jeburtsdage fünfe.
Buffey. Ick kann Dir weiter nischt sagen, Kugel, als: es is da! – Ich würde mir zeitlebens einen Vorwurf machen, wenn hier Einer durschtig aufstünde. Herrjees, was is'n des? (Er ist mit Dragée beworfen.) Nu seh' een Mensch an, schmeißen Se mir!
Kugel. Des weeßte ja, des is nich anders, des dhu'n se immer uf Hochzeiten. Seh' mal, wie se Alle loslejen, als ob et hagelt! (Greift in seine Tasche.) Na, ick habe überjens 'ne jute Portion mitjebracht. Der zuerst jeschmissen hat uf Dir, des war Lehmann, ick hab't jesehen. Der soll von mir eine jute Faust voll jenießen! (Er nimmt eine Hand voll Dragée und wirft sie Lehmann in's Gesicht.) So, seh' Dir des kleene Zuckerwerk an, Lehmann!
Buffey. Herrjees, ne des is zu arg! Ne, des is doch zu arg! Seh' mal, Kugel, da hat mir Eene 'ne jroße Trommel von Kraftmehl jejen den Kopp jeschmissen!
Gelbeding. Mir wundert, deß es nich getrommelt hat.
Buffey. Ne, lieber Jelbeding: getrommelt hat es nich, (er nimmt ein Glas Champagner.) aber ick werde eenen pfeifen! (trinkt.) So! Was sagste zu den Witz, Kugel?
Kugel. I nu; vor Dein Alter war er nich übel.
Buffey. Uebrigens, der mir die Trommel an de Stirne jeschmissen hat, des war, wenn ich mir nich irre, da unten Vetter Bramsche. Du, Kugel, jib mir mal eine Faust voll Tragée, hörste? Es paßt sich zwar nich zu meinen Respect als Brautvater, zu meine Würde heeßt des, aber worum hat er mir so 'ne jroße Trommel jejen de Stirne jeschmissen! So, jib mal her. (Er nimmt die ganze Hand voll Dragée, zielt aber falsch und trifft mehreren von den Brautjungfern Hulda's in's Gesicht.)
Die Mädchen. Au! Au! Wer war denn das?
Buffey. Ach, du kriegst die Motten! nu hab' ich mir ooch noch verworfen! Des is 'ne hübsche Bejebenheit! Na da muß ich man wenigstens um Entschuldijung bitten, um Excüse. (Er geht auf einigen unbedeutenden Umwegen zu den jungen Damen.) Meine Damen: Sie entschuldigen! Ich bitte um Pardon, um Verzeihung: Ich war der Missethäter mit des Dragée, ich bin verworfen.
Die Mädchen. Hat nichts zu sagen, lieber Herr Buffey.
Marie. (ihm die Wangen streichelnd.) Sie müssen uns dafür einen Gefallen thun, bestes, einziges Brautväterchen!
Buffey. Na was denn, meine junge Damen, was denn? Ich will Ihnen jeden Jefallen dhun, der in meinen Kräften steht, meine Damen, den ich ausführen kann.
Die Mädchen. Wir wollten gern tanzen! Ach ja, tanzen! Liebster, bester Herr Buffey: tanzen!
Marie. Ich tanze auch mit Ihnen Papachen!
Buffey. Ne damit kann ich nich aufwarten, Fräulein Marie. Des jeht nich! Ich danze schon von selbst,... denn ich bin heute so seelensvergnügt, wie ich es in meinem janzen Leben nich jewesen bin. Ich bin keinesweges in meinen Leben so verjnügt jewesen, wie heute. Aber Sie sollen tanzen, des versteht sich, des is keine Frage! Es is Allens schon dazu einjericht; des Nebenzimmer is schon jestern Abend ausgeräumt, un Vetter Bramsche spielt dazu aufs Fortepjano. (ruft.) Friedrich!
Bauconducteur Teschen. (zu Henrietten.) Darf ich um die Polonaise bitten, mein schönes Fräulein?
Henriette. Mit Vergnügen!
Marie. (ihr in's Ohr.) Du, Du! Die Prophezeihung von heute Morgen fängt an sich zu erfüllen!
Buffey. (stärker rufend.) Friedrich!
Friedrich. Herr Buffey?
Buffey. Drage mal noch mehr Lichter da in das Zimmer rin, wir wollen jetzt danzen.
Friedrich. Schön, Herr Buffey!
Buffey. Wer danzen will, kann von de Tafel aufstehen, un wer noch sitzen bleiben will, der kann sitzen bleiben.
Marie. (mit einem Seitenblick.) Henriette will nicht sitzen bleiben. – Die tanzt eben so gern wie ich.
Mehrere Herren. Aber der Brautkranz muß bei der Polonaise abgetanzt werden! Herr Bramsche hat schon erklärt, nicht mehr als ein paar Tänze spielen zu wollen, und – Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.
Rentier Kugel. Ja, die Myrthe muß jetzt aus den schönen Locken fallen! Es is nu vorbei mit de Myrthe! Sie hält sich wohl im Topfe, verwelkt aber schnell auf dem Kopfe. – Wer die Krone hascht, hat das Recht, die Braut zu küssen. (zu seiner Umgebung.) Des heeßt: ich danze nich mit; denn erstens würde sich die Hulda vor meinen Kuß bedanken, un zweitens bin ich noch erst bei de sechste Flasche; ich bin noch nich mal mit's Kindtaufen zu Ende.
Flitter. Wollen wir denn auf den Scherz eingehen, Hulda?
Hulda. Wir müssen schon; die Opposition würde noch mehr auffallen. Du, lieber Freund, tanzt mit mir und wirst Acht haben, daß ich keinen Andern zu küssen brauche.
Bramsche. (indem er sich an's Klavier setzt.) Meine Herrschaften: die Polonaise beginnt!
(Musik und Tanz.)
Kugel. Heißa, Juchheideldumdei, des is heute en schönes Leben! Da danzt nu des junge Volk, un Alle sehen Se aus, als ob Se sich enander uffreßen möchten vor Liebe un Wonne.
Alle Tänzer. Ah, der Bräutigam hat den Myrthenkranz! Der Bräutigam küßt die Braut!
Kugel. Hurruh! Heideldidelditzkendei! Kinder, jetzt wird das Verjnügen erst so recht nach meinen Jout! Komm' her, Buffey, alte Seele, setz' Dir her, un drinke hier en Jlas Sellery-Mußjeh von de siebente Flasche mit mir. Jelbeding, Lehmann, rückt Alle näher an's Wachfeuer, Jungens;... wir müssen hier wo möglich die janze Nacht durch wiwakkiren. Wie is es'n Herr Registrator Pike, wollen Sie sich nich zu uns setzen?
Pike. Mit Tausend und Einer Freude! Wo der Wein fließt, das ist meine schönste Gegend. Da blühen die bunten Blumen der Freude; da erheben sich die Gebirge der Freiheit, da ist das grüne Mal des Gemüths, da leuchtet die Sonne der Wahrheit. Wein versöhnt und verschmilzt die heterogensten Dinge, zum Beispiel: Kugel und Pike. (Lautes Gelächter. Im Nebenzimmer wird eine Galoppade getanzt.)
Buffey. (steht auf, macht aber dabei so merkwürdige Manöver, daß er zwei Gläser zertrümmert, und eine Flasche Wein umwirft, deren Inhalt über den Tisch fließt.) Das schadt nichts! Des kann ich, davor bin ich Rentier, und davor is meine Seligkeit ohne Jrenzen! (legt seine Hände auf Pike's Schulter.) Du hast Deine Meinung über den Wein jeäußert, was man Urtheil nennt. Ich wer' Dir mein Urtheil mittheilen, werd' ich Dir! Ich werde eine Rede halten. (indem er mit beiden Händen fortwährend durch starke Schläge auf Pike's Schultern sein Urtheil zu bestätigen sucht.) Der Wein is himmlisch; der Wein is jöttlich; der Wein is niedlich; der Wein is überirdisch; der Wein is sehr brav; der Wein is bejeisteistersternd; der Wein is –, der Wein is – des is der Wein, des kann er! (Er setzt sich nieder und steht sogleich wieder auf.) Un überjens, wenn ich eine Hochzeit machen will, Pike, so mach ich eine; ich bin Rentier! (nimmt ein Glas.) Un jetzt laaß' ich meine Dochter un meinen Eidam leben, ohne meine Würde zu verjeßen, des dhu' ich! Un wer nich mit mir darauf anstoßt, der is ein schlechter Kerl! Un wenn es ein Frauenzimmer is, denn is es ein schlechtes Weib! Meine Dochter un mein Eidam sollen leben: hoch! – Un abermals: hoch! – Un zum dritten Mal: hoooooch! (Vivatrufen.) Ne, so jeht des nich! Ihr alleene nich; die Dänzer müssen alle mitanstoßen! Alles muß anstoßen, davor bin ich Brautvater, bin ich! Des kann ich, ich habe es dazu! (Er geht sehr langsam in's Nebenzimmer und ruft) Kommen Sie Alle her! (kehrt zurück) Ich laße meine Dochter und meinen Eidam leben! (Die Tänzer kommen und ergreifen ihre Gläser.) Haben Sie Alle Ihre Gläser, meine Herrschaften?
Alle. Ja!
Buffey. Schön, denn werde ich den Toast ausbringen. Meine Dochter un mein Eidam, das junge Ehepaar soll leben, fifat: hoch!
Alle. Hoch!
Buffey. Un abermals: hooch!
Alle. Hooch!
Buffey. Un zum dritten Mal: hooooooch! (er sinkt erschöpft auf seinen Stuhl und schließt die Augen.)
Alle. (mit Lachen) Hoooooooch!
Pike. (mit den Augen suchend) Na wo sind denn aber die jungen Eheleute?
Alle. (sich umsehend) Wo sind sie denn?
Friedrich. Herr Flitter und Fräulein Hulda sind schon zu Hause gefahren.
Buffey. (wie erwachend) Aha!