Friedrich Gerstäcker
Java
Friedrich Gerstäcker

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

11. Skizzen aus Batavia.

Am fünften Januar sollte ein malayischer Soldat, der seinen Sergeanten, einen Europäer irgendwo im Lande drinnen erstochen hatte, gehangen werden, und obgleich ich kein Freund solcher Schauspiele bin, ja bis dahin noch stets vermieden hatte einer solchen traurigen Scene beizuwohnen, beschloß ich doch dießmal, einiger besonderen Ceremonien wegen, die dabei stattfinden sollten, hinzugehn.

Vor dem Gefangenhaus ist ein freier Platz, auf dem, nicht weit von der Mauer des Gefängnisses, der Galgen steht. Er ist einfach genug; zwei Pfosten mit einem dritten, wohl zwölf bis fünfzehn Fuß langen Balken oben verbunden, in dem acht oder zehn starke Pflöcke zur Bequemlichkeit eben sovieler Delinquenten, nebeneinander angebracht waren. Man scheint bei seinem Bau schon darauf gerechnet zu haben die Sache in's Große zu treiben.

Um halb sieben Uhr Morgens rückte das hier garnisonirte Militär, Europäer, Neger und Javanen oder vielmehr Malayen, denn es mögen auch viele Eingeborene der anderen Inselgruppen mit dazwischen stecken, mit klingendem fröhlichem Spiele auf den Platz der Execution, während der Gefangene noch in seiner Zelle saß und seine Henker mit lustig schmetternden Trompeten ankommen hörte. Die Cavallerie ritt voraus und umsprengte in langen Einzellinien den Platz, den sie also durch eine weitläufige Kette eingeschlossen hielt. In diese hinein rückte die Infanterie und schloß den Galgen in dicht aufmarschirten aber weiten Colonnen ein.

Etwas später kam der Auditor und der commandirende Colonel angefahren, bald nach ihnen der Arzt, der nur der Form wegen gegenwärtig war, und zu erklären hat wenn der Hängende todt ist.

War es nicht sehr bekannt geworden, oder hatten die Eingeborenen etwas derartiges schon so oft gesehen, es fanden sich aber lange nicht soviel Zuschauer von den Malayen ein, als ich geglaubt hatte hier zu finden. Ja unter den Anwesenden waren noch außerdem die meisten Frauen und Chinesen.

Es wurde etwa sieben, ehe der Colonel das Zeichen zum »Anfangen« gab – die Offiziere hatten sich unter der Zeit auf das Fidelste und Unbefangenste miteinander unterhalten – es war ja nur ein Malaye den sie aus dem Weg schafften. Doch die Zeit drängte – der dicke Colonel hatte wahrscheinlich noch kein Frühstück gehabt, denn er schien auf einmal ungemeine Eile zu bekommen. Einer der Beamten verfügte sich in das Gefangenhaus und einige Mann Wache führten gleich darauf den Verurteilten, der frei und selbst ungeführt in ihrer Mitte ging, heraus. Nur die Ellbogen waren ihm auf den Rücken leicht zusammengebunden.

Es war eine kleine untersetzte aber kräftige Gestalt, das Gesicht leicht von Pockennarben gezeichnet, aber jetzt aschgrau mit trotzigem unerschrockenem Ausdruck. Seinen Sirih, den er im Munde hatte, kaute er rasch von einer Seite zur anderen, und sein Blick schweifte flüchtig aber unstet über die ihn umstehenden Gruppen. Er trug seine Uniform, und vorn an der Brust eine rothe Rose – es soll Sitte seyn, daß sich die Eingeborenen zum Tode geführt, mit Blumen schmücken. Hinter dem kleinen Zug ging ein muhamedanischer Priester, ziemlich gleichgültig die ganze Sache betrachtend.

An der Leiter des Galgens, wohin ihn sechs oder acht malayische Henkersknechte begleiteten, angekommen, wurde ihm noch einmal das Urtheil vorgelesen. Er hörte das ruhig an, als der Sprecher aber geendet hatte, richtete sich der Unglückliche wild in die Höhe, und verfluchte die Holländer und die ganze Welt, seine Richter dabei versichernd er gehe jetzt direkt in den Himmel, wohin er von dem Priester einen Brief bekommen habe. Er schien fest auf diesen Empfehlungsbrief des muhamedanischen Geistlichen zu bauen – lieber Gott es war ja seine letzte Hoffnung. Hier auf Erden wurde ihm aber nicht mehr viel Zeit zu weiteren Erörterungen gelassen. Die Malayen fielen über ihn her und rissen ihm die Knöpfe von der Uniform, während andere ihm die Arme fest zusammenschnürten, der Henker legte ihm den Strick um den Hals und dann schleiften sie den Unglücklichen, der machtlos in ihren Händen lag, an dem Strick die Leiter hinauf. Er mußte allem Anschein nach schon unterwegs erwürgt seyn, denn kaum daß die Schlinge oben über einen der Pflöcke befestigt war, und der Körper langsam von der Leiter abgelassen wurde, daß er, frei zu schwingen kam, begann auch schon der Todeskampf des Unglücklichen, über den sich der Colonel unten mit einigen Bemerkungen lustig machte. Natürlich mußten die ihm zunächst Stehenden pflichtschuldigst dazu lächeln – und über ihnen zuckte die Leiche.

Es war ein entsetzlicher Anblick – nicht die Leiche selber, lieber Gott wir sind auf dieser, unserer wunderschönen Welt an solche Scheußlichkeiten schon gewöhnt und dagegen abgestumpft – nur die Behandlung des Verurteilten, das gewaltsame Hinaufschleifen auf die Leiter, die er jedenfalls, wenn man ihn gelassen hätte, ebenso fest und ruhig bestiegen haben würde, als er zum Schaffot selber ging. Auf mich wenigstens machte es einen furchtbaren Eindruck – ich fühlte mich den ganzen Tag krank, und konnte wohl eine volle Woche lang die entsetzliche Scene nicht aus meinem Gedächtniß bannen.

Die Todesstrafe ist an und für sich etwas Schreckliches, und ich weiß nicht ob zu rechtfertigendes, selbst unter jeden Umständen. Wir vernichten ein Leben, das wir nie wieder ersetzen können, und strafen damit, o nur zu oft, die Hinterbliebenen des Gerichteten schärfer, verderblicher als den Unglücklichen selber.

Dieser Malaye hatte seinen Sergeanten im Jähzorn erstochen, dafür wurde er von den Weißen mit vollkommen kaltem Blute zu Tode gebracht – wer von beiden Theilen wird hier vor Gott der Schuldigste seyn. Ich will nicht leugnen daß es unter manchen Verhältnissen, und auch hier in Indien wohl, die Sicherheit der Europäer selber erfordern mag, solche Vergehungen an den Weißen auf das strengste und unnachsichtlichste zu bestrafen, aber wodurch wurden solche Verhältnisse herbeigeführt und geschaffen? nur durch die Europäer selber – und ich rede hier nicht allein von Indien, sondern von allen Colonien in fremden Welttheilen, die sich und ihre Gesetze und Einrichtungen, nur zu ihrem eigenen Nutzen diesen fremden Völkern aufdringen. Werden sie aber das jetzige mit dem früheren, gewiß nicht minder ungerechten, rechtfertigen können?

Wer kann nun auch sagen welche Leidenschaften, vielleicht lange Zeit gewaltsam unterdrückt, den Eingeborenen zu der That gereizt – Mißhandlung der Weißen vielleicht, Eifersucht – und müssen nicht hie und da schon aus der Art wie die Anwerbung im Innern getrieben wird, von vorn herein Haß und Ingrimm in die Brust des Rekruten, gleich mit seinem ersten Antritt, eingepflanzt, und nachher vielleicht mit wie viel Ursache genährt und gepflegt werden? – Im Inneren von Java, und wahrscheinlich auch auf den andern Inseln des ostindischen Archipels, werden nämlich die Soldaten sehr häufig auf gar eigenthümliche Weise geworben. Der Malaye oder Javane ist ein leidenschaftlicher Spieler, hat aber selten oder nie viel Geld. Die Werboffiziere spielen mit ihnen, und wenn sie ihnen das ihrige abgewonnen haben, machen sie ihnen kleine Vorschüsse – gewinnt der Javane sein Geld zurück, desto besser für ihn, thut er das nicht so steigern sich die Vorschüsse endlich, bis er sie nicht mehr bezahlen kann, und sich selber einsetzt. Verliert er sich selber, so sind ihm seine Schulden erlassen, ja er bekommt vielleicht sogar noch ein kleines Handgeld – aber er ist Soldat. Der Leser darf nun freilich nicht glauben, daß der Eingeborene dadurch gewissermaßen überrascht würde – nein, er weiß, ehe er sich hinsetzt, recht gut was ihm, wenn er verliert, bevorsteht, und es läßt sich nicht leugnen, daß ihn allein sein freier Willen an den Spieltisch bringt – aber hierbei rechnet der Europäer auf sein heißes, leidenschaftliches Blut – und benützt es, während er es, sobald es sich gegen ihn kehrt, mit dem Tode bestraft.

Doch fort fort mit den trüben Bildern; es ist ja auf der ganzen Welt nicht anders, und wohin wir auch kommen, wohin wir blicken, schauen wir, unter oft güldener Oberfläche, Jammer und Verzweiflung, Elend und Tod – wir gehen auch zuletzt gar nicht selten gleichgültig, und tausendmal unbewußt daran vorüber; richtet man dann aber Blick und Geist einmal fest auf einen solchen Punkt, dann kann man's auch nicht gut verhindern, daß es Einem mit Schmerz und Galle durch die Seele schneidet. – O wer all das Elend auf der Welt zu lindern vermöchte.

Was dieß indische Militär betrifft so besteht es, wie ich schon vorher erwähnte, aus drei verschiedenen – Europäern, Negern und Eingeborenen. Die Neger sollen unstreitig die besten Soldaten abgeben, besonders wo es auf Strapatzen und ungünstige Klimaverhältnisse – hier in Indien nur zu oft eine Hauptsache – ankommt. Die Europäer halten derartige Anstrengungen natürlich am wenigsten aus, und werden leider sehr häufig nicht Futter für Pulver, aber wohl Futter für Fieber und bösartige Ruhren. Der Neger ist auch ein viel tapferer Soldat als der Malaye, denn der letzte soll, wie mir von vielen Seiten versichert ist, nie zum Angriff gehen, wenn ihm nicht ein Europäer vorangeht – und ich kann ihnen das, streng genommen, auch gar nicht verdenken.

Ein böses Feld für sie ist jetzt wieder Palembang auf Sumatra; das entsetzliche Klima des flachen Landes dort, und der trotzige Geist der Eingeborenen, die sich nun einmal nicht glücklich machen lassen wollen, soll furchtbar unter den Soldaten, besonders den europäischen, aufräumen. Die Holländer suchten es natürlich, und besonders in Batavia, soviel zu bemänteln, wie nur irgend möglich, und von dort herkommende Offiziere müssen die Gestaltung der Dinge so günstig als es sich nur thun läßt, darstellen; unter der Hand erfährt man aber doch die Wahrheit und neue auf neue Truppensendungen werden hinübergeschafft.

Sumatra soll ein herrliches Land seyn, und der Holländer thut sein Äußerstes es sich zu unterwerfen, es wird aber noch viele, viele Menschenleben kosten – und dann eine herrliche Qualität von Pfeffer, Zucker, Kaffee und allen nur erdenklichen tropischen Produkten liefern. Daß die Eingeborenen dort das gar nicht einsehen wollen.

Bali, die Nachbarinsel Javas, hat jetzt nach langem Kampfe die Oberherrschaft Hollands, besonders durch einen ihrer Häuptlinge, den Rajah Kassiman, anerkannt, sonst aber halten die verschiedenen Rajahs die Insel noch in unumschränktem Besitz und unter ihrer Regierung, unter ihren Gesetzen. Bali soll aber auch bis in seine Gebirge hinauf von diesen sogenannten »wilden Stämmen« cultivirt und bebaut seyn, und wo sie dem Lande nur einen Fußbreit fruchtbaren Landes abgewinnen konnten, ziehen sie Reis, Zucker, Kaffee und andere Produkte.

Weder christliche noch muhamedanische Missionäre haben, was ihre Religion betrifft, bis jetzt bei den Balinesen etwas ausrichten können, und sie sind noch immer ihrem alten Heidenthum, bei dem sie sich, in einem von Gott reichlich gesegneten Lande, vollkommen wohl zu befinden scheinen, treu geblieben.

Vor einigen Jahren wollten ihnen amerikanische Missionäre die Lehren des Christenthums hinüber bringen, und frugen deßhalb bei dem alten Rajah an, ob er ihnen zum Predigen die Erlaubniß geben wolle. Dieser zeigte sich nicht abgeneigt, verlangte aber zuerst zu wissen, was sie seinem Volk eigentlich lehren wollten, und ob das auch nicht etwa gegen ihre eigenen Gesetze an- und zuwiderlief. Der Missionär theilte ihm nun mit, wie er predigen wolle, daß Gott, das dreieinige Wesen im Vater, Sohn und heiligen Geist, seinen einzigen Sohn als Mensch auf die Erde gesandt habe, die Sünden der Menschen zu büßen, kurz unser ganzes christliches Glaubensbekenntniß. Ich weiß nicht, ob er ihm auch von unseren, damals geschehenen Wundern, von dem Wallfisch und den Säuen und dem feurigen Wagen etc. erzählt hat, als er aber fertig war, rief der alte nichtswürdige Heide lachend: O wenn du weiter nichts hast, das predige ihnen nur – das glaubt dir doch kein Mensch hier – und leider erwies es sich auch so, die Leute blieben schwarze, verstockte Heiden, und die einzige Beruhigung, die der Missionar hatte, war, daß er ihnen die feste Versicherung geben konnte, wie sie, nun, nachdem ihnen die Gelegenheit geboten wäre, Gottes Wort zu hören und sie diese mit verstockten Herzen zurückgewiesen hätten, alle rettungslos für ein ewiges Leben verloren wären und daß ihnen künftighin nur Heulen, Zähneklappern etc. bevorstünde.

Was mich besonders für die holländische Regierung auf diesen Colonien eingenommen, ist, daß sie gar nichts für Missionen thut, ja im Gegentheil es am liebsten sieht, wenn die ihnen unterworfenen Stämme in ihrem Glauben nicht belästigt werden. So lange sich diese friedlich und in ihrem Verkehr sonst ehrlich betragen, gilt es ihnen gleich, welchen Namen sie jenem unerforschten Wesen, das wir Gott nennen, geben. Sie verhindert aber auch im anderen Falle keineswegs Missionäre anderer Nationen ihr Glück bei ihnen zu versuchen, obgleich sie ihnen eher Schwierigkeiten in den Weg legt, als die Sache erleichtert. Wollen die Javanen Christen werden, so steht ihnen das vollkommen frei. Bis jetzt soll sich übrigens herausgestellt haben, daß gerade solche unter den Eingeborenen, die ihre Religion abgeschworen und sich einer andern zugewendet hatten, Säufer und Faullenzer wurden – sie scheinen zu glauben, daß sie mit der neuen Lehre allen übrigen Anforderungen des Lebens vollkommen genügt haben, und nun thun können, was ihnen eben Spaß macht. Sie ergeben sich besonders dem Trunk – ein Laster das der Muhamedaner meidet.

Kürzlich waren wieder vier Glieder einer neuen Missionsgesellschaft und zwar von Barmen in Deutschland, in Batavia eingetroffen. Es sind dieß zwei Missionäre, der eine mit seiner Frau und ein Drucker der Mission, eingetroffen, um, wenn allen nöthigen Formen mit der holländischen Regierung genügt ist, nach Borneo überzugehen.

Diese vier Missionsglieder lagen nun schon, als wir Batavia verließen, volle drei Wochen im Amsterdamschen Hotel – jeden Tag à person vier Gulden verzehrend, selbst ohne die geringste Nebenausgabe – dabei die Reise hierher, von hier nach Borneo bei den sehr theuren Passagenpreisen, welch enormes Geld geht dabei den Armen in der Heimath verloren, um hier an eine Chimäre gewandt zu werden. Wer weiß, ob diese Missionsglieder nicht noch sechs acht Wochen länger hier im Hotel liegen mußten, ja die Holländer sprachen von so vielen Monaten, wo sie allerdings ein ganz leidliches Leben führen – was kostet ihre Einrichtung, dann in Borneo und was bezwecken sie dadurch? Ich will wirklich den, aber noch sehr unwahrscheinlichen Fall setzen, daß sie ein paar hundert Wilde äußerlich zum Christenthum bekehren, das ist aber auch das meiste, was sie erreichen, und welchen Nutzen hat davon – sie ausgenommen – ein einziger Mensch auf der weiten Gotteswelt? – wie viele aber entbehren dadurch, die ihnen gerade nahe am Herzen liegen sollten, in der eigenen Heimath, und wäre das Geld nicht wahrhaft segensreich angewandt gewesen, wenn sie auch nur eine einzige unglückliche Familie im Vaterland damit unterstützt hätten? – und wie vielen hätten sie mit den tausenden von Gulden helfen können?Ganz kürzlich erhaltenen Nachrichten zufolge scheinen diese Leute selbst jetzt noch nicht einmal die Erlaubniß erhalten zu haben nach Borneo zu gehen, oder möglich auch daß die Indische Regierung sie erst eine Zeitlang überwachen will; indessen haben sie, wie der Bericht lautet, um nur beschäftigt zu seyn, eine Art Schule begonnen, malayische Kinder zu belehren und zur christlichen Religion überzugewinnen – ein trostloses Geschäft, das Tausende kosten und kaum begonnen wieder aufgegeben wird.

Nichts ist leichter als einen kleinen Theil solcher Wilden zum Christenthum zu bringen, mit kleinen Geschenken wird der Missionar bald solche, die ihren Vortheil dabei finden, um sich sammeln; sie haben nicht das mindeste dagegen sich taufen zu lassen, eine Formel, von der sie nichts oder wenig verstehen und die sie keineswegs hindert, nach einiger Zeit öffentlich wieder zu ihren Göttern zurückzukehren, die sie im Herzen noch keinen Augenblick verlassen haben und es ist z. B. eine in Indien wohl bekannte Thatsache, daß die Missionäre die Indianer auf einzelnen Inseln der Molukken im wahren Sinne des Worts mit der Feuerspritze getauft haben, um die Masse nur rasch abzufertigen und bekehrt zu machen.

Nach Europa oder in die Missionsgesellschaften gehen dann aber die glänzendsten Berichte aus den »Nationen in der Wüste« (die aber gar keine Wüsten sind, wie die Missionäre der Sandwichsinseln wohl belegen können) von dem herrlichen Erfolg und Sieg der christlichen Religion ein, wie sie so und so viel Seelen dem entsetzlichen Heidenthum entrissen und in die Arme der Kirche geführt haben, und ein Feld hier zu gründen hoffen, das einst die segensreichsten Früchte tragen soll – wenn es von zu Hause nur mit den nöthigen Mitteln dazu versehen wird – und das Resultat ist – eine neue Kollekte im Vaterland – eine Pfennigsammlung, wenn es seyn muß, damit auch nur dem Aermsten, der es sich vom Munde abzusparen gezwungen ist, Gelegenheit geboten wird, einen Theil der Seele irgend eines »unglücklichen Heiden« – die sich tausendmal wohler befinden als all unsere Armen zusammen – zu retten.

In Bali sind noch in letzter Zeit ihre alten Menschenopfer vorgekommen – so stürzten sich bei der Verbrennung der Leiche des letztgestorbenen Rajah sieben seiner Frauen freiwillig in die Flammen. Die holländische Regierung hat ihnen jetzt aber darüber ernsthafte Vorstellungen gemacht und sie besonders darauf hingewiesen, daß diese Opfer selber in dem Land ihrer Vorväter, der indischen Halbinsel, von der sie vorgeben herzustammen – abgeschafft wären, und es ist eine Gesandtschaft von Priestern dort hinübergeschickt worden, um sich von dem Thatbestand selber zu überzeugen und mit den dortigen Priestern darüber zu verhandeln. Die Holländer haben deßhalb jede Hoffnung, daß derartige Menschenleben kostende Feierlichkeiten später einmal aufgehoben werden. Um aber auch jetzt schon zu thun, was irgend möglich ist, in solchen Verhältnissen, ohne gewaltsam in das religiöse Leben eines Volkes einzugreifen, schicken sie jedesmal, wenn sie Kunde von solchen Opfern bekommen, ein Schiff hinüber und lassen die Frauen auffordern, sich in den Schutz der Holländer zu begeben, dem Tod zu entgehen. Dieser angebotene Schutz ist aber freilich bis jetzt noch nicht benutzt worden.

Sonst sind die Balinesen ein wohl kriegerisches, aber gutmüthiges ehrliches Volk, dessen Betragen die Weißen, die mit ihnen je in Verbindung gestanden, nicht genug rühmen können.

Am 3. Januar besuchte ich das Hospital zu Batavia. – Schon lange wäre ich gern einmal dorthin gegangen, aber eine gewisse, schwer zu überwindende Scheu, die mich immer bei dem Gedanken an die mit Fiebern geschwängerte Luft solcher Plätze erfaßte, hielt mich stets davon zurück, und verzögerte meinen Besuch von Tage zu Tage. Mehre Capitäne endlich, die ich sprach, versicherten mich der Platz sey ganz vortrefflich und luftig angelegt, und es sey wirklich der Mühe werth ihn zu besuchen. Herr Obristlieutenant von Schierbrand, der sich überhaupt schon so ungemein freundlich in jeder Hinsicht gegen mich gezeigt hatte, übernahm es mich dort hinzubringen und wir benutzten eine frühe Morgenstunde dazu, wo die Luft Batavias wirklich herrlich ist.

Alte Vorurtheile sind ja nun einmal so schwer in uns zu beseitigen, und ich gestehe, daß ich immer noch mit einem gewissen unbehaglichen Gefühl das Terrain betrat, wo ich alle Krankheiten dieses allerdings nicht gesunden Landstrichs concentrirt finden sollte, aber ich verließ es mit ganz anderen Ansichten. Wo ich Dunst und Krankengeruch erwartet hatte, wehte mir eine frische kühle reine Atmosphäre entgegen – die weitläufigen Säle, überall offen und dem Durchstrich der Luft von jeder Seite preisgegeben, während die Inliegenden durch etwas erhöhte Mauern doch wieder vor dem Zug geschützt sind – die eisernen mit schneeweißer Wäsche überzogenen Betten, die reinlich gekleideten Kranken selber, die militärisch gehaltenen Aufwärter, die überall und schnell hülfreiche Hand leisteten, machten einen solchen wohlthuenden Eindruck auf mich daß ich mich, wenn ich das Unglück gehabt hätte krank zu werden, mit der größten Gemüthsruhe augenblicklich diesem Hospitale anvertraut haben würde.

Jede Krankheit der dort vorkommenden, hat ihre verschiedenen, von einander getrennten, und nur gemeinsam von einem kleinen Garten umschlossenen Gebäude. Europäer und Eingeborene sind dabei ebenfalls von einander geschieden und einzelne Kinder aus dem Waisenhaus, die eine Zeitlang im Hospital gehalten und curirt waren, weinten, als sie wieder zurück in ihre alte Wohnung sollten – was entweder ein großes Compliment für das Hospital oder eine sehr schlechte Empfehlung für das Waisenhaus ist.

Mit dem Hospital ist auch jetzt ein Lehrsaal für Anatomie und überhaupt Medicin für junge Leute unter den Eingeborenen, Söhne von Häuptlingen etc. die Lust zu einem derartigen Studium haben, errichtet. Natürlich werden dabei mit der Medicin auch die andern für sie nöthigsten Wissenschaften verbunden, und der Anfang damit soll wenigstens so seyn, daß sich für spätere Zeit ein guter Erfolg dieses Unternehmens erwarten lassen mag.

Der Leiter und Anordner dieses Etablissements ist Herr Dr. Wassing, der das Ganze auch auf vollkommen militärischen Fuß eingerichtet, und sich durch seine vortreffliche Führung und strenge Aufsicht schon den Dank manches armen Teufels verdient hat, der hier in Batavia erkrankt, wohl nur der Vortrefflichkeit dieses Hospitals sein Leben zu danken hatte.

Am neunten Januar Abends, gerade als bei Herrn Kinder die Vorbereitungen zu einem kleinen Familienfest getroffen waren und die Säle voller Lampen hingen, saß ich, zwischen fünf und sechs Uhr etwa, mit Herrn Kinder und einem der dort im Haus logirenden Schiffscapitänen, auf der Vorgallerie, und las eben den Javaschen Courrant, als Herr Kinder in die Höhe fuhr und »ein Erdbeben« rief.

Ich, sowie der Capitän, hatten beide den Stoß gefühlt, aber Beiden, erst vor nicht langer Zeit vom Bord des Schiffes gekommen, war die Bewegung mit der an Bord so ähnlich gewesen, daß wir, in die Zeitungen vertieft, wirklich gar nicht darauf geachtet hatten – wer dachte denn an Erdbeben. Ein zweiter, viel bedeutenderer Stoß sollte uns aber bald darauf aus jedem Zweifel reißen, denn sämmtliche Lampen fingen in diesem Augenblick an hin und herzuschwingen, im Dach knarrte es und die Gläser und Tassen auf den Tischen stießen zusammen.

Die Eingeborenen machten dabei einen wahrhaften Heidenlärm, und einige warfen sich auf die Erde und schrieen Lenu, Lenu so laut sie konnten. Im ersten Augenblick interessirte mich aber das Dach des Hauses viel zu sehr, um besonders darauf zu achten, denn ein dritter Stoß konnte noch stärker kommen, und Unheil anstiften. Der dritte Stoß kam auch wirklich, aber nur sehr schwach und kaum bemerkbar, und damit war die Sache für dießmal abgethan. Die Bewegung ging von Osten nach Westen, was sich an den schwingenden Lampen besonders deutlich erkennen ließ.

Später fiel mir das sonderbare Betragen der Eingeborenen wieder ein, und ich erkundigte mich lange vergeblich nach dem Grund, bis mir ein junger, des Malayischen vollkommen mächtiger Deutscher den gewünschten Aufschluß gab. Die Javanen haben dafür eine so schöne, als ihrer Gutmüthigkeit entsprechende Mythe, die natürlich noch von ihrem Heidenthum herstammt, und der sie, trotz allen im Aeußern beobachteten Formen des Islam, doch noch hie und da treu geblieben zu seyn scheinen. Die Mythe ist einfach und naiv.

Im Inneren der Erde (Javas) wohnt ein ungeheueres Thier das sie Leni oder Lenu nennen, und der Gestalt nach für einen ungeheuren Büffel halten. Die Welt wird einmal zerstört werden – aber nicht an einem jüngsten Tag, wie die Christen glauben, der dann Gerechte und Ungerechte zusammentrifft, sondern erst wenn alle Menschen auf der Erde gestorben sind, und diese also vollkommen leer steht. Dann schüttelt sich das Ungeheuer und reckt sich in seiner Höhle da unten und die Erde muß bersten und stürzt donnernd in einander. Diese geringen Erschütterungen stehen mit diesem Thier in genauer Verbindung, und zwar folgender Art.

Es gibt besonders zweierlei Ameisen auf der Insel, die weißen, die allem verderblich sind was sie nur erreichen können, und die schwarzen, die nicht allein vollkommen harmlos, sondern sogar noch grimme Feinde der weißen scheinen, die sie vertreiben wo sie sich nur immer zeigen mögen – vorausgesetzt, daß sie in gehöriger Stärke versammelt sind. Diese schwarzen Ameisen hüten sich die Eingeborenen auch wohl zu tödten, und sie gelten ihnen gewissermaßen als ein Schutz gegen die verderblichen Wirkungen der weißen.

Das wissen aber auch die schwarzen Ameisen recht gut und wird einmal wirklich eine von ihnen von einem schlechten Menschen, der sich nichts daraus macht ein unschuldiges Leben zu zerstören, getödtet, dann sucht sie sich zu rächen. So auch hier, war sie gleich zu dem Lenu hinuntergelaufen und hatte ihm gesagt, er könne jetzt nur immer getrost anfangen die Welt über den Haufen zu werfen, denn die Menschen da oben seyen alle gestorben. Hätte der Lenu ihr das nun so gleich auf ihr Wort geglaubt, so wäre wahrscheinlich ein großes Unglück geschehen, so aber ist er schon zu oft von solchen rachsüchtigen Ameisen angeführt worden, und er hob deshalb nur erst einmal ein Haar empor, was schon diese Erschütterung hervorbrachte. Sobald die Menschen das aber oben fühlen, wissen sie ja gleich was es bedeutet, und werfen sich rasch auf die Erde und rufen Lenu, Lenu hinunter, damit das Thier ihr Rufen hören möge und dann wisse, daß sie nicht alle gestorben sind, sondern noch leben. Sobald der Lenu das aber vernimmt schläft er ruhig weiter, und wartet geduldig noch ein paar hundert Jahr – oder auch bis die nächste Ameise hinunter kommt.

Ihr lacht über solchen Aberglauben und macht es doch nicht besser wie die Javanen.

So gemüthlich die Javanen übrigens in mancher Hinsicht seyn mögen, so fallen doch auch wieder Sachen vor, die sie in anderem Lichte erscheinen lassen. So versuchte vor kurzer Zeit ein junger javanischer Bursche die Familie, bei der er arbeitete, ein französischer Büchsenmacher mit Frau und Mädchen, zu vergiften. Arsenik können sie sich mit großer Leichtigkeit überall verschaffen, und der junge Verbrecher hatte davon eine Quantität in den Kaffee gethan, von dem er sonst ebenfalls mittrank, dem er sich aber dießmal zu entziehen wußte. Als die Familie bald nach dem Genuß desselben erkrankte, fiel ihr erst das Betragen des Burschen auf – dieser hatte sich aber indessen schon aus dem Staub gemacht und wurde auch, so lange ich in Batavia war, nicht wieder eingefangen. Die Familie genaß übrigens, durch rasch angewandte Mittel, wieder nach einigen Tagen.

Solche Verbrechen werden, wenn man der Thäter habhaft wird, gewöhnlich mit Eisenstrafe geahndet. Die Sträflinge bekommen ein leichtes eisernes Halsband umgeschmiedet und werden auf gewisse Stellen, besonders einige dazu bestimmte Inseln geschafft, wo sie arbeiten müssen, dennoch aber einen gewissen, wenn auch geringen Lohn dafür bekommen.

Besonders interessant war mir eine Wanderung durch die Kaserne, die aus vielen Reihen niederer luftiger Gebäude besteht. Höchst eigenthümlich ist zuerst schon die Mischung der verschiedenen Racen von Soldaten selber in diesen militärischen Gassen, die aber dann auch noch durch das gemeinsame »Familienleben« einen wirklich pittoresken Anstrich bekommt. Die hier geschlossenen Ehen sind allerdings so leichter Art, wie das nur, um doch einer bestimmten Einrichtung und Ordnung zu folgen, irgend möglich ist; beide Theile scheinen sich aber vollkommen wohl dabei zu befinden, und wenn man nach dem wirklich buntesten Assortiment von Kindern schließen darf, das sich in den innern Gebäuden in schwarz, schwarzbraun, braun, braungelb und gelb herumtreibt, so gedeihen sie auch vortrefflich.

Unter den europäischen gemeinen Soldaten sind besonders viele Deutsche, und zwischen ihnen manche gebildete junge Leute, die wohl leichtsinniges Leben, eine verfehlte Carriere oder auch wohl hie und da ein nicht gut zu verantwortender Streich, auf die letzte Stufe vor Selbstmord trieb: gemeiner Soldat in Ostindien zu werden. Einem Leben voller Gefahren und Mühseligkeiten preisgegeben, sind sie von jedem Verkehr mit den übrigen Europäern vollkommen ausgeschlossen und allein auf sich selber und die eingebornen Dirnen, die sie sich halten, angewiesen. Aus dem Dienst in das Hospital, aus dem Hospital in den Dienst, das ist ihr Leben, bis eine Marschordre nach Palembang oder Borneo ihnen entweder ein Grab in den Sümpfen jener Gegenden sichert, oder sie sich für Lebenszeit einen siechen Körper geholt haben, der sie selbst unfähig zum Dienste macht. Und wie viel hundert verkümmern, verderben auf solche Weise.

Schon lange war es mein Wunsch gewesen noch einen andern, hier in der Nähe liegenden Landstrich Tjipamingis genannt zu besuchen, der sich ebenfalls durch seine Scenerie auszeichnen sollte, und ich wünschte das um so mehr, da der dicht dabei befindliche Vogelberg von Klapanuna, von wo eine große Quantität der indischen Vogelnester hergebracht werden, meine Neugierde schon lange gereizt.

Diesen letzteren Platz förmlich zu besuchen, bedurfte es übrigens einer Erlaubniß des Eigenthümers, eines Herrn Menü, pensionirten Colonels, der aus diesen Nestern eine enorme jährliche Rente zieht. Der Aufseher draußen hatte, wie mir gesagt wurde, strenge Ordre, keinem Europäer den Zutritt zu jenen Brüteplätzen zu gestatten. Herr Menü wollte mir aber, trotz einer dringenden Bitte deßhalb von einem seiner Freunde, mit dessen Empfehlung ich ihn besuchte, diese Erlaubniß nicht geben, da er mich, sonst allerdings sehr artig, versicherte, die Eingeborenen hätten einen sehr strengen Aberglauben in dieser Hinsicht, daß die Vögel ihre Brüteplätze verließen, wenn Europäer jene Orte beträten – er versicherte mich, daß er selber nur im äußersten Nothfall die Berge, in denen die Vögel nisteten, besuche.

Daß die Javanen in dieser Hinsicht einen solchen Aberglauben haben mögen, gebe ich gerne zu, es war mir das auch früher schon von anderer Seite mitgetheilt, die Holländer sind aber sonst keineswegs so zart, was den Aberglauben der Eingeborenen betrifft, diesen irgendwo zu respektiren, es sey denn ihr eigener Nutzen komme dabei, wie hier, mit ins Spiel.

Nun hätte ich eigentlich, nach den streng batavischen Gesetzen, wieder einen besonderen Paß haben müssen, selbst Tjipamingis zu bereisen; da ich aber schon einen Paß nach den Preanger Regentschaften bekommen hatte, hielt ich es auch nicht für nöthig, mir und der Polizei noch einmal wieder besondere Mühe zu machen, und ging ohne Paß.

Das Paßwesen ist hier übrigens, beiläufig gesagt, eine so peinliche und ich möchte auch wohl sagen kleinliche Einrichtung, wie sie an keinem andern civilisirten oder wilden Ort der Welt angetroffen wird, und selbst in Rußland nicht schlimmer, ja gewiß nicht einmal so schlimm seyn kann. Nur hier in Batavia ansäßige Fremde (und die Hafenstädte sind die einzigen Plätze, wo Fremde überhaupt ansäßig werden können) dürfen, ohne besonderen Paß auszunehmen, nach Buitenzorg reisen, wollen sie aber weiter, so versteht es sich von selbst, daß sie um einen Paß einkommen. Ankommende Fremde haben sofort zwei Bürgen zu stellen, daß sie binnen sechs Wochen die Insel wieder verlassen und in der Zeit keine Schulden machen wollen. Der Capitän, der sie mitgebracht hat, darf nicht eher wieder ausclariren, bis das in Ordnung ist. Ein Paß aus ihrer Heimath, um den einen in englischen oder amerikanischen Colonien kein Mensch fragt, versteht sich von selbst. Der Capitän würde sogar in Strafe verfallen, brächte er einen Passagier ohne Paß mit.

Will ein Fremder das innere Land besuchen, so muß er die Erlaubniß dazu selbst vom Gouverneur haben – mir wurde sogar auf meine Anfrage zuerst ein Paß nach Buitenzorg verweigert, wo sich der Gouverneur und der Herzog Bernhard von Weimar aufhielten, und als ich den sehr verehrten Herrn Assistent-Resident, Herrn von Leeuwen, darauf aufmerksam machte, daß ich nur dorthin wollte, um mir da durch die Fürsprache Sr. Hoheit einen Paß weiter ins Innere zu verschaffen, meinte er sehr freundlich, ich solle nur hier in Batavia warten, der Herzog kämen vielleicht bald herunter. Mir ist von verschiedenen Fällen auch erzählt, wo Fremde wirklich keine Erlaubniß bekommen haben, eine Tour ins Innere zu machen, und sich dann damit begnügen mußten, Batavia zu bewundern und auf die Kleinkrämerei der indischen Polizei zu schimpfen.

Aber nicht allein Fremde sind dieser Fatalität ausgesetzt, nein selbst Holländer – in der Colonie geborene oder hier seit langen Jahren ansäßige, müssen, wenn sie weiter als Buitenzorg wollen, einen Paß und die Erlaubniß dazu von der Regierung haben, ja in den einzelnen, den Holländern wenigstens dem Namen nach noch nicht ganz unterworfenen Kreisen der indischen Kaiserreiche, wie Solo z. B. bekommen sie den noch nicht jedesmal, und ein Fremder würde dabei die entsetzlichsten Schwierigkeiten und Umstände haben.

Das sieht nun allerdings für den Fremden ungemein zurückstoßend und ungastlich von der ganzen Nation aus, und doch könnte kein so gefälltes Urtheil ungerechter seyn als dieß. Ich glaube nicht, daß es ein Land auf der Welt gibt, selbst das einst gastliche Australien nicht ausgenommen, wo der Fremde mit so viel offener Herzlichkeit und Freundschaft von jedem Einzelnen aufgenommen wird. So freundlich ich z. B. auch von all meinen Landsleuten dort aufgenommen bin, eben so freundlich sind mir die Holländer entgegengekommen; wildfremde Menschen die mich nicht kannten und sich den Henker daraus zu machen brauchten wo ich hinging oder herkam, haben mir, wo sich nur irgend die kleinste Gelegenheit bot, oft wirklich aufopfernde Gefälligkeiten bewiesen, und ich werde ihr herzliches Benehmen gegen mich gewiß nie vergessen. Auf meiner langen Wanderschaft habe ich viele liebe Erinnerungen gesammelt, Java aber gehört zu den liebsten.

Und nicht allein mir ist das geschehn – viele andere habe ich gesprochen die mir dasselbe versicherten, es ist nicht eine glückliche Laune die man vielleicht manchmal trifft – es scheint ihr Charakter zu seyn. Jeder Einzelne von ihnen ist auch diesem gezwungenen fatalen Paßwesen entgegen, jeder Einzelne äußerte ganz offen, daß es eine Schmach für Java sey, noch so weit hinter der fast schon überall fortgeschrittenen Zeit zurückzubleiben – es ist aber noch ein altes Erbstück von ihren Vorvätern, und es hält schwer solche alte Verlassenschaften los zu werden. Die »vier Räder« sind noch auf die alten Chausseen eingerichtet und müssen erst für die neuen Eisenschienen zugänglich und passend gemacht werden.

Um diesem Paßwesen oder Unwesen nun auch Kraft zu verschaffen, darf kein Hotelwirth im Inneren des Landes, kein Mandoor eines Kampongs, kein Eingeborener selbst, einen Fremden übernachten wenn er nicht seinen, vom Gouvernement ausgestellten Paß hat – kein Pferd kann er, keinen Kuli bekommen ohne dieß verzweifelte Papier, und reist er nach irgend einem bestimmten Platz, so fordert man sogar noch von ihm daß er allein die große Straße hält und nicht links oder rechts ab Seitentouren macht – doch wird darauf wohl nicht so streng gesehen.

Sich im Inneren des Landes niederzulassen ist für den Fremden ein vollkommen unmögliches Ding, er müßte denn dazu eine spezielle Erlaubniß von der Regierung in Holland und eine gleiche hier in Java bekommen, und ich glaube kaum daß die je ertheilt werden würde. – Der Holländer, d. h. die Colonial-Regierung will sich die Fremden so viel wie möglich vom Halse halten, und ich glaube daß dazu nicht wenig die Furcht vor den Engländern mit beiträgt, die sich gar so gern irgendwo einnisten, und sich dann später auf ihrem plötzlich von den Eingeborenen auf irgend eine Art erworbenen Eigenthume beschützen lassen. Das Stück haben sie schon in allen Welttheilen und Himmelsstrichen gespielt, und der Holländer scheint ihnen darin nicht gern Vorschub leisten zu wollen – was ich ihm auch eigentlich nicht verdenken kann.

Nun hat man allerdings noch mehr Entschuldigungen für das Paßwesen; so wird eine besonders hervorgehoben, daß die javanischen Häuptlinge und die Javanen überhaupt, gern ihr Geld an Goldschmuck und Juwelen wegwerfen, und darin wirklich enorme Summen verschleudern, und man deßhalb es in Händen haben wollte, Leute, von denen es bekannt ist daß sie mit der Absicht solche Gegenstände zu verkaufen ins Land gehen wollten, verhindern zu können jene Distrikte zu bereisen. Das mag viel für sich haben, ist aber doch nur ein schwacher Grund, denn überall in den kleinen Städten haben Chinesen ihre Läden aufgeschlagen, denen man weit eher die Erlaubniß zur Niederlassung zu geben scheint, und von den Chinesen können die Javanen, wenn sie nur wollen, Alles bekommen; ist auch dann die Versuchung nicht so stark, als wenn ihnen die Sachen gleich vor Augen ausgelegt werden.

Doch wie dem auch sey, das schöne Java ist dem Fremden, wenn er nicht in einer der ungesunden Hafenstädte bleiben will, vollkommen abgeschnitten, und wird es auch bleiben bis entweder einmal die holländische Regierung zu lieberaleren Principien übergeht, oder das Land selber wieder einmal, wohl ein keineswegs unmöglicher Fall, in andere Hände kommt.

Am 14. Morgens ritt ich mit Herrn Blumberger, der in Geschäften nach Batavia gekommen war, gen Tjipamingis, aber ich muß Dir die Beschreibung unserer allerdings interessanten Fahrt, mit Pfauen- und Saujagd und was wir Alles da oben erlebten, hier vorenthalten, lieber Leser, denn zuviel des mir zugemessenen Raumes habe ich schon auf solche Skizzen gewandt. Auch fürchte ich wirklich, daß sie dich auf die Länge der Zeit ermüden möchten, – und ich erzähle dir das Alles lieber ein ander Mal.

Wie ich mich denn in den Bergen nach Herzenslust müde gelaufen hatte, übergab ich mein weniges Gepäck, Wäsche etc. was ich mit herausgenommen, einem Kuli, zu Pferd nicht damit belästigt zu seyn, und trabte frisch und fröhlich durch die herrlichen wundervollen Berge nach Batavia zurück, hie und da nur haltend in den einzelnen indischen Kampongs, eine Cocosnuß zu trinken, eine Handvoll Reis zu essen und mit den freundlichen Eingeborenen – so gut das eben anging, zu plaudern oder vielmehr malayisch zu radebrechen.

Eine javanische Eigentümlichkeit konnte mir übrigens hier nicht entgehn – eine merkwürdige Vorliebe nämlich, welche die Eingeborenen für Tauben zu haben scheinen, denn keine Hütte passirte ich fast, wo nicht ein oder mehre dieser allerliebsten kleinen Thiere, nicht größer als eine Amsel, in hölzernen Bauern hingen. Dieß ist übrigens nicht allein eine Liebhaberei, sondern beruht auf einem, wie es scheint ziemlich allgemein verbreiteten Aberglauben. Die Javanen behaupten nämlich, daß diese Thiere ein ungemein hohes Alter erreichen sollen, wobei sie allerdings nur gewöhnliche Tauben bleiben; sollte es ihnen aber einmal gelingen, eine bis zu voll hundert Jahr zu bringen, dann ist ihr Glück gemacht, denn von dem Augenblick an beginnt die Taube diamantene Eier zu legen. Solcher Art sollen sich diese Tauben von Geschlecht auf Geschlecht vererben und je älter sie sind, desto höher steigen sie auch natürlich im Preis, ja eine Familie müßte schon sehr in Noth seyn, wenn sie dazu bewogen werden könnte eine ihrer alten Tauben, von denen sie genau die Jahre kennen, zu verkaufen.


 << zurück weiter >>