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Ein Franzose, welcher nicht ein Wort Deutsch verstand, kam zum ersten Male nach Berlin, und logirte in einem hiesigen Gasthofe. Er wollte ein Ballet sehen, ließ sich vom Kellner ein Billet zum Opernhause besorgen, trat den ihm bezeichneten Weg an, verirrte sich aber bald und kam nach vielem Fragen – welches aber nur in dem Worte: Theater! bestand – nach dem Königsstädter Theater. Der Billetdiener wollte ihm begreiflich machen, daß er hier unrecht sei; es gelang ihm aber nicht, da ihm die französische Sprache gänzlich unbekannt war. Während nun Beide auf komische Weise debattirten, und nicht zum Zweck kommen konnten, trat ein hiesiger Bassist, ein geborener Berliner, heran und erkundigte sich bei dem Billeteur nach der Lage der Dinge. Dieser erklärte sie ihm. »Weiter nischt?« rief er, »ick bin sechs Wochen in Paris jewesen, det will ick schon machen!« Darauf führte er den Franzosen wieder vor die Thür und gab ihm folgenden Bescheid: »Monsieur! Ici le Königsstädter Théatre. Ce billet la – mais opéra maison, un nu jehen Se man immer hier die Königstraße lang, bei Fiocatin vorbei, bis an't Schloß, un da fragen Se den ersten besten Jungen, der wird Ihnen schon zeigen, wo et is!«
Ein sehr armer Candidat der Theologie hatte bei einer Familie eines Handwerkers einen Freitisch. Er wurde einmal ausnahmsweise zum Abendbrodt eingeladen, weil der Geburtstag des Hausvaters durch eine große Schüssel voll Reis und eine Flasche Wein gefeiert werden sollte. Als Alle bei Tische saßen, und vom Wein bereits ein Weniges getrunken war, löschte die Hausfrau aus Versehen das Licht aus und ging in die Küche, um es wieder anzuzünden. Es war stockfinster; der arme Candidat, vor dem die Flasche mit demjenigen Naß stand, von welchem er so selten in seinem Leben zu kosten bekam, ergriff dieselbe, pfropfte sie behutsam auf, nahm einen tüchtigen Schluck und stellte sie leise wieder hin. Kurz darauf trat die Hausfrau mit dem Lichte herein; Alle erstaunten und der Candidat erblaßte. Er hatte die Flasche mitten in die Reisspeise gestellt! Sogleich stand er auf, nahm seinen Hut, und sagte mit halb freundlicher, halb wehmüthiger Stimme: »Ich empfehle mich Ihnen gehorsamst!«
Zwei Eckensteher saßen zusammen auf der Treppe eines Eckhauses und sprachen von Diesem und Jenem. »Hör' mal Du«, sagte der Eine, »ick habe mir det schonst lange überlegt, wir müssen mal uf'n leichte Weise en paar Jroschen verdienen; det Dragen jreift zu sehr an, un man hat weiter keen Verjnijen davon. Weeßte wat, wir wollen mal mit Schnaps spekeliren. Ueber acht Dage is det Mottenfest in Lichtenberch, bis dahin sparen wir uns achtzehn Jroschen und koofen vor'n Dhaler en kleen Tönneken mit Kümmel. Die sechs Jroschen Rabatt, die sind denn schonst unser, un denn sehste, natürlich, mit det eenzelne Jläser Inschenken verdient man ooch noch 'ne Menge Jeld.« Der Andere ging in diesen Vorschlag ein, und als der festliche Tag erschienen war, zogen Beide früh Morgens zum Thore hinaus, Kümmelbeladen gen Lichtenberg. Kaum waren sie aber eine vierter Stunde gegangen, so hielt derjenige, welcher das Fäßchen trug, an und sagte: »Hör' mal, Sperkel, det is heute ochsig neblig; wir wollen Jeder Eenen jenießen, sonst erkälten wir uns.« Dies geschah, und wiederholte sich mehrere Male.
Sperkel. Du, Lehmann, seh' mal in det Faß rin, komm mal her! Seh' mal, wat da schon vor 'ne Oeffnung in den Kümmel entstanden is.
Lehmann (schaut hinein.) Hol' mir der Deibel, richtig! Wie det Allens in de Welt abnimmt, des is merkwürdig! den janzen Rabatt haben wir nu schon vernossen; anjetzt bleibt uns blos noch de Waare an und für sich. Na aber det schad't nischt, ick tröste mir; et war heute neblich, un bei solch Wetter muß man sich sehr inacht nehmen. Mir is schonst wieder so kalt in'n Magen, schenk mich mal Einen in, aber schwabbern muß er.
Sperkel. Ne, Lehmann, det jeht nich mehr! Von de Waare dürfen wir nischt anjreifen, dabei jinjen wir zu Jrunde. Mir durschtert ooch noch, aber ick wer' Dir erklären, wie wir die Sache machen. Verkooft muß der Vorrath werden, dazu is er da! Ob wir nu davon jenießen oder een Anderer. Jeder is sich selber der Nächste. (Er greift in die Seitentasche der Jacke.) Seh' mal, ick schenke mir jetzt Eenen in, un jebe Dir davor en Jroschen, damit die Jeschichte ihren orntlichen Jang jeht. (Er giebt Lehmann einen Silbergroschen und trinkt.)
Lehmann. Sperkel, ick kann't nich mehr aushalten, halte mal an! Schenk' mir mal vor'n Jroschen in! (Er trinkt und bezahlt.)
Sperkel. Die Jelejenheit wer' ick benutzen, mir is die Kehle ooch schonst wieder so drocken. (Er trinkt und bezahlt. Sie gehen weiter.)
Lehmann. Du, setz' mal die Tonne ab un jieß Einen in. Ick muß Eenen pfeifen, mir is so musikalisch zu Muthe. (trinkt und bezahlt).
Sperkel. Et muß durchaus heute an de Witterung liegen. (Er schenkt ein.) So'n Durscht, wie ick heute habe, is mir noch nich vorjekommen, obschon mir schon viele Durschte vorjekommen sind. (Trinkt und bezahlt.)
Lehmann (sehr ernst.) Ick will Dir sagen, Sperkel, det liegt nu woll ooch mehr an de Jelejenheit! Wir haben den Kümmel sonst nich so bei der Hand, wie heute.
Als sie nach Lichtenberg kamen, war der Handelsartikel bis auf eine Neige verschwunden. Sie zählten darauf ihre Baarschaft, sahen sich gegenseitig mit großen Augen an und konnten vor Verwunderung nicht zu Worte kommen. Ihr Vermögen bestand nämlich in einem Silbergroschen, mit welchem sie sich wechselweise bezahlt hatten.
Als der Professor Eduard Gans vom Katheder herab zu seinen Schülern sagte: »Meine Herren, Sie sind die Säulen der Zukunft!« soll sich ein junger, blasser Hegelianer in die Taille gegriffen und ausgerufen haben: »Gott, wenn ich doch stärker wäre!«
Dr. Blond, ein lebenslustiger Berliner Literat, pflegt zu sagen: »Ich habe nur Heimweh, wenn ich zu Hause bin.«
»Ich möchte lieber in die Hölle als in den Himmel kommen«, sagte derselbe kürzlich, natürlicherweise im Scherze. Man fragte um die Ursache.
»Weil man da mehr Bekannte findet«, war die Antwort.
Von einem Berliner Gelehrten, der in dreizehn Sprachen reden konnte, aber in allen dreizehn nichts Gescheidtes, und der deshalb, in Berücksichtigung seiner schwachen Geisteskräfte, in Gesellschaften selten den Mund aufthat, sagte Jemand: »Das ist ein kluger Mensch! Der schweigt in dreizehn Sprachen.
Zu einem hiesigen modern-gebildeten Kleidermacher kam ein Fremder mit dem Auftrage, ihm ein neues Beinkleid zu fertigen. »Dies, welches ich hier trage«, sagte er, »habe ich in Paris machen lassen; wie gefällt es Ihnen?«
Der Kleidermacher betrachtete es mit Kennermiene, rümpfte die Nase und antwortete: »Es sind einige gute Ideen darin, aber das Ganze ist zu subjectiv gearbeitet.«
Als die Locomotiven auf der Berlin-Potsdamer Eisenbahn einige Male tückisch geworden waren, und nur höchst langsam zogen, bekamen die Herren vom Comité eine Zuschrift, die ungefähr Folgendes enthielt: »Euer Hochwohlgeboren ersuchen wir, namentlich in der Gegend von Schöneberg, dem Betteln zu steuern. Es ist höchst unangenehm für die Passagiere, daß von dort aus ein Invalide mit einem Stelzfuße über eine halbe Meile neben dem Wagen herläuft, und das Mitleid anfleht.«
Es ist gewiß allen Berlinern bekannt, daß sich auf dem La belle Alliance-Platze, beim Halleschen Thore ein Echo befindet, und unsere gemüthlichen Knaben der Straße (frei nach dem jungen Deutschland, – denn früher hießen sie Straßenjungen) von der Mitte dieses Platzes aus verschiedene Aeußerungen so laut zu äußern pflegen, daß das Echo sich jedes Mal bewogen fühlt, die letzten Sylben ihrer Anreden, trotz Wagengerassel und Menschengeschwirre, laut und deutlich zu wiederholen. Nur aus diesem vertrauten Umgange der von Juno so schlecht behandelten Nymphe mit den Berliner Knaben der Straße kann man sich nachfolgendes Phänomen erklären, das gewiß einzig in seiner Art ist. Gleich nach Neujahr besuchte nämlich ein auswärtiger Knabe der Straße einen hiesigen, und wurde von diesem auf alle Merkwürdigkeiten der Residenz aufmerksam gemacht. Sie erreichen den La belle Alliance-Platz; unser Landesknabe fordert den Fremden auf, irgend eine Sentenz, eine Floskel, eine Maxime, eine Phrase zu rufen. Dieser besinnt sich lange Zeit, denn es giebt Perioden im menschlichen Leben, wo einem durchaus nichts einfallen will; endlich aber fällt ihm doch Etwas ein, und er trägt mit lauter Stimme: »Liebt Susanne mich?« – Und was antwortete das Echo?
Das Echo antwortete: »Ne mir!«
Renger. Hör' mal, Madich, hast Du jestern Abend des Nordlicht jesehen?
Madich. Jai, ick habe.
Renger. Et hat mir recht jut jefallen, wie et so an'n Himmel brennte. Aber wo det Talch war, det hab' ick nich rauskriejen können. Weeß du't nich?
Madich. Schafskopp, bei'n Nordlicht is ja keen Talch, des brennt ja wie't Jas aus heiler Haut! Schaafskopp, jloobste etwa, det man von die Nordtlichter ooch achte uf't Pfund kricht?
Renger. Ne, det jloob' ick nich, aber so ville is sicher: des Nordlicht bedeut't Kriech!
Madich. Ja, da haste Recht: in Spanjen is alleweile Kriech! da hat det Licht leichte zu bedeuten!
Zu einem vornehmen Manne kam neulich ein fremder Barbier, packte' seine sieben Sachen aus und schickte sich zum Rasiren an. »Was, wollen Sie hier?« wurde er barsch angeredet.
»Ihnen balbieren!«
»Ich brauche Sie nicht; ich habe schon einen Barbier!«
»Ne,« antwortete der Bartbefreier, » ick bin jetzt Ihr Balbier; Sie müssen sich jetzt von mir balbiren lassen. Nämlich ick und Ihr eijentlicher Balbier, wir spielten jestern Beede in eene Tabajie Schafskopp, un er verlor alle sein Jeld an mir, un wie er keen Jeld mehr hatte, da spielten wir um unsere Kunden Schafskopp, un da hab' ick Ihnen jewonnen.«
Während der ersten Aufführung der Oper »Agnes von Hohenstaufen« äußerte ein Freund der Tonkunst bei einer schönen Passage zu seinem dicken Nachbar: »Ist das nicht eine herrliche Stelle?«
»Ja,« antwortete der Dicke, »die Stelle is recht jut, man kann Allens sehen, aber des müssen Sie mir doch zujeben, deß se viele zu schmal is! Ick wenigstens kann mir kaum bewejen.«
Zwei Berliner Schacherjuden, welche sich lange Zeit nicht gesehen hatten, begegneten sich vor Kurzem wieder auf der Straße. Der Eine hatte während der Zeit eine ziemlich alte und häßliche Frau geheirathet und führte diese am Arme. Als er sie seinem Freunde vorstellte, zischelte ihm dieser in's Ohr: »Du, Joel, sage mir mal: hast Du die neu jekooft?«
In der X.'schen Weinstube war an einem ziemlich kalten Herbsttage noch nicht geheitzt. Einer der täglichen Gäste, welcher am Ofen saß, machte plötzlich ein verdrüßliches Gesicht und sagte zum Kellner: »Aber, Louis, wenn Sie hier nicht einheitzen wollen, so lassen Sie wenigstens den Ofen abreißen! Da kommt ja eine schreckliche Kälte heraus!«
Auf einer der hiesigen Bühnen sollte ein junger Tenorist gastiren; es unterblieb aber, nachdem man auf der Probe seine Stimme gehört hatte. Während dieser Probe sagte ein Theaterarbeiter zum andern: »Du, Peesener, hör' mal! Hör' mal die Stimme! Dunnerwetter! des kannste mir jlooben, mit die Stimme kommt der Mensch durch die janze Welt!«
»Na höre! Wie meenste'n des?«
»Ick sage Dir: mit die Stimme kommt der Mensch durch die janze Welt. Den behält keen Theater.«
Während der strengen Kälte im Januar stand ein Eckensteher auf der Straße und sagte zu einem Kammeraden, indem er die Arme übereinander schlug: »Du, Neumann, wat meenste'n dazu? Det is heute 'ne scheene Mailuft, wat? Mir friert wie zwee Kleedermacher!«
»Ja,« antwortete dieser, »so 'ne Kälte is mir jar noch nich vorgekommen: mir durschtert in eens wech!«
In einer Restauration, welche sich in der Belle-Etage eines Hauses befand, saßen mehrere Gäste um einen runden Tisch, rauchten, tranken Weißbier und unterhielten sich von Staats- und gelehrten Sachen, wie man in Berlin zu sagen pflegt. Zwei von den Herren wurden heftig und zankten sich eine lange Weile. Endlich wendete sich der Eine verdrießlich fort und sagte: »Ne, mit Dir kämpfen Jötter selbst verjebens!« – »Des is nich wahr!« antwortete der Andere, indem er aufstand: »Du siegst, und ich muß mal runterjehen!«
»Herrjees!« rief der Bekannte eines Sandfuhrmanns diesem zu, »handelste noch immer mit Sand? Kerl, wenn Du noch zehn Jahr älter werscht, – adje Mark Brandenburg!«
Zur Zeit der vorjährigen Ueberschwemmungen fanden in dem wohlthätigen Berlin viele Geld- und Kleider-Sammlungen statt. An einer Ecke der Königsstraße lag ein schwer betrunkener Eckensteher; vor ihm turkelte sein Freund, der keinesweges nüchtern war, und redete, seine rechte Hand aufhaltend, die Vorübergehenden folgendermaaßen an: »Ach, hören Se mal, bester Herre, haben Se Mitleid! Ick sammle hier vor den Ueberschwemmten hier, vor den Eckenliejer! Wenn Se keenen baaren Sechser zu Schnaps bei sich haben, denn ziehen Se Ihren Rock aus, hören Se!«
Ein junger, prahlhafter Lieutenant mußte gewisser Umstände wegen, eine Coquette heirathen. Dr. Blond meinte: »Der muß auch immer erst den Sieg in der Tasche haben, bevor er in den Krieg zieht!« –
B. Sage mal, Petschkert, der Koofmann hinter de Kollnaden hat also bankrott jemacht? Hast Du wat bei ihm verloren?
P. Ja, ick habe ihm müssen zwölf Jroschen wieder rausjeben, weil er mir en Dag vor dem Fallermang en Dhaler versprochen hatte.
B. Ach so? Er hat sich mit Dir jesetzt?
P. Ja, wir erzählten uns was. Ueberjens hat er sich mit alle seine Credietthoren gesetzt! Mit Alle!
B. Na, na! Da wird woll Mancher keenen Platz jehabt haben!
P. Ach ne, des nich Bammel! Platz war jenug da, Platz war mehr als zu ville da; des war es eben, des zu ville Platz da war!
B. Na, sage mal, Petschkert, wie hat er sich denn eejentlich gesetzt?
P. Wie er sich gesetzt hat? Na, Theekessel, so nich! – Er bezahlt de Hälfte, wenn er dodt is, un de andere Hälfte, wenn er wiederkommt!