Karl Gjellerup
Die Weltwanderer
Karl Gjellerup

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Vierzehntes Kapitel

Die drei Reiherrufe

Ein an der Schwelle einschlagender Blitz hätte Edmund nicht plötzlicher lähmen können, als diese Worte es taten.

»Was ist das? Er weiß um die Inschrift im Brief! er selbst hat das Wort geschrieben – was bedeutet dies? Weiß er alles? – Wieviel weiß er? – Ich muß ihn sprechen.«

Entschlossen stürzte er nach der Türe, stieß aber dort mit Arthur zusammen.

Dieser fleißige junge Mann hatte in einem am Seeufer belegenen Gartenkiosk gearbeitet, wo Amanda sich zu dieser Tagesstunde aufzuhalten pflegte. Daß sie es heute ausnahmsweise nicht tat, war allerdings eine Enttäuschung für sein Herz gewesen, wogegen derselbe Umstand seinem Fleiß zu statten kam. So hatte er denn einen vollkommenen Entwurf zum Briefe an Lord Pembroke fertig gebracht und war – faute de mieux – sehr zufrieden mit dieser diplomatischen Leistung. Das beschriebene Blatt in der Hand, eilte er durch den Garten, um es seinem Vetter und Meister vorzulegen. Obwohl das hinsterbende Tageslicht schon das Lesen schwierig machte, haftete sein Blick, als er die Verandatreppe hinanstieg, noch an einigen, wie ihm schien, besonders gelungenen Zeilen des Schreibens. Da bemerkte er an der anderen Seite der Treppe eine hohe, weißgekleidete Gestalt, die ihm, indem sie sich entfernte, den Rücken zukehrte, und deren Haltung seinen Blick fesselte. Der Weißgekleidete, offenbar ein Inder, blickte zurück, wie um zu sehen, ob ihm jemand folgte; – und mit dem einen Fuß auf der obersten Stufe blieb Arthur so festgebannt stehen, wie drinnen im Zimmer sein Vetter.

Nur einen Augenblick, – dann sprang er auf die Veranda hinauf und stieß in der Tür so heftig mit Edmund zusammen, daß sie beide zurückprallten.

– Edmund? rief Arthur bestürzt.

– Was ist's denn, Arthur? Hast du ein Gespenst gesehen?

– Der Fremde? fragte Arthur stotternd.

– Nun?

Arthur ergriff seinen Vetter krampfhaft am Arm.

– Er hat mit dir gesprochen?

– Gewiß. Aber laß mich jetzt, ich muß ihm nach. Er sagte zuletzt ein Wort.

– Gib es auf, Edmund!

– Aufgeben? – Was? –

– Das Ganze hier.

– Du bist wohl verrückt? Was soll das heißen?

– Geh nach Afghanistan, sage ich dir, hier ist dein Spiel doch aus.

– Bst!

Edmund erhob die Hand, einem Vogelschrei, der vom Hintergrund erscholl, lauschend.

– Mein Spiel aus? Jetzt erst beginnt es – hörst du?

– Einen Reiherruf, ja.

– Und noch einer – horch, – und ein dritter –

– Nun?

– Das Zeichen. Das Boot erwartet mich.

– Welches Boot?

– Eines, das mir der Oberpriester schickt, um mich nach den Ruinen zu führen, wo die Rani –

– Geh nicht hin, Edmund, noch ist es Zeit!

Er wollte seinen Vetter am Rock festhalten. Dieser aber riß sich los und stürmte die Treppe hinunter; offenbar hatte er über das neue Liebesabenteuer, das ihm winkte, schon des Fremden vergessen, dem er soeben hatte nachfolgen wollen.

Nicht so aber Arthur.

– Mein Gott, er stürzt sich blindlings ins Verderben. Nein, ich muß ihm nach, er soll mich hören!

Und er stürzte in den Garten hinunter:

– Edmund! Edmund!


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