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Die Schatten der Bäume wurden länger und purpurner, ihr Laub grünte intensiver, leuchtender schienen die Blüten ihre Kelche zu öffnen, aus denen der Duft sich in immer berauschenderer Fülle ergoß; schwärzer und geheimnisvoller ruhte in den marmorgeränderten Teichen und Kanälen das Wasser um die breiten Blätter und die Blumentassen der Lotusse; immer goldiger wurde das Gestein, ob es nun in Ballustraden schwerfällig die überwuchernden Laubmassen durchschritt, in Freitreppen sie überstieg, in Säulenkiosken sich über sie erhob oder in amphitheatralischen Bankreihen sie zurückdrängte, überall bis zum letzten Zoll in die mühsamsten Ornamente ausgehauen, überall auch zerbröckelnd und verwitternd wie immer in Indien, wo nichts restauriert wird, zumal wo – wie hier in diesem ältesten Teil des Palastgartens – für Neubauten kein Raum mehr ist.
Es war vor einem solchen Amphitheater, welches sich in die unterste Terrasse hineingrub, daß zwei Gruppen in abwartender Haltung standen, durch den breiten Eingang zu dem arenaartigen Inneren wie durch die Kluft der Kasteninstitution scharf getrennt: rechts die Brahmanen, barköpfig, in weiße Mäntel gehüllt; links die Krieger, im farbenfreudigen Anzug der Rajputen, die kleinen grünen Turbane mit blitzenden Steinagraffen und wehenden Federbüschen geschmückt.
Unter dem Vorwand, dem fremden Sahib ein altrajputanisches Bild zu geben, hatten sie sich bis an die Zähne bewaffnet. Man sah dort außer Speeren, Schilden, arabischen Flinten und juwelbesetzten Krummschwertern noch blinkende und glitzernde Halsberge, ziselierte und mit Silber eingelegte Brustplatten und hier und da Beinschienen aus Leder, mit goldenen Knöpfen. Aber sowohl in Pracht wie in kriegerischer Ausrüstung wurden sie alle von ihrem Führer Chandra Singh überstrahlt. Dieser war vom Hals bis zur Fußsohle mit einer Ringbrünne bekleidet, deren wundervoll feines Netzwerk nur in der Mitte verdeckt wurde durch die breite, karmoisinrote Schärpe und einen kurzen weißen Faltenrock, – dem albanischen ähnlich, ein echt rajputanisches Kleidungsstück, das man auch an vielen seiner Begleiter gewahr wurde. Eine dreifache Kette von schweren, fast rauh belassenen Edelsteinen schienen seinem Halse Schutz sowohl als Schmuck zu verleihen. In seinem Tigerbart stand jedes einzelne Haar gewichst wie ein Soldat in Reih und Glied.
Ihm gegenüber, an der Spitze der Brahmanen, befand sich der Oberpriester Govind Narayan. Der Brahmanen-Löwe, wie ihn die Rani genannt hatte, machte seinem Namen keine Schande: eine ungeheure, dicke Lockenmähne hing über den Ohren hinunter und mischte sich mit dem dichten Bart, der nicht patriarchalisch über die Brust niederwallte, sondern unter dem Kinn barsch abgeschnitten war. Seine breite Stirn war durch das Vishnuzeichen verunziert: drei senkrechte Striche, der mittlere rot, die beiden anderen weiß, unten durch einen weißen, in einem kurzen Stiel endenden Bügel verbunden; es sah aus als ob man eine Stimmgabel auf seine Nasenwurzel gestellt hätte. Dies konventionelle Symbol der drei Vishnuschritte, das selbst einem wohlwollenden Gesicht einen schrecklichen Zug verleiht, steigerte bis zum Diabolischen den Ausdruck jähzorniger Herrschsucht, der wie eine Gewitterwolke seine Züge überschattete, als er ein paar Schritte hervortrat und mit gebieterischer Handbewegung Chandra Singh zu sich heranwinkte.
Dieser folgte nicht gar zu bereitwillig der herrischen Vorladung. Chandra Singhs Vertrauter, Pertab, hatte sich womöglich noch kriegerischer gekleidet als sonst einer der Rajputen – nach der Art kleiner Personen, die, um nicht abzufallen, recht gewaltig tun. Nicht nur hatte er seine fast verwachsene Gestalt in einen Schuppenpanzer gezwängt; sondern er hatte sogar eine Sturmhaube – altafghanische Arbeit – auf sein ölglattes, unterm Ohr abgeschnittenes Haar gestülpt, so daß er später Amanda wie ein zu dunkel geschminkter Richard der Dritte vorkam. Auch er machte einen Schritt vorwärts, um nicht in der Stunde der Gefahr seinen großen Freund im Stich zu lassen. Aber die Stimmgabel an der Stirn des Brahmanen zitterte sichtbar, und als ob ihm von dorther ein furchtbares »Halt« ertönt wäre, zog Pertab sich schleunigst in die erste Reihe der Rajputen zurück. Mit einer seltsamen Mischung von Furcht, Trotz und mürrischer Untertänigkeit trat Chandra Singh vor den Brahmanen hin und verbeugte sich tief, die Stirn mit den Fingerspitzen berührend.
O Rám, Rám – murmelte er, mit dem altangestammten Rajputanergruß den Stellvertreter Krishnas begrüßend. – Verehrung dem Ehrwürdigsten, dem von Krishna Geliebten, Geweihten, dem Himmelgeborenen, mit Sonnenblick Begabten – Heil, Heil!
– Ja – »Heil Heil!« – das murmelt sich leicht in einen Bart wie den deinen, fuhr der Brahmane ihn spöttisch an, mit einer Stimme, die vor zurückgehaltenem Zorn zitterte: Du glaubst wohl, Rajput, daß Krishna nur ein Stück bemaltes Holz ist, mit Juwelen behangen und in Goldbrokat gewickelt, das wir so zum Spaß durch die Säulenhallen tragen und in dem heiligen Teiche baden?
– Wie kann nur der Ehrwürdige so scherzen? fragte Chandra Singh mit einem halbabgewandten, scheuen Blick, der hilfesuchend seitwärts schweifte, wo er seinen Klienten vermutete.
– Finde nur deine eigene Zunge, Manntiger! lachte Govind Narayan, – und laß den glattrednerischen Schakal unter den Wölfen. Stehe mir Rede, aber merke dir: ich scherze nicht, wie du bald sehen wirst. – Wie kann denn der Himmelgeborene so ungerechte Beschuldigungen gegen mich erheben? Bin ich denn nicht ein eifriger Diener Krishnas? opfere ich nicht reichlich bei allen Festen, diene ich nicht treu seinen Brahmanen, vor allem dem im Fleische sichtbaren Krishna, dem Himmelgeborenen, dem Ansa, dem lebenden Teil der Gottheit, dem erhabenen Govind Narayan?
– So, das nennst du treu mir dienen, wenn du den Mann, auf den ich alle meine Pläne gebaut habe, hinter meinem Rücken durch deine Thags meuchlings ermorden wolltest?
Selbst die Lippen Chandra Singhs erblaßten unter der roten Lackfarbe, mit der er sie angepinselt hatte.
– Mit Leugnen kommst du hier nicht durch, fuhr der zornige Brahmane fort. Gleichgültig, wie ich es erfahren habe. Nein, Mool Roy hat nichts gestanden und wird nichts gestehen; er hat's schon gebüßt, daß er seinen Romal im Stich ließ. Und um so besser – seine Freunde werden um so wütender losgehen ... Gleichgültig wie – du siehst, ich weiß es.
Der Himmelgeborene weiß alles, sieht alles! Der lebendige Krishna zürnt mir mit Recht, doch sei er auch gerecht in seinem Zorn! Er bedenke: »Die Prüfung, die ich Chandra Singh auferlegte, war zu groß.« Eine Botschaft hatte mir der Ehrwürdigste an den Sahib gegeben, wie er gestern Nacht die Rani allein in den Dschangeln überraschen könne. – – Zu schwer, zu schwer! Möge der Himmelgeborene doch bedenken, daß er mir die Rani versprochen hat.
– Aha, lachte der Brahmane mit einem Lächeln, das Chandra Singh schaudern ließ: So sehr gelüstet dich nach der Braut? Und wie, wenn ich vor dem Altar eine Silbe des Gebetes anders ausspreche, anders betone, und den ewigen Bräutigam, Krishna, dir eine andere Braut schicken lasse?
– Keine andere Braut, Brahmane – keine andere genügt mir – ich will die Rani – keine andere, und wäre es auch eine himmlische Apsara – –
– O, die ich meine, läßt sich nicht abweisen, gar zutraulich ist sie ja – bleichgesichtig, mit wenig Schmuck versehen, zögernden Ganges, mit leiser Stimme, einer Verliebten gleich schmiegt sie sich an dich: – »die Raja-Krankheit« – die Schwindsucht.
Chandra Singh trat einen Schritt zurück. Sein ganzer mächtiger Körper zitterte, die Schweißtropfen rannen, von der Salbe gefärbt, ihm über Stirn und Wangen hinunter.
– So wenig macht dich zittern, tapferer Krieger? spöttelte der Brahmane. Warum denn? Seiner Gesundheit verlustig, siecht ja der Fromme wohlgemut dem erlösenden Tod entgegen. Der schlechte Mensch freilich, der den Göttern trotzt, gerät nach Ableben des Körpers auf üble Fährte, in höllische Welt. Und die höllischen Wächter lassen ihn, Fuß oben Kopf unten, anpacken und in einen siedenden, flackernden Schmelzofen werfen, wo er bis zum schaumigen Gischt aufgekocht wird. Antworte mir, Chandra Singh: Geht es den Feinden Krishnas so, oder nicht?
– Laß gut sein, Priester, laß gut sein! murmelte der erschütterte Rajput, ich bin ja kein Feind Krishnas – ich bereue! ich ließ mich von der Leidenschaft hinreißen, – flehentlich bitte ich um Verzeihung. Ich werde dem Gott und seinem Ansa bis zu meinem Tod dienen – aber beschleunige ihn nicht, wehre ihn von mir ab! bis zu meinem Tod werde ich euch dienen – jedem Winke gehorchen. – –
– Nun ich könnte vielleicht für diesmal Nachsicht üben und dir – –
– Nur die Rani, Brahmane! rief Chandra Singh wild aufblickend, die Rani! Wenn Ihr euer Versprechen – – auch die Götter müssen ihr Versprechen halten – ich sage euch, wenn Ihr die Gazellenäugige – – Priester, wenn Ihr selber – –
Er konnte kein Wort mehr hervorbringen, seine Stimme rollte nur in unartikuliertem Keuchen und Röcheln weiter.
Brahmanen-Löwe und Rajput-Tiger standen einander drohend gegenüber. Aber Govind Narayan Singh sah ein, daß er diesen Mann nicht weiter treiben dürfe.
– Mein Sohn, als ich dir jenen Auftrag an den Sahib gab, geschah es, um dich auf die Probe zu stellen. Du hast sie nicht bestanden. Mag sein, daß sie zu schwer für dich war, daß sie übermenschlich war. – Sie war übermenschlich! Mehr als Fleisch und Blut aushalten kann.
– Nun, dieser Fehltritt sei dir verziehen. Mein Sohn, du sollst die Rani haben. Gestern wolltest du den Sahib ermorden, den wir doch heute hier als Mauerbrecher brauchen. Wenn er sein Werk getan hat, wenn die Brahmanen im sicheren Besitze ihrer rechtmäßigen Macht sind, dann darfst du ihn töten. Nicht nur darfst, – sollst – – aber keine Stunde, bevor ich es befehle. Dein Lohn ist die Rani. Solltest du dich aber noch einmal unterwinden, auf eigene Faust – –
Trompetenfanfaren und dröhnende Schläge einer großen Trommel verkündeten in diesem Augenblick das Kommen der Gäste.
Chandra Singh küßte die Hand des Priesters mit einem Blick hündischer Unterwürfigkeit und trat in die Reihen der Rajputen zurück.
Ein tiefschattiger Baumgang von hohen Zypressen führte von diesem in die Terrasse hineingebauten Theater auf ein Parktor zu, dessen pagodenartiger Aufbau in der Öffnung zwischen den Baumwipfeln sichtbar war, mit seinen glasierten Steinen hoch oben wie ein Springbrunnen funkelnd.
Durch diese Allee nahten sich die europäischen Gäste. Zuvorderst schritt Sir Edmund, der Amanda führte. Er trug einen ganz indischen Anzug, der ihm prächtig stand und von dem Schlangenstein in seinem grünen Turban vollendet wurde – ein gar leuchtender Punkt über diesem »i«. Seine Begleiterin, die hierin ihm nichts nachgab, war freilich europäisch gekleidet, hatte aber mit seinem Geschmack – um nicht zu sehr abzustechen – anstatt der etwas zu einfachen Mode der dreißiger Jahre die der Napoleonszeit gewählt, in der ihre Mutter einst ihren Vater bezaubert hatte – nur nicht ganz so hoch unter den Armen gegürtet –; mit der Wirkung, daß nun zwei blutende Herzen unsichtbar hinter ihr in Prozession getragen wurden: das alte des Professors, das in Wehmut der Erinnerung an eine glückliche Jugendliebe schwamm, und das junge Arthurs, der es kaum ertrug, diese liebliche Gestalt am Arme seines Vetters zu sehen. An diesem Paare war nichts Asiatisches; immerhin machte der schlanke Schotte keine üble Figur evening-dress, während auch der größte Bewunderer von Professor Eichstädts indologischen Leistungen kaum behauptet hätte, daß der Frack seine kurzhalsige Person kleide. Auch verbesserte es nicht gerade seine Erscheinung, daß er den schwarzen Zivilisationshelm offen und ehrlich aufgestülpt hatte, während Arthur den seinen verstohlenerweise schamhaft zugeklappt unter dem Arm trug: gewiß nicht zum wenigsten, um in den Augen Amandas nicht stilloser als gerade nötig auszusehen.
Wenn der gelbe Diamant im Haare das einzige Orientalische an Amanda selbst war, so wurde dies doch einigermaßen durch ihr lebendes Attribut wettgemacht. Gehobenen Schwanzes, offenbar sich seiner prozessionsmäßigen Würde voll bewußt, schritt Garuda an ihrer Seite einher, scheinbar nur um den richtigen Schritt und Tritt bekümmert, in Wirklichkeit aber mit vor Neugierde brennenden Augen überall hin- und herspähend, ob sich etwas Verdächtiges rühren sollte, in welchem Falle er für nichts mehr einstände.
Garuda gehörte eigentlich nicht zu den eingeladenen Gästen. Als aber Amanda und ihr Vater schon im Howdah saßen und der Elefant – ein prächtiges Tier aus den Ställen Kala Ramas – sich von seiner knieenden Stellung erhoben hatte, ertönte unten ein verzweifeltes Winseln, und der zurückgelassene Garuda versuchte so beharrlich an dem Vorderbein des Elefanten in die Höhe zu klettern, daß das dadurch belästigte Tier den Kleinen mit seinem Rüssel ergriff und ihn oben wohlbehalten aber jämmerlich schreiend, ablieferte.
So kam Garuda mit zum Feste.
Ein Gefolge von der ganzen Dienerschaft Sir Edmunds beschloß diesen Zug.
Durch eine Querallee, die in starker Steigung auf den Palast zuführte, nahte unterdessen eine andere Prozession, wo die orientalischen Elemente durch keine fremde Beimischung irgendwie gestört wurden: glitzernde Seide, eine Regenbogenversammlung der freudigsten Farben, Perlen und Diamanten en masse – das war der reine Orient, der hier heranschritt; an der Spitze Kala Rama im purpurnen, goldgestickten und edelsteinbesetzten Kaftan, mit einem Kollier von Brillanten, das wie eine Sonne blitzte. Es bedurfte der ganzen geistigen Überlegenheit des großen Ministers, um in einem europäischen Auge durch diese fast unmäßige Pracht nicht etwas an Würde einzubüßen und einer gewissen Minderwertigkeit anheimzufallen, – nicht alle seine Kollegen – die verschiedenen Würdenträger des Rajahofes – entgingen dieser Gefahr. Bei einigen von ihnen blieb der Orient sich auch insofern treu, als, in der Nähe betrachtet, diesem Glanz ein Schatten der Schäbigkeit beigemischt war; die Juwelen wirkten mehr durch die Massen als durch Vollkommenheit und waren durchgehend schlecht gesetzt, die Seide war vielfach abgetragen, und die Farben waren hier und dort verblichen.
Der europäische Zug kam zuerst an. Chandra Singh vollzog die vorläufige Begrüßung des edlen Sahib, der diesem geringen verfallenen Parke durch seine erhabene Anwesenheit neuen Glanz verleihe und ihm durch seinen die ganze Welt durchstrahlenden Ruhm einen Schimmer längst vergangener Herrlichkeit auf kurze Zeit zurückgäbe. Darauf hielt der Brahmane eine ebenso glänzende Ansprache an Professor Eichstädt, der, wie niemand bezweifeln könne, einer der alten RishisRishis; Heilige, Urheber der Veda. sei, jener fast übermenschlichen Weisen, in unserer verdorbenen Zeit wiedergeboren, um den Indern von heute ihren alten heiligen Wissenshorst wieder auszugraben.
Edmund erwiderte mit einer kurzen Danksagung, während Professor Eichstädt es sich nicht nehmen ließ, eine lange Prachtrede auf die Weisheit der Brahmanen loszulassen, welche niemand verstand, weil sie im klassischsten Sanskrit gehalten wurde. Als er mit einem Lob auf die anwesenden Vertreter dieser Weisheit geschlossen hatte, wurden ihm vom Oberpriester die Brahmanen der Reihe nach vorgestellt – eine wahre Feuerprobe für sie, da der deutsche Gelehrte für jeden einen zwar schmeichelhaften aber jedem unverständlichen Sanskritspruch übrig hatte, bis ihm schließlich ein alter Pandit ganz angelegentlich als »ein großer Mann, ein vedischer Mann« anempfohlen wurde. Groß war er seiner Gestalt nach, und vedisch mochte er insofern sein, als er allerdings große Stücke der Heiligen Schrift auswendig konnte, aber der Ausdruck seines Gesichts mit der hohen, kahlen, aber leeren Stirn ließ nicht vermuten, daß er viel von dem tieferen Inhalt begriffen habe. Immerhin nahm Professor Eichstädt, dessen Erwartungen schon bedeutend herabgestimmt waren, mit diesem Kollegen dankbar vorlieb.
Kala Rama, der sich unterdessen längst mit seinem prachtvollen Gefolge eingefunden und vorn am Theater Aufstellung genommen hatte, begrüßte jetzt die Gäste im Namen seines Herrn. Vorläufig sei es der Wunsch des Raja, daß die verehrten Freunde aus dem fernen Abendlande, die ihm heute die Ehre gäben, zuerst in diesem alten Theater, wo früher oft Mensch und Tiger miteinander gerungen hätten, sich einige friedliche Spiele alt-rajputaner Art ansehen möchten.
Darauf stellte Kala Rama der Gesellschaft die verschiedenen Würdenträger vor. Diese drängten sich begehrlich an Sir Edmund heran – jeder wollte ihn für sich haben: der Oberbefehlshaber der Truppen stellte ihm eine Revue in Aussicht, wobei er ihm eine echte Rajputaner Reiterattacke vorführen würde, wie sie bis jetzt wohl kein Franke gesehen habe; der Schatzmeister versprach, ihm Reichskleinode zu zeigen, die sonst jedem sterblichen Auge verschlossen blieben, während der Oberhofmarschall ihn die weit draußen in der Wüste begrabene Stuterei des Fürsten besichtigen lassen wollte. Dabei versicherte ihm jeder, daß er allein das Vertrauen des Raja besäße, und daß ein Fremder nur durch ihn seine Ziele hier am Hofe würde erreichen können, und warnte ihn vor den anderen im allgemeinen, vor diesem und jenem, der ihn soeben gesprochen hatte, im besonderen, und am allerbesondersten vor Kala Rama, dessen Einfluß übrigens überschätzt würde.
Die meisten von ihnen befolgten dabei wohl nur die alte traditionelle orientalische Hofpolitik, sich mit einem neuen Günstling gutzustellen, nach der Regel: »auf alle Fälle«. Einige verbanden allerdings damit auch eine bescheidene konkrete Hoffnung auf ein Trinkgeld – wie denn der Schatzmeister Edmund auf die Seite nahm und ihm flüsternd anvertraute, man täte gut, hier nicht alles nach dem äußeren Glanz zu beurteilen, denn hier, wie bei allen anderen indischen Höfen, sei viel zurückgegangen. Die Hofchargen trügen alle nicht mehr so viel ein wie früher, und er könne ihm sogar sehr hohe Würdenträger nennen – Name oder Bezeichnung seien überflüssig – die keineswegs zu stolz wären, um von der Freigebigkeit eines hochgestellten Fremden kleinere oder wohl gar größere Remunerationen anzunehmen für solche Dienstleistungen, die in ihrer Macht ständen.